Deduktion am Beispiel? von abgemeldet (Sherlock kann DOCH fühlen!) ================================================================================ Kapitel 1: Deduktion am Beispiel? --------------------------------- Deduktion am Beispiel? Sherlock öffnete benommen die Augen. Er fühlte sich merkwürdig. So schwer, als ob jemand auf seiner Brust sitzen würde. Dazu kamen die Kopfschmerzen. „Sherlock? Hören Sie mich?“, Johns Stimme schwemmte in sein Bewusstsein. Er nickte, zu mehr war der Detektiv gerade nicht im Stande. „Gott sei Dank. Wie geht es Ihnen?“, der Doktor klang überaus besorgt. „Was ist passiert?“, Sherlocks Stimme war brüchig und zitterte. Angestrengt sah er sich um. Er lag auf der Couch im Wohnzimmer der Wohnung in der Bakerstreet 221b, die er mit Watson nun seit gut 3 Monaten bewohnte. „Sie haben vermutlich ein Schlafmittel verabreicht bekommen.“, äußerte John und kniete neben seinem Freund & Kollegen in Kopfhöhe nieder. „Wie bin ich hier her gekommen?“, fragte der Detektiv. „Ich kam von einem Treffen mit einem Bekannten aus der Universität gegen Mitternacht zurück, da lagen Sie draußen im Regen vor der verschlossenen Türe, den Schlüssel noch in der Hand. Sie waren bewusstlos, ich habe Sie hier her getragen und versucht Sie zu wecken. Nun sind bereits 2 Stunden vergangen.“ „Was lässt Sie zu dem Schluss kommen, dass ich ein Schlafmittel verabreicht bekommen habe?“ „Weil so eine tiefe Bewusstlosigkeit kaum einen anderen Schluss zulässt, zumal Sie keinerlei äußere Verletzungen haben. Sie könnten das Mittel auch selbst genommen haben, wobei ich mich allerdings frage, warum Sie das –wenn es so wäre- nicht in der Wohnung gemacht haben.“, erklärte John und legte Sherlock einen kalten, feuchten Lappen auf die Stirn. „Verdammt...“, murmelte Sherlock und machte Anstalten aufzustehen. „Bleiben Sie liegen, Sherlock. Ihr Kreislauf muss sich erst normalisieren.“, mit den Worten drückte ihn der Doktor nach unten. „Was ist gestern Abend passiert, Sherlock?“, fragte er nach einer Weile. Der Detektiv sah ihn verwirrt an. „Ich weiß es nicht. Ich war hinter einem Mann her, ein verdächtiger im Fall um die verschwundene Jade-Katze. Er ist in eine Kneipe gegangen, ich hinterher. Weiß nicht mehr welche... Oh mist. Wie kann das sein?“ „Ein Blackout durch das Schlafmittel. Eine der häufigsten Nebenwirkungen neben Kopfschmerzen und Übelkeit.“, erläuterte John und berührte ihn beruhigend am Unterarm. „Kommen die Erinnerungen wieder?“, fragte der Dunkelhaarige und sah ihn hoffnungsvoll an. „Es ist möglich, ja. Wir könnten versuchen, ihre Erinnerungen zu wecken, indem wir die Strecke wiederholt gehen. Vielleicht kommen wir dann an diese Kneipe und Sie erinnern sich dann an irgendwelche Bruchstücke von Details.“ „Na dann los!“, Holmes schwang sich vom Sofa und ignorierte Watsons Einwände. Der Arzt lief ihm hinterher und das nicht zu spät: Gerade hatte Sherlock die oberste Treppenstufe erreicht, da wurde ihm schwarz vor Augen. John griff seinen Kollegen hart am Arm und riss ihn rückwärts von der Treppe weg. Der Dunkelhaarige hatte dadurch so viel Schwung, dass er gegen Watson prallte und ihn im Sturz von den Füßen riss. Sherlock landete direkt auf ihm. Der Docktor stöhnte unter dem Gewicht leise auf und hievte den Detektiv vorsichtig zur Seite. Holmes war noch blasser als sonst. Die Augen waren geschlossen, der Mund leicht geöffnet. John legte sein Ohr an Sherlocks volle, weiche Lippen und horchte. Gott sei Dank, er atmete. John tätschelte vorsichtig Sherlocks Wange. „Sherlock? Wachen Sie auf, Mann!“, der Doktor bemerkte keine Regung des Freundes und trug ihn unter einiger Anstrengung in sein Schlafzimmer. Dort legte er den Bewusstlosen in das Bett und fühlte den Puls. Er schien zu stolpern. Watson bemerkte dass Sherlocks Kleidung nur unzureichend getrocknet war und entschloss sich, ihn von den klammen Sachen zu befreien. John brauchte dazu ganze 10 Minuten. Er streifte Sherlock den feuchten Pullover und die ebenso nasse Hose ab und wickelte ihn behutsam in eine Wolldecke, bevor er das Daunenbett über ihn breitete. Besorgt fühlte er erneut den Puls des Meisterdetektivs. Er war immer noch unregelmäßig und viel zu schwach. John setzte sich neben Sherlocks Kopf auf das schmale Bett und zog seine Hand an sich, an der er weiterhin den Puls prüfte. Behutsam strich der Doktor durch Sherlocks blasses, schmales Gesicht, die weiße Haut war zart und unglaublich kalt. Hoffentlich wird er nicht krank... Watson strich ihm die dunklen Locken aus der Stirn. Hat er etwa schon wieder abgenommen? Die Wangen sind so eingefallen... Sherlock blinzelte. „John?“, sein Flüstern riss den Doktor aus seinen Gedanken. Nahezu erschrocken ließ er Sherlocks Hand los, die ihm eigentlich nur den Puls zeigen sollte. „Ja?“, fragte er leise zurück. „Wo bin ich?