Ein verdammt langer Weg von NekoBastet (Na, hoffentlich tun hier niemandem die Füße weh... ♥Azureshipping♥) ================================================================================ Kapitel 3: Prüfungsstress ------------------------- Hallihallo ♥ Ein neues Kapi unseres weiten Weges ist nun begonnen. Es tut mir aufrichtig Leid, dass so lange kein neues Kapi gekommen ist. =( Die Chisaii, meine Arbeit und ein bestimmtes RPG haben mich entführt, geknebelt und auf absolut unfreiwillige Weise aufgehalten. Danke für bereits 10 Kommentare! *-* Es freut mich sehr, dass meine FF gelesen wird und wünsche jetzt allen Lesern viel Spaß mit den ersten Zeilen des 3. Kapitels.... Edit: Ich bin bei dem Titel dieses Kapitels noch unschlüssig. Ich hoffe, es irritiert nicht. =) Prüfungsstress Leise summte Anzu die Musik zu ihrem neuen Tanz nach. Das Tanzen... Sie hatte es immer geliebt. Früher schon, als sie jünger gewesen war, stand sie auf der Bühne und ließ sich von den Tönen tragen, als wäre sie ein Vogel, der sich von den Windböen tragen ließ. Wenn sie tanzte, hatte sie das Gefühl, sie könnte ihre Sorgen mit einer einzigen Umdrehung – mit einem einzigen Schritt abschütteln. Anzu sah sich um. Um sie herum standen Büsche und hohe Bäume. Es war nicht mehr weit bis zu ihrer Schule. Ihr Weg führte an unzähligen Straßen entlang und schließlich durch diesen kleinen Park. Sie konnte sich nicht daran erinnern, hier je viele Menschen angetroffen zu haben. Von dem etwas abseits liegenden Spielplatz hörte Anzu eine alte Schaukel quietschen. Sie folgte einem verwilderten Sandweg, der zu dem Spielplatz führte und stoppte dort die Schaukel. Wahrscheinlich hatten sie die kühlen Böen zum Schwingen gebracht. Noch zwanzig Minuten, bis die Schule anfing. Anzu war normalerweise nicht der Typ Mensch, der sich gerne zurückzog und auf alte, quietschende Schaukel setzte. Aber in diesem Moment entschloss sie sich doch dazu, sich ein paar wenige Minuten der Ruhe zu gönnen. In Gedanken ging sie den Tag durch, der auf sie wartete. Zuerst musste sie die Schule überstehen! Anzu hoffte inständig, sie würde nicht Kaiba-kun treffen. Als sie an seinen verachtenden Blick dachte, fröstelte sie und zupfte sich nervös an der Schleife ihrer Uniform herum. Eigentlich mochte sie die Kaiba-Brüder. Beide! Der Jüngere, Mokuba, war ein kleiner Sonnenschein, der immer wusste, was er wollte und sein niedliches Äußeres mit einem scharfen Verstand ergänzte. Für sein Alter war er ungewöhnlich reif. Mokuba konnte man nur gern haben. Das galt allerdings nicht für den älteren Kaiba. Die Brüder ähnelten sich kaum. Seto spielte oft den Unantastbaren, der sich von fast nichts aus der Ruhe bringen ließ. Mit seiner eingefrorenen Mimik und den knapp gehaltenen Kommentaren übertünchte er alle Gefühlsregungen. Man konnte nie wissen, was er dachte. Aber er war klug und trotz seiner Gehässigkeit verfügte er über eine beeindruckende Ausstrahlung. Wahrscheinlich war er unter Anderem deshalb ein so erfolgreicher Geschäftsmann. Anzu atmete laut aus und warf einen Blick auf das hell leuchtende Display ihres Handys. Sie hatte immerhin zehn Minuten vertrödelt. Langsam machte sie sich wieder auf den Weg zur Schule. Sie konnte dem Tag nicht ewig entfliehen. Je weiter sich Anzu von dem einsamen Spielplatz entfernte, desto mehr verlor sie den Gedanken an Kaiba. Eher spukte in ihr das Training und die baldigen Nachprüfungen in der Schule durch den Kopf. An sich hing beides miteinander zusammen, denn, wenn sie die Prüfung in Mathe dieses Mal nicht schaffte, hatte sie