Schwarzes Eis von BluejayPrime ================================================================================ Prolog: -------- Winzige Metallfüße trippeln über meine rechte Schulter. Meine Sensoren reagieren kaum darauf, die Kälte lähmt sie. Meine Optics sind bereits fast eingefroren. Ich kann mich nicht bewegen. Scalpel klettert etwas höher und ich kann spüren, wie er über die metallene Schutzpanzerung rutscht, die noch immer mein Gesicht bedeckt. Er summt leise vor sich hin, als er sich daran macht, die Panzerung zu entfernen. Meine akustischen Sensoren nehmen ein leises Scharren wahr, als er sich auf die Suche nach den Halterungsschrauben macht. "Prime..." Durch die verzerrten Schemen, die meine beschädigten Optics als einziges wiedergeben, schiebt sich Megatrons Gesicht. Reflexartig will ich nach ihm schlagen, doch die Kälte hat sämtliche Energieleitungen meines Körpers gelähmt, und die einzige Reaktion, die ich zeigen kann, ist ein leichtes Zucken meiner Fingerspitzen. Dennoch gelingt es mir, wenigstens schwach seinen Namen zu flüstern; ich will ihm nicht den Triumph gönnen, mich völlig ohnmächtig zu sehen. Scalpel ist es gelungen, die Panzerung an meinem Gesicht zu entfernen; achtlos wirft er sie beiseite. Winzige Scheren schnappen vor meinen Optics zu. "Panzerung entfernt.", schnarrt Scalpels leise Stimme. Megatron schwenkt etwas quadratisches vor meinem Gesicht, und es dauert noch etwas länger, bis mir klar wird, dass es der Allspark ist. "Du hast versagt, Prime." Was er noch hinzufügt, verliert sich irgendwo auf dem Weg zwischen meinen fast eingefrorenen Sensoren und meiner Festplatte, doch ich kann es mir denken. Megatron hat den Allspark, und das bedeutet, der Junge ist tot. Dunkel erinnere ich mich an die schlaksige Gestalt eines menschlichen Teenagers, die sich an eine Statue am Rand des Daches klammert, von der Wucht der von Megatron ausgelösten Explosion durch die Luft geschleudert wird und weniger als einen Meter von meiner Hand entfernt, die ich ausgestreckt habe, um ihn zu retten, zu Boden stürzt. Der Junge ist tot. Die Decepticons haben den Allspark. Das Bild vor meinen Optics verschwimmt wieder, als Scalpels Zangen hinter die durchsichtige Membran vor meinen Optics gleiten und mein Körper automatisch Reinigungsflüssigkeit dorthin leitet, um den Fremdkörper zu beseitigen. "Deaktiviere optische Sensoren.", schnarrt Scalpel; blitzschnell finden seine Zangen ihr Ziel, es knackt und die Welt vor meinen Optics wird schwarz. Megatrons Schritte entfernen sich, ich kann hören, wie er Scalpel anweist, mehr Stickstoff einzuleiten, um meinen Körper bewegungsunfähig zu halten. Ich bin Optimus Prime, und ich sende diese Botschaft an alle Autobots, die in den Sternen Zuflucht suchen: Haltet euch von diesem Planeten fern. Der Krieg ist verloren. Kapitel 1: Eins --------------- Der Weltraum… Fast vollkommen regungslos stand der Kreuzer im Weltall. Natürlich trog hier der Schein, denn das Schiff bewegte sich mit Überlichtgeschwindigkeit, doch durch die Fenster war das kaum zu sehen. Elita One stand auf der Kommandobrücke der Xantium und sah durch das Frontfenster hinaus. Vor ihren Optics erstreckte sich die schwarze Unendlichkeit des Alls. Das letzte Zusammentreffen mit den