Unsaid von BlackLovelessCat ================================================================================ Kapitel 1: Wirklich ist doch ein wirklich bescheuerter Name. ------------------------------------------------------------ Die ganzen Menschenmengen laufen an mir vorbei. Jeder in seine eigenen Sachen vertieft, und die anderen um sich herum nicht beachtend. Jedoch ergeht es mir selbst nicht anders. In meinem Kopf schwirren noch die Worte des heutigen Unterrichts umher und bereiten mir leichte Kopfschmerzen. Wie immer wurde ich bisher schon zweimal angerempelt, weil die Leute immer der Meinung sind, auf ihr Handy gucken, oder sich in der Weltgeschichte umschauen zu müssen. Ich hasse es, erst so spät aus der Uni zu kommen. Die Innenstadt ist mit Menschen überfüllt und es ist nur ein schleppendes Vorwärtskommen. Es ist auch schwer ein Café zu finden, in dem man ein wenig Ruhe hatte. Bei dem Gemurmel der Leute und dem Klackern der Schuhe auf dem Boden, kann man nur schwer Gedanken fassen. Schnell komme ich vom Unterrichtsstoff ab und bin wieder bei den üblichen Gedanken, welche nun seit einem Monat ständig die gleichen sind. Und das nur, weil mein Herz plötzlich der Meinung ist, für jemanden schlagen zu müssen. Aber das schlimme dabei ist, dass es mir sagen will, dass ich auf Männer stehe! Vielleicht ist das ja aber nur eine typische Phase bei Jugendlichen. Ob man mit 19 noch jugendlich ist? Vielleicht bin ich nicht mehr ganz so jugendlich, aber es könnte ja sein, dass ich mit solchen Sachen einfach hinterher hänge. Als Liebe würde ich die ganze Sache nicht bezeichnen, vielleicht eher als ein ungewolltes, ständiges Denken an ihn. Denn um jemanden zu lieben, gehören doch eigentlich Dinge, wie Zeit mit einander verbringen, Gespräche führen und so weiter, dazu. Und um ehrlich zu sein, habe ich nichts von diesen Dingen bisher mit ihm gemacht. Alles was ich von ihm weiß ist, dass er etwa 21 ist und Herr Wirklich heißt. Ähm ja… ich weiß, dass das nicht allzu viel ist, aber wie ich bereits sagte, ist das nur eine vorübergehende Phase, die ich durchmache. Um die ganze Sache etwas verständlicher zu machen, werde ich euch kurz erzählen, wie unsere erste Begegnung verlief: Wie immer kam ich spät aus der Uni und ging danach in ein Café in der Stadt, um möglichem Stress zu Hause vorerst aus dem Weg zu gehen. Jedoch wusste ich da noch nicht, dass so etwas aus einem einfachem Café Besuch entstehen würde. Ich betrat das Café und setzte mich auf einen Platz, der etwas von den anderen Menschen, die dort waren, weg war. Bisher lief alles ganz normal. Aber auch nur, bis ich dann Bekanntschaft mit dem neuen Kellner machen musste. Wie immer werde ich einen Kakao bestellen, doch als dann dieser gutaussehende junge Mann meine Bestellung entgegennehmen wollte, vergaß ich, was ich eigentlich bestellen wollte und nahm stadtdessen einen Kaffee. Kaffee… eigentlich hasse ich dieses Zeug. Mein Gehirn hatte in dem Moment anscheinend einfach abgeschaltet. Er brachte mir den Kaffee und dann warf ich einen kurzen Blick auf sein Namensschild. Herr Wirklich. Ein wirklich bescheuerter Name. Mit ganz viel Milch und Zucker trank ich es trotzdem. Was hätte ich sonst auch machen sollen, ich hätte ja schlecht sagen können: „Tut mir Leid, eigentlich wollte ich einen Kakao bestellen, aber als Sie hier vor mir standen, hätte ich selbst meinen eigenen Namen nicht mehr buchstabieren können.“ Das würde bestimmt total gut kommen. Ich bezahlte den Kaffee und machte mich dann auf den Weg nach Hause. Wo ich die ganze Situation jetzt noch einmal so durchdacht habe, scheint mir eine vorübergehende Phase ziemlich unwahrscheinlich. Aber so wie ich mich kenne, werde ich das Ganze bestimmt in ein paar Tagen vergessen haben. Gerade will ich mir noch mal meine Aufzeichnung der letzten Lesung anschauen, als ich unten meine Eltern lautstark diskutieren höre. Im Wohnzimmer finde ich dann meine Eltern die mit meiner Schwester stritten. Mal sehen, was sie ihr wiedermal nicht erlauben wollen. Meiner Meinung nach ist sie für ihre zarten 6 Jahre schon viel zu erwachsen. Dass ich da sein musste, wenn mein Vater hier zu Hause mal wieder seine Kollegen einlud zum essen, oder ähnliches war vielleicht sogar verständlich. Jedoch musste Emma das auch schon. Und am besten sollte sie sich benehmen wie eine Dame, dass das manchmal in heftigen Streiten endete ist wohl verständlich. Meine Mutter war auch nicht weniger streng. „Das ist doch aber gar nichts für dich.