nur noch eine Chance. Anzu war mitnichten faul oder nachlässig, aber sie hatte bei der ersten und bisher letzten Nachhilfestunde von Kaiba kaum etwas gelernt. Viel zu ungeduldig hatte er versucht, ihr die Details der Rechnungen und die Herleitung der Formeln zu erklären. Sie musste ihm unbedingt das nächste Mal sagen, dass sie nicht so schnell Mitdenken konnte, wie er es mitteilte. ~ Während der ersten Stunde Anzu blickte aus dem Fenster und beobachtete die vorbeiziehenden Wolken. Es waren die gleichen, tristen Berge aus undurchdringlichem Grau, die sie auch von Kaiba-kuns Haus aus gesehen hatte. Sie hingen so tief über dem Boden, dass Anzu das Gefühl hatte, als würden sie sie erdrücken. Auf jeden Fall schlugen sie auf ihre Stimmung. Oder fehlte ihr nur der Schlaf? Unaufmerksam überflog Anzu die nächsten Zeilen des Gedichts, das gerade im Unterricht bearbeitetet wurde. Literatur war eine von Anzus Stärken. Nicht nur zwischenmenschlich konnte sie sich in die Situation ihres Gegenübers versetzen. Auch bei der Interpretation eines Gedichts gelang es ihr gut, die Gefühle und Gedanken des lyrischen Ichs zu verstehen. ~Immerhin ein Fach weniger, in dem ich Nachhilfe brauche.~, spottete Anzu innerlich über sich selbst. Unfreiwillig musste sie zugeben, dass sie auf Kaiba-kuns Hilfe angewiesen war. Einen besseren Lehrer als ihn konnte es auch nicht geben: Er war intelligent und wusste, was er sagte. Keines seiner Worte, wenn man von den Beleidigungen und dem Spott absah, war unnötig. Selbst jetzt noch war Anzu dankbar. Dankbar dafür, dass er sich dazu bereit erklärt hatte, ihr zu helfen. Dankbar dafür, dass er sie nicht den verrückten Strebern ausgeliefert hatte, obwohl er von Anzus Schwierigkeiten mit ihnen gewusst haben musste. Ihre Abneigung denen gegenüber hatte mehrere Gründe. Einer davon war wohl, dass das Niveau dieser zwei Personen gegen Null lief. Denn ihre Selbstüberschätzung und fehlende Höflichkeit sorgten für eine schlechte Mischung aus Charakterzügen, die Anzu mehr als einmal dazu gebracht hatte, ihnen beinahe den Hals umzudrehen. Zugegeben war Kaiba-kun ebenfalls kein Paradebeispiel für angenehme Gesellschaft, doch waren seine Demütigungen erträglicher, als die bloße Präsenz dieser Narren. Mit der Zeit hatte Anzu letztlich festgestellt, dass sie sich in einer weniger misslichen Situation befand, als es ihr zu Beginn der Nachhilfe vorgekommen war. Zudem musste sie für keine Kosten aufkommen. Eben diese Tatsache brachte sie aber auch dazu, sich mit der Frage zu beschäftigen, WESHALB Kaiba-kun sich die Zeit für sie nahm. Anzu beschloss, dieser Frage später auf den Zahn zu fühlen. Um ein Gespräch mit dem Firmenchef kam sie ohnehin nicht herum. Außerdem erachtete sie es als sinnvoller, das Ende des dramatischen Gedichts mitzubekommen, als mit dem Kopf in den dichten Wolken zu sein. Die Unterrichtsstunde endete mit dem Tod des lyrischen Ichs. Aufgabe war es, bis zur nächsten Stunde eine Interpretation und eine Fortsetzung zu schreiben. Als hätte Anzu nicht schon genügend andere Dinge zu erledigen! Die Nachprüfungen sollten bald stattfinden und noch dazu war in drei Wochen ein wichtiges Vortanzen. Anzu hatte weder die Lust, noch die Zeit, sich über den Tod und dessen Weiterführung Gedanken zu machen. Dazu kam der allgemein eher depressive Hintergrund dieses Themas. Solch eine Laune konnte die Tänzerin in ihrer momentanen Verfassung erst recht nicht gebrauchen. Aber genug Sorgen gemacht! Anzu packte ihre Sachen zusammen und stand von ihrem Platz auf. Suchend sah sie sich nach Kaiba-kun um. Er war der Erste, der den Raum verließ und sie musste schnell sein, wenn sie beobachten wollte, wohin er ging. Als Anzu zu dem Firmenchef sah, streiften sich ihre Blicke. Dieser eine, kurze Moment genügte, um dem Mädchen eine Gänsehaut zu verursachen. Seine kalten, blauen Augen stierten sie so präzise an, sodass Anzu sich fühlte, als schnitt sein Blick selbst die Luft entzwei. ~Kein Panik, Anzu-chan!