Schule und andere Katastrophen von Ago ================================================================================ Kapitel 8: -8- -------------- Dienstag, 9. September, 14:07 Sasuke war schon zu Hause, als Naruto zurückkam. Er hatte Narutos Schulbücher entgegengenommen und sie fein säuberlich auf dessen Schreibtisch gestapelt. Daneben lagen ein paar Blätter, die anscheinend bereits am ersten Tag in Narutos Abwesenheit ausgeteilt worden waren. Oh Mann, was würde ich ohne dich tun? Naruto nahm die Blätter und zwang sich, sie sorgfältig zu lochen und in die entsprechenden Ordner einzusortieren. Ihren Inhalt würdigte er dabei allerdings keines Blickes. Hey, Einsortieren ist ja schon einmal irgendeine Art der Beschäftigung mit dem Stoff, oder? Doch auch wenn er es versucht hätte, es wäre ihm vermutlich nicht gelungen, sich auf Ökosysteme, die Verwendung des Konjunktivs im Nebensatz oder auch die geographischen Gegebenheiten Indiens zu konzentrieren. Sein Hirn schien wie betäubt, was zum einen Teil an seiner nach wie vor vorhandenen Übermüdung, zum anderen Teil aber an einer unglaublichen Verwirrung lag, die sich zu irgendeinem Zeitpunkt des Tages in seinem Kopf breitgemacht haben musste. Dieser Junge, Neji Hyuga, tauchte mit seinem Heiligenschein aus gepflegt duftenden Haaren immer wieder vor seinem geistigen Auge auf, und Naruto ertappte sich dabei, wie er sich jetzt schon Gedanken über seinen Besuch im Krankenhaus machte. Soll ich morgen schon vorbeischauen? Oder fühlt er sich dann belästigt? Und worüber soll ich mit ihm nur reden? Darf ich ihn nach seiner Lieblingssportart fragen, wenn ich ihn mit meiner mehr oder weniger KO geschlagen habe? Und was sollte das mit CK one? Wollte er Werbung für Calvin Klein machen? Oder mich nur verarschen? Aaaah… Naruto entschied, dass weiteres Grübeln sowieso zu nichts führen würde und zog es vor, mal wieder Sasuke in seinem Zimmer heimzusuchen. Vielleicht konnte er ihn überreden, seine Bücher auch noch für ihn einzubinden. Dieser äußerlich so coole und abgeklärte Kerl ließ sich zu erstaunlich vielen Dingen breitschlagen, wenn man ihn nur lange genug bauchpinselte. Sasuke, du hast Glück, denn bis jetzt bin ich vermutlich der einzige, der das gecheckt hat. Hoffen wir mal, dass dieses dunkle Geheimnis von dir nie die Runde macht. Sonst wirst du bald von deinem Umfeld verknechtet. Grinsend wandelte der blonde Junge durch die Flure der Villa. Sein Vater hatte die Wände in diesem Stockwerk mit Renaissance-Kunstdrucken verziert, wohl in der Absicht, ihnen einen bildungsbürgerlichen Touch zu verleihen. Letztendlich war er in dieser Absicht allerdings ziemlich gescheitert: Bei den Bildern handelte es sich nahezu ausschließlich um Darstellung nackter oder leicht bekleideter Damen. Während er also die Reihen der Göttinnen und Nymphen abschritt, konnte Naruto die Musik, die so gar nicht zu diesem Umfeld passen wollte, immer lauter werden hören. “I don't know what's worth fighting for, or why I have to scream... I don't know why I instigate, and say what I don't mean... I don't know how I got this way, I'll never be alright... So I'm breaking the habit, I'm breaking the habit tonight.” Typisch. Wohl wissend, dass ein Anklopfen seinerseits im Angesicht der lautstarken Geräuschkulisse im Zimmer sowieso nicht gehört würde, trat Naruto einfach in das Zimmer seines Mitbewohners ein. Nicht, dass er grundsätzlich keinen Respekt vor der Privatsphäre anderer gehabt hätte, aber im Laufe der Jahre hatten sich die beiden Jungen gegenseitig bereits bei so ziemlich allem erwischt, wobei man einen anderen nur erwischen konnte. Anklopfen war also nur noch geboten, wenn Besuch da war. Und das hätte Naruto gewusst. Sasuke saß gerade auf seinem abgewetzten grauen Sofa und hackte noch ein paar letze Worte in die Tastatur seines Laptops, bevor er zu dem Eindringling hochsah. „Hi.“ Sagte er und stellte die Stereoanlage per Fernbedienung so leise, dass man ihn tatsächlich verstehen konnte. „Wieder zurück?“ „Jaaaa! Oh Mann, du glaubst nicht, was das für ein Stress war, ey. Die lassen mich nie wieder Fußball spielen in der Schule!