Written in blood von sinistersundown (Schattenspiel einer Legende) ================================================================================ Tausend Worte, eine Lüge ------------------------ Das Schicksal geht die seltsamsten Wege. Über Licht, Dunkelheit und Schmerz, Trauer und Hass, ja sogar über den Tod. Oft sind es Lügen, die uns auf den rechten Weg führen. Schicksal kennt keine Moral, kein Erbarmen, nur das Ziel. Einzig und allein der Zeit ist es untertänig, wartend auf ein Zeichen. Wartend auf jenen Tag, an dem sich Sagen zu Legenden und Legenden zur Wirklichkeit wandeln. Seit Anbeginn der Zeit sehnen sich die Menschen nach mehr, als ihnen ihr Leben zu bieten hat. Nach Respekt, Einfluss, Reichtum... schierer Macht. Nach dem, was einzig und allein den Göttern vorbehalten ist. Oft ist es die Hoffnung auf eine bessere Welt, welche die kleinen Geister dieser Erde vorran treiben, stehts auf der Suche und für die Erfüllung unzähliger Träume kämpfend. Diese Wesen wünschen sich meist nur eines; Frieden, Freiheit und ein glückliches Leben in einem fruchtbarem Land welches frei von Furcht und Armut existiert. Jedoch... ebenso häufig finden sich unter jenen edel Gesinnten niedere Kreaturen, Schwache und Ausgestoßene die nur des Selbstzweckes wegen nach der goldenen Macht streben. Ein Egoismus, welcher schnell reift, wächst und gedeiht und schließlich zur Gier führt. Gier wird zu Hass, Hass führt zu Kampf, welcher oft nur die Saat des Bösen weiter sät. Dieser Teufelskreis würde ewig fortwähren. Niemals endend, unerbittlich und von gewaltigem, zerstörerischen Ausmaßes... So war es der Wille der Götter, das jene goldene Macht nie erreichbar sein sollte. Das goldene Reich, für Normalsterbliche auf ewig versiegelt und auf jene Seele wartend, welche die goldene Macht zu nutzen weiß... Die Gesandte wußte, das ihr Kind niemals in Sicherheit sein würde, solange es bei ihr leben würde. Sie mußte einen Ort finden an dem es den dunklen Kreaturen, welche ihr sicher bald auf den Fersen sein würden, leichter entfliehen konnte. Allein diese Tatsache befleckte ihr Herz mit unsagbarem Schmerz, machte es taub und schwer. Es war jener Schmerz, den eine Mutter verspürte wenn sie ihr Kind in fremde Hände geben mußte. Nur, um sicher zu sein, das es den nächsten Tag erleben würde. Die einzige Chance, die ihr geblieben war. Sie konnte nur hoffen und beten. Ihre und die Zukunft ihres Kindes war so von Nebel verhangen wie diese Nacht, in der sie an eines Bauern Türe klopfte. Lange Zeit stand die Gesandte beinahe reglos vor der offen stehenden Tür, das kleine Bündel in den Armen haltend. Friedlich, nichts ahnend von seinem Schicksal schlief das Kind, ein letztes Mal die Wärme seiner leiblichen Mutter spürend. Immer wieder wechselte diese besorgte und zugleich unsichere Blicke mit der jungen Frau, die vor ihr im Türrahmen stand. War das wirklich der einzige Weg...? Hatte das Schicksal nicht noch eine Hintertür parat? Wohl kaum. Tränen benetzten ihr filigranes Gesicht, als sie dem Baby einen letzten Kuss auf die Stirn gab. Dann überreichte sie der Fremden das Bündel, sowie einen Brief mit dem Siegel der Göttin Hylia. "Ich bete dafür, das du Hyrule einst in eine bessere Zukunft leiten wirst..." flüsterte sie, summte dabei mit von Tränen brüchiger Stimme ein hylianisches Schlaflied. Dieses Lied war so alt wie die Zeit selbst und sollte jeden, der es hört eine sichere Reise in das Land der Träume gewährleisten, was immer ihn dort auch erwartete. Während sie summte, griff die Gesandte um ihren Hals und zog eine goldene Kette hervor. Sie war glänzend und solide gefertigt. Der Anhänger dieser Kette symbolisierte die göttliche Macht, war heilig und stand für alles Leben auf dieser Welt. Sachte legte die junge Mutter diesen Schatz ihrem Kind um, als ein letztes Geschenk. Die Frau, welche das Kind nun in den Armen hielt, lauschte der Melodie - eine unglaubliche Wärme ging davon aus. Ihr wurde das Herz schwer bei dem Anblick von Mutter und Kind, welche sich wohl nie wieder sehen würden, doch hatte sie dieser Frau ihr Wort gegeben, das dem Jungen nie Leid widerfahren würde. Das er eine wohl behütete Kindheit haben und fernab jeglichen Terrors aufwachsen würde. So nahm sie das Kind entgegen, sah der Gesandten