“ Sagt meine Mutter und hantiert dabei mit einem kleineren Zettel umher, den sie mir dann fast ins Gesicht haut. „Worum geht es denn?“ versuche ich, in Erfahrung zu bringen. „Phillip.“ Emma klammert sich an meinem Bein fest. Ich streiche ihr über die blonden Haare, die sie wie ich von meiner Mutter geerbt hahtte. Sie hat mich jetzt seit Freitag nicht mehr gesehen, denn das Wochenende habe ich damit verbracht, noch meine restlichen Sachen aus unserem alten Haus zu holen. Mein Vater hat hier einen besseren Job gefunden und so habe ich es nicht mehr so weit wie früher zur Uni. Aber es ist ja nicht so, dass mein Vater vorher nicht schon ausreichend verdient hat. Der Grund warum Emma und ich das mitgemacht haben ist, dass, wie uns versprochen wurde, wir uns etwas wünschen dürfen. Ich ahnte jetzt schon, dass es um diesen Wunsch ging. „Deine Schwester möchte Kunstunterricht nehmen.“ Wow. Das ist ja so schlimm. Meine Eltern sollten sich lieber freuen, dass meine Schwester solche Wünsche hat und nicht welche wie Barbies und ähnliches. „Und was ist daran so schlimm?“ „Wir möchten nicht, dass unsere Tochter, die wohlbemerkt deine Schwester ist, sich mit so etwas auseinander setzt. Es wäre doch viel schöner, wenn sie Ballettstunden nehmen würde.“ Emma hasst Ballett. Ich kenne kaum ein kleines Mädchen, das lieber zeichnen und mit Farben arbeiten will, als eine kleine Ballerina zu werde. „Sie kann doch eine Probestunde dort machen, wenn das geht. Ihr könnt euch noch einmal mit dem Kursleiter unterhalten, was denn da so gemacht wird und wenn es Emma gefällt, kann sie das doch ruhig machen.“ „Nein, sie soll Ballettstunden nehmen und damit basta “ Mein Vater ist ein totaler Sturkopf. „Bitte.“ Wer kann einem so süßem, kleinem Kind schon wiedersprechen? Bis auf meinen Eltern natürlich. So geht diese Diskussion etwa eine Halbestunde, bis ich meine Eltern dazu bringe, dass Emma eine Probestunde machen kann und dann vielleicht sogar an dem Kunstkurs teilnehmen darf, aber das auch nur, wenn sie trotzdem die Balletstunden nimmt und sich nichtmehr dagegen sträubt. Die Konsequenz für mich ist jedoch, dass ich Emma dann immer abholen musste. Das jedoch soll nicht das Problem daran werden. Ich nehme mir den Zettel mit den Informationen und der Telefonnummer. Als ich dann die Nummer gewählt habe und nach etwa dreimal Piepen am andere Ende abgenommen wird, bleibt mit die Spucke im Halse stecken. Konnte es sein, konnte es tatsächlich sein, dass dieser Mann sich gerade mit Herr Wirklich gemeldet hat? Kapitel 2: von Morgenmuffeln, Steinen und Schubladendenken ---------------------------------------------------------- „Hallo? Sind Sie noch da?“ „Oh, ja. Entschuldigen Sie.“ Und schon wieder macht mein Gehirn was es will und arbeitet einfach nicht weiter. Was das nur mit mir werden soll. Schnell sage ich was mein Anliegen ist und bin erleichtert, als ich auflege und alles geklärt habe. Schon übermorgen werde ich meine Schwester mit dorthin begleiten müssen und mich dem `Wirklich´ Problem stellen müssen. Warum musste ich meine Eltern auch davon überzeugen, dass Emma den Kunstkurs besuchen darf. Ach ja, weil sie meine Schwester ist und ich sie wirklich lieb habe. Aber hätte ich vorher gewusst, was auf mich zukommt, hätte ich meine Eltern wahrscheinlich nie überredet. Allein wegen dieser Kleinigkeit, die Eltern umstimmen, sodass Emma jetzt doch zum Kunstkurs gehen darf, bedankt sie sich den ganzen Abend bei mir. Kurz nach dem Telefonat, beim Abendbrot, beim Fernsehen, sogar kurz bevor sie ins Bett geht. Wenn doch nur alle in diesem Haus so nett wären wie sie. Etwa um 23.00 Uhr schaffe ich es mich von der Couch zu erheben und mich auf den Weg in mein geliebtes Bett zu machen. Als ich oben mein Zimmer betrete fällt mir auf, dass ich eigentlich noch ein wenig lernen wollte, jedoch war es dafür jetzt ja auch ein klein wenig zu spät. Bevor ich mich ins Bett begebe, kippe ich noch das Fenster an und platziere meine Sachen unordentlich vor dem Bett. Ich hasse den Wecker. Ja genau, das kleine Ding das einen immer aus den Träumen reißt und die schöne Zeit im Bett beenden will. Warum gibt es auch solch frühe Lesungen, sodass man schon so früh am Morgen aufstehen