Die Klingen des Kaisers von Hotepneith ================================================================================ Kapitel 16: Bilanz ------------------ Während die Kutsche die beiden Agenten am Hügelland von Pisan vorbei, das sich am Fuß der Hochberge erstreckte, und im milden südlichen Klima von Weinbergen und weiten Fruchtplantagen bedeckt war, nach Nordosten, in die Hauptstadt brachte, betrachtete in einer kleinen, südlicher gelegenen Stadt ein Mann mittleren Alters nachdenklich seine langen Finger. Fast nachlässig drehte er den Ring dort. So gut sich alles anließ – es gab noch immer Punkte, an denen der Plan scheitern konnte. Dagobert hatte weiß Gott seine Fehler, aber er war leider nicht dumm. Und sein kleiner Bruder schon gar nicht. Es wäre töricht gewesen anzunehmen alles funktioniere, nur, weil Uther bislang nichts davon mitbekommen hatte. Die Betonung lautete: bislang. Er sah zu dem staub- und kotbedeckten Mann vor ihm auf: „Du warst rasch hier, Bote. Gib mir deine Nachricht.“ Er nahm den Brief: „Gut. Lass dir in meinem Vorzimmer deinen Lohn auszahlen. Wann kannst du erneut nach Paradisa aufbrechen?“ „Morgen, Herr.“ „Ich werde dir weitere Anweisungen mitgeben. Geh.“ Der Bote würde einen guten Lohn bekommen Investitionen zahlten sich aus, zumal, wenn Dagobert den Fehler beging, weiterhin nie herausfinden zu wollen, woher die Meuchelmörder, die Geißel dieser Zeit, wirklich stammten. Wüsste er, dass seine gut gemeinten Sumpftrockenlegungen derart viele Leute verarmen hatten lassen, da der große Fluss nun andere Wege nahm und die bisherigen Felder brach liegen ließ...nun, das passierte eben, wenn man nicht selbst überall war. Nicht, dass er sich beschwert hätte. Dagobert und sein Berufsheer vor der Tür zu sehen war nichts, was jemand sich wünschen würde. Und es war eine schlichte Tatsache, dass Dagoberts Feinde oft recht früh und unerwartet starben. Uther hatte da einen Blick drauf. Nein. Er selbst hatte so viel Zeit, Geld und Geduld investiert, da sollte er nun gegen Ende nicht hektisch werden, nicht jetzt noch die Sache eigenhändig in Gefahr bringen. Er las den Brief langsam, ehe er ihn nachlässig in das Feuer des Kamins hinter sich warf. Hm. Hatte Uther einen Fehler begangen? Wer war dieser Michel de la Montagne, mit dem er bei dem letzten Fest erschienen war? Der Beschreibung nach ein junger Landadeliger mit unstillbarem Hunger nach Luxus. Aber was hatte der mit Uther zu schaffen? Wollte der Kaiserbruder den überwachen? Selbst? Ungewöhnlich. Und alles, was an den kaiserlichen Brüdern ungewöhnlich war, war nachhakenswert. Seine Leute sollten sich diesen Knaben aus der Marche mal genauer ansehen. Bedauerlicherweise schien die junge Kaiserin schüchtern oder vorsichtig genug zu sein, keinen Fehler zu begehen, sich in keine einzige auch nur andeutungsweise kompromittierende Situation zu begeben, schon gar nicht mit Uther. Der Mann blickte in das Feuer. Den Verdacht des Ehebruchs auf Kaiserin und Kaiserbruder zu werfen wäre zu hübsch – aber da passten beide geradezu höllisch auf. Schade. Uthers Hinrichtung durch den eigenen Bruder wäre ein reizendes Ziel seiner Rache – und die dieser Anawiga auch. Was stand nochmal auf Ehebruch der Kaiserin? Nun, gleich. Solange sie sich keinen Fehler leisteten konnte er nur in seinen Phantasien schwelgen. Er hatte Jahrzehnte in die Rache investiert – und langsam musste er es durchziehen, wollte er seinen Triumph noch ausgiebig erleben. Das sollte er nicht dadurch riskieren, dass er leichtsinnig wurde, höhere Ziele anstrebte als zu erreichen waren. Uther musste als erstes fallen. Und dann würde es Dagobert. „Du musst kochen lernen,“ grinste Michel an diesem Abend. Sarifa stöhnte leise auf: „Ich wusste wirklich nicht mehr, was ich tun soll.