Torn von Eruwen ================================================================================ Kapitel 4: Feindbild eines Freundes ----------------------------------- Kakashi stieg die Treppen des Gefängnisses hinauf und ließ einen vor sich hin grübelnden Uchiha zurück, doch erst nachdem er letzterem versprochen hatte, ihm zu helfen. Was konnte Sasuke auch anderes tun, als auf seine Anhörung zu warten? Und wie die ausgehen würde, stand in den Sternen. Immerhin würde sich der Clanerbe direkt mit den Ältesten anlegen, die sicher nicht aus reiner Nächstenliebe schwiegen. Das war schon eine merkwürdige Situation. Wieso einen guten Ninja auf Mission schicken, um ihn anschließend fallen zu lassen? Was hatte Sasuke sich vor der Mission denn schon zu Schulden kommen lassen? "Hatake-san?" "Mh?" Als der Angesprochene aufsah, blickte er direkt in das fragende Gesicht einer der beiden Anbuwachen. "Oh, ihr könnt jetzt wieder zu Sasukes Zelle gehen. Sind irgendwelche Besuchszeiten festgelegt?", fragte Kakashi. "Eigentlich ist für den Verräter keine weitere Besuchserlaubnis vorgesehen. Da müssen Sie mit der Hokage sprechen." Oje, die war wohl vorhin noch wütender als ich dachte. Das wird nicht einfach. Warum musste der Uchiha die Hokage auch derart auf die Palme bringen und seine Lage nur noch mehr verschlechtern? "Das werde ich. Und ihr solltet euch nicht vorschnell ein Urteil bilden. Bis zur Anhörung muss er neutral behandelt werden, so lautet Konohas Gesetz", sprach er und lief an den beiden leise murrenden Wachen vorbei. Wenn schon die beiden Anbu nur Verachtung für Sasuke übrig hatten, die vorher nichts mit ihm zu tun gehabt haben, wie würden dann die Dorfbewohner reagieren? Die Situation war wohl noch verzwickter als er gedacht hatte und nur Koharu, Homura und Danzou konnten sie auflösen. So in Gedanken versunken erreichte der Kopierninja schließlich den Ausgang und blinzelte dem Sonnenlicht entgegen. "-glauben, Sakura-chan? Er hat sich bei mir entschuldigt! Er ist eben doch unser Freund!" Kakashi schmunzelte und sah Naruto kurz beim Jubilieren zu. Dieser schien nicht zu merken, dass ihm von Passanten merkwürdige Blicke zugeworfen wurden. Auch Sakura sah sehr erleichtert aus und schien sich um ihre Umgebung ebenfalls nicht zu kümmern. Es ist noch nicht alles verloren. Sasuke hat immer noch Freunde an seiner Seite. "Ihr glaubt ihm also auch", konstatierte Kakashi noch einmal das Offensichtliche. "Natürlich tun wir das, Sensei! Aber fanden Sie es nicht auch merkwürdig, wie höflich Sasuke zu Tsunade-shishou war?" Bevor der Jounin überhaupt etwas sagen konnte, mischte sich Naruto ein. "Bestimmt hat er nur Angst vor Baa-chan", feixte der Chaosninja. "Baka, dann hätte er sie bestimmt nicht provoziert", keifte Sakura. "Ihr dürft nicht vergessen, dass zweieinhalb Jahre vergangen sind, in denen auch ihr euch verändert habt. Wer weiß, was Sasuke alles erlebt hat. Er ist sicher nicht mehr derselbe", gab Kakashi zu bedenken, auch wenn er nicht glaubte, dass Orochimaru während der Ausbildung des Uchihas großartigen Wert auf Höflichkeitsfloskeln gelegt hatte. "Dann respektiert er Baa-chan eben, ist doch auch egal. Mich interessiert viel mehr, wie stark er jetzt ist. Ich könnte ihn bestimmt besiegen, echt jetzt!" Kakashi musterte seine beiden Teammitglieder. Sonst war ihnen wohl keine Veränderung an ihrem Freund aufgefallen. Merkwürdig. Die Hokage konnte ja nichts bemerkt haben, sie kannte Sasuke schließlich nicht von früher. Vielleicht sollte er noch einmal mit ihr reden. Immerhin würde sie auch die Anhörung führen. "Ich muss noch einige Dinge erledigen. Wir sehen uns dann morgen beim Training", verabschiedete sich der Gruppenführer von seinen Schützlingen. Dabei bemerkte selbst er nicht, dass sie beobachtet wurden...und auch seine Schüler nicht. Völlig ahnungslos unterhielten diese