muss? Viel zu lange liege ich noch in meinem Bett und lasse den Wecker piepen, denn jetzt habe ich mehr als fünf Minuten weniger Zeit zum duschen. Aber diesen Kompromiss gehe ich gerne ein, wenn es darum geht, noch länger im warmen Bett liegen bleiben zu können. Ich nehme mir eine schwarze Jeans, einen grauen Pulli und mache mich dann auf den Weg ins Bad. Es ist echt toll, sein eigenes Bad zu haben, denn so wird man nie genervt, dass man sich doch beeilen soll und so habe ich mehr Zeit zum duschen. Nach knapp 45 Minuten bin ich fertig im Bad. Ich frottiere nur noch schnell meine blonden, lockigen Haare und begebe mich dann zum Frühstück. Meine Eltern sitzen schon mit Emma am Frühstückstisch. Jürgen steht jedoch schon auf, nimmt sich seine Aktentasche und macht sich nach einem knappen „Bis heute Abend.“ auf den Weg zur Arbeit. So geht das fast jeden Tag, außer am Wochenende. Darüber bin ich eigentlich auch ganz froh, denn sonst müsste ich mich ständig mit sinnlosen Diskussionen auseinandersetzen. Ich setze mich neben meine Schwester und nehme mir die Tasse Tee, die schon für mich da steht. Meine sonstige Lebensfreude blüht immer erst im Verlauf des Tages auf. Was soll ich sagen, ich bin halt ein Morgenmuffel… Meine Schwester hingegen ist jetzt schon total gut drauf. „Emma, beeil dich.“ Warum alle am frühen Morgen schon so rumstressen müssen, ist mir ein Rätsel. Allzu viel Zeit habe ich zwar auch nicht mehr, aber warum sich denn gleich immer stressen? Meinen Tee trinke ich in aller Ruhe aus, bevor ich Emma und Christina tschüss sage, mir meine Tasche nehme und mich auf den Weg zur Uni mache. Was für ein Glück, dass die Uni nicht sehr weit weg ist und ich dort sogar zu Fuß hingehen kann, wenn das Wetter gut ist. Und genau das tue ich, solange es noch Herbst ist und es nicht wie aus Eimern schüttet. Es dauert zu Fuß keine 20 Minuten, bis ich an der Uni bin. Das Wetter scheint wieder einmal gut zu werden und alleine das lässt mich schon ein wenig aus meiner Morgenmuffelphase erwachen. Die Lesungen ziehen sich bis ins unendliche. Zumindest scheint es so. Ich sitze einfach nur da, schreibe mit, was mir als wichtig erscheint, aber eigentlich habe ich keine Ahnung was genau uns da erzählt wird. Wie schön es doch wäre, wenn der kleinwüchsige Mann da vorne endlich mal fertig wäre. Zwischenzeitlich male ich mir solch viele möglichen Szenarien von dem morgigen Tag aus, dass ich noch mehr Angst davor habe als zuvor. Wenn ich Glück habe, kann er sich überhaupt nicht an mich erinnern und wird möglichst auch auf kein Gespräch eingehen. Ich habe einfach im Gefühl, dass das morgen ja gar nicht gut gehen kann. Entweder werde ich so nervös sein, dass ich nur noch irgendeinen Stuss reden werde, oder ich werde erst gar kein Wort hervor bekommen. Vielleicht könnt ihr euch ja vorstellen, wie beschissen es ist, wenn man nicht weiß, was gerade mit einem los ist. Eigentlich möchte ich auf auch gar keine Antwort darauf haben, was mit mir los ist, denn dann würde ich mich bestimmt nicht besser fühlen. Vermutlich weiß ich die Antwort schon, möchte diese aber nicht wahrhaben. Es ist erstaunlich, wie gut ich mir Mut zureden kann. Dieses nicht – hinhören – mitschreiben – und – trotzdem – nicht – wissen – was – gesagt – wird, geht den ganzen Tag so, bis ich endlich nach Hause gehen kann. Mit Absicht lasse ich heute einen Besuch in dem Café aus. Als ich nach Hause komme, ist meine Schwester schon da und strahlt über das ganze Gesicht, als sie mich sieht. Wir scheinen die einzigen in dieser Familie zu sein, die sich besonders gut verstehen. Mein Vater ist fast den ganzen Tag arbeiten und meine Mutter eigentlich auch. Es ist erstaunlich, dass Emma mit sechs alleine von der Schule kommt, alleine die Hausaufgaben macht und sich, sofern sie nicht irgendwelche außerschulischen Tätigkeiten hat, sich fast den ganzen Tag alleine beschäftigt. Von der Alleinbeschäftigung gibt es zwar nicht viel, aber trotzdem. Sie ist erste Klasse und da kann man doch wohl erwarten, dass die Eltern sich ein wenig mehr um sie kümmert. Mir fällt jeden Tag aufs Neue ein Stein vom Herzen, wenn sie unbeschadete zu Hause angekommen ist. Den Rest des Tages bis zum Abendbrot verbringe ich damit, ihre Hausaufgaben zu kontrollieren und mit ihr zu spielen. Einer muss es ja tun und ich mache es dazu auch noch sehr gerne. Am