~, sprach sie sich selbst Mut zu. ~Das ist nur Kaiba-kun. Erhobenen Hauptes sah Anzu zurück und nickte leicht. Ihre stumme Begrüßung wurde nicht beachtet. Der personifizierte Eisblock wand seinen Blick von ihr ab, drehte sich um und verschwand um die Ecke in den Schulflur. Erst wollte Anzu ihm hinterher laufen, besann sich dann aber. Wenn sie ihm jetzt nachlief, würde er wahrscheinlich wütend sein, weil sie zu offensichtlich zeigte, dass beide etwas miteinander zutun hatten. Also entschied sie sich, ein paar Minuten zu warten. Sie gesellte sich also zu ihren Freunden. Yuugi und Jounouchi saßen noch an ihren Tischen und hielten ihre Duel Monsters Karten gezückt. Sie besprachen wahrscheinlich neue Taktiken oder Ideen und es schien, als hätte Jounouchi eine neue Karte in seinem Deck. „Hey, zeig mal her!“, meinte Anzu und zog ihrem Freund die Karte aus der Hand. Zwar interessierte sie sich schon dafür, was die neue Karte für einen Effekt hatte, aber in diesem Moment war es mehr ein Zeit schinden, als wirkliche Neugierde. Jounouchi deutete ihr Verhalten aber als solche, weshalb er sich stolz die Nase rieb und mit seiner großen Erklärung begann. „Also, ihr werdet es nicht glauben, Leute, aber ich hab letztens doch tatsächlich...“ Den Rest blendete Anzu aus. Kurz besah sie sich das Bild auf der oberen Hälfte der Karte. Es sah nicht sehr besonders aus. Ein paar Zeichen waren abgebildet, die für einige Monsterklassen standen. Sie waren von schmalen grauen, von Blitzen durchzogenen Wirbeln umgeben, die in einem kleinen Gewirr aus Ranken, Flügelspitzen und Klauen endeten. Sofort stach Anzu das Zeichen für Drachen ins Auge, weshalb sie sich dem dazugehörigen Text widmete. ~Schwächt die gegnerischen Monster, besonders Drachen und fusionierte Karten. Stärkt die eigenen Monster... Bla Bla Bla. Ob so eine Karte wohl Kaiba-kun gefährlich sein könnte?~ Schon wieder hatte er den Weg in ihre Gedanken gefunden und holte sie zurück in die reale Welt. Anzu gab Honda, der die ganze Zeit schon über ihre Schulter geguckt hatte, die Karte und winkte ihren Freunden mit den Worten, sie müsse noch etwas erledigen. Dann ging sie, wie Kaiba-kun vor ihr, auf den Flur hinaus. Dank der Ablenkung durch ihre Freunde war Anzu allerdings entgangen, in welche Richtung die wandelnde schlechte Laune gegangen war. Ihre Intuition riet ihr, ihn dort zu suchen, wo sie auch letztens eine Diskussion mit ihm hatte: Im hinteren Teil des Schulhofs hielt sich selten jemand auf. Er war abgeschieden und ruhig. ~Ich finde Kaiba-kun da bestimmt!~, überlegte Anzu sich und steuerte in diese Richtung. Zur Tür zum hinteren Hof war der weg kürzer, als zum Haupthof. Anzu lief die wenigen Treppenstufen hinunter und griff nach der eisernen Türklinke. Sie fühlte sich eisig an und quietschte, als sie nach unten gedrückt wurde. Die Tür ging nur schwer auf. Dank der wenigen Nutzung und des Alters war das kein Wunder. Wer kam schon freiwillig hierher? ~Okay, Seto Kaiba... Aber wenn ich eine Tür wäre, die nur von Kaiba-kun benutzt werden würde, dann würde ich wahrscheinlich genau die gleichen Mängel aufweisen.