sich noch ein Weilchen, bis sich Sakura ebenfalls entschuldigte, um ins Krankenhaus zu gehen. Sie nahm ihre Ausbildung zur Medic-Nin sehr ernst, auch wenn sie immer noch ein fester Bestandteil von Team 7 war. Naruto schlenderte währenddessen nach Hause. Auf dem Weg dorthin traf er Sai. Mittlerweile waren die beiden gut befreundet, doch am Anfang hatte alles noch ganz anders ausgesehen. Naruto hatte den Neuen nicht als Ersatz für Sasuke akzeptiert und Sai musste auf die harte Tour lernen, wie tief die Freundschaft zwischen den beiden war. Zumindest auf einer Seite. Nach und nach hatte er sich jedoch in das Team eingefügt und zeigte sich sehr interessiert an der Verbindung zwischen dem Uchiha und dem Uzumaki. "Ah, hallo Sai! Lange nicht gesehen. Wie läuft es denn so bei den Anbu?" "Ganz gut. Aber ich mache trotzdem lieber Missionen mit euch. Das ist viel lustiger", lächelte Sai, und es sah fast echt aus. Er hatte immer noch Probleme, aufrichtige Emotionen zu zeigen. Dass er nach wie vor zu einer Root-Einheit gehörte, besserte diesen Zustand nicht unbedingt, obwohl Tsunade Danzou befohlen hatte, die ihm unterstellten Ninjas ein bisschen menschlicher auszubilden. Dennoch konnte sie nicht allzu viel ausrichten, immerhin waren die Ninjas Danzou unterstellt, da hatte selbst die Hokage nicht viel zu melden. "Mh, wir werden vielleicht bald keine Missionen mehr zusammen machen. Weißt du was passiert ist? Wir haben Sasuke gefunden! Er ist zurück! Ist das nicht toll?", strahlte der Blondschopf. Sai neigte den Kopf extrem zur Seite, wohl um seine Überraschung auszudrücken. "Das ist schön für euch, Naruto. Hast du denn schon mit ihm gesprochen?" "Nicht direkt, Baa-chan hat ihn verhört und ich war dabei. Aber stell dir vor: Er hat uns gar nicht verraten! Es war seine Mission, zu Orochimaru zu gehen. Er hat sich sogar bei mir entschuldigt, weil er mich im Tal des Endes verletzt hat. Er sagte, das musste er tun, denn Orochimaru hatte uns beobachten lassen." "Das klingt aber nicht nach dem stolzen Eisklotz, den du mir immer beschrieben hast." "Najaaaa, da hab ich wohl etwas übertrieben. Aber seine Entschuldigung war trotzdem überraschend. Und wie höflich er Baa-chan gegenüber war, Wahnsinn. Vielleicht wird er ja noch richtig nett. Ich freu mich schon auf unser erstes Training. Oh, und wir müssen unbedingt Ramen zusammen essen gehen! Wir haben so viel nachzuholen! Ist was, Sai, du siehst ein bisschen traurig aus?", fragte Naruto besorgt. Sofort setzte Sai sein typisches Lächeln wieder auf. "Nein, nein. Ich hoffe nur, dass Sasuke deinen Enthusiasmus teilt." "Aber klar doch! Schließlich ist er mein bester Freund, echt jetzt!" Diese Äußerung zauberte dem Root-Anbu ein echtes Lächeln ins Gesicht. "Ich muss jetzt aber weiter, Naruto. Vielleicht sehen wir uns ja bald wieder." Sai winkte noch kurz und schon war er verschwunden. Der Blondschopf setzte seinen Weg nach Hause fort, wo er sich eine Schüssel seiner geliebten Instant-Ramen machen würde. ~*~ Kakashi war indessen auf dem Weg zur Hokage. Er musste die Lage peilen. Sie durfte sich nicht zu sehr in ihre Wut hineinsteigern. In der Anhörung war sie zwar dem "Angeklagten" gegenüber zur Neutralität verpflichtet, nur hatte der Jounin momentan leise Zweifel, dass sie sich daran erinnern würde. Sie hasste nichts mehr als Respektlosigkeit und die unverschämten Kosenamen Narutos ließ sie sich nur gefallen, weil er eben ihr Liebling war. Doch leider würde dieser in der Anhörung nichts zu sagen haben. Wahrscheinlich würden nur die direkt Beteiligten angehört werden, da man sich nicht auf Mutmaßungen vom Umfeld verlassen musste. Der Fall war eindeutig: Entweder die eine oder die andere Partei log. Und Konoha hatte seine Mittel und Wege, ebendies herauszufinden. Der Jounin schickte noch schnell ein Stoßgebet zum Himmel, dass die Hokage sich