Torn von Eruwen ================================================================================ Kapitel 5: Anhörung ------------------- Die nächsten Tage verbrachte Team 7 hauptsächlich in Sorge. Sakura konnte sich nicht auf ihre medizinische Ausbildung konzentrieren, die doch ziemlich viel Präzision erforderte, das Training waberte lustlos vor sich hin und selbst Naruto hatte einmal seine naive Euphorie abgelegt und den Tatsachen ins Auge geblickt: Es sah nicht gut aus. Er hatte die Hokage besucht, um sie einmal mehr wegen einer neuen, superschwierigen Mission zu nerven und hatte dabei mitbekommen, wie ihre Haltung gegenüber seinem besten Freund war. Er war so besorgt gewesen, dass er vergaß, um einen Auftrag zu betteln und anschließend in den Park ging, wo er Sai begegnet war und sich von ihm hatte trösten lassen. Natürlich hatte Kakashi versucht, Sasuke noch einmal zu besuchen, nur um bestimmt zurückgewiesen zu werden. Dafür hatte er sich nach dessen Schlafgewohnheiten erkundigen können. Anfangs waren die Anbu verwirrt gewesen, dass er so etwas fragte, doch dann antworteten sie ihm zögerlich. Der Uchiha habe die drei Tage in seiner Zelle nie geschlafen, nur meditiert, das aber ziemlich lange. Dem Jounin war natürlich bekannt, dass ein Ninja Schlaf in gewisser Weise mit Meditation ersetzen konnte, doch das funktionierte nicht hundertprozentig: Der Geist erholte sich zwar, doch der Körper bekam kaum Ruhe, da er unterbewusst stets in Alarmbereitschaft gehalten wurde. Allerdings war diese Technik nicht dafür konzipiert, sie längerfristig einzusetzen. Sie war für Einsätze gedacht, bei denen Ninjas ein paar Tage im Feindesland ausharren und überleben mussten. Sie gestattete kurzzeitige Erholung und dennoch fast vollständige Kontrolle über sich selbst. Das erklärte Sasukes Symptome, aber nicht, warum er ein solches Verhalten in Konoha für nötig hielt. Wie lange machte er das wohl schon? Und misstraute er jetzt seinem eigenen Dorf? Oder passierte irgendetwas Schreckliches (das Kakashi sich lieber nicht ausmalen wollte, da er kurz mit den Gedanken zu Gaara schweifte), falls Sasuke doch einschlafen sollte? Hatte Tsunade am Ende Recht? War Sasuke Orochimarus Geheimwaffe geworden? Trotz seiner Zweifel, für die sich der Kopierninja selbst schalt, weil er eigentlich keinen Grund dafür hatte, erzählte er Tsunade nichts von seiner Entdeckung. Ob Sasukes Wachen so etwas für wichtig genug hielten, um es der Hokage zu melden, wusste er nicht, aber sicher würde er sie nicht mit der Nase drauf stupsen. Das nächste Mal sah Kakashi Sasuke zur Anhörung. Er hatte sich, mitsamt sämtlichen Jounin, Chuunin und einigen Bürgern Konohas, die am Schicksal des Letzten vom einst so angesehenen Uchihaclans interessiert waren, in einem riesigen Saal eingefunden und saß dort in der dritten Bankreihe. Tsunade befand sich hinter einer Art Richterpult. Normalerweise würden neben ihr die beiden Ältesten sitzen, da sie jedoch direkt vom Geschehen betroffen waren, saßen sie in der ersten Reihe und warteten auf ihre Befragung. Stattdessen umgaben Tsunade zwei Jounin, denen sie sehr vertraute: Nara Shikaku und Sarutobi Asuma. Diese blickten gerade synchron in Richtung Tür, was eine Welle von sich umwendenden Köpfen nach sich zog, die alle das erblickten, worauf sie bereits seit einer halben Stunde warteten: Der Gefangene wurde hereingeführt, wie immer begleitet von zwei Anbuwachen, gefesselt mit Chakrafängern und mit verbundenen Augen. Natürlich. Und er hatte sein Chakra unterdrückt, wie schon die ganze Zeit in Konoha. Täuschte sich Kakashi oder wankte Sasuke leicht? Genau überprüfen konnte er seine Beobachtung nicht, denn schon war die kleine Kolonne an ihm vorbei und