meisten spielen wir Brettspiele, Fangen und Verstecken. Verstecken kann man sich in solch einem riesigen Haus wirklich gut. Ein wenig zu groß bin ich dafür schon und es dauert keine fünf Minuten bis sie mich findet, aber Emma dagegen hat es echt gut. Sie ist klein und kann sich überall verstecken. Bis man sie findet, könnte es oft eine halbe Stunde dauern, aber so lange hält sie es in einem Versteck dann doch nicht aus. Nach einem Wochenende an dem wir uns nicht sehen, ist solch ein schöner Nachmittag einfach nötig. Jedoch hält das auch nur, bis Jürgen und Christina auch da sind, denn ab da ist alles immer ein wenig angespannt. „Hast du deine Hausaufgaben fertig, Emma?“ endlich beginnt Christina eine Konversation aufzubauen, denn mehr als ein „Hallo“ gab es von meinen Eltern auch noch nicht wirklich und immerhin sitzen wir jetzt schon am Abendbrottisch. „Mhhmh.“ Und Emma nickt mit dem Kopf, wobei ihre blonden Locken ihr ins Gesicht fallen. Für ein Mädchen in ihrem Alter hat sie relativ kurze Haare, denn die meisten wollen doch wie eine Prinzessin sein und am besten noch ganz lange Haare haben. Dass sie keine ellenlangen Haare hat, war diesmal keine Entscheidung von meinen Eltern, sondern ihre eigene. „Und bei dir Phillip, ist auch alles in Ordnung?“ Meine Mutter interessiert sich zum Glück für Dinge wie Gefühle, Meinungen und solche Dinge halt, auch wenn sie manchmal etwas sehr bestimmend ist. Mein Vater dagegen ist eher… wie ein Stein. Ein Stein beschreibt ihn glaube ich sehr gut. Steine interessieren sich auch nicht für Meinungen oder Gefühle, genau wie Jürgen. Mein Vater, der Stein Jürgen. Ich weiß, es hört sich gemein an, aber es ist so. „Alles soweit in Ordnung.“ Dass das nicht stimmt, müssen sie ja nicht wissen. Genau so wie sie nicht wissen müssen, dass ich denke das ich schwul bin. Ups, jetzt habe ich doch tatsächlich angenommen, dass ich schwul sein könne. Das ist natürlich totaler Quatsch! Jedoch bringt mich das jetzt dazu, den ganzen Abend darüber nachzudenken, was wäre, wenn ich tatsächlich schwul bin. Für mich wäre eigentlich alles fast wie immer, außer dass ich dann mit Männern anstatt mit Frauen zusammen wäre. Das große Problem liegt jedoch bei meinen Eltern, eher bei dem Stein. Der hat nämlich eine total Abneigung gegen Schwule, er bezeichnet sie als abartig, unnormal und am besten weggesperrt. Schubladendenken ist doch was für Anfänger. Fortgeschrittene schauen sich Leute an, reden kurz mit ihnen und Urteilen dann falsch über sie. Profis hingegen sehen Menschen, denken sich etwas über diese Leute, lernen sie bei Bedarf kennen, urteilen sonst aber nicht schlecht über diese und vor allem nicht laut, sondern sagen erst dann etwas über diese Menschen, wenn sie sie kennen, aber auch dann nicht herablassend, so wie mein Vater. Ich erinnere mich, dass ich mich bereits am Vortag über Wecker beschwert habe und ich könnte es wieder tun. Als ich meinen Kopf zur Uhr drehe um sie auszuschalten, lasse ich sie doch glatt weiter Piepen, denn was noch viel schlimmer ist, als der Wecker jetzt, ist, dass heute Mittwoch ist und ich meine Schwester heute zum Kunstkurs bringen muss. Kapitel 3: Regen, Regen, Regen ------------------------------ Ich ziehe mir meine Bettdecke über den Kopf und wünsche mich ganz weit weg. Man könnte meine Situation und mein Benehmen, mit dem eines Teenagers gleichsetzen. Gute zehn Minuten verbringe ich unter der Decke, bis ich den Wecker ausschalte und mich erhebe. Das Duschen muss heute noch kürzer ausfallen als gestern, jedoch tut es das ganz genau nicht. Unter der Dusche habe ich komplett die Zeit vergessen und als ich fertig geduscht und angezogen nach unten zum Frühstück komme, ist mein Vater bereits weg und der Tee beinahe eiskalt. Meinen Tee trinke ich mit fast einem Schluck aus und den Rest vom eigentlichen Frühstück muss ich gezwungener weise ganz ausfallen lassen. Normalerweise bin ich ja kein Freund von Hektik, jedoch mag ich Hektik genauso wenig wie Unpünktlichkeit, zumindest wenn es um meine eigene Unpünktlichkeit geht. So ist Pünktlichkeit manchmal abhängig von Hektik. Aber das eigentliche, was mich daran stört wenn man in Eile ist, außer dem ganzen Stress, ist, dass man immer etwas vergisst und mit den Gedanken nur bei der Zeit ist. Somit kommt es häufig vor, dass man vor verschlossenen Türen steht und keinen Schlüssel