Decepticons hatte tiefe Kratzer im Rumpf des Schiffes hinterlassen, doch das war lange her. Auf andere biologische oder mechanische Wesen waren sie schon seit einer gefühlten Ewigkeit nicht mehr getroffen. Alle Kontrollleuchten auf dem Armaturenbrett blinkten im völlig normalen Bereich. Elita verschränkte die Arme hinter dem Rücken und ging langsam auf der Kommandobrücke auf und ab. Arcee, ihr First Lieutenant, hatte auf dem Sitz des Bordschützen Position bezogen und überwachte die Instrumente – etwa alle halbe Stunde berichtete sie ihr, dass es eben nichts zu berichten gab. Elita seufzte leise. In jedem Krieg gibt es Ruhephasen zwischen den Stürmen., hallte eine Stimme durch ihren Kopf, die sie schon seit Ewigkeiten nicht mehr gehört hatte. Ein leichtes Schmunzeln huschte über ihr Gesicht und sie stützte sich nach vorn auf das Geländer. Natürlich gab es Ruhephasen, aber diese hier dauerte ihr fast schon zu lange. Das Geräusch von Schritten ließ sie hochschrecken; sie drehte sich ein wenig fragend zu Mirage um, der hinter ihr auf die Brücke getreten war. „Gibt es ein Problem?“ Der Autobot grinste und trat neben sie. „Sollte es eins geben?“ Elita lächelte müde. „Das wäre mir fast lieber.“ Sie drehte sich wieder dem Frontfenster zu. Mirage musterte sie einen Moment lang nachdenklich. „Hast du mal versucht, ihn einfach anzufunken?“, fragte er ruhig. Elita verzog das Gesicht. „Mirage, Optimus Prime und ich haben uns seit ungefähr zweitausend Jahren nicht mehr gesehen. Egal, was früher zwischen uns war, ich glaube kaum, dass es zweitausend Jahre anhält.“ Mirage antwortete nicht, doch er grinste immer noch. Hinten am Kontrollpult zog Arcee die Stirnplatten zusammen. „Chefin? Komm mal her, das musst du dir ansehen.“ Elitas Blick huschte zu Arcee; rasch eilte sie zu ihr hinüber. „Hast du was gefunden?“ Die Worte blieben ihr im Sprachzentrum stecken, als sie auf den Bildschirm sah. Was sie vor sich hatte, war ein Notsignal – von einem Autobot, bei dem wohl kein Mitglied ihrer Besatzung jemals gedacht hätte, dass er in die Situation käme, eines zu senden. Erde. „This is John Connor. If you are listening to this, you are the resistance.“ Bumblebees Radio weckte Mikaela im Morgengrauen. Müde blinzelte sie durch die staubige Autoscheibe – sie hatte auf Bumblebees Rücksitz geschlafen, das tat sie eigentlich immer. Es gab nicht allzu viele Schlafgelegenheiten für die menschlichen Mitglieder ihrer kleinen Truppe, allerdings war sie die einzige, die Bumblebee auf seiner Rückbank schlafen ließ. Sie setzte sich auf und strich sich flüchtig die dunklen Haare glatt. Der Wagen war zum Stillstand gekommen; sachte strich sie Bumblebee über die Rückenlehne des Vordersitzes. „Seid ihr die ganze Nacht gefahren?“, fragte sie leise. „Aye, Captain!“, antwortete das Radio. Sie nickte leicht und lehnte flüchtig die Stirn gegen die Kopfstütze. „Wo sind wir?“ „New York, New York!