Heartbreak Hotel von CaitLin (Liebe und anderer Scheiß!) ================================================================================ Kapitel 14: Kapitel 12 ---------------------- „Okay, das war’s.“, sagte der Typ von der Firma und sah sich um. Die Wohnung war nach drei Tagen völlig leer geräumt. Ich stand im Flur, die drei großen Taschen und sein Rucksack waren gepackt und bereit neben der Tür. Lukas nickte. „Ja… vielen Dank für eure Hilfe…“ Er drückte dem Mann dreihundert Euro in die Hand. Der Mann tippte sich an die Kappe. „Ich danke euch! Also, bis demnächst. Oder hoffentlich auch nicht.“ Er zwinkerte den Jungs zu und verließ die Wohnung. Ich schloss die Tür hinter ihm und knurrte ihm ein „Haha“ hinterher. Lukas lächelte schwach… ach mein süßer Luke Skywalker, wer hätte erwartet, dass wir beide einmal hier stehen würden… in dieser verlassenen Wohnung… und zu zweit ein neues Leben beginnen würden? „Kannst du mir einen Gefallen tun?“, fragte er mich plötzlich. Sanft lächelte ich ihn an. „Selbstverständlich.“, erwiderte ich und strich ihm das schokobraune Haar aus der Stirn. „Als wir hier eingezogen sind, hat mein Opa uns Pizza besorgt… wir haben sie im Wohnzimmer auf dem Boden gegessen… und… ich… würde das gerne noch tun…“ Verlegen sah er mich an, aber ich lächelte nur noch breiter und küsste ihn zärtlich auf die Lippen. „Klar… okay, dann warte hier… ich besorge uns welche.“ Lukas sah mich so glücklich an, wie schon sehr lange nicht mehr. Dabei ging mir richtig das Herz auf… Wieder drückte zog ich ihn zu einem Kuss heran, blieb dabei aber sehr zärtlich. Wie lange wir dort standen und uns hauchzart küssten, konnte ich nicht genau sagen. Schließlich löste ich mich nach langen Minuten und lächelte ihm gegen die Lippen. Vielleicht behandelte ich ihn zu sehr wie einen kostbaren, zerbrechlichen Gegenstand, aber genau das war er gerade für mich. „Hier, nur für alle Fälle. Ich wollte es dir eigentlich im Auto geben.“ Aus meiner Schultertasche zog ich eine kleine Schachtel hervor und drückte sie ihm in die Hand. „Fummel ein bisschen damit herum, bis ich wieder da bin.“ Ich grinste leicht und lachte kurz, als er mich verdutzt ansah. „Was ist das…?“ Er nahm die Schachtel entgegen und rüttelte leicht daran. Es klapperte. „Es ist nur ein altes Modell, bis du was Passenderes für dich findest.“ Ich küsste seine Stirn und zog die Tür hinter mir zu, bevor er weiter nachhaken konnte. Aus der Wohnung hörte ich noch seinen überraschten Ausruf. Ich lachte und ging runter. Das Handy war zwar keines der aktuellen Modelle, aber Hauptsache er war erst einmal erreichbar. Es war ein Angebot gewesen, zusammen mit der SIM Karte. Seine Nummer hatte ich längst gespeichert. Endlich würden wir beide ein wenig zur Ruhe kommen, aber besonders Lukas… er musste hier weg, sonst würde er eingehen… Er ertrug das alles nicht mehr, er wurde schwächer und immer stiller, je länger er hier blieb, in dieser Gegend, in dieser Wohnung. Die Sachen seiner Großeltern würde er für eine Weile verstecken wollen, hatte er gesagt, bis er innerlich bereit sein würde, sich ihnen zu stellen. Sein Großvater bekam nächste Woche, wie auch seine Großmutter, eine anonyme Flussbestattung. Um ihrem Enkel weitere Kosten zu ersparen, hatte sein Großvater ihm eine kleine Geldsumme hinterlegt, wie wir heute vom Notar erfahren hatten. Wenn wir in Köln waren, würde ich erst einmal meine Mutter