“, hauchte der Detektiv und schloss schmerzerfüllt die müden Augen. „In meinem Schlafzimmer. Ruhen Sie sich aus, Sherlock. Ich bleibe hier und passe auf, dass Ihr Schlaf nicht zu tief wird.“ „Aber der Fall...“ „Schlagen Sie sich den Fall aus dem Kopf! Sie sind nicht in der Lage auch nur einen Schritt zu gehen!“, erbost über Sherlocks Einwand verschränkte John die Arme vor der Brust. „Ich muss den Fall lösen, wirklich...“, keuchte der Detektiv. „Nein, Sherlock. Schlafen Sie jetzt. Diese verdammte Jade-Katze ist bei weitem nicht so viel wert wie Ihr Leben!“ Der Dunkelhaarige hustete ein leises Lachen. „ Wenn Sie wüssten...“ „Ich weiß es. Nichts, ich wiederhole: nichts darf Ihnen wichtiger sein als Ihr eigenes Leben.“ „Ihres?“, hauchte Sherlock lächelnd. Seine blutunterlaufenen grau grünen Augen waren feucht. Was ist mit ihm los? Müssen wohl Fieberträume sein... „Sherlock, tun Sie sich den Gefallen und schlafen Sie. Vergessen Sie für die paar Stunden Ihren Fall und am Besten auch alles Andere. Wenn Sie ausgeruht sind könnten sogar die Erinnerungen zurückkommen.“ Der Detektiv nickte müde und ließ seinen Kopf etwas entspannter in das weiche Kissen sinken. Es riecht nach John. Ein angenehmer Geruch. Beruhigt, dass der tüchtige Arzt in seiner Nähe war schloss Sherlock die Augen. Er spürte, wie der dunkelblonde Mann mit fachlicher Präzision sein Handgelenk ergriff und den Puls fühlte. Holmes blinzelte und sah die Besorgtheit im Blick seines Freundes. Ein starker Schwindel überkam ihn, er schloss die Augen wieder und hoffte, dass dieses schlimme Gefühl bald wieder weg sein würde. Er griff eher unbewusst Johns Hand und hielt sie fest. Der Doktor drückte sie leicht, als Zeichen dafür, dass er für ihn da war. Sherlock lächelte schwach und schlief ein. Erst am nächsten Vormittag gegen 11 Uhr öffnete der Detektiv die Augen. Die Vorhänge waren offen, aber besonders viel Licht viel dennoch nicht in Watsons Schlafzimmer, denn es regnete immer noch. Sherlock drehte angestrengt den schmerzenden Kopf zur Seite und war relativ überrascht, John neben dem Bett auf dem Fußboden an die Wand gelehnt sitzen zu sehen. Er schlief, hielt aber weiterhin Holmes Hand in seiner. Der Dunkelhaarige bewegte die Finger, sodass er über die Handfläche des Doktors streichelte und ihn dadurch weckte. John riss alarmiert die Augen auf und besah seinen Patienten. „ Guten Morgen, Sherlock.“, meinte er und kniete sich zu ihm. „Wie geht es Ihnen?“ Sherlock zuckte mit den Schultern. „Sind die Kopfschmerzen sehr stark?“, John flüsterte in Rücksicht auf die eventuellen Nebenwirkungen der K.O.- Tropfen. Der Detektiv nickte schwach und öffnete den Mund um etwas zu sagen, doch kein Ton kam über seine Lippen. Er schluckte trocken und hustete heiser. John stand auf, holte eine Flasche Wasser und ein Glas. Er schenkte seinem Freund ein und setzte ihn vorsichtig auf. Dann gab er ihm fürsorglich zu trinken. Holmes trank zu schnell, verschluckte sich und das Wasser lief daneben. Es war unangenehm kalt auf seiner nackten Brust. Watson hatte ein Handtuch in der Hand und trocknete ihn ab. „Machen Sie langsam, Sherlock.“, bat er den Mann und setzte erneut das Glas an die schönen Lippen. Sherlock befolgte dem Rat und ließ das kühle Wasser seinen Hals hinab rinnen. Noch angenehmer als das Trinken ist nur noch Johns Anwesenheit. Sein Arm, der mich stützt, seine Stimme, seine Fürsorge... Warum bloß? Wieso macht er das? Aber vor allem: Wieso gefällt es mir? Ich sollte nicht hier sein, sondern diese verfluchte Jade-Katze finden! Sherlocks gerade noch freundlichen Gesichtszüge erhärteten und er schloss die Lippen. Für John das Zeichen, das Glas zur Seite zu stellen. „Wie fühlen Sie sich, Sherlock?“, John legte den Kopf leicht schief, wie er es oft machte, wenn er überlegte. „Können Sie mir ein Schmerzmittel geben? Ich habe zu Arbeiten.“, antwortete der Dunkelhaarige und machte Anstalten, die Beine aus dem Bett zu bewegen. „Wir haben keine Schmerzmittel mehr im Haus. Aber wenn Sie mir versprechen, brav hier liegen zu bleiben gehe ich kurz rüber in die Apotheke und hole Ihnen welche.“, bot sich der Doktor an. Sherlock nickte matt und sank zurück in die Kissen. „Also gut. Es dauert nicht lange. Bin in 5 Minuten wieder hier.