Sasuke auf einem Stuhl vor Tsunade positioniert. Diese verlor keine Sekunde und begann mit energischer Stimme zu sprechen. "Uchiha Sasuke, dir wird vorgeworfen, dein Dorf verraten zu haben und zu Orochimaru übergelaufen zu sein. Des Weiteren hast du zur Vereitelung deiner eigenen Rettung beigetragen und die daran Beteiligten in Gefahr gebracht, beziehungsweise einen fast tödlich verletzt. Kannst du etwas zu deiner Verteidigung hervorbringen?" Allein die Formulierung sprach Bände. Tsunade fragte nicht nach Informationen, die den Uchiha entlasten könnten, nein, mit ihrer Frage, ob er sich denn überhaupt verteidigen könne, zweifelte sie die Existenz solcher Informationen direkt an. Sasuke ging nicht darauf ein. Er schaute geradeaus, sodass sein Blick das Pult, aber nicht Tsunade treffen würde und wollte gerade zu einer Antwort ansetzen, bevor Tsunade ihn unterbrach: "Bevor du anfängst, muss ich noch etwas loswerden. Während deiner Befragung wird ein Ninja mit einem leichten Jutsu deine Gedanken überwachen und auf Unstimmigkeiten überprüfen. Er wird sie nicht lesen, aber merken, wenn du lügst." Bei den Worten "Gedanken überwachen" war Sasukes Kopf hochgeruckt. "Ist das nicht in einer offiziellen Anhörung verboten?", fragte er. "Gedankenlesen, ja. Allerdings wird bei dieser Technik nichts Konkretes wahrgenommen. Nur Schwankungen. Du behauptest doch, unschuldig zu sein, wovor solltest du also Angst haben?", sprach Tsunade mit einem süffisanten Grinsen im Gesicht. Überraschenderweise deutete sich auch in Sasukes Gesicht ein Grinsen an. Aber ein verbissenes. "Nun, nicht alles in meinem Kopf ist für die Öffentlichkeit bestimmt." "Zweifelsohne. Aber sei unbesorgt. Sollte die Anhörung heute ungünstig für dich verlaufen, wirst du zum Verhör zu Ibiki Morino gebracht und dem ist es erlaubt, Gedankenlese-Jutsu einzusetzen. Also solltest du lieber gleich kooperieren. Bringt Inoichi herein!", befahl die Hokage. Dieser traf keine Minute später ein. Er formte einige Fingerzeichen, positionierte seine Finger an Sasukes Schläfen und nickte Tsunade zu. "Tch", entfuhr es dem Uchiha und er biss die Zähne zusammen. "Solltest du da gerade versuchen, Chakra zu konzentrieren, kannst du das vergessen, deine Fesseln unterdrücken deinen Chakrafluss. Das Einzige, was du damit erreichst, ist, dir immense Schmerzen zuzufügen. Und nun zu meiner Frage von vorhin - ich höre." Sasuke zwang sich aus seiner leicht verkrampften Haltung und antwortete mit betont ruhiger Stimme. "Wie ich bereits sagte, Tsunade-sama, war dieses Überlaufen im Rahmen einer Mission nur vorgetäuscht. Mein Auftrag war es, Orochimarus Reihen zu infiltrieren und ihn zu töten, sobald sich die Gelegenheit ergibt." Erleichterung machte sich in Kakashi breit. Was auch immer Sasuke vorhin getan hatte, jetzt schien er der Hokage entgegenzukommen. Und er antwortete respektvoll. Das war gut. Dennoch behielt Tsunade ihren scharfen Ton bei. "Zweieinhalb Jahre sind für eine einzelne Mission eine verdammt lange Zeit." "Hn. Ich hatte keine Zeitvorgabe. Außerdem war Orochimaru sehr stark. Als ich zu ihm kam, hatte er gerade einen neuen Körper übernommen, was mein Glück war. Ich konnte ihn nur töten, weil sein Körper zu verfallen begann und er sehr geschwächt war." Diese Information schien Tsunade etwas zu versöhnen. "Und wer soll dir diesen Auftrag gegeben haben?" "Danzou überbrachte mir die Mission im Auftrag von Koharu und Homura. Sie meinten-" "Erweise ihnen gefälligst den Respekt, der ihnen gebührt und sprich sie wenigstens mit -san an, du unverschämter Bengel!", herrschte Tsunade den Befragten an. Dieser antwortete so kalt, dass die Lufttemperatur um ein paar Grad zu sinken schien. "Ich weigere mich, Lügnern