in den Arm nehmen… und sie fest an mich drücken. Gelegentlich wurde ich richtig sentimental, doch ich konnte kaum was dagegen tun. Was wenn ich sie nicht mehr hätte? Was wenn sie auf einmal fort wäre und ich wüsste, dass ich ganz alleine auf dieser Welt wäre…? Dass ich sie nie wieder sehen würde…? Endlich war das schlimmste überstanden und ich hoffte aus tiefster Seele, dass Lukas es schaffen würde in sein neues Leben einzufinden. Kaum eine halbe Stunde später fuhr ich wieder zurück und malte mir schon aus, wie es weiter verlaufen würde. Meine Mom hatte schon eine Wohnung gefunden, sie wollte allerdings mit dem Umzug warten, bis wir zurück waren. Und vorerst würden Lukas und ich bei mir in der WG leben, Pascal würde erst im Sommer heim kommen und dann wieder verschwinden. Ich würde alles weitere noch mit ihm abklären. Aber für mich und Lukas alleine war die Wohnung zu groß und eigentlich würde ich lieber mit ihm gemeinsam neu anfangen. Eine kleine, nette Wohnung, die wir zusammen einrichten und unser Leben gemeinsam aufbauen würden. Klar hielten schwule Beziehungen nicht lange, vielleicht hatte ich auch nur Gefallen daran, mir diese wundervollen Illusionen aufzubauen. Immerhin waren wir noch weit am Anfang und da direkt zusammen zu ziehen war sehr Risikoreich. Doch meine innere Stimme sagte mir, dass es in Ordnung wäre. Also war ich Feuer und Flamme. Ich nahm immer zwei Stufen auf einmal und wollte gerade den Schlüssel aus der Tasche nehmen, den Lukas mir gegeben hatte. Doch die Wohnungstür oben stand sperrangelweit offen. „Lukas…?“, fragte ich und das Herz rutschte mir mit einem Mal tief in die Hose. Keine Antwort. Ich schob die Tür noch ein Stück weit auf, sie schlug leicht gegen die Wand. Wieder rief ich nach ihm, wieder gab es keine Antwort. Mit schnellen Schritten lief ich durch die leere Wohnung… Lukas war nirgends zu sehen… „Lukas!!“, brüllte ich jetzt, die Pizzaschachtel fiel mir klatschend aus der Hand, ich stürmte die Treppen wieder hinunter, da vibrierte das Handy in meiner Tasche. Bitte lieber Gott, lass es Lukas sein! Lass ihn bei der Oma da unten sein, lass ihn im Keller sein, lass ihn vor der Tür stehen und mich auslachen, wenn er meine entsetzte Visage sieht und mir sagen, dass er mich nur erschrecken wollte. Eine Nummer blinkte auf dem Display, und es war tatsächlich Lukas… Schnell ging ich ran, wollte erleichtert aufatmen, doch ich erstarrte. Zuerst hörte ich nichts, dann schrie Lukas herum. „…los!! Lass mich los, hab ich gesagt!!“, schrie er laut. Zuerst wollte ich ins Telefon schreien, doch ich presste es enger an mein Ohr. Autos rauschten, erst hörte ich nichts, aber dann wurde Lukas noch lauter. „…Ich will nicht!! Fass mich nicht an!! Ich will nicht zum Bahnhof!!“ Seine Stimme brach ab, ebenso die Verbindung. Schnell warf ich mich in den Wagen und fuhr auch schon mit quietschenden Reifen los. Verdammte scheiße, die ganze Zeit hatte ich ein mulmiges Gefühl gehabt und jetzt, so kurz vor unserem Aufbruch nach Köln musste so ein Scheißdreck passieren!! Ich brüllte vor mich hin, fluchte und schrie wie ein Verrückter, bis mir der Kragen regelrecht platzte. Dass ich fast einen Unfall baute, war mir scheißegal! Aber sowas von! Irgendwann sah ich Blaulicht hinter mir, direkt vor dem Bahnhof, wo ich sofort bei der nächstbesten Gelegenheit in eine Parklücke tauchte. Der Polizeibeamte ließ mich aussteigen und funkelte mich hinter seiner Sonnenbrille an. Verdammt ich war nervös! Ich musste hier weg… Wenn ich Lukas verlieren würde, wusste ich nicht, was dieser kranke Kerl mit ihm anstellen würde! „Wir haben es aber eilig, was? Fahrzeugschein und Papiere.