~ Das war eine recht seltsame Überlegung. Aber eben diese Seltsamkeit zauberte Anzu ein Lächeln in ihr Gesicht, das selbst noch dem kalten Wind außerhalb des Gebäudes trotzte. „Heute so gute Laune, Mazaki-san?“, fragte der CEO sofort, als er Anzu erkannte. Es war eindeutig, dass seine Frage rhetorisch gemeint war. Er sah, wie das Mädchen vor ihm erschrak. Ihr Lächeln erstarb abrupt und sie wand sich ihm zu. „Noch schon.“, hörte er sie seufzen. Kaiba beachtete ihren Kommentar nicht weiter. Gerade wollte er ihr den Termin für die nächste Prüfung sagen, als eine Durchsage über das Gelände hallte: Alle Schüler, die von den Nachprüfungen dieses Jahres betroffen sind, melden sich bitte unverzüglich bei der Schulverwaltung. Es gibt eine Änderung der Termine. „Eine Änderung der Termine?“, wiederholte Anzu. Kaiba klatschte ein paar Mal in die Hände, sodass Anzu sich verwirrt zu ihm umdrehte. Auf ihren fragenden Blick hin erklärte er: „Du kannst ja doch zuhören. Das überrascht mich.“ Etwas verwirrt sah Anzu den Braunhaarigen an. „Was meinst du damit?“ Sie ahnte nichts Gutes. Kaiba lehnte sich gegen die Außenwand und verschränkte die Arme vor der Brust. Aus den Augenwinkeln sah er eisig kalt auf Anzu herab. Der dann folgende Ton in seiner Stimme ergänzte seinen Blick perfekt. „Gestern hatte ich nicht das Gefühl, als würdest du dieser Sprache mächtig sein.“ ~Was erlaubt er sich?!~, protestierte Anzu und holte gerade tief Luft, um auf seinen frechen Spruch zu kontern. Doch Kaiba unterbrach sie. „Musst du nicht wohin?“ Wütend musste Anzu einsehen, dass er Recht hatte. Ihrer Meinung nach war er die Aufregung ohnehin eigentlich nicht wert und sie würde nur etwas Wichtiges verpassen, wenn sie sich weiter mit den Gemeinheiten des CEOs beschäftigte. Sie musste sich in diesen Falle also geschlagen geben. „Ich komme wieder!“, fauchte sie also nur und verschwand wieder durch die Tür ins Innere des Gebäudes. Kaiba schloss nur seine Augen und genoss die erneut einbrechende Stille. ~Ich weiß...~, antwortete er ihr in Gedanken. Er würde eh dort stehen. Also konnte er auch darauf warten, dass sie zurück kam. Außerdem fragte er sich, was so wichtig sein konnte, dass die Prüflinge zur Verwaltung gerufen werden mussten. Langsam stieß sich Kaiba von der hellen Wand ab und ging zu einer Bank in seiner Nähe. Sie stand zwischen einigen Bäumen, wodurch man dort nur das Rauschen der Blätter im Wind hörte. Der CEO ließ sich dort nieder, lehnte sich zurück und schloss die Augen wieder. Das Grau des Himmels, das durch die Blätter schimmerte, blendete ihn. Er grübelte darüber nach, wo er sich in Zukunft aufhalten konnte, wenn der Farbton des Wolken hielt, was er versprach. Das Wetter der nächsten Tage würde sehr verregnet und stürmisch werden. Als er diese Gedanken hatte, erwartete Kaiba allerdings noch nicht, dass auch sein Alltag einer mindestens ebenso turbulenten Umstellung unterzogen werden würde. Anzu war derweil vor den Verwaltungsräumen ihrer Schule angekommen. Sie war gerannt, um die versäumte Zeit wieder aufzuholen, doch trotzdem stand eine Masse an Schülern aus allen Jahrgängen vor der Tür und redete aufgeregt durcheinander. Ihr war bis dahin nicht bewusst gewesen, wie viele Mitschüler die Prüfungen wiederholen mussten. Sie saßen alle im gleichen Boot wie sie, weshalb es Anzu nicht schwer fiel, sich bei einer älteren Schülerin zu erkundigen. „Hat die Schulleitung schon bekannt gegeben, warum wir uns hier versammeln sollen, Senpai?“ Die Angesprochene nickte kurz und beobachtete das Treiben. „Es gibt eine Vorverlegung der Prüfungstermine.