dabei hat, oder das Handy vergisst, wenn man es gerade braucht, oder wie es in meinem Fall gerade zutrifft, dass es wie aus Eimern schüttet und man den Regenschirm vergisst. Jetzt laufe ich also im strömenden Regen zur Uni ohne Regenschirm und ohne Wechselsachen. Wie gut kann dieser Tag eigentlich noch werden? In der Uni kommt mir nicht auch nur einer entgegen, dem es anscheinend genauso ergangen ist wie mir. Denn alle laufen mit trockener Kleidung und trockenen Haaren umher. Offenbar ist heute nur mein Pechtag… Die Lesungen könnten sich heute ruhig noch etwas hinziehen, jedoch würden sie es nicht tun, egal wie sehr ich darum bitten würde. Auch wenn mir die Lesungen heute ausnahmsweise mal zu kurz sind, trocknen meine Sachen und Haare. Einzig an den Schreibblöcken ist noch zu sehen, dass ich im Regen leiden musste, genau wie sie. Die grauen Wolken, aus denen es unerbittlich regnet, machen keine Anstalten in der Zeit, in der ich in der Uni bin, sich zu verziehen. Wenn ich etwas Glück habe, was aber ziemlich unwahrscheinlich ist, werde ich es in einer Trockenphase nach Hause schaffen. Doch so wie es regnet, sehe ich kommen, dass ich heute zum zweiten Mal nass werde. Als wenn ich nichts Besseres zu tun hätte, als immer darauf zu warten, dass meine Sachen trocknen. Ich würde ja in Selbstmitleid versinken, wenn ich nicht wissen würde, dass es das auch nicht besser macht. Eine weitere halbe Stunde sitze ich so da, schreibe ab und zu etwas mit und lasse mir meine Laune durch das schlechte Wetter noch etwas mehr vermiesen. „Phil“ und ich bekomme kleine Papierschnipsel an den Kopf geschnipst. „Was ist los?“ werde ich von Alex nach fünf Minuten, in denen mich weitere Papierschnipsel besuchen, gefragt. „Hm?“ schlaue Antworten ist er von mir schon gewohnt. Diese Papierbelagerungen von ihm tue ich mir schon seit der ersten Klasse an, eigentlich auch schon länger, nur da hatte er nicht die Möglichkeit mich mit Kügelchen zu bewerfen. Stattdessen hat er im Kindergarten Bausteine, irgendwelche Stofftiere und noch einige andere Dinge dazu benutzt. Vielleicht ist das ja seine Art, Zuneigung auszudrücken. Egal ob der Ausdruck von dem, oder auch nicht, seit dem Kindergarten sind wir unzertrennlich. Wir studieren sogar das Selbe. Der einzige Unterschied ist, dass er es aus freien Stücken macht, ich jedoch nicht. „Ich fragte dich was los ist. So deprimiert habe ich dich schon lange nicht mehr gesehen.“ „Welches Datum haben wir?“ „Woher soll ich das… ach, musst du deine Schwester heute zu dem Kunstkurs bringen?“ Natürlich habe ich ihm davon erzählt. Von Herr Wirklich, dem mit ausgeschaltetem Gehirn bestellten Kaffee, meiner eventuellen Homosexualität und dass meine Schwester wahrscheinlich bei ihm einen Kunstkurs macht. Alex ist der einzige, der mich auch nur ein wenig versteht. Ein paar Mal, hat er vielleicht doofe Bemerkungen gemacht, die muss ich aber gekonnt ignoriert haben, denn daran kann ich mich nicht wirklich erinnern. „Leider.“ Murmel ich in meinen nicht vorhandenen Bart und bin schon am überlegen, ob er Emma nicht dahin bringen und sagen kann, dass mir etwas dazwischen gekommen ist. Jedoch weiß ich, dass das auch nicht die Lösung ist, dann muss ich Emma das nächste Mal hinbringen und ich kann Alex nicht immer als Ausreden benutzen. „Die Mädchen sind dir doch auch schon früher hinterhergerannt, warum sollte das denn anders sein mit den Männern, wenn du schwul bist?“ „Als wenn das denn mein größtes Problem wäre.“ Wenn das nun wirklich so sein sollte, würde ich damit klar kommen. Müsste ich ja gezwungener Weise irgendwie. Das einzige was wirklich ein Problem ist, sind meine Eltern. Wir unterbrechen an dieser Stelle unsere Unterhaltung für einen Augenblick, denn die Lesungen für heute sind zu Ende und wir packen unsere Sachen ein. „Warte doch mal.“ Alex kommt mir hinterhergelaufen und hält mich an der Schulter fest. „Warum beeilst du dich so?“ nur viel zu langsam, komme ich mit ihm aus der Uni und stehen nun unter der Überdachung vor dem Eingang, denn es regnet noch immer in Strömen. „Ich muss meine Schwester zu Fuß zum Kunstkurs bringen.“ „Ach stimmt, Mr. ich – darf – nicht – mit – dem – Auto – meines – Vaters – fahren.