“, trällerte Bumblebee. Mikaela öffnete die Autotür. Natürlich war draußen von der Stadt, die niemals schlief, nicht mehr allzu viel übrig – ebensowenig wie vom Rest der menschlichen Zivilisation, zumindest so weit, wie Mikaela das in den letzten Wochen hatte feststellen können. Graue Reste dessen, was einst eine Skyline voller Wolkenkratzer gewesen war, ragten wie skelettierte Finger gen Himmel. Aus den meisten Scheiben war das Glas herausgebrochen und zwischen manchen Steinen wuchs bereits dunkelgrünes Moos. Autos standen kreuz und quer mitten auf der Straße und die Reste eines Schulbusses hatten sich nicht weit von Mikaelas Schlafplatz entfernt in eine halb eingestürzte Mauer gegraben. Von ihrer Position aus konnte sie durch das Fenster auf der Fahrerseite spähen; skelettweiße Finger umklammerten das Lenkrad. Sie biss sich auf die Unterlippe und wandte rasch den Blick ab. Immerhin waren sie nicht allein. Ironhide und Ratchet parkten wenige Meter weiter, ihre Insassen waren offenbar ebenfalls gerade zum Leben erwacht, und in ihrer Begleitung befand sich der Rest ihres Trupps, verteilt auf alte Militärlaster und andere Fahrzeuge. Captain William Lennox, der Mann, dessen Führung sie sich mehr oder minder aus Mangel an Alternativen anvertraut hatten, schien in den letzten Monaten sichtbar gealtert zu sein. Unter seine Augen gruben sich tiefe Schatten und das Lächeln auf seinem Gesicht, mit dem er Mikaela flüchtig begrüßte, hatte zu Anfang ihrer Bekanntschaft definitiv herzlicher gewirkt. Mit seiner Frau Sarah war eine ebenfalls drastische Veränderung vor sich gegangen. Sie trug die gleiche Art Militäroverall wie Mikaela, und das Maschinengewehr auf ihrem Rücken bildete einen seltsamen Kontrast zu der kleinen Annabelle, die sie auf dem Arm trug, und die letzten Wochen, in denen sie kaum dazu gekommen waren, sich auf die Suche nach Nahrung zu machen, hatten deutlich an ihr gezehrt. Ihre Truppe schien über Nacht geschrumpft zu sein, wie Mikaela feststellte. Nach der furchtbar verlorenen Schlacht in Mission City waren sie eine kleine Gruppe von Autobots und Menschen gewesen, vielleicht zwanzig Kopf stark; sie waren Hals über Kopf geflohen und hatten buchstäblich abtauchen müssen. Viele von ihnen hatten die nächsten paar Tage nicht überlebt, teils aufgrund ihrer Verletzungen, teils direkt durch die Decepticons, die sie verfolgt hatten. Sie waren quer durch die Vereinigten Staaten geflohen, hatten hier und da Flüchtlinge aufgegabelt, ebenso wie einige Verwandte der überlebenden Marines, so auch Lennox‘ Familie, und daher stammte auch die Angewohnheit der Autobots, die Nacht über nicht fest an einem Standort zu bleiben. Zwischendurch war ihre Zahl wieder gewachsen, doch es beschlossen immer wieder einige, dass ihnen das Überleben allein viel leichter fiel. Natürlich hörten sie nie wieder etwas von ihnen. „New York.“, murmelte Lennox, „New York, New York ist gut.” Er wandte sich zu Bumblebee und den restlichen Autobots um, nachdem er seine Frau mit einem Kuss auf die Stirn begrüßt hatte. „Mit etwas Glück ist den Decepticons nicht klar, wie weit sich das Tunnelsystem unter New York erstreckt.“, erklärte er mit etwas lauterer Stimme, „Vielleicht haben wir heute Nacht ein Dach über dem Kopf… oder zumindest sowas ähnliches.“ Mikaela nickte leicht und nahm auf Bumblebees Fahrersitz Platz. Das Handschuhfach sprang auf und enthüllte ihre Pistole und zwei Müsliriegel, die sie sorgsam für schlechte Zeiten dort verstaut hatte. „Schlechte Zeiten“ bedeutete in diesem Fall, dass die eher etwas unbeholfeneren Jagdversuche von Lennox‘ Leuten nicht allzu effektiv gewesen waren, und momentan war das leider Gottes der Fall. Sie seufzte leise und zog einen der Riegel hervor, um ihn aufzureißen. Das würde wohl ihr Frühstück sein. „Hast du letzte Nacht irgendwo Optimus orten können, Bee?