“ Anzu zuckte zusammen. Eine Vorverlegung? Damit hatte sie nicht gerechnet! Sie hatte doch genug zu erledigen... Das würde nur bedeuten, dass sie mehr Zeit für die Schule aufbringen musste. Abgesehen von den Tanzstunden, die sie dafür einbüßen musste, brachten diese Umstände auch ein noch intensiveres Lernen mit sich. Intensiveres Lernen mit Kaiba an ihrer Seite. Auf Anzus Armen bildete sich eine Gänsehaut. Wie sollte sie das alles bloß schaffen? Ein Name wurde ausgerufen. Ihr war bis zu diesem Moment nicht aufgefallen, dass immer wieder unterschiedliche Namen genannt wurden. Die Schülerin neben Anzu meldete sich. Sie war wohl gemeint. „Jeder bekommt seine Termine in einem Umschlag ausgehändigt, weil es Komplikationen gab. Tschüss.“ Mit diesem Worten drängte sie sich durch die Ansammlung und nahm ihren Umschlag entgegen. Anzu verlor sie danach aus den Augen. Mit zitternden Fingern wartete sie auf ihren eigenen Namen und horchte immer auf, wenn die Lehrer abwechselnd auf den Flur traten. „Mazaki Anzu!“ Endlich! Ihr Name! Die gefühlten Stunden des Bangens neigten sich dem Ende. Schnell meldete sie sich, um nicht übergangen zu werden. „Hier!“, rief sie und drängte sich wie ihr Senpai vorher durch die Menge. Immerhin waren es mittlerweile weniger Schüler geworden und Anzu wurde selten angestoßen. Dann bahnte sie sich ihren Weg zurück in die Freiheit und öffnete den Umschlag. Sie konnte es kaum abwarten. Dennoch nahm sie sich die Zeit und klatschte kurz ihre Hände zusammen. Ein Stoßgebet an die Götter. ~Oh, bitte bitte, nicht zu früh! Bitte nichts Unpassendes.~ Das sollte genügen. Hoffe Anzu. Sie riss das dünne Papier des Umschlags ungeduldig auf und zippelte das Papier aus ihm heraus. Besorgt faltete sie es auf, überflog den förmlichen Text mit Entschuldigungen und prüfte ihren Prüfungstermin. Anzu atmete auf. Immerhin wurde ihr nur eine Woche gestohlen. Bei den Reaktionen, die sie beobachten konnte, hatte es manch andere Kandidaten schwerer getroffen. Nun hatte sie eben noch drei Wochen, anstatt eines Monats, aber das war zu schaffen. Besser, als wenn sie die nächsten 14 Tage nur hätte pauken müssen. Anzu ließ das Dokument sinken und sah nach draußen. Sie freute sich, dass sie ihr Tanzen für diese Zeit nicht vollkommen känzeln musste. Doch der Moment der Erleichterung hielt nicht lange an. Ihr Herz tat einen Sprung und noch einmal hielt sich das Mädchen den Termin vor Augen. Dann dachte sie nach. Besah sich das Datum noch einmal. Dachte wieder nach. Verglich noch einmal mit den Zahlen. Und dann hätte sie sich zu den weinenden Prüflingen gesellen können. Aber sie wollte ihrer Enttäuschung keinen Raum lassen. Sie brauchte frische Luft. Dringend frische Luft. Wie hatte ihr das erst nicht einfallen können? Sie dachte doch seit den letzten Trainingseinheiten an nichts anderes mehr! Es gab sieben Tage in der Woche. Warum war ihre Nachprüfung auf eben diesen Tag gefallen? Der Tag, der für sie zu einem der wichtigsten des nächsten Jahres werden sollte! Anzu konnte es noch immer nicht glauben. Doch mehrere Blicke auf den Prüfungstermin änderten nicht, was feststand: Ihre Nachprüfung fiel auf den gleichen Tag wie das Vortanzen zu einer Show. Die „Greatest Dancer Night“ war eine Show, die von der Tanzschule, bei der Anzu Mitglied war, in Zusammenarbeit mit mehreren anderen Tanzschulen Japans organisiert wurde. Seit zwei Jahren versuchte Anzu, dort einen Platz zu bekommen. Und eben dafür gab es einmal im Jahr ein Auswahlverfahren, bei dem die Teilnehmer und Teilnehmerinnen dieses Auftritts ausgesucht werden sollten. Sie