“ John stand auf, verließ das Zimmer, zog seine Jacke an, suchte vergebens einen Schirm und lief dann ohne einen hinaus auf die Straße. Nach einem kurzen Lauf von etwa einer Minute war er in der Apotheke, kaufte die Tabletten und rannte dann durch den strömenden Regen zurück in die Bakerstreet 211b. Er schloss auf, betrat die bescheidene Wohnung und eilte auf sein Schlafzimmer. Die Türe stand offen. Ich weiß genau, dass ich sie geschlossen habe, bevor ich ging! Dieser verdammte Idiot! Weiß er überhaupt, was er sich mit so etwas antut? Weiß er, dass es zumindest einen Menschen gibt, dem das Sorgen bereitet? Wütend betrat Watson den Raum und fand ihn wie befürchtet leer auf. Der Doktor wurde blass vor Sorge. Ruckartig drehte er sich um und wollte wieder hinaus in den Regen stürmen um nach Holmes zu suchen, da vernahm er Geräusche vom Ende des schmalen Flures. Er sah das Licht im Badezimmer, dann hörte er, wie sich Sherlock erbrach und hastete in den kleinen Raum. Er fand den Detektiv neben der Toilette auf den Boden gesunken. Der Mann hielt sich krampfhaft an dem Porzellan fest und übergab sich. John nahm einen Lappen, machte ihn nass und ging zu Sherlock. Beruhigend strich er seinem Kollegen über den schlanken Rücken, der unter den Krämpfen stark zitterte. Holmes nahm ein Bisschen Abstand zur Toilette und nahm mit dankbarem Blick den kühlen, nassen Lappen entgegen und wischte sich durch das Gesicht. „Geht es?“, fragte John besorgt und half Sherlock auf die Beine. Er nickte schwach und ließ sich von seinem Freund zurück ins Bett bringen. Vorsorgehalber stellte ihm John einen Eimer neben das Kopfende. Nur für den Fall... Dann verabreichte der Doktor ihm eine der Schmerztabletten und fühlte im Anschluss erneut den Puls. Genau so schwach wie vergangene Nacht. Wenn das nicht innerhalb der nächsten Stunden besser wird, muss ich ihn wohl doch noch ins Krankenhaus schaffen... Fürsorglich deckte der ehemalige Militärarzt seinen kranken Freund zu. „John?“, hauchte Sherlock leise und strengte sich an, die Augen auf den Dunkelblonden zu richten. „Ja, ich bin hier.“, behutsam drückte er seine Hand. „Bleiben Sie hier?“, fragte der Detektiv leise mit zittriger Stimme. „Wenn Sie es wünschen auf jeden Fall. Ich habe Sorgen, dass Ihr Puls noch schwächer wird.“ „Ja, ich wünsche es. Ich möchte nicht alleine sein.“, keuchte Holmes und hustete. Watson streichelte ihm zur Beruhigung über die Schulter. Wieso ist er so nett zu mir? Warum hilft er mir? Nur wegen seinem ärztlichen Interesse? Ich war in den vergangenen zwei Wochen so verdammt abweisend zu ihm. Hatte mit dem Fall zu tun. Aber nun... „Es tut mir leid.“, wisperte Sherlock kaum hörbar. „Was meinen Sie?“, der Doktor hielt nach wie vor seine Hand. „Dass ich Sie nicht immer so behandle und würdige wie Sie es verdienen.“ Seine schwache Stimme ist so anders als sonst. Voller Gefühle und überhaupt nicht mehr so steril und berechnend wie üblich. Es muss ihm tatsächlich hundsmiserabel gehen... „Das ist schon okay. Sie hatten zu tun. Und nun ruhen Sie sich aus. Wenn Sie erst mal genug geschlafen haben geht es Ihnen bestimmt bald besser, Sherlock.“ „Und Sie bleiben hier?“, seine brüchige Stimme klang so hoffnungsvoll, dass John im Prinzip gar nichts anderes übrig blieb. „Natürlich. Die ganze Zeit. Ich werde Sie nicht aus den Augen lassen.“ Sherlock seufzte und atmete entspannt aus. Er streichelte die Hand seines Freundes ganz behutsam. John legte eine Hand an Sherlocks Stirn und war sich sehr sicher, dass die Temperatur des Mannes mindestens erhöht war. Es dauerte nicht lange, bis Sherlocks Atmung gleichmäßig wurde. Er schlief. Hoffentlich hält dieser Zustand der Nettigkeit noch länger an. Von dieser nahezu menschlichen Seite habe ich dieses arrogante Genie sogar noch lieber. John saß über zwei Stunden an Sherlocks Kopfende ohne dass sich irgendetwas ereignete. Draußen nahm der Regen zu, dann begann ein heftiges Gewitter. Der junge Detektiv schlief sogar bei dem höllisch lauten Donnern weiter, wobei Watson vor Schreck zusammen zuckte. Erneut zuckte er zusammen, als plötzlich ihre Vermieterin, Mrs. Hudson in der Türe des Schlafzimmers stand. Sie wollte nicht als Haushälterin bezeichnet werden, benahm sich aber so. „Mr. Watson, Inspektor Lestrade steht im Flur. Er will zu Mr. Holmes und ihn in irgendeinem Fall über etwas informieren. Was ist denn mit ihm?“, erst nach ihrer Botschaft über den Inspektor fiel ihr der im Bett liegende Detektiv auf. „Er schläft. Ist krank geworden. Sehr übel gerade. Können Sie Lestrade nicht irgendwie abwimmeln?“, der Doktor sah sie etwas genervt an. „Nein, kann sie nicht.“, die dunkle Stimme des Inspektors erklang hinter Mrs. Hudson. Sie zuckte entschuldigend mit den Schultern und verschwand wortlos, als sie Watsons eisigem Blick begegnete. Der Arzt stand auf, wobei er bedauerlicherweise Sherlocks Hand loslassen musste. Der Dunkelhaarige murmelte im Schlaf, wachte aber nicht auf. „Ich bin gleich zurück, Sherlock. Machen Sie sich keine Sorgen...“ als ob er mich hören könnte... Mal sehen, was dieser dumme Esel Lestrade von ihm will. Den lasse ich nicht mal rein, wenn er bloß einen Krankenbesuch machen wollte... Watson trat in den schmalen Flur und schloss die Türe zum Schlafzimmer hinter sich. Er stand dem Inspektor verdammt nah gegenüber. „Was wollen Sie?“, fragte der Doktor mit ungewohnt harter Stimme. „Zu Holmes. Ich habe etwas für ihn.“, der Inspektor hielt eine etwa faustgroße Pappschachtel in der Hand. „Holmes ist krank und braucht seine Ruhe. Sie können mir alles sagen, ich werde es ihm ausrichten.