“ Ja, ich habe einen Führerschein, aber ich darf nicht mit dem Auto meines Vaters fahren. Sie meinen, ich solle dann mit meinem eigenen Auto fahren. Einziger Nachteil, ich habe kein Auto und auch nicht so viel Geld um mir eines zu kaufen. Irgendwann wird mein Vater mich bestimmt mit seinem Auto fahren lassen, bis dahin werde ich die öffentlichen Verkehrsmittel, mein Fahrrad, oder einfach meine zwei gesunden Beine benutzen. „Wenn du magst kann ich dich nach Hause fahren.“ und lässt demonstrierend seine Autoschlüssel in Blickhöhe baumeln. „Wenn du denn überhaupt das richte Haus findest.“ Mache ich mich dann doch ein wenig über ihn lustig, denn er hat es bisher vielleicht zwei oder drei Mal geschafft, die richtige Einfahrt zu unserem Haus zu nehmen und nicht die von einem unserer Nachbarn. „Phh. Als wenn ich nicht wüsste wo du wohnst.“ Na das wollen wir denn doch mal sehen. Alles klappt bisher ganz gut. Er hatte erfolgreich sein Auto auf dem Parkplatz gefunden und bis jetzt hat er auch den richtigen Weg zu mir genommen. Mal sehen, wie schwer ihm die Auswahl der richtigen Einfahrt fallen wird. „Siehst du. Ich weiß ganz genau, wo du wohnst. Du wohnst in der Hausnummer 17 und da sind wir auch schon.“ Gekonnt biegt er in die Einfahrt ein, nachdem er alles Problemlos gemeistert hat. „Ein Problem gibt es.“ Und ich grinse förmlich in mich hinein. „Ach ja, und welches?“ „Das ist Hausnummer 18.“ Ich kann nicht anders und schmunzel ihn an, worauf ich mir nur einen bösen Blick von ihm einfange. Er startet den Motor neu und fährt diesmal in die richtige Einfahrt. Immer wieder aufs Neue finde ich es sehr amüsant, wenn er sein Auto erneut in die falsche Einfahrt stellt. Im Gegensatz zu mir, scheint er das, ganz und gar nicht amüsant zu finden. „Danke fürs nach Hause fahren.“ „Kein Ding. Bis morgen.“ Als ich ausgestiegen bin, schließe ich die Autotür und warte noch, bis das Auto außer Sichtweite ist. Emma ist schon längst zu Hause und als ich die Wohnung betrete, hat sie schon fast ihre Schuhe angezogen. „Da hat es aber jemand eilig.“ Sage ich und bringe dann noch die Tasche in mein Zimmer. Das Fenster war den ganzen Nachmittag offen, da ich anscheinend vergessen hatte es heute Morgen noch zu schließen. Dementsprechend ist es jetzt auch ziemlich kalt in dem Zimmer. Zum Glück hatte es nicht rein geregnet, sonst hätte ich jetzt wischen müssen und das ist eine der Tätigkeiten, die ich nun wirklich nicht mag. Froh darüber, dass mein Zimmer trocken geblieben ist, mache ich mich auf den Weg nach unten, wo Emma schon ungeduldig wartet. „Beeil dich.“ Wie süß kleine Kinder doch sein können. Ich schnappe mir einen Regenschirm und mache mich mit Emma auf den Weg. Leider regnet es noch immer, doch zum Glück habe ich dieses Mal einen Regenschirm dabei. Emma läuft neben mir her und strahlt über das ganze Gesicht. Das gute an diesem Fußmarsch ist, dass es nur knapp zehn Minuten sind, die man bis zum Kunstkurs braucht. „Wie weit ist es noch?“ Leider haben kleine Kinder aber auch nur wenig Ausdauer. Da sind zehn Minuten zu Fußlaufen, schon zu viel. „Wir sind gleich da Emma.“ Das stimmt sogar und ist nicht nur so daher gesagt, sodass sie leise ist. Ich beneide all die Leute, die jetzt in ihrem Auto sitzen und so alles erledigen was sie so zu erledigen habe. Leider kann ich Emma nicht im Auto zum Kunstkurs bringen, die Gründe habe ich ja schon genannt. „Emma.“ Gerade als wir die Straße überqueren wollen, nehme ich sie ein kleines Stück vom Straßenrand weg. „Stell dich nicht so dicht an die Straßenränder wenn es geregnet hat. Sonst…“ Ausgerechnet jetzt muss natürlich ein Auto vorbeifahren und ich stehe natürlich auch genau so am Straßenrand, dass mich das Pfützenwasser einmal total durchnässt. „Also, jetzt weißt du ja, was passieren kann.“ Sie schaut mich an und fängt tatsächlich auch noch an zu lachen. Im Gegensatz zu ihr, finde ich das ganz und gar nicht komisch. Jedoch haben wir auch keine Zeit das noch weiter auszuführen, da sie ja noch pünktlich zum Kurs kommen möchte. Nachdem wir die Straße überquert haben, kann man auch schon unser Ziel sehen. Keine drei Minuten später stehen wir direkt davor. „Ich hole dich denn…“ „Kommst du nicht mit rein?