“, fragte sie leise. „Keine Lebenszeichen.“, surrte das Radio traurig. Sie nickte schwach und lehnte sich ein wenig zurück. Keine Lebenszeichen. Eigentlich hatte sie mit nichts anderem gerechnet. Seit dem Tag in Mission City gab es keine Lebenszeichen mehr von Optimus Prime. Seit sie, Lennox und die restlichen Autobots nur hilflos dabei hatten zuschauen können, wie Megatron Sam Whitwicky vom Dach geschleudert hatte, wie er den Allspark aktiviert hatte und sich die Maschinen von Mission City alle gleichzeitig gegen sie gewandt hatten. Es hatte Jazz und viele Unschuldige das Leben gekostet, und besonders Bumblebee gab sich die Schuld dafür, dass er Optimus nicht hatte helfen können, als die Decepticons ihn überwältigt hatten. Immerhin hatten sie ihn nicht umgebracht… oder zumindest nicht an Ort und Stelle. Mikaela konnte sich schwer vorstellen, dass es für die Decepticons irgendeinen Sinn machte, Optimus Prime acht Monate lang am Leben zu lassen, während sie damit beschäftigt waren, die Erde zu erobern. Kapitel 2: Zwei --------------- Zähflüssiges Energon tropft langsam meinen Arm hinunter. Ich zähle die Tropfen und kann spüren, wie sie auf meiner Lackierung gefrieren. Eins, zwei, drei, vier… Auf der Akademie bringen sie den zukünftigen Offizieren bei, wie man einem Verhör widersteht. Ich hatte einen guten Lehrer. Leider stellt Megatron mir keine Fragen. Ich kann spüren, wie Scalpel auf mir herumklettert; er gibt zischende Laute von sich und scheint sich selbst Anweisungen zu erteilen, die ich kaum verstehe. Fünf, sechs… sieben… Sachte kratzen seine Beine auf meiner Lackierung, als er von mir herunterklettert. Acht. Neun. Ich zwinge mich, weiter zu zählen. Ich darf nicht offline gehen, mein Signal muss übertragen werden. Zehn. Ein Stromschlag schießt durch meinen Körper, und ich weiß, ich würde schreien, wenn mein Sprachzentrum noch funktionstüchtig wäre. Mit einem schrillen Geräusch überlasten die feinen Drähte in meinen akustischen Sensoren und ich bin allein, blind und taub in der Dunkelheit mit Scalpel, der sich mit chirurgischer Präzision daran macht, die Panzerung an meinem verletzten Arm zu entfernen. „Nichts für ungut, Sideswipe, aber du bist schon mal besser gelandet.“ Die Zwillinge tobten hinter Arcee aus dem Raumschiff, als sie ins helle Sonnenlicht trat und kurz die Optics zusammenkniff. „Hier sieht’s aber nicht so aus, als würden hier viele Fleischlinge leben.“, bemerkte sie. Sideswipe hob sie hoch und ließ sie auf seiner Schulter sitzen, damit sie ihn beim Sprechen ansehen konnte; immerhin war sie kaum halb so groß wie er. „Vielleicht müssen wir sie erst suchen.“, bemerkte er, „Vielleicht leben sie… unter der Oberfläche oder so.“ Arcee verzog das Gesicht und schmiegte sich an seine Schulter. „Hier sieht’s nicht so aus, als würde hier irgendwas leben.“, sagte sie leise. Es sah aus wie auf Cybertron. Nach dem Krieg. Elita folgte ihnen aus dem Raumschiff. „Auf den Sensoren sind auch kaum Lebensformen zu entdecken.