“ „Was hat er?“, fragte der Mann, ohne näher auf Watsons Vorschlag einzugehen. „Das spielt jetzt erst mal keine Rolle. Wenn er bald wieder auf den Beinen ist und es für Richtig hält, wird er Sie schon noch informieren. Also: Was kann ich für Sie tun?“ „Geben Sie das hier Holmes. Sagen Sie ihm, es gab einen Brand in der Kneipe ‚Roter Ochse’, meine Männer haben das hier dort gefunden. Und diesen Zettel, auf dem S.H. steht. Es gibt weder Verdächtige noch Zeugen. Schönen Tag noch und Ihrem Kollegen eine baldige Genesung.“ „Danke sehr, Inspektor. Ihnen auch einen schönen Tag.“ Stümper, würde Sherlock jetzt sagen... Der Inspektor nickte zum Abschied und stieg die schmale Treppe hinab. Watson schüttelte den Kopf und ging zurück in sein Schlafzimmer. Sherlock lag unverändert in dem Bett. Seine Augen bewegten sich hinter den Lidern. Er träumte. Hoffentlich kein Fiebertraum. Wenn das Lestrades Schuld ist, mache ich ihn bei nächster Gelegenheit fertig... John setzte sich wieder neben das Kopfkissen. Sherlock öffnete seine sinnlichen Lippen einen Spalt breit. Ein leises Stöhnen drang aus seiner Kehle, ein einzelner Schweißtropfen kullerte unter seinem lockigen Pony hervor. John runzelte nachdenklich die Stirn, stand auf und holte kühle Bandagen und ein digitales Fieberthermometer für die Ohr- und Stirnmessung. Das Piepsen sagte dem Arzt nach kurzer Zeit schon, dass sein Freund offensichtlich schlecht dran war. Knapp 39°C. Damit war nicht zu spaßen. Vermutlich hatte sich der Detektiv eine heftige Erkältung zugezogen, als er draußen im Regen vor der Türe lag. John machte ihm kalte Wadenwickel außerdem legte er ihm einen kalten nassen Lappen auf die warme Stirn. Holmes rührte sich. Er blinzelte und sah den Doktor müde an. „Lestrade war hier, oder?“, hauchte er tonlos. „Ja, nicht so wichtig. Schlafen Sie ruhig weiter. Der wird sie erstmal nicht mehr behelligen.“ „Was wollte er?“ Und wieder einmal lässt sich mein Mitbewohner nicht belehren. Wozu auch. Er ist ja das Genie. Nicht ich. Wie kann ein so hoch begabter Mann nur so dumm sein? „John, bitte. Vielleicht hat er das Verschwinden der Jade-Katze ja aufgelöst.“ Watson schnaubte verächtlich. „Wenn der tatsächlich alleine den Fall gelöst hat, esse ich meine Mütze. Er gab mir das hier für Sie mit den Worten, dass die Kneipe ‚Roter Ochse’ abgebrannt ist, dass es weder Zeugen noch Verdächtige gibt. Und er gab mir diesen Zettel. Lag wohl bei der Pappschachtel. Klingt für mich nicht nach einem gelösten Fall.“ Sherlock nahm seinem Freund die Schachtel aus der Hand und öffnete sie. „Guten Appetit bei Ihrer Mütze.“, Sherlocks Lächeln war schadenfroh. Ein wenig Farbe kroch zurück auf seine knochigen Wangen. „Aber... Keine Verdächtigen oder Zeugen?“, der Doktor legte den Kopf schief und sah Holmes verständnislos an. „Ist in Ordnung. Ich weiß wer es war. Und glauben Sie mir, es spielt absolut keine Rolle. Hauptsache die Jade-Katze ist wieder da. Erinnern Sie mich bei Gelegenheit daran, dem Inspektor zu danken.“ „Ja, werde ich. Sobald Sie wieder gesund sind. Sollte Ihnen nun etwas leichter fallen, wo ja jetzt kein Fall mehr gelöst werden muss, oder?“ „Wo ist denn da meine Motivation, gesund zu werden?“ „Sie sind ein unverbesserlicher, naiver Spinner. Wissen Sie das?“ Watson verschränkte wieder seine Arme und sah den Mann im Bett böse an. „Ich bin nicht naiv.“, meinte dieser trotzig. John konnte nicht anders. Er lachte leise und schüttelte den Kopf. Sherlock grinste auf seine spitzbübische Art. Sherlocks Grinsen ist einzigartig. Genau wie seine gesamte verkorkste Persönlichkeit... „Ihnen scheint es ja etwas besser zu gehen. Möchten Sie etwas essen? Ich würde Ihnen eine Brühe machen.“ „Das wäre lieb von Ihnen. Danke John. Ich weiß sehr zu schätzen, was Sie hier für mich tun.“ „Sie haben eine merkwürdige Art das zu zeigen, Sherlock. Wirklich.“ Mit diesen Worten verließ John vorübergehend das Schlafzimmer und kochte ihm wie gesagt die Brühe. Als er zurück auf das Zimmer kam saß Sherlock in die Wolldecke gewickelt auf der Bettkante und lächelte ihm müde entgegen. Die Wadenwickeln und der feuchte Lappen befanden sich noch an ihren Plätzen. John setzte sich neben ihn und stellte das Tablett mit dem Teller voll Brühe auf seinem Schoß ab. Sherlock begann, das wässrige Zeug langsam vom Löffel zu schlürfen. Seine Lippen umschlossen den Löffel und sein Gesicht nahm derart liebliche Züge an, als hätte er noch nie etwas so leckeres gegessen. An meinen Kochkünsten (die ich nicht habe) wird es wohl kaum liegen, dass es ihm schmeckt... „Wann haben Sie das letzte Mal etwas gegessen?“ „Dürfte schon um die zwei Tage her sein. Hatte zu tun. Sie wissen ja: Wenn ich denken muss, kann ich nichts essen, das macht mich zu langsam.“ „Sie sind der mit Abstand merkwürdigste Mann, der mir je begegnet ist.“ „Davon gehe ich aus.