Respekt zu erweisen, die ihre eigenen Ninjas verleugnen." Der ganze Saal schien den Atem anzuhalten. Kakashi stöhnte entsetzt auf. Entweder war dieser Uchiha lebensmüde oder dumm. Wie konnte man nur so stur sein? Hatte er aus seiner letzten Begegnung mit der Hokage nichts gelernt? Gespannt schauten alle auf Tsunade, die die Zähne fletschte und mal wieder diese imposante Wutader auf der Stirn hatte. "Sie meinten, es sei zu gefährlich, mich persönlich zu treffen. Orochimaru könnte misstrauisch werden und sich fragen, was ein Genin mit den Dorfältesten zu schaffen hat", fuhr Sasuke unbeirrt seine Rede fort. Konnte er diese mörderische Aura nicht spüren oder ignorierte er sie? "Hast du Beweise für deine Behauptungen?", schnappte die Hokage sichtlich um Fassung bemüht. Eine Pause trat ein. Sasuke atmete hörbar aus und setzte zu einer Antwort an. "Nein. Wie auch? Hätte ich Beweise zu Orochimaru schleppen sollen, um mich besser ans Messer zu liefern?" In diesem Worten schwang so viel unverhohlene Verbitterung mit, dass sich die Stimmung im Saal schlagartig änderte. Viele kannten Sasuke, wenn auch nur flüchtig, und sie alle wussten, dass er normalerweise keine Emotionen zeigte, die ihn angreifbar machten. Stereotypen waren im Dorf eben bekannt. Umso erstaunlicher war dieser Beinahe-Ausbruch. Ging es dem Uchiha etwa wirklich so nah? War er doch unschuldig? Alle Anwesenden schienen momentan diesen einen Gedanken zu teilen. Selbst Tsunade schien versöhnt. "Das leuchtet ein. Wie ist es dir bei Orochimaru ergangen?" Die Hokage musste wirklich etwas mitfühlender gestimmt sein, zeigte sie doch Interesse an Sasukes Schicksal. "Das...ist nicht relevant. Ich habe hart trainiert, um die Stärke zu erlangen, die ich brauchen würde und auf eine Gelegenheit gewartet meinen Auftrag auszuführen. Als mir das gelungen ist, bin ich geflohen." "Und warum hat man ausgerechnet dich, einen Genin, ausgewählt?" "Weil Orochimaru mich vorher ausgewählt hat. Er hat mir während der Chuuninauswahlprüfung das Juin verpasst und mir klar gemacht, dass er mich erwartet. Ich war die Person, die er am allerwenigsten verdächtigen würde, wenn sie zu ihm kommen würde. Eine logische Wahl also." Zumindest dachte der Clanerbe, dass das der einzige Grund war, warum die Wahl der Ältesten ausgerechnet auf ihn gefallen war. "Nun gut. Kannst du Danzou-san identifizieren? Du solltest sein Chakra erkennen können." Sasuke hob den Kopf und konzentrierte sich. "Es ist die fünfte Person von rechts in der ersten Reihe." Zustimmendes Gemurmel erhob sich im Raum. Sasuke hatte den Richtigen getroffen, was seine Geschichte untermauerte, denn es war äußerst unwahrscheinlich, dass der Genin Danzou zu einer anderen Gelegenheit begegnet war, arbeitete dieser doch hauptsächlich im Untergrund. Ausgeschlossen war es jedoch nicht. "Gut, das soll vorerst reichen. Inoichi, hat er irgendwann gelogen?" Der Ninja löste seine Finger von Sasukes Schläfen und sah die Hokage an. "Nein." Erstauntes Raunen. Tsunade schien überrascht. "Allerdings muss ich sagen, dass er mich die ganze Zeit geblockt hat. Er hat mich keinen Millimeter in seinen Geist gelassen." Das Murmeln schwoll an. Tsunade wandte sich dem Clanerben zu, der dazu eigentlich nicht in der Lage sein sollte, trug er doch die Chakrafesseln. "Uchiha, wie hast du das gemacht?" "Ich habe bei Orochimaru gelernt, meinen Geist um jeden Preis zu verschließen. Sonst hätte er erkannt, dass ich niemals auf seiner Seite war." Dass das Erlernen dieser wichtigen Fähigkeit auch noch andere Gründe hatte, musste niemand wissen. "Warum hast du das getan? Dir wurde doch zugesichert, dass deine Gedanken nicht gelesen werden." "Hn. Woher sollte ich wissen, dass er nicht