“, antwortete sie ruhig, „Aber wir sind nicht hier, um Studien durchzuführen. Wir müssen Optimus und seine Einheit finden.“ In den Tunneln herrschte fast völlige Stille. Für die Autobots war genug Platz, um zu fahren; das war gut, denn wenn sie ihre Fahrzeuge an der Oberfläche hätten zurücklassen müssen, hätte sie das vermutlich erstens um einen großen Teil ihrer Mobilität gebracht und zweitens wäre die Wahrscheinlichkeit größer gewesen, von den Decepticons entdeckt zu werden. Anfangs waren die Tunnel so dicht unter der Oberfläche verlaufen, dass gelegentlich Stücke aus der Decke herausgebrochen waren und Sonnenlicht hineingeschienen hatte, doch nachdem sie sich tiefer in das System hinein bewegt hatten, war das nach und nach weniger geworden, und das Licht der Autoscheinwerfer war nun das einzige, was die Dunkelheit durchbrach. Mikaela hatte auf Bumblebees Fahrersitz Platzgenommen, der hinter Ironhide her im Schritttempo fuhr; Sarah und Annabelle Lennox leisteten ihr auf der Rückbank Gesellschaft, während Captain Lennox selbst ihre kleine Kolonne zu Fuß anführte. Er und die verbliebenen Marines patrouillierten um die Autobots und die vier Militärfahrzeuge, die größtenteils zivile Flüchtlinge transportierten, herum, und bildeten damit das einzige Leben, was Mikaela durch Bumblebees Scheiben hindurch im Scheinwerferlicht erkennen konnte. Das Licht im Innenraum hatte Bumblebee in weiser Voraussicht ausgeschaltet, um eventuellen Angreifern kein Ziel im Inneren zu bieten. Zwar hätte kaum einer der Decepticons, die Mikaela in Mission City gesehen hatte, die Größe gehabt, um durch diese Tunnel zu passen – oder zumindest hoffte sie das – , doch sie hatte im Verlauf der letzten acht Monate gelernt, dass es auch andere, wesentlich kleinere Decepticons gab. Ihre Pistole lag auf dem Beifahrersitz und im Moment lag das Scharfschützengewehr, das Lennox ihr überlassen hatte, quer auf ihrem Schoß. „Hast du zufällig eine Idee, was wir hier unten essen sollen, Bumblebee?“, murmelte sie. Bumblebee gab einen kurzen, nachdenklichen Laut von sich. „Ratten, überall Ratten!“, verkündete er schließlich. Mikaela verzog das Gesicht. Ratten. Na wunderbar. Unter anderen Umständen hätte sie Bumblebees Vorschlag vermutlich angewidert abgelehnt oder sogar als Beleidigung aufgefasst, doch in Anbetracht ihrer momentanen Umstände… vermutlich gab es hier unten wirklich viele Ratten. Sie hatte mal irgendwo gelesen, wenn man hungrig genug war, dann schmeckte alles wie Hühnchen. Anscheinend würde sie es ausprobieren müssen. Glücklicherweise hatte Annabelle bisher nicht allzu viel Unmut angesichts ihrer Tunnelexpedition geäußert; friedlich schlafend lag das Baby in den Armen seiner Mutter. Etwas klopfte sachte an Bumblebees Fenster und Mikaela erlitt beinahe einen Herzinfarkt, bis ihr klar wurde, dass es Lennox war. Folgsam fuhr Bumblebee die Fensterscheibe herunter. „Ist alles in Ordnung bei euch?“, fragte er leise, „Mikaela, Sarah?“ Sarah nickte leicht und lächelte ihrem Mann flüchtig wenn auch müde zu. Mikaela nickte ebenfalls. „Wie lange sind wir noch unterwegs?“, fragte sie leise. Lennox‘ Blick huschte flüchtig über die Tunnelwände, während er langsam neben Bumblebee herging. „Vielleicht eine Stunde.