“ und Emma schaut mich mit einem Hundeblick an. Fast hätte ich es geschafft, Herr Wirklich aus dem Weg gehen zu können, das soll denn wohl doch nicht so ganz klappen, wie ich mir das gewünscht habe. Den Regenschirm stelle ich drinnen in eine dafür Vorgesehenen Halterung, oder wie man das auch immer nennt. Den richtigen Raum haben wir auch schnell gefunden, dass aber auch nur, weil Emma schon einmal hier war und damals auch den Fleier mitgebracht hat. Wäre ich alleine gewesen, hätte ich dort wahrscheinlich erst in einer Stunde hingefunden. Obwohl, alleine wäre ich hier niemals hingegangen. „Hallo, sie müssen Herr Johnsons sein.“ Ja genau, das ist Herr Wirklich der mich da gerade grüßt. Kurz schüttel ich ihm die Hand, worauf er dann Emma noch begrüßt. Er zeigt uns die Garderobe, wo ich Emmas Jacke hinhänge und mich danach wieder zu ihnen begebe. Eigentlich will ich mich verabschieden und das Gefühl von Wackelpuddingbeinen wieder loswerden, jedoch gibt es etwas, was dazwischenkommt. „Wollen sie sonst solange hierbleiben und sich aufwärmen, ich kann ihnen einen Tee machen, wenn sie möchten.“ Bietet mir Herr Wirklich an. „Bitte Phillip.“ Und wieder dieser Hundeblick… Kapitel 4: Schmetterlingstanz ----------------------------- Wenn mich diese Wackelpuddingbein – und – Schmetterlinge – im – Bauch – Sache nicht so sehr verunsichern und fertig machen würde, würde ich ohne zu überlegen da bleiben, doch aber aus eben jenem Grund zöger ich und würde lieber solange gehen, um Herr Wirklich so wenig wie möglich zu sehen. Emma ist aber bestimmt enttäuscht, wenn ich jetzt nicht hier bleibe. Aber so wie sie es enttäuscht, macht es mich psychisch leicht fertig. Vielleicht ist es etwas übertrieben und außerdem kann ich Emma nicht alleine hierlassen, wenn sie mich doch darum bittet, zu bleiben. „Äh… ok“ Stottern beherrsche ich ja mal wieder total perfekt. Wenn Herr Wirklich mich nicht schon für bescheuert hält, tut er das spätestens jetzt, denn eine wirklich blödere Antwort als ein dahin gestottertes ok – was noch nicht einmal einen kompletten Satz ergibt – kann man nicht geben. Aber schließlich ich habe mich doch dazu entschieden, hier zu bleiben, denn ein Lächeln von Emma ist mir das wert. Sie lächelt voller Freude, dass ich ihrer Bitte nachgehe und was ist besser als eine überglückliche Schwester. „Ich habe ganz vergessen, mich vorzustellen. Mein Name ist Marcus Wirklich“, bin 21, Single und schwul, ergänze ich Gedanken seinen Satz. Eigentlich will ich die Sache gerne ruhen lassen und mich nicht noch mehr darin bestätigen, dass ich Männer viel anziehender finde als Frauen, aber wie soll das funktionieren, wenn man nun knapp ein und ne halbe Stunde mit einem so gutaussehenden Mann verbringen muss? Den Kunstkurs besuchen, wenn man Emma mitzählt, sechs Kinder, alle ungefähr in ihrem Alter. Der Raum ist schön hell und geräumig. Zumindest wäre es hier hell, wenn es draußen nicht sowieso schon grau wäre. In der Mitte stehen mehrere zusammengeschobene Tische, an denen die anderen Kinder, mit einem Blatt Papier und Stiften vor der Nase, sitzen. Ich kann Emma ihre Unsicherheit total ansehen, als sie sich zu den anderen setzt. Aber so wie ich sie kenne, wird sie schnell ein paar Freunde finden. Etwas planlos und deplatziert fühle ich mich, als mich die anderen anschauen, während ich wie bestellt und nicht abgeholt im Raum stehe. Glücklicher Weise dauert dieser Moment nicht lange an, denn Marcus – das hört sich gleich viel besser an als dieses Herr Wirklich – beginnt mit dem Kurs. „Möchten sie einen Tee.“ Fragt mich Marcus, nachdem er die erste Aufgabe erteilt hat – was das Malen von dem, was die Kinder am liebsten mögen, ist. „Sehr gerne, danke.“ Etwas Warmes wird mir jetzt echt gut tun, denn mir ist, seitdem ich vom Regen durchnässt wurde, recht kalt und bekanntlich soll Tee und ja aufwärmen. Noch dazu habe ich einen ganzen Satz aus meinem Mund bekommen. Bravo, ich mache Fortschritte! Bald werde ich mich ganz normal mit ihm unterhalten können, wenn ich mich weiter so gut entwickle. „Ist Früchtetee in Ordnung?“ fragt er, nachdem er in der Küche nach Tee gesucht hat und wohl nichts anderes gefunden hat. „Ja, ist ok.“ Und mit dieser Antwort verschwand er in der kleinen Küche und kurz darauf ertönt das Rauschen vom Wasserkocher. Die Kinder sind total in ihre Arbeit vertieft und relativ ruhig, was bei Kindern ja ziemlich selten vorkommt. Ich schlendere zu einem Fenster und bedrückt betrachte ich die graue Umgebung, die sich mir offenbart. Die Rückseite des Gebäudes liegt zu einem Stückchen Hof, welches im Sommer bestimmt schön ist. Nur auch der schönste Garten mit Blumen, ist bei diesem Wetter grau und trist. „Bitte.