“, forderte er. „Hören Sie!!“, blaffte ich ihn an. „Mein Freund wurde gerade von einem geisteskranken verschleppt!! Gegen seinen Willen, verstehen Sie!!“, fuhr ich ihn an, das Handy zitterte in meiner Hand. „Er hat mich gerade angerufen, ich konnte nur hören, wie sie zum Bahnhof gefahren sind!! Verdammt nochmal, hören Sie mir eigentlich zu?!“ Aber der zweite Beamte stieg aus dem Wagen und kam mit gehobener Augenbraue auf mich zu. Die beiden schienen mich nicht ganz ernst zu nehmen. „Nehmen Sie irgendwelche Drogen?“, fragte der zweite und sah mir unnötig tief in die Augen. „Alkohol?“ Jetzt platzte mir wirklich der Kragen. „Hören Sie mir doch zu!!“, rief ich hektisch. „Ey, nur weil meine Hautfarbe Dunkel ist müssen Sie mich nicht gleich für einen Junkie halten, klar?! Ich…“ Ich war so aufgebracht, dass ich nicht ruhig reden konnte. Die beiden Polizisten wurden sichtlich wütend. „Jetzt beruhigen Sie sich mal langsam! Geben Sie mir den Führerschein!“, knurrte einer von den beiden mit Nachdruck. Wutentbrannt drückte ich ihm den Scheiß Lappen in die Hand. Genau da klingelte mein Handy wieder, es war wieder Lukas… „Hier!!“, blaffte ich die beiden an und stellte das Handy auf Lautsprecher. Es war deutlich zu hören, dass die beiden ineinander geraten waren. „…jetzt halt endlich deine Fresse und beweg dich!!“, brüllte dieses fette Schwein so laut, dass selbst die Passanten sich umdrehten und uns anstarrten. „…beweg dich! Los, hab ich gesagt!!“ Meine Hände zitterten, je länger die Polizisten schwiegen, umso zorniger wurde ich. Die beiden starrten einfach nur auf das Handy, obwohl ich deutlich hören konnte, dass der Wichser nach Lukas schlug. „…Juan…!!“, schrie Lukas ins Handy. „…Gleis vier!! Gleis vie…“ Da hielt ich es nicht mehr aus und rannte los. Die Polizisten schrien hinter mir, dass ich die Wagentür offen gelassen hatte, dass die meinen Führerschein und meinen Ausweis hatten, war mir so egal… ich rannte schneller und schneller und drehte mich nicht einmal um. Gleis vier! Ich stürmte auf das Gleis und sah dort gerade noch, wie dieser Bastard weit vorne Lukas in den RE stieß. „He! Halt!!“, schrie ich. Die Frau, die zuletzt ganz hinten einstieg, hörte mich noch und sah sich nach mir um. Sie hielt mir die Tür auf, bis ich mich mit einem Hechtsprung hinein warf. „Danke!“, keuchte ich und quetschte mich durch die Menge, die mich anstarrte. Aber ich beachtete niemanden, drängte mich zwischen den Leuten hindurch und erstarrte. Hier in der hinteren Reihe, wo die ganzen klappbaren Sitze waren, blieb ich stehen. Direkt hinter einem großen Typen mit einem Fahrrad. Denn dieser Jan kam geradewegs in meine Richtung… und Lukas zerrte er hinter sich her. Der Zug setzte sich in Bewegung, im selben Moment schrien die Polizisten draußen, es gab lautes Gemurmel, die Menschen drehten sich zu den Beamten um, die dem Zug hinterher rannten. Doch es war zu spät, wir rollten aus dem Bahnhof davon. Auch Jan hatte die Polizisten gesehen und drückte Lukas auf einen Sitz hinunter, ohne ihn anzusehen. Mich hatten sie zum Glück noch nicht gesehen… Aber dafür sah ich Lukas sehr deutlich… dieses fette Schwein hatte ihm ins Gesicht geschlagen! Lukas starrte zu Boden, ihm hing die Kapuze ins Gesicht, aber ich sah seine aufgeplatzte Lippe, auch auf seinem Shirt und auf seiner Jacke waren Blutflecken zu sehen. Es fiel mir sehr schwer nicht völlig auszurasten. Jan hatte sich neben ihm aufgebaut und starrte nervös umher. Ich hatte ihnen leicht den Rücken gekehrt und versuchte schnell mit zitternden Händen eine SMS an Lukas zu schreiben. >Wo bist du?