“, sagte er ruhig, „Ich will sichergehen, dass man zumindest eine Weile braucht, um bei uns anzukommen, falls uns jemand gefolgt ist.“ Flüchtig sah er auf Bumblebees Navigationssystem hinab. „Wie steht’s bei euch? Habt ihr zufällig irgendwas vom Prime aufgeschnappt?“ „Keine Lebenszeichen.“, wiederholte Bumblebee traurig seinen Text vom Vormittag, fügte jedoch gleich hoffnungsvoll hinzu: „Er stirbt nicht. …müssen… finden! …alles wird gut!“ Mikaela strich Bumblebee sachte über das Lenkrad. „Es wäre auf jeden Fall ein ziemlicher Motivationsschub, wenn wir ihn finden würden.“ Sie lehnte sich ein wenig mehr zurück und sah Lennox an. „Habt ihr irgendwas gefunden? Ich hab‘ mal gelesen, in den Tunneln unter New York sollen angeblich ein paar tausend Menschen leben.“ Lennox‘ Mundwinkel zuckten leicht in einem erfolglosen Versuch, den Gedanken auszublenden, was mit den paar tausend Menschen in der Zwischenzeit alles hatte passieren können. „Bisher scheint niemand zuhause zu sein.“, antwortete er, „Aber wir haben auch keine, äh, Überreste gefunden. Ich schätze, wir sind noch nicht tief genug drin.“ Flüchtig wanderte sein Blick zu seiner Ehefrau zurück, die die Schläfe gegen Bumblebees Fensterscheibe gelehnt hatte und offensichtlich versuchte, ein wenig zu schlafen. „Hoffentlich freuen die sich dann über Besuch.“, murmelte er und trat von Bumblebees Fenster zurück, damit der seine Scheibe wieder schließen konnte. Kapitel 3: Drei --------------- Es schien mehrere Stunden zu dauern, bis Mikaela im Scheinwerferlicht schemenhaft erkennen konnte, wie Lennox das Zeichen zum Anhalten gab. Offensichtlich hatten sie einen Kreuzungspunkt mehrerer Tunnel erreicht, sodass die Autobots genug Möglichkeiten hatten, ein wenig auszuschwärmen und die Gegend abzusichern; ihre Mitfahrer stiegen aus und überließen das Bumblebee mit Mikaela am Steuer. Die verbliebenen Fahrzeuge wurden ein wenig unbeholfen halbkreisförmig aufgestellt in einem Versuch, eine Art Wagenburg zu errichten; Mikaela ließ der Gewohnheit halber die Hände auf Bumblebees Lenkrad ruhen. „Hast du irgendwas entdeckt, Bee? Obdachlose? Flüchtlinge? Decepticons? Mutierte Zombies mit Hunger auf menschliches Hirn?“ Ihr letzter Kommentar war natürlich nur scherzhaft gemeint gewesen, doch es steckte ein Funken Wahrheit darin. Selbst nach acht Monaten weigerte sich irgendein Teil von ihr, das hier als etwas anderes zu sehen als eine kranke Real-Life-Version von Resident Evil. Mit Robotern. „Keine bösen Jungs.“, meldete Bumblebee, „Da ist überhaupt nichts.“ Sie nickte, zumindest ein bisschen beruhigt, obwohl die offensichtlich völlige Abwesenheit von Menschen dennoch unwillkürlich ein Gefühl der Beklemmung in ihr auslöste… wie in jeder völlig desolaten Stadt, in die sie kamen. Es hatten einmal sieben Milliarden Menschen auf diesem Planeten gelebt, davon konnten doch jetzt nicht nur noch etwa dreißig übrig sein? Nun ja, sie hatte mit eigenen Augen gesehen, wie die Decepticons den Hoover-Staudamm dem Erdboden gleich gemacht hatten. Dort war wohl niemand mit dem Leben davon gekommen, und wenn die Decepticons eine ähnliche Praxis einfach in jeder Stadt, jeder Metropole und jedem winzigen Bergdorf anwandten, in das sie kamen, dann… Sachte strich sie mit der flachen Hand über die Innenseite von Bumblebees Tür. „Bee?