“ In der offiziellen Kutsche waren heute andere Passagiere zugestiegen, darunter auch eine Frau, die sich unverzüglich mit der einzig anderen weiblichen Reisenden über Kochrezepte hatte unterhalten wollen. Stundenlang. Die Fähigkeiten der Assassine diesbezüglich beliefen sich eher auf die notwendigsten Kenntnisse und so war sie etwas in Schwierigkeiten gekommen, ehe Michel das Thema auf Seide und andere Stoffe aus Aquatica gelenkt hatte. Mochte er sich auch darüber amüsieren, dass seine Partnerin die sogenannten weiblichen Künste nicht beherrschte, so war er doch hilfsbereit genug sie nicht im Stich zu lassen. Überdies kannte er ihre Fähigkeiten und hatte einen gesunden Respekt vor ihrem Umgang mit etwas spitzeren Gegenständen. Tatsächlich hatte er gemeint, die Finger der Assassine zu ihrem Armdolch zucken zu sehen und hatte lieber eingegriffen. Jetzt meinte er: „Du hast dich ganz tapfer geschlagen. Das gehört eben zu einem Leben wie dem unseren dazu. In Rollen zu schlüpfen. Und ich hätte gedacht, dass du das kannst.“ Sofort wollte sie sich verteidigen: „Ja, das wurde mir beigebracht. Und wenn ich mich an den Herd stelle, bekomme ich etwas Essbares heraus. Nur...Kochrezepte, über Stunden.....“ „Ich gebe zu, die Gute war lästig. Morgen noch, dann steigt sie um.“ „Ich habe morgen Kopfschmerzen.“ Michel hätte zu dieser sehr weiblichen Verteidigungsstrategie etwas sagen mögen, hielt es aber für besser zu schweigen, da die junge Dame gerade ihren linken Dolch abschnallte.So meinte er nur: „Nun ja, im Notfall könnte ich eine andere Kutsche mieten. Nur für uns zwei.“ Die Zweideutigkeit entging Sarifa: „Nein, das wäre doch zu teuer. Der Graf wird nicht jede Rechnung von dir bezahlen.“ Lieber nicht nachhaken: „Nein, aber er ist nie knauserig, das solltest du schon mitbekommen haben. Und ich habe da sowieso etwas freiere Hand als andere.“ „Nun ja, er hält dich für seinen besten Mann. Warum eigentlich?“ „Ich war bislang erfolgreich. Nicht, dass ich angeben will, aber ich hatte wirklich gute Lehrer.“ „Ich hoffe, ich auch.“ Michel, der sie ausbilden sollte, schwieg lieber. Da wäre wohl jede Antwort falsch gewesen. Nach einer Pause, in der sie ihre Dolche unter den Umhang, aber doch griffbereit neben ihre Bettseite legte, meinte sie: „Woher hast du eigentlich gewusst, dass Alessandro Pisi genau in dieses Haus gehen würde?“ „Du hast die Treppe gesehen und meintest, es sei ein guter Ort. Ich nahm an, dass jeder, der ein Attentat am gleichen Ort begehen will, auch ähnlich denkt. Das Risiko in ein anderes Haus zu gehen, dort unbemerkt durch alle Stockwerke, wäre einfach viel zu hoch gewesen. Die wenigsten Mörder sind bereit Selbstmord zu begehen. Assassinen ausgeschlossen, ich weiß, aber das macht dein Volk ja auch legendär.“ Er hatte sich ebenfalls die Oberbekleidung ausgezogen und streckte sich neben ihr aus: „Überdies: ich mache diese Arbeit seit zehn Jahren. Irgendwann entwickelt man einen gewissen Sinn für Gefahren und auch dafür, wie die andere Seite denkt. Schwer zu erklären..“ „Wie auf der Jagd? Wenn man weiß, dass das ein ideales Versteck wäre?“ „Vermutlich. Ich habe nur mit dem kaiserlichen Hof gejagt, da ist das etwas anderes.“ „Natürlich.“ Aber Sarifa lächelte nur: „Dann mach die Kerze aus, ja?“ „Natürlich, mein Engel.