< Das Handy piepste und statt Lukas, zog Jan es aus seiner Tasche. Er blickte auf das Display und grunzte amüsiert, hielt es Lukas vor die Nase. „Das ist er, oder?“, fragte er und grinste widerwärtig, schnalzte aber missbilligend mit der Zunge. „Dieser braungebrannte Kerl, mit dem du fickst?“ Er machte weitere abfällige Bemerkungen über mich aber Lukas sah nicht hin, blickte zur Seite. Und in dem Moment sah er mich. Doch genauso schnell blickte er wieder weg. Sein Körper versteifte sich leicht, Gott sei Dank hatte Jan es nicht gesehen. Und ließ sich nichts anmerken. Seine Augen huschten nervös hin und her, als würde es in seinem Kopf arbeiten. „Du brauchst ja keine Angst vor ihm zu haben, falls er uns findet. Das Messer in deiner Tasche ist ja groß genug.“, hörte ich Lukas laut sagen. Jan erstarrte und schlug ihm wieder ins Gesicht. „Halt die Fresse!“, zischte er ihm zu. Meine Fäuste knirschten, ebenso wie meine Zähne. Und dann hielt ich es nicht mehr aus, ich packte mir das Fahrrad von diesem Typen. „Hey!!“, schrie der laut, doch ich handelte sofort. In dem Moment, als Jan den Kopf hob, schoss ich mit dem Rad auf ihn zu und rammte ihn so hart, dass er den Halt verlor und nach hinten flog. Dann ging alles sehr schnell. Ich stürzte mich auf ihn, hörte Lukas noch hinter mir schreien, aber ich konnte meine Wut nicht mehr kontrollieren. Knirschend packte ich ihn am Kragen und schlug ich ihm hart ins Gesicht, wieder und wieder. Die Menschen um uns herum fuhren entsetzt auf, Frauen kreischten und Männer sprangen in ihren Sitzen hoch. „Juan!! Seine rechte Tasche!! Er hat ein Messer!!“, brüllte Lukas. Ich rollte mich mit dem Fettsack über den Boden und versuchte schnell nach seiner Tasche zu angeln. Meine Hand berührte die glatte Oberfläche des Griffes, doch es rutschte mir aus der Hand. Jan fuhr herum, jetzt schlug er mir hart in den Magen. Der Schlag kam mit Wucht und ich dachte wirklich, ich würde auf der Stelle kotzen müssen. Mein Magen drehte sich mir um, der Schmerz pulsierte in meinem Bauch und die Galle schoss mir hoch. Auch seine Hand griff zu seiner Tasche, er riss das Messer hervor. Die Klinge schnappte hoch, als es aufklappte. Jetzt schrien die Menschen noch lauter. Jugendliche brüllten herum, Frauen rannten ein Stück weiter nach vorne, um sich so schnell wie möglich von unserem Gerangel zu entfernen. Schnell hatte ich mich wieder auf die Beine gerissen, auch wenn ich durch die Geschwindigkeit des Zuges schwankte. „Was soll die Scheiße!? Denkt ihr, ihr seid in ‘nem verfickten Film oder was?! Leg das Messer weg!“, brüllten ein paar Jungs, doch Jan beachtete sie nicht. Er kam auf uns zu, doch ich blieb vor Lukas stehen und hatte die Arme leicht ausgebreitet um ihn zu schützen. Der Zug wurde langsamer, wir fuhren an der nächsten Haltestelle ein. „Du kleiner Bastard! Wenn du glaubst, dass du ihn kriegst, hast du dich geschnitten!