“, fragte sie leise, „Glaubst du… na ja, glaubst du, Optimus Prime ist noch am Leben?“ Einen Moment lang schwieg Bumblebees Radio. „We fight ’til dying.“, antwortete er schließlich zögerlich mit der Melodie eines Popsongs, den Mikaela selbst einmal recht gerne gehört hatte, und fügte aus demselben Lied hinzu: „I know we will be fine.“ Mikaela seufzte tief. Immerhin schien Bumblebee sich einen gewissen Rest Hoffnung bewahrt zu haben, aber… nun ja, seine erste Antwort ließ sich auf diese und jene Weise auslegen, nicht wahr? „Was glaubst du, warum können wir ihn nicht aufspüren?“ „Soundwave.“, antwortete Bumblebee, „Blockiert. Versteckt. Wie… im Staudamm. Betonwände. Großer… Staudamm.” Mikaela lächelte müde. „Weißt du, wie viele große Staudämme es auf der Welt gibt? Es könnte auch irgendein unterirdischer Bunker sein oder… na ja, irgendwas, was eure Strahlung so weit abfängt, dass man weder ihn noch den Allspark aufspüren kann.“ „ Wir müssen… suchen. Nicht aufgeben. Würde er auch nicht.“ Bumblebee ließ flüchtig seine Scanner ausschweifen, für einen kurzen Moment krochen hellblaue Lichtstrahlen die Wände entlang. „Alles sicher.“, verkündete der Autobot dann, öffnete die Tür, um Mikaela aussteigen zu lassen und transformierte sich, wobei er den Kopf einziehen musste, „Lagebesprechung?“ Ratchet und Ironhide hatten sich ebenfalls bereits transformiert; offensichtlich waren die Tunnel ein wenig zu niedrig für die Autobots, um aufrecht darin stehen zu können. Bumblebee setzte sich und Mikaela kletterte kurzerhand sein Knie empor, um sich auf sein Bein setzen zu können, während Ratchet und Ironhide ebenfalls Platz nahmen. Lennox und Epps gesellten sich zu ihnen, im Schlepptau einige weitere ihrer überlebenden Kameraden von den US-Marines. Noch immer überraschte es Mikaela ein wenig, wenn die Autobots Bilder mit ihren Optics projizierten; Bumblebee hatte es jedoch tatsächlich irgendwie geschafft, einen Plan des New Yorker Tunnelsystems aufzustöbern, so weit das Tunnelsystem denn noch dokumentiert gewesen war. Aus welchem System er das wohl geholt hatte? „Here we are.“, verkündete Bumblebees Radio und seine Optics projizierten auf der hellblauen Karte zusätzlich einen roten Punkt recht dicht an einem der Eingänge. Lennox nickte leicht. „Das sieht doch schon mal gar nicht so übel aus.“, sagte er, „Können eure Sensoren uns hier drin wahrnehmen?“ Die drei Autobots tauschten einen kurzen Blick. „Die Decepticons haben Soundwave.“, knurrte Ironhide deutlich unerfreut, „Der findet alles.“ Michaela verzog das Gesicht – das klang gar nicht anheimelnd, aber es erklärte vieles. „Und wie weit müssen wir in die Tunnel gehen, damit man uns nicht mehr finden kann?“ „Das Problem ist nicht die Entfernung zum Ausgang.“, antwortete Ratchet ihr, „Das Problem ist die Entfernung zur Oberfläche. Wir müssen tiefer unter die Erde. Etwa so tief, wie der Staudamm war – da war Megatron all die Jahre über gut versteckt und wir konnten ihn nicht orten. Genauso wenig den Allspark.“ Flüchtig strich sich Mikaela eine dunkle Haarsträhne aus dem Gesicht. „Ich weiß, ich weiß.