“ Mit Schwung ließ er sich ebenfalls auf das Sofa fallen, das unter seinem Gewicht noch ein bisschen mehr in sich zusammensackte. Während des kurzen Blickes, den er nun um sich warf, kam Naruto einmal mehr nicht umhin, über Sasukes Ordnungssystem zu staunen. Dieses Zimmer war die interessanteste Kombination von perfekter Ordnung und Totaler Überfüllung, die er je in diesem Leben gesehen hatte. Die Wände waren von oben bis unten mit Postern der merkwürdigsten Bands behängt und auch ein paar Landschaftsbilder und Postkarten hatten Platz gefunden. Dabei waren die Bilder allerdings auf eine Art und Weise angeordnet, die jedes Einzelne von ihnen am richtigen Platz befindlich scheinen ließ. Ähnliches galt für das Bett, auf dem sich vier Kissen, eine Nackenrolle und eine Decke befanden. Alles war sinnvoll angeordnet und farblich aufeinander abgestimmt, sodass niemals der Eindruck von Unordnung entstanden wäre. Glücklicherweise war Naruto diesen Anblick schon viel zu gewohnt, als dass er noch irgendwelchen Neid im Angesicht dieses Ordnungstalentes empfunden hätte. „Aber der Kerl lebt noch!“ fuhr er also fort. „Und ich habe ihm versprochen, ihn zu besuchen. Tut mir echt leid, der Arme. Ist anscheinend gerade erst hier ins Internat gezogen und schon liegt er im Krankenhaus… Naja, egal, hab ich irgendwas verpasst?“ Sasuke überlegte kurz und tippte währenddessen noch ein paar Sätze in mehrere dubiose Chatfenster. „Erste Mitarashi Stunde hast du verpasst… Und Bio bei Tenzo, aber ich glaube, das haben ohnehin alle verschlafen, also bist du genauso schlau wie der Rest auch, ansonsten… Ach ja, und ich musste mit dem Bus nach Hause fahren!“ „Mit dem Bus?“ Naruto war verdutzt. „Wo liegt denn da das Problem?“ „Das Problem?“, schnaubte Sasuke, „Das Problem liegt in den ganzen scheiß Büchern, die ich schleppen musste! Ich hatte ja quasi die doppelte Menge! Iruka hätte uns fahren sollen! Das war so abgemacht, auch wenn du es anscheinend schon wieder vergessen hast. Aber nein, er hat irgendeinen Motivationsschub erlitten und musste unbedingt länger bleiben!“ „Motivationsschub?“ „Was weiß ich. Ich hab ewig gewartet und erfolgreich schon mal zwei Busse verpasst, bis er dann völlig hektisch ankam und mir gesagt hat, ja sorry es geht leider nicht, hab zu tun. So ein Scheiß. Und Karin hat mich die ganze Zeit vollgelabert, das war fast genauso schlimm wie die Schlepperei.“ Sasuke verdrehte die Augen und klickte mit besorgniserregender Aggressivität ein blinkendes ICQ Fenster weg. „Und sie tut es immer noch.“ Naruto musste lächeln. „Ach komm, du magst sie doch.“ Sein bester Freund schnaubte. „Das vielleicht, aber sie will mich verdammt nochmal heiraten! Das erschwert es mir ein bisschen, mit ihr befreundet zu sein.“ „Ein Jammer, dass du es nicht hingekriegt hast, sie mit Suigetsu zu verkuppeln…“ „Ja, diese Sache im Erlebnisbad war wohl ein ziemlicher Fail. Warum auch immer sie meinte, in die Herrenkabine einbrechen zu müssen. Naja. Can‘t be helped, was?“ „Nope. Aber wo ich gerade das Wort Hilfe höre, sag mal, also meine Schulbücher…“ „Ich binde die ganz sicher nicht ein!“ unterbrach Sasuke ihn. „Aber warum niiiicht?“ Naruto riss seine unschuldigen blauen Augen so weit wie möglich auf. „Du kannst das so gut! Wenn ich das versuche, sieht es danach immer furchtbar aus!“ „Nauto.“ Sein Gegenüber sah ihn sehr ernst an. „Naruto, wer hat dir die Bücher unter enormer Belastung seiner Wirbelsäule nach Hause gebracht?“ „Duuu?“ „Wer hat dir alle Hefte für dieses Jahr samt Umschlag gekauft?“ „Du. Aber ich hab dir das Geld…“ „Wer hat dir seine alte Schultasche zur Verfügung gestellt, weil du es geschafft hast, deine kaputtzumachen?“ „Du…“ „Wer leiht dir seit 9 Jahren andauernd seine Stifte aus, obwohl du sie nie zurückgibst???“ „Duuuu!“ „Exakt, und warum sollte ich auch noch deine scheiß Bücher einbinden? He?“ Naruto tat so, als müsste er kurz überlegen, schob dann die Unterlippe vor und legte grinsend den Kopf leicht schief, während er sagte: „Weil du es letztes Jahr auch schon gemacht hast?“ „Das ist kein Argument!“ „Weil du es so toll kannst?“ „Na und?“ „Weil du mein bester Freund bist?“ „Deswegen muss ich noch lange nicht…“ „Ouch kooooommm!!! Bittebittebittebittebittebitte…“ „Du hättest es in der ganzen Zeit, die du mich hier vollquatschst auch selber erledigen können!“ „Du auch!“ Sprachlos für ein paar Sekunden verdrehte Sasuke schließlich die Augen. „Na guuuut, aber bring sie wenigstens selber her!“ „Na klar!“ Wie ein kleines Kind, dem seine Mutter gerade doch den Lolli gekauft hatte, sprang Naruto auf. Er hastete in sein Zimmer, um die Bücher zu holen, bevor sein Mitbewohner es sich anders überlegen konnte. Dieser wurde nun vorerst alleine in seinem Zimmer zurückgelassen und beschäftigte sich damit, den Kopf zu schütteln. Ob über Naruto, sich selbst oder die Welt im Allgemeinen, wusste er nicht.   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)