“ Jan brüllte und besprenkelte den Wagon mit seiner Spucke. Zur Abwechslung war ich mal ruhig… und wich langsam zurück. Immer weiter schob ich somit Lukas zurück, bis wir gegen die Wand prallten. Seine Hände krallten sich in meinen Rücken fest, aber ich würde nicht zulassen, dass ihm etwas passierte… nicht schon wieder! „Du bist doch armselig! Und gehörst in eine anständige Anstalt!“, knurrte ich und grinste ihn provokant an. „Willst du mich hier vor den Leuten abstechen? Was dann? Wenn der Zug hält, kriegen dich eh die Bullen!“ So viele Menschen waren hier… so viele Männer und Jugendliche… doch sie blieben alle auf Abstand und brüllten uns aus sicherer Distanz zu, dass wir uns beruhigen sollten. Ich war ruhig… im Vergleich zu eben sogar erschreckend ruhig… „Du hast nicht das Recht ihm zu nahe zu kommen!“, knurrte dieser Psychopath mit funkelnden Augen und kam immer näher. Irgendwann bemerkte ich diesen seltsamen, wahnsinnigen Glanz in seinen Augen, der mir deutlich verriet, das mit ihm etwas nicht stimmte. „Ich habe meine Initialen in sein Fleisch geritzt!! Er gehört mir!!“ Jetzt wurde mir erst richtig schlecht. Der Zug hielt an und der Klops schwankte einen Moment lang. Ich nutzte die Gelegenheit und stieß Lukas in die Richtung der Tür, er drückte wild den Knopf, die Türen öffneten sich und er stolperte halbwegs raus. Doch zeitgleich schaffte Jan es einen Satz auf uns zu zumachen. Er holte aus und stach auf mich ein, gerade als er von hinten von einem blonden Jungen angesprungen wurde und der ihn nach hinten riss. Auch die anderen Männer sprangen jetzt auf ihn drauf, begruben ihn unter sich auf dem Boden und nagelten ihn fest. Das Messer hatte sich in meinen linken Arm gebohrt und jetzt wusste ich, dass dieser Kerl einfach nur geisteskrank war… Den Schmerz spürte ich zunächst nicht, vielleicht war es der Schock. Ganz allmählich erwärmte sich mein Arm, als würde warmes Wasser daran hinunter laufen. Nur mit dem Unterschied, dass dieses Wasser rot war. Die Türen öffneten sich, Polizeibeamte kamen von allen Seiten herein gerannt. „Juan!! Juan!!“, schrie Lukas von draußen her und wollte wieder hinein stürmen, doch ein Polizist zerrte ihn zurück und ein anderer sprang mit gehobener Waffe durch die Tür, aus der Lukas hinter mir hinaus gehüpft war. Als er aber die Lage erblickte, ließ er die Waffe an seinem Gürtel verschwinden und stürmte mit seinen anderen Kollegen rüber zu dem Haufen, der sich langsam löste. Lukas heulte, seine Lippe war geschwollen und aufgeplatzt. Ein übler, zweiter Bluterguss zeigte sich an seinem Auge. Morgen würde er noch viel schlimmer aussehen… Er schrie heulend auf, als er das Messer an meinem Arm sah. „Juan! Da steckt das Messer!!“ Er packte mich am anderen, gesunden Arm und zeigte mit dem anderen Finger auf die Waffe. Etwas irritiert sah ich die Hälfte der Klinge aufblitzen, der Rest war in meinem Fleisch versunken. Mein Arm hatte sich bereits hochrot verfärbt und erst als ich die Wunde sah, spürte ich den Schmerz langsam und stechend heran schleichen. Und mit einem Schlag war er da… wie das Gefühl, die Uhr im Raum würde aufhören zu ticken, nur weil man es plötzlich nach einer langen Stille wieder wahrzunehmen glaubt. „Hier rüber!!