“ Und Marcus überreicht mir die Dampfende Tasse mit Tee. Ich umfasste die Tasse mit beiden Händen. Die Wärme tat einfach gut und meine Klamotten waren auch schon fast wieder trocken. Nachdem Marcus sich wieder den Kindern zuwenden kann, da er sich ja nun nicht mehr um meinen Tee kümmern muss, stellen sie alle gegenseitig ihre Bilder vor. Drei haben ihre Familie gezeichnet, ein anderes Kind sein Haustier – was womöglich einen Hund darstellen soll, aber auch gut ein Nilpferd sein könnte – und ein anderes sein Lieblingsspielzeug. Was das jedoch sein soll, kann ich nicht genau identifizieren. Was Emma gemalt hat, ist wohl das süßeste was eine kleine Schwester nur malen könnte. Wenn man es genau betrachtet hat es sogar gewisse Ähnlichkeit. Ja, genau, sie hat doch tatsächlich mich gemalt. Zwar sehen meine Haare mehr aus wie eine Löwenmähne, aber das ist schon in Ordnung, immerhin ist sie ja erst sechs. „Das ist mein Bruder Phillip.“ Und sie zeigte das Bild. Kann eine Schwester noch süßer sein als Emma? „Und warum hast du nicht deine Eltern noch gemalt?“ ich hasse Kinder. Sie können nie das akzeptieren was andere sagen und wollen immer noch alles wissen. Dass Emma darauf keine Antwort gibt, ist verständlich. Immerhin ging es hier niemanden etwas an, was bei uns zu Hause so los war. Als Emma das Bild zeigte, schaute Marcus kurz zu mir und lächelte mich an. Solch ein wunderschönes Lächeln. Für einen kurzen Moment muss ich wohl total perplex und gedankenverloren dagestanden haben. Zumindest kam es mir so vor. Nachdem das Kind, was gefragt hat, warum Emma ihre Eltern denn nicht gemalt hat, keine Antwort bekam, belässt es das dabei und es wird mit dem Kurs fortgefahren. Um nicht die verbleibende Zeit rumzustehen und mir weiterhin völlig inadäquat vorzukommen, setze ich mich auf einen freien Stuhl und beobachte das Geschehen. Da nicht wirklich viel passiert, außer Gerede über das, was sich die Kinder vorstellen, was gemacht wird und Beantwortung einiger Fragen, lenke ich die Aufmerksamkeit auf meinen Tee, der schon soweit abgekühlt ist, dass ich mir die Zunge nicht mehr verbrennen kann. Nach dem ich die Tasse so gut wie gelehrt habe, lasse ich meinen Blick durch den Raum schweifen. Von links nach rechts und wieder zurück. Gedankenverloren mache ich das ein paar Mal. Hin und her und hin und her. Jeden Winkel des Raumes, alles was in den Regalen liegt betrachte ich und höre nebenbei, was Marcus mit den Kindern bespricht. Wie liebevoll und nett er mit den Kindern spricht, ist echt toll. Wenn man mal nicht einschlafen kann, ist er die perfekte Person, die einem was vorlesen sollte. „Phillip?“ Emma rüttelt mich leicht an der Schulter. Ich muss total in meine Gedankengänge vertieft sein und Marcus Stimme hat einen beträchtlichen Beitrag dazu geleistet, denn immerhin habe ich nicht mitbekommen, dass der Kurs für heute schon beendet ist. Erst wollte ich nicht hierbleiben und jetzt bemerke ich das Ende noch nicht einmal. Schon merkwürdig, wie schnell ich das Gefühl von Unsicherheit und Wackelpuddingbeine abgelegt oder ignoriert habe und mich nun fast normal mit ihm unterhalten könnte. Ich stelle die leere Tasse auf den Tisch und gehe mit Emma die Jacken holen, bevor wir uns von Marcus verabschieden. Wenn wir das Gebäude verlassen, könnte ich Marcus für eine Woche aus dem Weg gehen, bis ich ihn zwangsweise wiedersehen werde. „Tschüss Emma, bis nächste Woche.“ „Tschüss.“ Emma scheint der Kurs Spaß gemacht zu haben. Sie schüttelt seine Hand und geht dann schon raus. Super, jetzt steh ich hier alleine. Alleine mit Marcus und den Schmetterlinge im Bauch, die wieder anfangen wie wild zu tanzen. Eigentlich glaube ich nicht an den Mist, wie Liebe auf den ersten Blick, aber mein Herz und die Schmetterlinge wollten mir etwas anderes erzählen. „Vielleicht sehe ich sie ja nächste Woche wieder.“ „Ja, bestimmt. Schließlich muss Emma ja auch irgendwie herkommen.“ Ich gebe ihm die Hand und gehe Emma dann hinterher, welche schon ein Stückchen vorrausgegangen ist. Den ganzen Heimweg über dachte ich darüber nach, ob ich ihn nicht schon früher noch einmal sehen könnte. Im Café… zumindest hätte ich es mir so vorgestellt. Aber wie es sein muss, ist nie irgendetwas so, wie ich es mir vorstelle. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)