“ „Gut, dass wir uns wenigstens in der Hinsicht einigen können.“, John lächelte. Wieso muss er auch so humorvoll sein? Wenn er das macht, kann ich ihm nie lange böse sein. Dieser manipulative Wichser! Wie macht er das?! „Regen Sie sich nicht über mich auf John. Sie wissen, dass das nichts bringt.“ Aus Johns Gesicht kann ich einfach alles lesen. Er ist wie ein offenes Buch! Gibt sich ja nicht mal in Ansätzen die Mühe, seine Emotionen und Gedanken zu verbergen. Ich mag seine Ehrlichkeit sehr. Sherlock lächelte. Es war nicht das spitzbübische Grinsen, welches John kannte, sondern ein freundlicheres, warmes Lächeln, das sehr familiär und menschlich wirkte. So ein angenehmes Gefühl hatte John noch nie in seiner Nähe empfunden. Der Detektiv leerte den Teller restlos. Watson stellte das Tablett weg und Sherlock legte sich wieder hin. Die Brühe hatte ihm offensichtlich wieder Leben eingehaucht. Seine Wangen waren leicht gerötet und die Augen wirkten auch wieder lebendiger. „Sie sehen schon wieder viel besser aus, Sherlock. Wenn Sie sich nun ausruhen und eine Weile schlafen sind Sie in ein, zwei Tagen wieder ganz der Alte.“ Was ja eigentlich schade ist. Der Neue ist doch viel netter und umgänglicher... „Danke Ihnen, John. Schlafen klingt verlockend...“ „Möchten Sie, dass ich wieder bei Ihnen bleibe, oder kommen Sie zurecht?“, es klang fürsorglich, nicht so, als ob John nicht gerne bei ihm war. „Wie Sie denken, was das Beste wäre.“ Typisch Sherlock. Gefühle lässt er sich einfach nicht anmerken. Mieser kleiner- „Ich hätte nichts dagegen, Sie in meiner Nähe zu wissen, John.“ Autsch. Entschuldigung... Ich nehme alles zurück, mein lieber Patient... „Ich bleibe lieber. Nicht, dass Ihnen die Brühe wieder durch den Kopf geht...“ Sherlock lächelte, drehte sich auf die Seite und schloss die Augen. Er öffnete sie aber gleich wieder, als er Johns warme Finger an seinem Handgelenk fühlte. „Ich messe bloß ihren Puls. Scheint bei weitem stabiler zu sein, als vor ihrer Mahlzeit.“ Der Doktor gab Sherlocks Hand wieder frei, die sich daraufhin wieder Erwarten um Johns legte. „Danke für alles, John.“, dankbar schloss Sherlock die Augen und ließ sie geschlossen. „Keine Ursache, Sherlock. Schlafen Sie schön.“ So viel Menschlichkeit... Wo bleibt der gefühlsferne, berechnende Mann, bei dem ich eingezogen bin? Muss er zurückkommen, oder kann ich lieber diesen Sherlock Holmes behalten? An Johns Hand festhaltend schlief Sherlock ein. Sein Gesicht war nicht mehr ganz so blass und im Schlaf nahm es entspannte, weniger harte Züge an. So ein friedliches Lächeln hat er sonst nie... John blieb noch eine Weile an Sherlocks Seite sitzen, aber nach weiteren zwei Stunden entschied er sich dafür, kurz nach unten zu gehen und ein Buch zu holen. Als er wenig später zurück in das Schlafzimmer ging hatte Sherlock offensichtlich einen Febertraum. Er wälzte sich unruhig hin und her, stöhnte leise im Schlaf und war Schweiß gebadet. John legte das Buch beiseite und kniete neben seinem Freund nieder. „Sherlock? Hören Sie mich?“, vorsichtig berührte der Dunkelblonde seinen Freund am Oberarm. Der Detektiv wachte auf. Tränen kullerten aus seinen geröteten Augen. „Sherlock! Alles in Ordnung?“, John streichelte ihm die nass geschwitzten dunklen Locken aus der Stirn. Der junge Mann schüttelte den Kopf und erbrach sich in den Eimer. „John, mir ist so heiß...“, murmelte er danach undeutlich. „Sie haben Fieber. Das liegt vermutlich daran, dass Sie im Regen lagen.“ „Kann ich duschen?“ „Nicht ohne Hilfe.“ „Helfen Sie mir? Bitte...“ John hielt es zwar nicht für die aller Beste Idee, aber er wollte, dass sich Sherlock wieder besser fühlte, also willigte er ein. Er half seinem Kollegen aus dem Bett und stützte ihn beim Gehen. Im Badezimmer ließ er ihn sich in die Badewanne setzten. Sherlock zog sich die Strümpfe und die Unterhose langsam und umständlich aus. Watson begann damit, ihn mit dem warmen Wasser abzuduschen. Er ist wirklich viel zu dünn geworden in letzter Zeit... wenn er wieder fit ist, muss ich dafür sorgen, dass dieses Genie besser auf sich achtet. Das Wasser tat dem Detektiv gut. Seine Atmung wurde ruhiger, die Schweißausbrüche stoppten. John stellte das Wasser ab und holte ein großes weiches Badelaken. „Alles in Ordnung, Sherlock?“, behutsam trocknete der Doktor ihm den Rücken ab und wickelte ihn dann in das Frottee. Der Dunkelhaarige nickte, stand mit Johns Hilfe auf und sie gingen gemeinsam zurück in Johns Schlafzimmer. „Setzten Sie sich erstmal hier auf den Stuhl, ich beziehe das Bett neu.“ Sherlock tat, was sein Freund von ihm verlangte. John bezog das Bett und sorgte dann dafür, dass sich der Meisterdetektiv bequem hinlegte. „Sherlock? Wollen Sie noch einmal versuchen, etwas zu essen?“ Er schüttelte den Kopf und schloss die müden Augen. „Sherlock... Ich gehe noch einmal in die Apotheke und hole Ihnen etwas gegen die Übelkeit, ja?