“, brüllte einer der Polizisten und ein ganzer Haufen hatte sich auf dem Gleis eingefunden, wobei ein paar Sanitäter angerannt kamen und mich von dem Messer befreiten. Gerade kamen noch zwei Polizisten ächzend hochgerannt. Es waren die beiden, die mich aufgehalten hatten. Dabei hielten sie noch ihr Funkgerät in den Händen und ich war verdammt froh, dass sie mir doch geglaubt hatten… Sie starrten völlig überrascht zum RE, in dem sich die anderen Polizisten tummelten und diesem Irren Handschellen anlegten. Noch während sie ihn aus dem Zug holten schrie und tobte er herum, brüllte zusammenhanglosen Zeugs und trat wild nach den Polizisten, die langsam die Geduld verloren und ihn mit Druck abführten. Der ganze Steig war erstarrt und blickte zum RE, der noch ein Stück vor seiner eigentlichen Haltestelle zum Stehen gekommen war. Ich hockte derweil auf dem Boden und wurde versorgt. Vorsichtig schlang ich den gesunden Arm um Lukas und drückte ihn fest an mich, der Kleine war völlig aufgelöst. „Mein Wagen wurde sicher abgeschleppt, oder? Ich glaub ich steh im Halteverbot…“, meinte ich lässig und der Polizist starrte mich nur mit leicht ungläubigem Kopfschütteln an, reichte mir meinen Ausweis und den Führerschein. Was genau allerdings damit gemeint war konnte ich wirklich nur erahnen. Schließlich stellte sich heraus, dass dieser Jan mehrfach vorbestraft war. Er hatte diverse Anzeigen am Hals, wegen Körperverletzung und Sachbeschädigung… Außerdem schien er wirklich nicht mehr alle Tassen im Schrank zu haben, denn auf dem Weg nachhause erzählte mir Lukas Sachen von ihm, die mich richtig schockierten. Eigentlich hatten mich die Sanitäter zum Arzt schicken wollen, doch ich wollte einfach nur nachhause und versuchte meinen Arm so selten wie möglich zu belasten, auch wenn es nicht möglich war. Manchmal war er die Freundlichkeit in Person, so unglaublich lieb. Doch im nächsten Moment schrie und tobte er und hatte seine Wut nicht selten an Lukas ausgelassen. „Hör bloß auf… sonst werde ich gleich zum Amokläufer!“, knurrte ich. Es fiel mir ja so schon schwer ruhig zu bleiben, zudem tat mein Arm, trotz der Schmerzmittel, noch etwas weh. Ich wollte nichts mehr sehen, nichts mehr hören… und zwischendurch, streckte ich meine freie Hand nach Lukas aus, um sie auf sein Knie zu legen. Auch er umschlang sofort meine Hand, lehnte den Kopf in den Nacken und atmete tief aus. Er hatte ebenso genug… und war völlig erschöpft. „Der hat Frau Tillmann verarscht…“, murmelte Lukas und hatte die Augen halb geschlossen. „Er hat sich für dich ausgegeben, als er unten geklingelt hat… und hat die arme Frau nach oben geschickt… als er nach oben kam, hatte er hinter ihrem Rücken das Messer gezückt… ich dachte er tut ihr was an…“ Erschöpft wandte er den Kopf leicht aus dem Fenster, ohne mich jedoch loszulassen. Müde fuhr ich endlich in unsere Straße ein, meine Mutter wartete schon draußen vor der Tür und war völlig in Tränen aufgelöst. Sie kam uns entgegen und umarmte natürlich wieder erst Lukas und drückte ihn so fest an sich, dass ihm die Luft wegblieb aber er erwiderte ihren herzlichen Druck. Mit einem sanften Lächeln sah ich die beiden an, schließlich grinste ich denn ihr Blick fiel auf meinen Verband. „Was… was macht ihr für Sachen?!“, schrie sie uns an und schlug erst mir auf den Kopf, dann Lukas. „Ich bin fast gestorben, bei eurem Anruf! Ihr seid bescheuert!! Euch kann man beide nicht alleine lassen!!“, brüllte sie auf offener Straße aber ich lächelte einfach nur weiter und nahm Lukas‘ Hand fest in meine. Er errötete, wollte seine Hand wegziehen, aber ich ließ es nicht zu. „Mom, guck mal.“ Grinsend hob ich unsere ineinander verschlungenen Hände. „Ich hab dir noch einen Sohn mitgebracht.