ein wenig beruhigt haben möge und dann klopfte er an deren Bürotür. Das mürrischste "Herein", das er je gehört hatte, zerstörte spontan jede Hoffnung. Das konnte ja heiter werden. "Kakashi. Ich hab mich schon gefragt, wann du hier auftauchen würdest." "Wie meint Ihr das, Tsunade-sama?" "Nun, es ist doch ganz offensichtlich, dass du mit diesem Uchihabalg sympathisierst." "So wie Ihr das ausdrückt, könnte man meinen, er wäre der Staatsfeind Nummer 1." "Er arbeitet immerhin mit dem Staatsfeind Nummer 1 zusammen!" Tsunade war schon wieder dabei, sich aufzuspulen. "Das ist doch noch gar nicht bewiesen", versuchte Kakashi zu beschwichtigen, "Sasuke war wirklich ziemlich am Ende, als er uns begegnet ist, das kann nicht geplant gewesen sein. Ich bezweifle, dass er es noch bis nach Konoha geschafft hätte und die Otos können nicht gewusst haben, dass wir da sind, so schlecht haben wir uns nicht getarnt." "Nun, da du es auch noch einmal feststellst: Ich hatte es vorhin nicht erwähnt, weil ich ihn in Ruhe beobachten wollte, aber nicht nur das Chakra von dem Bengel war erschöpft. Sein Körper ist bemerkenswert ausgelaugt. Das kommt nicht von ein paar anstrengenden Kämpfen. Es sieht eher nach einer ungesunden Dauerbelastung aus." "Naja, er wird bei Orochimaru ständig trainiert haben." "Das meine ich nicht. Sein Blutdruck ist sehr hoch, dafür ist die Körpertemperatur zu niedrig, der ganze Körper ist erstaunlich energiearm und diese tiefen Augenringe, die selbst unter der Augenbinde hervorlugen, dürften dir wohl kaum entgangen sein." "Worauf wollt Ihr hinaus?" Die Augenringe hatte Kakashi nicht weiter ernst genommen. Himmel, Sasuke hatte Orochimaru getötet und sich aus seinem Lager gekämpft! Das war ja wohl logische Ursache genug. "Das sind alles physische Symptome eines chronischen Schlafmangels. Aber im Gegensatz dazu hat er keine psychischen gezeigt. Keine Konzentrationsstörungen, Halluzinationen oder Beeinträchtigung des Denkvermögens. Er wirkte bei der Befragung vollkommen konzentriert und klar, wenn man von seinen Unverschämtheiten absieht. Das passt nicht zusammen. Ein Grund mehr, ihm zu misstrauen." Chronischer Schlafmangel? Wie passte das denn jetzt ins Bild? "Aber wenn er bei Orochimaru nicht geschlafen hat, zeigt das doch sein Misstrauen seinem ehemaligen Meister gegenüber, oder? Immerhin ist man im Schlaf wehrlos. Vielleicht konnte er sich diese Blöße dort nicht erlauben." "Oder es ist ein raffiniertes Täuschungsmanöver. Ganz offensichtlich wurde Wert darauf gelegt, dass er seine kognitiven Fähigkeiten behält. Das ist verdächtig." Tsunade war offensichtlich gewillt, möglichst vom Schlechtesten auszugehen. Kakashi sah sich auf verlorenem Posten. Daher entschied er sich für einen weniger subtilen Ansatz. "Werdet Ihr ihm wenigstens eine faire Chance geben, die Dinge aus seiner Sicht zu schildern?" "Kakashi, du müsstest mich besser kennen. Ich werde natürlich nicht unfair dem Bengel gegenüber sein, da braucht es schon ein wenig mehr als ein paar Provokationen." Die Antwort hierauf ersparte sich der Jounin lieber. "Kann ich Sasuke vor der Anhörung noch einmal besuchen?" "Nein. Sieh mich nicht so an. Ich will nur das Risiko minimieren, dass er jemanden manipuliert oder an Informationen kommt, die ihn nichts angehen. Bedenke, dass er kein Einwohner Konohas mehr ist. Außerdem ist die Anhörung bereits in drei Tagen, obwohl es mir lieber wäre, ihn sofort Ibiki zu übergeben, aber das Protokoll sieht nun mal eine andere Herangehensweise vor. Diese paar Tage wird er wohl aushalten - er soll doch schließlich immer ein Einzelgänger gewesen sein." Der Ton in Tsunades Stimme ließ keinen Widerspruch zu. Dennoch konnte sich Kakashi eine letzte Erwiderung nicht verkneifen. "Auch Einzelgänger brauchen gelegentlich etwas Zuspruch..." Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)