“ Ein Nicken seitens des Detektivs. Und wieder hastete der Arzt durch den Regen. Hin und zurück, diesmal mit einem Saft gegen Magenschmerzen. Als er zurück kam war Sherlock bereits wieder im Land der Träume. Diesmal wohl im Land der angenehmen Träume. Er lächelt wieder im Schlaf. John ließ ihn schlafen, nahm auf einem Stuhl platz, den er gleich an das Kopfende stellte und las sein Buch. Zwischendurch sah er immer wieder in das friedliche Gesicht seines schlafenden Freundes. Der Dunkelblonde dachte nach. Er war sich nicht sicher wie er zu Sherlock stand. Sein nackter Körper, zusammen gesunken in der Dusche... Wieso war mir noch nie aufgefallen, wie ungesund dünn Sherlock ist. Trotzdem noch attraktiv. Ein paar Kilo mehr auf den Rippen und er wäre noch hübscher... Verdammt, wieso denke ich das?! John versuchte, sich mit dem Buch abzulenken. Es ging nicht. Er schaffte es nicht, seine Konzentration auf die Buchstaben zu richten. Stattdessen sah er Sherlock beim Schlafen zu. Die Haut des Detektivs war wieder weiß wie Porzellan. Wirkte zart und empfindlich. John folgte einem starken Verlangen und streichelte ihm über die kantige Wange. Seine Haut ist ja eiskalt! Offenbar hat die Dusche geholfen. Hoffentlich friert er nicht. Der Doktor stand auf und holte ihm eine frische, warme Wolldecke, sowie eine Unterhose und einen Schlafanzug aus Sherlocks Zimmer. Anschließend weckte er seinen Freund behutsam auf. „Sherlock, aufwachen...“ irgendwie tut es mir ja leid, ihn zu wecken, aber seine Lippen wirken schon bläulich... Der Dunkelhaarige öffnete die grauen Augen. Sie lagen ungewohnt tief in ihren Höhlen. „Hallo. Ich habe Ihnen einen Schlafanzug geholt. Außerdem ein Mittel gegen die Magenprobleme. Ziehen Sie sich an und nehmen Sie diesen Saft ein. In einer halben Stunde mache ich Ihnen dann noch einmal Brühe, okay?“ „Ja, danke.“, geschwächt nahm Sherlock die Unterhose und den Schlafanzug entgegen. Die Medizin hatte John ihm in einem kleinen Becher auf den Stuhl gestellt. Der Arzt verließ den Raum um Sherlock zumindest ein Bisschen Privatsphäre zu lassen. Doch nur kurze Zeit später hörte er ihn rufen. „John? Ich brauche mal Hilfe!“, die Stimme des Mannes war zittrig und schwach. Oh Gott, bitte lass ihn die Unterhose anhaben... „Ich kann das Ding nicht zuknöpfen...“, Sherlock saß halbwegs aufrecht im Bett, die Hosen bereits an, aber das Oberteil offen um seinen dünnen Körper gehüllt. Die Rippen fielen John markant auf. Der Bauch war eingefallen. „Sie müssen dringend ein paar Kilo zunehmen, Sherlock. Bei Ihrer Größe ist ein solches Untergewicht alles andere als gesund. Das müssten Sie als Genie eigentlich wissen.“, wies John ihn zurecht, während er ihn ankleidete. „Ich weiß, tut mir Leid...“, nuschelte Sherlock und sank ermattet zurück in die Kissen. Der Doktor grinste. „Das will ich hoffen. Wenn Sie wieder gesund sind, möchte ich, dass Sie pro Woche mindestens ein Kilo zunehmen, verstanden?“ Sherlock nickte und lächelte. „Sie machen sich Sogen um mich.“, sagte der Detektiv feststellend und sah ihm auf seine alles durchschauende Art in die Augen. Warum weiß ich selbst nicht. „Ja, natürlich.“ Sherlock grinste. Dann trank er die Medizin und verzog angeekelt das Gesicht. „Was nicht schmeckt, wirkt, oder wie war das?“, fragte er Stirn runzelnd. John lachte. „So in etwa, ja.“ Sherlock lachte mit, nur kurz aber immer hin... Er hat so süße Grübchen in den Wangen. Niedlich... „Was ist, John? Sehe ich so mies aus?“ „Im Gegenteil.“ Verdammt, das klingt nach Anmache... „Sie sehen schon viel besser aus als vor Ihrem Schläfchen. Vielleicht etwas blass...“ gerettet! Na also... Der Dunkelhaarige grinste und drehte sich auf die Seite. Er ließ John nicht aus den Augen. Ihre Blicke schienen aneinander zu kleben. John fühlte sich nicht besonders wohl dabei. Einmal mehr hatte er das Gefühl, Sherlock würde ihm direkt ins Hirn sehen und all seine noch so geheimen Gedanken lesen. John ist ein Mysterium. Einmal ist er das offene Buch, aus dem ich alles lesen kann und dann ist er auf einmal so wie jetzt. Tiefsinnig und unergründlich. Wieso sieht er mich so an? Was denkt er wohl? Oh wie ich solche Geheimnisse liebe... John ist viel schlauer als er manchmal tut. Vielleicht ist er mir tatsächlich ebenwürdig. Eventuell kommt seine Intelligenz an meinen Intellekt dran, nur dass er sich trotzdem von Gefühlen leiten lässt. Eigentlich dumm. Oder? Was fühle ich? Was fühle ich für ihn? Er scheint interessanter zu sein, als ich die vergangenen Monate annahm... Ich brauche eine Herausforderung. John scheint eine zu sein. Also brauche ich ihn? „Woran denken Sie, John?“, fragte Sherlock gerade heraus. Er wusste es wirklich nicht. „Hm?“, John blinzelte. Er hatte sich in Sherlocks grauen Augen verloren und fand durch die direkte Ansprache zurück in die Realität. „Woran Sie denken, habe ich gefragt. Antworten Sie bitte nicht ‚gar nichts’, ich weiß dass das eine Lüge ist.