“ In Paradisa erstattete Michel wie üblich unauffällig dem Geheimdienstleiter Bericht, während sich Sarifa nach Hause auf den Weg machte, durchaus froh, dass die lästige Nacharbeit, auch die Abrechnungen der Spesen, an ihrem Ausbilder hängen blieb. Sie machte sich nach einem kurzen Abstecher in ihre Wohnung zu dem Mietstall auf, in dem sie ihren Wallach untergestellt hatte, um nach ihm zu sehen. Zu ihrer unangenehmen Überraschung tauchte fast unverzüglich der Besitzer des Mietstalles auf. „Ah, ma donna...Ihr wart einige Wochen nicht hier. Ich dachte schon, Ihr hättet das hier vergessen.“ „Unwahrscheinlich, nicht wahr?“ Aber sie ließ das Pferd los und griff in die Tasche, in der naheliegenden Annahme der Besitzer wolle die ausstehende Miete einkassieren. Dieser, ein Mann um die Fünfzig, der kaum größer als Sarifa war, schob das Geld auch ein, ehe er sagte: „Nun, wie Ihr wisst, ma donna, gibt es in Paradisa nur wenig Mietställe, die anderen liegen alle vor den Stadtmauern. Ich habe ein Angebot für diesen Platz bekommen. Der Herr würde zehn Gulden bieten, viel mehr als Ihr wohl bereit wärt, für dieses alte Pferd zu zahlen, das ja vermutlich hier in Eurer Großzügigkeit nur das Gnadenbrot bekommt....“ Er brach ab, denn der Blick der jungen Dame gefiel ihm irgendwie nicht: „Oder doch?“ „Zehn Gulden für ein Pferd sind in der Tat ein Wucherpreis!“ Sie musste nur an Aquatica denken. „Nun, ich sagte dem Herrn zu, sobald Ihr wieder hier seid, Euch zu kündigen. Der Pferdemetzger...äh..ich meine, ich wollte nicht ohne Euer Einverständnis....Ich meine....“ Ihm lief ein kalter Schauder über den Rüclen, den er sich nicht erklären konnte. Sarifas dunkle Augen blitzten: „Wenn ich ihn hier nicht mehr vorgefunden hätte, wäre es Euch schlecht bekommen, soweit habt Ihr Recht. - Nun, ich werde einen anderen Platz für ihn finden.“ Der Vermieter lächelte fein: „Irgendwo, sicher, ma donna. Hauptsache, er ist morgen hier raus.“ „Das wird er.“ Sarifa bemühte sich ihren Zorn zu zügeln. Vermutlich hatte Michel Recht und keiner betrachtete sein Pferd als seinen Weggefährten oder gar Freund. Wieso wollte eigentlich jemand dann soviel für die Unterstellung bezahlen? Nun ja, in der kaiserlichen Hauptstadt lebten viele Adelige und reiche Bürger, denen wohl die Nähe wichtiger war als der Preis. So machte sie sich auf den Weg zu Michel, um den um Rat zu fragen. Immerhin lebte er seit Jahren in Paradisa. Dieser war soeben nach Hause gekommen und seufzte unhörbar, als er das Problem seiner Partnerin vernahm. Er wusste, dass sie an dem alten Wallach hing, aber er hatte schon nicht verstanden, warum sie sieben Gulden die Woche für den Unterstand bezahlte. Allerdings schien sie in dem Pferd eine Art Familienangehörigen zu sehen und überdies war mit einer deutlich angesäuerten Assassine schlecht zu diskutieren. Hätte der Stallvermieter den Wallach wirklich einfach, in der irrigen Meinung ihr sei das gleich, dem Pferdemetzger ausgeliefert, so hätte der törichte Mann wohl den letzten Fehler seines Lebens begangen. So seufzte der Adelige nur, diesmal lauter: „Na schön. Du hast doch Zugang zum kaiserlichen Palast? Den Passierschein?“ „Ja.“ „Ich schreibe dir ein paar Zeilen und du fragst nach Stallmeister Charibert, ja?“ „Gut, danke,“ erwiderte Sarifa beruhigt, die keinen Schimmer davon hatte was ein Stallmeister eigentlich tat und annahm, er sei eben eine Art Stallvermieter für die Pferde des Kaisers. Michel ahnte das zwar, aber wenn er ihr gesagt hätte, dass der Stallmeister nicht nur sämtliche kaiserlichen Pferdeställe unter sich hatte, sondern auch der Anführer des berittenen Teiles des Heeres war, wäre es ihr vermutlich auch gleich gewesen. So erklärte er nur: „Ich hatte bei ihm Unterricht. Sei nett zu ihm.