“ Lukas erstarrte und ebenso meine Mutter, ehe sie anfing zu lachen. Mein kleiner Lukas biss sich aber auf die verwundete Lippe, wieder kullerten ihm Tränen über die Wangen, die nun nicht mehr ganz so rundlich waren. Die letzten Tage hatten ihn ganz schön mitgenommen… Meine Mutter umarmte Lukas und mich gleichzeitig und drückte uns an ihr wundervolles, brennendes Mutterherz. „Willkommen Zuhause!“ Lukas schniefte laut, schluchzte leise auf und schien einfach nur froh zu sein. Genauso wie ich. Endlich waren wir wieder da… „Lukas! Beweg dich endlich, mir bricht gleich der Rücken ab!“, rief ich quer durch die Wohnung. „Ja, ja!!“, schrie er zurück und kam schnell angerannt. Ich hockte oben auf der Leiter und hielt verzweifelt die alte Lampe fest, die ich aus meinem Zimmer abmontiert hatte. Die Leiter wackelte nicht nur, nein, zu allem Überfluss brach mich der hässliche Leuchter auch noch ordentlich ins Schwanken. Es war nur ein großer schwarzer Schirm aus Metall aber er stammte noch aus dem vorletzten Jahrhundert. Da hatte man die Dinger wohl noch aus Blei hergestellt. Lukas grinste mich breit von unten herauf an und hielt eine Kiste in den Händen. Sein Haar war etwas kürzer geworden, es brachte seine Augen viel deutlicher zur Geltung. In seinen Bermudas sah er richtig süß aus, besonders mit dem roten T-Shirt, dessen Ärmel er hochgekrempelt hatte. Wir hatten Mitte August und es war einer dieser wenigen, erdrückenden Tage, in denen mal die Sonne zur Abwechslung schien. Sonst war es wolkenverhangen oder zum kotzen schwül… „Her mit dem Klappergestell!“ Er lachte und strahlte mich endlich wieder mit seinen unschuldigen Augen so wundervoll an. Dabei hob er die Kiste hoch, in die ich das blöde Ding langsam sinken ließ. Kaum hatte er die Kiste abgestellt, grinste er breit und rüttelte an der Leiter, so dass ich fast hinunter fiel und während ich schrie lachte der Frechdachs! Meine Mutter war schon lange ausgezogen. Kurz nachdem wir aus Rheinhausen zurück gekehrt waren hatte sie auch schon ein paar Tage darauf ihre Wohnung, dank unserer und Chris‘ Hilfe, bezogen. Sie wohnte in der Nähe der Innenstadt und hatte sich mit dem Geld, das sie für das Haus bekommen hatte, nicht nur eine kleine Wohnung gekauft, sondern auch einen Laden eröffnet. Sie verkaufte Schmuck, Tücher, Taschen, alles was Frauenherzen höher schlagen ließ. Zwar hatte sie erst seit zwei Wochen eröffnet und das Geschäft lag in einer kleinen Seitengasse der Stadt, doch es lief bisher ganz gut. Und nun waren wir an der Reihe. Ich hatte bereits eine Wohnung für uns gefunden, Lukas und ich hatten ein paar Tage lang die Schule geschwänzt und hatten uns in Wohnungsbesichtigungen gestürzt. Am Ende hatten wir ein hübsches Fleckchen gefunden, ein Stück außerhalb des Zentrums. Es war zwar keine tolle Altbauwohnung doch für uns beide reichten die siebzig Quadratmeter schon völlig aus. Drei Zimmer, eines würde zum Arbeitszimmer für uns beide umfunktioniert werden und das andere zu unserem gemeinsamen Schlafzimmer, auf das ich mich am meisten freute. Mein Zimmer hier war schon halb leer, nur ein paar Kartons standen im Raum. Mit Pascal hatte ich mich bereits abgesprochen, der Penner hatte sich dazu entschieden zu seinem Bruder zu ziehen der sich ebenso in Köln nieder gelassen hatte. Und gerade wenn man vom Teufel sprach klingelte es an der Tür. Ich sprang von der Leiter, schlang den Arm um Lukas‘ Nacken und biss ihm hart in die Nase, was ihn aufschreien ließ. So schliff ich ihn schreiend, lachend und gleichzeitig kreischend zur Tür, öffnete diese und biss ihm zusätzlich in die Ohren. „Das ist deine Strafe!! Sei froh, dass ich dir nicht in den Arsch beiße!!