“ John zuckte mit den Schultern. „Ich denke daran, wie ich Sie dazu bewegen kann, etwas bewusster mit sich umzugehen.“ „Sie machen sich wirklich Sorgen um mich. Warum?“ „Ich... Das ist doch normal. Sie sind mein Freund und ich möchte, dass es Ihnen gut geht.“ „Ich war oft nicht besonders nett zu Ihnen. Dennoch bezeichnen Sie mich als Freund.“ John zuckte erneut mit der Schulter. Er war eine so direkte Konfrontation mit Gefühlen von Sherlocks Seite überhaupt nicht gewohnt. Verdammt, was soll das? Was will er von mir? Weiß er wohlmöglich doch nicht alles? Schwer vorzustellen. Wieder schwiegen sie und sahen sich einfach nur in die Augen. Sherlock musste anfangen zu lachen, John stieg kurz darauf mit ein. Bisher war ihm noch nie aufgefallen, was für eine ansteckende Lache sein Freund hatte. Da sind die Grübchen wieder. Wieso sind die mir zuvor noch nie aufgefallen? Vermutlich, weil Sherlock so selten lacht... „Ich gehe in die Küche und mache Ihnen Brühe. Bleiben Sie einfach in Ruhe hier liegen, ja?“ „Alles klar, danke Ihnen.“ John nickte und verließ das Schlafzimmer. Auf dem Weg in die Küche dachte er an Sherlock. Der Detektiv war attraktiv, ohne Frage. Aber das Bild des jungen Mannes, wie er dort nackt in der Dusche hockte konnte John nicht als erotisch betiteln, dazu war die Situation zu hilflos. Er dachte an den verlorenen Gesichtsausdruck des Dunkelhaarigen, wie glasig sein Blick war. Als wäre er nur körperlich anwesend. Das Fieber hatte ihn in dem Moment wohl voll im Griff gehabt. Tränen stiegen in Johns Augen. Wieso kann dieses verdammte Genie nicht immer so liebenswert sein? Warum muss es ihm dazu so schlecht gehen? Wo ist da der Sinn?! Es tut mir so weh, ihn leiden zu sehe, aber es tut auch so gut... Wie er meine Nähe sucht und sich voll und ganz darauf einlässt. Ich liebe es. Aber es tut mir so Leid... John wischte sich mit dem Handrücken über die Augen. Er war verwirrt. Wusste nicht, was er von seinen plötzlichen so starken Gefühlen halten sollte. Wie sollte er damit umgehen? Er kochte die Brühe und brachte sie zu Sherlock. Der Detektiv nahm sie dankbar entgegen und löffelte den Teller langsam leer. Es wird wohl das Fieber sein, das mich so gefühlsdusselig macht. Natürlich bin ich John dankbar dafür, was er hier für mich macht. Aber ich werde mich ja wohl nicht gleich in ihn verlieben müssen, nur weil er der erste freundliche Mensch in meiner Nähe ist. Sherlock lächelte unmerklich und nahm erneut den Löffel in den Mund. Dann sah er John in die Augen. Sherlocks Gedanken waren völlig durcheinander. Wieso zur Hölle kann ich nicht aufhören, ihm in seine braunen Augen zu sehen? Hatte er schon immer einen so liebevollen Blick? So zärtlich... Warum? Liegt es an mir? Oder –was wahrscheinlicher ist- bilde ich mir das in dem Fieber nur ein? Soll ich ihn einfach fragen? Nein. So geht das nicht. Wenn ich daneben liege, zieht er wohlmöglich noch aus. Aber ich brauche ihn. Ich brauche ihn in meiner Nähe. Wozu auch immer... Wozu? Denkanstöße liefert er mir ja nicht gerade. Gefühle... Ich will das nicht. Das geht nicht! Wie soll ich denken, wenn ich fühle? Wie schafft er das? Doch ein Denkanstoß. Ich muss es heraus finden... „John?“ Sherlock ließ den Löffel sinken. „Hm?“ „Vergessen Sie’s.“ Nein, ich kann nicht!! Das ist do dumm, dumm, dumm! „Was ist denn?“ besorgt blickte der Arzt in die grauen Augen. „Geht es Ihnen wieder schlechter?“ Was für ’ne Vorlage. Sherlock verkniff sich den Anflug eines Lächelns. „Ich habe so schlimme Kopfschmerzen...“, das war noch nicht einmal gelogen. Der Mann hatte tatsächlich noch immer ein Hämmern hinter den Schläfen. „Hier, nehmen Sie die.“, John reichte ihm eine der Schmerztabletten und fühlte geflissentlich die Stirn seines Freundes. „Das Fieber ist runter gegangen. Immerhin eine gute Nachricht.“ Sherlock nickte und schluckte die Tablette. Zärtlich und scheinbar unabsichtlich strich John ihm über die Schläfe, als er seine Hand zurückzog. Der Dunkelhaarige lächelte knapp und löffelte weiter die Brühe. War das Absicht? Wenn nicht, würde ich mich ziemlich blamieren, wenn ich ihn frage. Oder? Ich weiß es nicht. Das macht mich wahnsinnig. Nichts hasse ich so sehr, als etwas nicht zu wissen. Und ich dachte, es wäre einfach, diesen Mann zu durchschauen! Wie konnte ich mich nur so sehr täuschen? Es muss am Fieber liegen. Anders kann’s ja wohl nicht sein. Die beiden schwiegen sich eine ganze Weile an. Beide spürten, dass sich in den letzten paar Stunden irgendetwas zwischen ihnen verändert hatte. Keiner der Beiden traute sich jedoch, den Anderen darauf anzusprechen. Ich fühle mich unwohl. Sherlock ist so still. Woran er wohl gerade denkt. Will ich das überhaupt wissen? Mein Starren ist ihm bestimmt aufgefallen und nun zieht er seine Schlüsse. Ich will mit ihm sprechen, weiß aber nicht worüber. Ich könnte versuchen, ihm seinen Gesundheitszustand näher zu bringen, aber das will er jetzt bestimmt nicht hören... „Ist der Fall mit der Jade-Katze jetzt endgültig abgeschlossen, oder müssen Sie da noch etwas machen?