“ Bisher hielt sie die Hoffnung in Bewegung, dass Optimus Prime sich an einem ähnlich unwegsamen Ort befand, und auch deshalb wechselten sie so oft wie möglich den Standort – sie suchten alle potentiellen Decepticonverstecke ab, die genug Beton aufwiesen, um dort einen Cybertronier von Optimus‘ Größe langfristig verstecken zu können. Genau genommen gründete sich darauf ihre gesamte Hoffnung. „Es gibt tiefere Tunnelgebiete.“, sagte Lennox nachdenklich, „Ich weiß noch, irgendwann in der Highschool musste ich dazu mal einen Vortrag machen. Die Tunnelschichten ganz unten sind noch aus der Gründerzeit von New York… ich vermute, da kann uns niemand mehr aufstöbern. Aber ich weiß nicht, ob da ein Auto reinpasst…“ „Solange er nicht selbst in den Tunneln ist.“, antwortete Ratchet mit Nachdruck, „Wir brauchen Wachposten an jedem einzelnen Eingang, die uns warnen können. Mit etwas Glück sind die Tunnel so verworren, dass sie uns orten, aber nicht zu uns durchdringen können… andererseits befürchte ich, dass sie sich dann einfach durchgraben.“ Obwohl die Vorstellung ganz und gar nicht zum Lachen war, huschte ein müdes Lächeln über Mikaelas Gesicht. „Na ja, es ist auf jeden Fall die beste Alternative bisher.“, sagte sie leise. „Elita!“ Arcees Ruf riss sie aus der Stasis, in die sie sich gegen Morgen mühsam zurückgezogen hatte; blitzschnell war sie auf die Beine gesprungen. Arcee saß einige Meter weiter auf Sideswipes Schoß und hatte den Navigationsschirm vor sich. „Habt ihr irgendwas gefunden?“, fragte sie hastig, „Optimus? Irgendwen von den anderen?“ „Optimus nicht.“ Arcee verzog das Gesicht. „Tut mir leid, Elita. Aber wir haben Bumblebee, Ratchet und Ironhide orten können.“ Mit einem Lächeln zeigte sie ihr den Schirm. „Wenn wir uns beeilen, dann können wir in zwei bis drei Stunden bei ihnen sein. Sie bewegen sich zwar, aber ziemlich langsam. Vielleicht sichern sie Flüchtlinge oder so.“ Langsam ließ sich Elita neben die beiden sinken. „Ja, vielleicht.“, sagte sie leise. Die Zwillinge schnarchten in einiger Entfernung in ihren Stasiskapseln vor sich hin, ebenso wie der Rest ihrer Truppe; Mirage und Sunstreaker überwachten ihre Umgebung. Zum Schlafen hatten sie sich wieder in ihr Schiff zurückgezogen, dass ihnen in dieser Welt wohl den meisten Schutz bot, denn ihr Schiff war wesentlich besser abgeschirmt als jedes der halb zerfallenen Gebäude draußen es hätte sein können. Sie straffte die Schultern und richtete sich wieder auf. „Na gut. Weckt die anderen, wir starten.“ Triumph. Ein wunderbares Gefühl. Nach so langer Zeit. Lebendigkeit. Das Energon durchströmt einem doppelt so schnell die Adern, pulsierendes Leben, das viel zu lange erstarrt war. Der Allspark. Optimus Prime. Wunderbare Trophäen. Der Sieg ist unser. Die Zivilisation der Menschen ist so gut wie vernichtet. Zeit, den Allspark einzusetzen und ihnen den Rest zu geben, um weiterzuziehen. Es ist lange her, seit ein Decepticon ihn zu Gesicht bekommen hat. Das Gefühl ist… anders. Irgendetwas stimmt nicht, etwas ist falsch. Das Energon in seinem Inneren bringt die cybertronischen Markierungen darauf nicht mehr zum Glühen. Die Wärme, angestaute Energie, die einen Ausweg sucht, ist verschwunden. Wut. Ein altbekanntes Gefühl. Das-ist-ein-Trick-all-die-harte-Arbeit-umsonst-das-kann-nicht-sein… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)