“ „Sicher. Meinst du, er kann meinen Wallach unterstellen?“ „Ja, vermutlich.“ Und mit diesem Empfehlungsschreiben würde er es wohl tun. So stand sie nur zwei Stunden später vor einem Mann um die Fünfzig, dessen Gesicht und Hände verrieten, dass er sich viel an der frischen Luft aufhalten musste. Durch nichts zeigte Charibert, dass er sich wunderte, ein junges Mädchen vor sich zu sehen. Wollte sie ihren Mann oder Verlobten besuchen? „Ein Brief, ma donna?“ „Ich....ich denke, darin ist mein Anliegen an Euch erklärt,“ meinte sie etwas vorsichtig. „Michel?“ Er betrachtete das Siegel, ehe er öffnete. Schön, das war mal etwas Neues. Er kannte seinen ehemaligen Schüler als durchaus den Frauen zugetan, aber er war sicher, dass der noch nie versucht hatte eine junge Dame dadurch zu erobern, dass er einen Platz für ihr Pferd suchte. Das war amüsant. War der gute Michel etwa mal mehr als nur verliebt? Nun ja, sie war hübsch, wenn auch wohl eine Bürgerliche. Aber sie war in keiner Weise scheu oder auch nur eingeschüchtert von der Tatsache, wem sie hier gegenüberstand. Interessant. „Nun ja, ich könnte Euer Pferd unterstellen, ma donna,“ sagte er: „Allerdings wohl eher in den Stallungen vor der Stadt, hier ist der Platz doch recht beengt.Was natürlich für Euer Tier auch Weideauslauf bedeuten würde.“ „Oh ja, das würde ihm sicher gut tun. Was...was wollt Ihr dafür haben?“ Der kaiserliche Stallmeister, einer der höchsten Beamten des gesamten Reiches, sah sich bestätigt, dass sie keine Ahnung von seiner Tätigkeit hatte: „Tja, für wen arbeitet Ihr denn, ma donna?“ „Mein Geld kommt aus der kaiserlichen Kasse,“ erwiderte sie diplomatisch und bemerkte, wie der Mann die Brauen hob: „Stört es Euch?“ „Nein, ich wundere mich nur soeben Euch noch nie bei Hofe gesehen zu haben. Und ich habe ein vorzügliches Personengedächnis. Nun, gleich. Arbeitet Ihr für den Kaiser, so stelle ich Euer Tier kostenlos unter, einverstanden?“ Soweit käme es noch, dass Dagoberts rechts Hand Geld bezahlte, das die Linke wieder einnahm. „Danke, das ist sehr freundlich von Euch.“ Sarifa lächelte dankend – und ahnte nicht im Mindesten, welchen Schreck ihr bisheriger Vermieter in weniger als einer Stunde erhalten würde, wenn zwei kaiserliche Stallknechte in Begleitung zweier Leibwachen einen alten Wallach abholen kommen würden – und er sich verzweifelt fragte, wer diese junge, deutlich einflussreiche Dame sei, die er offensichtlich verärgert hatte. Fast zwei Stunden vor den Toren der Stadt hatte ein vornehmer Herr an einem warmen Spätherbstmittag ein eigenes Speisezimmer in einem guten Gasthof gemietet. Der Wirt bediente ihn daher auch äußert höflich, nicht ahnend, dass es sich um den Bruder des Kaisers handelte. Dazu war die Kleidung, die Uther gewählt hatte, doch zu einfach, wenn auch adelig. Er sah erst auf, als ein junges Paar eintrat: „Ah, schön, dass Ihr so rasch kommen konntet. Nehmt Platz.“ Michel und Sarifa gehorchten. „Ein ungewöhnlicher Treffpunkt, werter Graf“ meinte der Agent nur. „Ich wollte verhindern, dass Euch jemand Falsches sieht. Oder auch mich. - Ich habe einen Auftrag für Euch.“ „Oh, wir hatten ja auch erst vier Wochen frei.