weitergeht? Ich traue niemandem mehr." Wieder diese Bitterkeit. "Das war dir diese Qualen wert? Ganz zu schweigen davon, dass es sehr gefährlich ist. Du hättest dir damit ernsthaft schaden können. Was ist in deinem Kopf verborgen?...Ich nehme nicht an, dass du mir das beantworten wirst. Schafft ihn zu seinem Platz." Die Anbu packten Sasuke an den Oberarmen und zogen ihn hoch. Sofort sackte er nach vorn und Blut tropfte auf den Boden. Geschockt erkannte Kakashi, als Sasuke in Richtung des Publikums gedreht wurde, dass diesem Blut aus der Nase lief. Was hatte er getan? Auch die anderen Anwesenden waren schockiert über so viel bedingungsloses Misstrauen dem eigenen Dorf gegenüber. War an seiner Geschichte womöglich doch etwas dran und er hatte aus tiefster Enttäuschung so gehandelt? Tsunade saß einige Minuten nachdenklich da, bevor sie die Danzou auf den Stuhl zitierte und Inoichi die gleiche Prozedur vornahm wie zuvor bei dem Uchiha. "Danzou-san. Haben Sie jemals einen solchen Auftrag an Uchiha Sasuke übermittelt?" Alle warteten gespannt auf die Erwiderung, die keine Sekunde später kam. "Nein. Ich weiß nicht, warum dieses Gör sich so etwas zusammenspinnt. Wahrscheinlich will er sein erbärmliches Leben retten. Ein trauriger Rest des Uchiha-Clans." "Inoichi, lügt er?" "Nein. Und er hat seinen Geist auch nicht verschlossen." Die Befragung der beiden Ältesten lief ähnlich. Sie verneinten alles und beleidigten Sasuke. Allerdings war allen Anwesenden im Raum klar, dass die Drei Mittel und Wege hatten, so ein simples Jutsu zu übertölpeln, ohne Chakra anwenden zu müssen. Wahrscheinlich kam es auch deshalb zu Tsunades Entscheidung. "Ich werde die Sitzung vertagen. Wir werden die Aussagen gründlich prüfen und nach Beweisen suchen. Solange, bis sich nichts Neues ergibt, bleibt Sasuke Uchiha in Gewahrsam." ~*~ Gewahrsam, huh? Wenigstens haben sie mich nicht gleich verurteilt. Die Hokage scheint doch fair sein zu können. Sasuke saß in seiner Zelle und versuchte, wieder klare Gedanken zu fassen. Gedanken-Überwachungs-Jutsu. Ausgerechnet. In seinen Kopf würde er nie wieder jemanden lassen, eher würde er sterben. Seine Aktion im Gerichtssaal war gefährlich gewesen, er hätte das Bewusstsein verlieren können und das durfte er auf keinen Fall riskieren. Außerdem war es nicht ganz schmerzfrei gewesen, aber er hatte sich zumindest so weit beherrschen können, nicht zu schreien. Jetzt war er allerdings ziemlich geschwächt und dank dieser verdammten Fesseln konnte er sein Chakra nicht wieder aufbauen und erzwingen würde er das nicht so schnell nochmal. Bestandsaufnahme: Chakra seit Ankunft extrem niedrig, noch mehr bei der Anhörung verbraucht, Zustand erbärmlich schwach. Verflucht, ich bin nahezu wehrlos und sitze hier wie auf dem Präsentierteller. Wenigstens hatte er zwei Wachen an der Tür. Diese schienen es jedoch zu bevorzugen, Abstand zu ihm zu halten, denn statt direkt vor seiner Zelle, standen sie nun am Ausgang an der Spitze der Treppe, ihr Chakra wie immer deutlich wahrnehmbar.Wie lange würden die wohl bis hier runter brauchen würden, wenn ich schreie? Ironischer Gedanke, denn irgendwie glaubte Sasuke nicht, dass die Wachen zu seinem Schutz hier waren. Plötzlich bekam er ein merkwürdiges Gefühl. War da jemand? Sofort war er in Alarmbereitschaft. Aber das konnte nicht sein, er hatte nichts gehört. Wieso sollte sich jemand die Mühe machen, vollkommen geräuschlos die Treppe herunterzusteigen? Reiß dich zusammen, Uchiha und werd hier nicht paranoid! Einen Kampf mit den Wachen hättest du mitbekommen. Doch gerade als Sasuke sich wieder halbwegs beruhigt hatte, streifte etwas Scharfes seine Wange... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)