wollte... Nein, sie DURFTE diese Gelegenheit nicht versäumen! Das Besondere war, dass die GDN dieses Jahr sogar in Domino City stattfinden sollte. Anzu musste also nicht einmal die Reisekosten bezahlen müssen, die sie erwartet hätten, wenn sie der Show in eine andere Stadt hätte hinterher fahren müssen. Nicht, dass es Anzu in diesem Punkt nur ums Geld ginge, aber sie musste sich die Yen für ihre Freizeit selbst verdienen. Sie wollte ihrer Mutter nicht noch mehr auf der Tasche liegen. Sie arbeitete schon häufig genug. Deshalb jobbte Anzu selbst auch nebenbei. Was für sie aber mehr galt, als das Geld, war die Tatsache, dass bei der GDN in Domino City sogar ihre Freunde anwesend sein konnten. Die Show war zwar ein Highlight des Jahres für jeden Tänzer, aber sie fand nicht in geschlossener Gesellschaft statt. Das war eine vielleicht einzigartige Chance, ihren Freunden zu zeigen, was sie als Tänzerin erreichen möchte. Sie konnte endlich ihren Erzählungen Bilder und Eindrücke zuordnen. Warum also fiel diese verfluchte Nachprüfung auf den gleichen Tag, wie das Vortanzen? In diesem Moment hasste Anzu die Schule für ihre Ungerechtigkeit. Zwar waren beide Prüfungen zun unterschiedlichen Zeiten, aber es war fast unmöglich, so schnell von dem einen Ort zum anderen zu kommen, geschweige denn, sich auf eine der beiden Angelegenheiten zu konzentrieren. Denn, wenn sie in der Schule versagte, blieb für Anzu auch das Tanzen weg. Das war eine strenge, aber ausdrückliche Bedingung ihrer Mutter gewesen. „Wenigstens bestehen, Anzu-chan!“, hatte Miyako gesagt. Selbst das könnte sich als schwerer erweisen, als es klang. Doch wenn sie zwar die Prüfung bestand, aber dafür nicht in die engere Auswahl für die GDN kam, wäre für Anzu das erste Treppchen zum großen Erfolg zu Bruch gegangen. Schließlich waren auf der GDN auch Talentsucher. Anzu hatte sogar die Chance auf ein Stipendium, wenn sie aus der Gruppe der Tänzer hervorstechen sollte. Viel Zeit durfte sich Anzu mit der Teilnahme an der GDN auch nicht mehr lassen. Sie wollte sich nicht nach der Schule nur irgendwie über Wasser halten können, um das nächste Mal bei der GDN teilnehmen zu können. Und für eine Universität in Amerika sparte sie ohnehin ihr ganzes Leben. Professionell Tanzen lernen konnte sie nur an privaten Schulen. Und die waren teuer. Sündhaft teuer. Während Anzu über ihre Zukunft nachgedacht hatte, war sie in die Mädchentoilette verschwunden. Sie wusch sich gerade ihr Gesicht mit kaltem Wasser, um wieder zu klarem Verstand zu kommen. Von dem Versuch, ihre Tränen zurückzuhalten, waren ihre Augen gerötet. Sie hatte sogar die eine oder andere Träne verloren. Aber sie wusste, dass das Weinen nichts brachte. Schnell verschwanden die schmalen Rinnsale der salzigen Flüssigkeit aus ihrem Gesicht und wichen einem entschlossenen Lächeln. Ja, sie würde diese Herausforderung annehmen! Schließlich kannte sie niemanden, der nicht einen steinernen Weg zum Erfolg gehabt hat! Keine Mensch wurde je in ein gemachtes Nest gesetzt, ohne, dass es eine mehr oder minder größere Hürde zu überwinden galt. Selbst Seto Kaiba nicht. Und mit eben diesem musste Anzu nun reden. Ernst! Ohne Demütigungen! Und ohne Kompromisse... Draußen grollte es verräterisch und die Liter an Flüssigkeit, die Anzu sich durch ihre Entschlossenheit gespart hatte, begannen nun leise aus den Wolken gegen die Fensterscheiben der Schule zu klopfen, als wollten sie die anderen, jammernden Mitschüler in ihrer Trauer begleiten. Kapitel 3 - Ende Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)