“ „Eben. - Es geht um einen Mann namens Henri Gustav. Er wurde von der kaiserlichen Polizei verhaftet, da er im Verdacht stand, an einem Überfall auf die Stadtkasse von Lorgnan beteiligt gewesen zu sein. Leider blieb es bei dem Verdacht, es konnte ihm nichts weiter nachgewiesen werden. Ich erfuhr davon, da alle Verhaftungen gemeldet werden und einer meiner Männer mitdachte – der Geheimdienst hat Gustav auch schon einmal beobachtet. Er hatte Kontakte zu einigen Leuten, die an der Westküste mit Piraten in Verbindung stehen sollen. Piraten benötigen oft auch Geld, wenn ihre Jagden durch die kaiserliche Marine schlecht laufen oder sie ein Schiff im Sturm verlieren. Gustav wird in drei Tagen freigelassen, in Lorgnan. Eine Adresse ist nicht weiter bekannt, allerdings wurde er in einer Gastwirtschaft dort verhaftet und zuvor auch öfter gesehen. Zum Schwarzen Lamm. Ich möchte, dass Ihr ihn beobachtet, was er tut, ob er Kontakt zu anderen aufnimmt, vor allem zu Männern aus Küstendörfern. Die Küste in der Gegend von Lorgnan, Sarifa, gehört zur Provinz Borea und ist recht steil und felsig. In den unzähligen Buchten dort mag sich ein Schiff der Piraten verstecken.“ Er reichte Michel eine Akte: „Bitte. Notwendige Bankbriefe liegen ebenfalls dabei, für Eure Auslagen. - Sarifa, darf ich Euch eine etwas neugierige Frage stellen? Woher kennt Ihr Charibert?“ Etwas überrascht antwortete sie: „Den Stallmeister? Michel war so freundlich ihn zu bitten, dafür zu sorgen, dass ich mein Pferd unterstellen kann.“ Der Bruder des Kaisers blickte zu diesem: „Charibert – ein Pferd unterstellen? Dahinter steckt wohl eine interessante Geschichte.“ „Äh, ja....“ Michel streifte ein wenig verlegen sein Haar zurück. Für höfische Verhältnisse war das in etwa das Gleiche, als ob er den Kanzler gebeten hätte, ihm einen Tisch in einer Wirtschaft zu reservieren: „An dem Wallach hängt meine Partnerin sehr und er musste aus dem Mietstall raus....“ „Sehr schön. Der Kämmerer erzählte mir nämlich etwas irritiert, dass wir seit Neuestem fremden Pferden das Gnadenbrot geben, warum er nichts davon wisse. Und Charibert hüllte sich in Schweigen. Oh, bis nächste Woche bin noch immer ich der Regent, falls Ihr das vergessen habt.“ „Ich musste den armen Kerl doch irgendwo unterstellen,“ sagte Sarifa empört – so nachdrücklich, dass Graf Uther, der zweitmächtigste Mann des Reiches, beschloss, die Unterbringung eines alten Pferdes würde das Reich nicht so sehr an den Rand des Untergangs treiben wie die Verärgerung der Assassinen. Tierlieb waren sie also auch noch.... So meinte er nur sachlich: „Ich habe den Wirt bereits angewiesen eine private Eilkutsche zu beschaffen. Raoul hat Euch die notwendige Kleidung gegeben, meine Teuerste?“ „Ja, danke. Zwischen adelig bis bürgerlich sehr breitgefächert.“ „Das liegt daran, weil wir nichts über die Zusammenhänge in Lorgnan oder auch Henri Gustav wissen. Eure..hm...Assassinengarderobe habt Ihr ja stets bei Euch?“ Ein leichter Ruck ihrer Hand und ein Messer lag darin. Graf Uther erlaubte sich ein Lächeln: „Sehr gut. - Michel, noch Fragen?“ Der schlug die Akte zu und schob sich die Bankanweisungen in das Wams: „Habt Ihr Neuigkeiten aus Aquatica?“ „In der Tat. Alessandro Pisi stellte sich dem kaiserlichen Gericht zu Paradisa. Sie ermitteln nun und er sitzt in Gewahrsam. Wenn seine Version stimmt, dürfte es bald in Aquatica Ärger geben.“ „Sie haben ihn gefoltert,“ erklärte Sarifa. „Folter ist bedauerlicherweise manchmal notwendig – wenn auch ein sehr dummes Mittel der Ermittlung,“ sagte Uther nüchtern: „Man erfährt das, was man hören will und nicht unbedingt die Wahrheit. Andererseits – wenn man im Feld steht und einen feindlichen Spion erwischt, ist es für zumindest die eigenen Männer lebensrettend zu erfahren, wo die Falle ist. Eine schwierige moralische Frage, Sarifa. Wie alles, für das man Verantwortung übernimmt. - Zu Henri Gustav?