“, fragte John nach einer gefühlten Ewigkeit. „Ich muss sie noch ihrem rechtmäßigen Besitzer bringen. Und ich würde gerne herausfinden, wer mir das Schlafmittel verabreicht hat und vor allem, wie das Zeug verabreicht wurde. Haben Sie an mit irgendwo einen Einstich gesehen?“ „Ich habe nicht darauf geachtet. Aber Sie haben Recht, das könnte eine Möglichkeit sein. So ein Einstich ist aber sehr schwer zu lokalisieren. Könnte ja auch in den Oberschenken gegeben worden sein. Wenn man eine sehr feine Nadel benutzt sieht man rein gar nichts.“ „Also, möglich ist es.“ „Ja, auf jeden Fall.“ Wieder Schweigen. Die Stille zerquetscht mich gleich. Was denkt Sherlock? Was weiß er? Werde ich es erfahren? Wird er es mir sagen? Eher nein, fürchte ich. Er ist doch so distanziert, obwohl er sich ja eindeutig meine Nähe wünscht und diese hier ja auch zulässt. Aber warum tut er das? Nur weil ich der Arzt bin? Hoffentlich nicht... John starrte seinem Freund in die durchdringenden grauen Augen, verzweifelt darum bemüht, zu sehen, was in ihm vorging. Vergebens. Die drückende Stille veranlasste Sherlock schließlich, den Versuch zu starten, seine Neugier nun doch zu befriedigen... „John, ich möchte Ihre Meinung hören... Warum lasse ich Sie so nah an mich heran?“ „Vermutlich, weil Sie in Ihrer aktuellen Situation gar keinen anderen Weg sehen, als sich einem Arzt anzuvertrauen.“ Was soll die Frage? Fühlt er etwas, oder will er mich nur testen? „Nein, da hätte ich einen Arzt mit Praxis aufgesucht. Und ich hätte längst nicht jeden gestattet mir beim Duschen zu helfen.“ „Sie hatten doch gar keine andere Möglichkeit. Das sollten Sie einsehen, Sherlock.“ „Sie wissen worauf ich hinaus will, oder? Muss ich es tatsächlich aussprechen? So blind sind Sie doch gar nicht.“ John weiß es! Er fühlt es, ich bin mir so sicher! Warum macht er diese Ausflüchte? Was soll das? Es ist kein Missverständnis, welches da in seinem liebenswerten Blick liegt! Es ist... Angst? Warum Angst? Wovor? Was fühlt er? John schwieg. Er hatte das Gefühl genau zu wissen, was Sherlock da ansprach, aber wenn er falsch lag... Diese Konsequenzen wären wohl untragbar... „John? Wovor fürchten Sie sich?“, die Stimme des Dunkelhaarigen war sanft, dennoch fordernd. Der Doktor zuckte mit den Schultern und seine Lippe zitterte kaum merklich Natürlich fiel es Sherlock auf. Er steht unter Druck. Dann denkt er wohl tatsächlich in die richtige Richtung. Nein. Er denkt es nicht, er fühlt es. Und dadurch, dass er daran denkt, was es für Konsequenzen haben könnte, ist er mindestens genau so verwirrt wie ich! Das muss es sein! Es gibt gar keine andere Möglichkeit für seine Anspannung! „Sherlock... Ich will nicht darüber reden... Bitte.“ „Aber...“ „Nein!“, ruckartig stand der Dunkelblonde auf und verließ den Raum. Er schloss die Türe hinter sich, ohne sie zu knallen. Er war nicht wütend auf Sherlock. Oder auf seine direkte Stellungnahme. Er war nur verwirrt. Sehr verwirrt. Sein Herz raste. John hastete die Treppe hinunter und setzte sich auf die Wohnzimmercouch. Tränen stiegen ihm in die Augen. „Scheiße. Scheiße. Scheiße!“, fluchte er leise und verbarg weinend sein Gesicht in den Händen. Er zitterte vor Erregung und innerer Zerrissenheit. Warum quält er mich so? Weiß er, was ich für ihn empfinde? Weiß ich es? Er ist doch längst mehr als ein Freund! Verdammt, ich weiß es nicht! Ich fühle mich ihm so verbunden! Als wären wir nicht drei Monate sondern seit Jahren miteinander bekannt! John weinte leise in sich hinein. Er hörte erst auf, als sich ihm eine große, schlankfingrige Hand auf seine Schulter legte. John zuckte zusammen. „Sherlock! Sie sollten im Bett liegen! Sie hätten auf der Treppe zusammen brechen können!“, wies er seinen Freund zurecht. Der Detektiv ließ ihn los, ging um das Sofa herum und setzte sich neben ihn. „Es geht mir besser.“ „Nein, Sherlock. Sie dürfen das Bett noch nicht verlassen, dazu sind Sie noch zu-“ Sherlocks kühle, weiche Lippen pressten sich auf Johns und verhinderten ein Weitersprechen seitens des Arztes. Erschrocken sog John die Luft durch die Nase ein. Er fühlte Sherlocks Hand, wie sie die seine ergriff und zärtlich umschloss. John erzitterte. Sherlock lächelte unmerklich. Der Doktor fühlte jede seiner Bewegungen. Er war ihm so nah... Ergeben erwiderte John schließlich den so zarten Kuss des Dunkelhaarigen. Na also, wusste ich doch, dass er dasselbe fühlt wie ich! Sein Verhalten ließ ja auch gar keinen anderen Schluss zu. Das ist ein gutes Beispiel meiner Deduktion. Nein! Das ist ein perfektes Beispiel für meine Gefühle! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)