“, fauchte ich. „Das will ich sehen.“ Pascal stand mit einem breiten Grinsen in der Tür. Sein kurzes, schwarzes Haar hatte er leicht zum Irokesen hochgestylt, an den Seiten waren sie ziemlich kurz geschoren. Ich lachte und ließ Lukas kurz los, ehe ich Pascal umarmte. „Hey, du Weltenbummler, willkommen zurück!“, rief ich grinsend und stellte die beiden einander vor. Pascal hatte ein paar Taschen dabei, die er im Flur abstellte. Auch er lachte und nachdem er meine Umarmung erwidert hatte, grinste er nun Lukas breit an, reichte ihm kameradschaftlich die Hand. „Hey, du bist das berühmte Lämmchen!“ Lukas‘ verstörtes Gesicht ließ uns beide auflachen, allerdings wich ich seinen Blicken aus. „Na, komm erst mal rein!“, rief ich und schob Lukas weiter. Pascal pfiff leicht deprimiert. „Mann, ihr habt ja schon alles leer geräumt… hier sieht es so trostlos aus!“, beschwerte er sich und machte nicht einmal Anstalten die Schuhe auszuziehen, aber das spielte auch keine Rolle mehr. Den Dreck würde der Penner schon selber wegmachen müssen! Das war nicht mehr mein Bier! Im Wohnzimmer sah er sich um, ich brachte gerade drei Dosen Cola und reichte den beiden jeweils eine. „Ja so hat es auch vorher schon ausgesehen du Depp! Du hast es nur nie gemerkt weil du nie da bist!“, knurrte ich und öffnete zischend meine Dose. Pascal grinste uns beide an und sah von Lukas schließlich wieder zu mir. „Worauf stoßen wir an?“ Auch er öffnete seine Dose, wir beide hielten sie einander hin, Lukas machte nur scheu mit. „Auf einen guten Neustart!“, meinte ich nur. Pascal grinste noch breiter und zwinkerte mir zu. „Und auf das Ende des Heartbreak Hotels!“ Lukas verstand wieder nur Bahnhof. „Heartbreak Hotel?“, fragte er verwirrt und starrte uns an. „Ja… wir haben unsere Bude das Heartbreak Hotel getauft.“ Pascal prustete in seine Dose. „Denn entweder hat es den Leuten hier immer das Herz gebrochen, wenn sie hier ein und aus gegangen sind… oder ihm!“ Er prostete mit der Dose in meine Richtung. Ich lachte und stieß noch einmal mit ihm an, schlang dabei meinen Arm um Lukas‘ Hüften und gab ihm einen süßen, prickelnden Kuss auf die Lippen. „Auf das Ende des Heartbreak Hotels.“, wiederholte ich Pascals Worte. „Und auf den Beginn des Fun House!“ Pascal lachte wohl am lautesten von uns, aber Lukas schenkte mir nur dieses super süße Lächeln, in das ich mich schon beim ersten Mal verliebt hatte. „Ich liebe dich.“, sagte ich sanft und sein Blick wurde wieder so weich. Es war das erste Mal nach Monaten, dass ich es endlich aussprechen konnte. „Ich bin für Hard Luck House.“, antwortete Lukas nur. „Sag mal, steht ihr beide so sehr auf Elvis? Da habt ihr euch ja gesucht und gefunden.“, meinte Pascal. Jetzt lachten Lukas und ich gemeinsam, es war ein warmer, angenehmer Klang, von dem ich nie geglaubt hätte, dass er jemals meine eigenen vier Wände erfüllen würde. Ende Vielen lieben Dank fürs Lesen, ich hoffe die Geschichte hat euch gefallen :) Wenn ihr Fragen, Flüche, Feedback oder ein anderes Anliegen habt, nur raus damit *ggg* Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)