“ „Keine Fragen,“ meinte Michel sachlich: „Wir fahren unauffällig mit der Tageskutsche in Lorgnan ein und werden uns diese Wirtschaft Zum Schwarzen Lamm einmal ansehen. Dann entscheide ich weiter. Wann wird Gustav freigelassen? Ja, in drei Tagen erwähntet Ihr, aber das wird eng. Morgens oder abends?“ „Morgens gegen zehn. Länger darf es die Polizei nicht hinausschieben.“ „So müssen wir bis dahin in Lorgnan sein. Hm.“ „Die Eilkutsche könnte wirklich hilfreich sein,“ meinte Sarifa ehrlich: „Wenn ich mich recht entsinne liegt Lorgnan näher an Paradisa als die Marche, aber doch gute drei Tagesreisen....“ „Da hast du recht, meine Sachlichkeit.“ Michel sah auf: „Dann entschuldigt Ihr uns.....“ „Natürlich. Die Kutsche dürfte Euch erwarten. Viel Glück.“ Und das klang ehrlich. Nur wenige Minuten später jagte die Eilkutsche Richtung Nordwesten. In zwei Stunden würden die Pferde gewechselt, bei Nacht, wenn auch langsamer, weitergefahren. Anstrengend für die beiden Kutscher und die Passagiere, aber die einen wurden zu gut bezahlt um sich zu beschweren, die anderen wussten um die Notwendigkeit. „Piraten,“ sagte Sarifa nur: „Im Südmeer gibt es auch welche.“ „Immer auf den Meeren, mein Engel. Manche Leute halten die Störung des Handels für eine simple Methode, um an Geld zu kommen. Die kaiserliche Marine ist da gut beschäftigt. Was weißt du von Lorgnan oder auch der Provinz Borea?“ „Sie heißt Provinz, weil es dort keinen König gibt und eigentlich auch so gut wie keine Städte. Also, zumindest keine selbstständigen.“ „Ja. Indirekt gehört es noch zum Kernland und untersteht Kaiser Dagobert. Nun ja....Es sind freie Bauern, wenige Städte, die größte und der größte Hafen ist Lorgnan. Ist recht gut befestigt, weil früher immer wieder Angriffe aus Westceltica kamen, aber das hat sich zum Glück gelegt. Jetzt sind nur noch die Piraten lästig. Oder, um es so zu sagen, eine echte Behinderung des Handels. Lorgnan ist insgesamt eine Hafenstadt, viele fremde Leute sind da und entsprechend rau sind die Sitten. Als meine Frau, oder überhaupt als weibliches Wesen solltest du aufpassen, beziehungsweise dich sehr zurückhalten. Nicht, dass ich anzweifle, dass du dich verteidigen kannst, aber wir wollen unauffällig bleiben.“ „Wir waren doch schon in zwei Hafenstädten,“ erklärte Sarifa ein wenig verwundert: „Und weder Lavinia noch Aquatica schienen mir diesbezüglich besonders....wild.“ „Ja, aber sie liegen auch am Südmeer. Das ist einfacher zu befahren, weniger Stürme und so. Hier sind die Sitten...härter. Ich werde vermutlich mich auch mit einigen Leuten herumschlagen dürfen und bitte das wörtlich zu nehmen.“ „Deine Heimat, die Marche, liegt doch nicht soweit weg.“ „Ja, ist aber das ist mehr angestammtes Bauernland. Das hier...in Borea wohnten lange nur Fischer und im Hinterland einige Bauern mit ärmlichen Feldern. Um die Städte zu gründen und zu besiedeln rief der Kaiser vor gut hundert Jahren, oder eher mehr, Siedler aus allen Teilen des damaligen Reiches. Es kamen naturgemäß auch viele Glücksritter und Leute, die sich anderswo nicht mehr blicken lassen konnten und das hat sich bis heute mehr oder weniger erhalten. Die städtischen Behörden sind gut beschäftigt. Deswegen will ich auch vorsichtig sein, was dieses Schwarze Lamm betrifft und erst einmal allein hingehen. Für den Fall, dass das eine Seemannswirtschaft ist.“ Sarifa nickte. Das klang lästig. ** Piraten können weitaus mehr als lästig fallen, wie die beiden noch feststellen werden.... Das nächste Kapitel wird voraussichtlich erst in zwei Wochen online kommen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)