hinterher, solange, bis der Nebel sie verschlungen hatte und nicht wieder freigab. "Möge Hylia dich schützen, mein Kleiner..." Viele, viele Winter zogen seitdem in das Land. Die Narben, die der Krieg hinterließ verblassten nach und nach, Hyrule begann wieder zu blühen. Es hatte den Anschein, als sei der Frieden von ganz allein gekommen; doch dieser Schein trügte sehr: es herrschte weit reichende Armut in den Städten. Plünderer und Diebe zogen von Ort zu Ort, nahmen alles was sie kriegen konnten, Krankheiten verbreiteten sich rasend schnell und niemand war wirklich sicher. Noch immer hatte Hyrule keinen neuen Herrscher - Unsicherheit und Angst bestimmte den Alltag der Überlebenden. Niemand glaubte noch an eine bessere Zukunft. Oder daran, das jemals wieder Frieden herrschen würde. Seit dieser eine Krieger das Schwert erhob und Hyrule mit Gewalt versuchte zu erobern, ging es besonders den Menschen in den größeren Städten schlechter als jemals zuvor. Einzig und allein Mutter Natur schien genug Kraft zu haben, um den Plagen dieses Landes zu trotzen. Sie allein schien einen Weg aus dem Chaos gefunden zu haben. Gerade dies kam vielen Bauern zu gute. Sie konnten endlich wieder anbauen, der Boden war wieder fruchtbar - auf einst verbrannter Erde wuchsen wieder Gräser. Auf dem Land schien die Welt wirklich noch in Ordnung zu sein, frei und unberührt. Es grenzte an ein Wunder, das selbst Diebe sich selten auf die Höfe der Bauern verirrten; doch viel von Wert gab es hier so oder so nicht und das schienen sie zu wissen. Alles, was die Besitzer der Höfe in ganz Hyrule besaßen war Vieh, welches den Krieg unbeschadet überstanden hatte und die wenigen Hektar Land, die ihnen damals nicht genommen wurden. Es gab ein knisterndes Geräusch, als er die Sense über das Feld führte, um dem Getreide auf den Leib zu rücken. Immer und immer wieder holte er mit seichten und kontrollierten Schwüngen von rechts nach links aus, führte das Sensenblatt dicht über dem Boden. Die Sonne hatte bereits ihren höchsten Stand erreicht und brannte mit Unbarmherzigkeit nieder. Das machte seine Arbeit nicht gerade einfacher, doch der junge Mann war geduldig und hart im Nehmen. Wer wegen Mittagshitze seine Arbeit niederlegte, gehörte nicht auf das Land. Harte Arbeit war hier Alltag und er war dies seit er seine ersten Schritte tat gewöhnt, denn er lebte allein mit seiner Mutter, welche den Hof übernommen hatte nachdem sie verwitwet war. Einen Vater hatte er nie gehabt - dieser war ziemlich bald nach seiner Geburt im Krieg gefallen und so hatte der Junge niemals Gelegenheit, ihn kennenzulernen. Viel ausmachen tat es ihm aber nicht wirklich; er kannte es schließlich nicht anders, seit siebzehn Jahren nicht. So gut wie nie hatte er nach seinem Erzeuger gefragt; was für ein Mensch er gewesen war oder ob er ihm sehr ähnlich sah. Alles aus Rücksicht auf die Frau, die ihn trotz all der Geschehnisse mit so viel Liebe großzog. Denn wann immer er nach seinem Vater oder dessen Beziehung zu seiner Mutter fragte, reagierte sie zögernd, unsicher und abweisend. Immer wieder bat sie ihn darum, nicht zu fragen. Weil es sie zu sehr schmerzte. Und auch, wenn er diese Bitte annahm, so glaubte er doch, das noch viel mehr dahinterstecken mußte. So fuhr er mit seiner Arbeit fort; es war nicht mehr viel übrig aber das geschnittene Getreide mußte noch gebunden und in die alte, mittlerweile leer stehende Scheune gebracht werden. Er war gerade dabei, das erste Bündel zu schnüren, als der junge Bauer von weiter her seinen Namen vernehmen konnte. Abrupt hielt er inne, schaute zum Hof. Seine Mutter stand an der Umzäunung, winkte ihm eifrig zu. "Link! Komm doch bitte kurz her!", rief sie. Angesprochener richtete sich auf, legte das Bündel bei Seite und lief quer über das Feld zu ihr. Am Zaun verschnaufte er kurz, strich sich das dunkelblonde Haar aus dem Gesicht und hinter die langen, spitzen Ohren, schaute dann auf. "Ja...? Was ist denn?" fragte Link, blickte kurz auf den leeren Weidenkorb, den die Bäuerin dabei hatte. "Ich wollte die Plantage aufsuchen... die Äpfel sind aus. Nicht, das du mich nachher suchst." Sie lächelte ihn an, freundlich und warm. Links Mutter war noch recht jung, Mitte dreißig, doch die Arbeit auf dem Hof hatte ihre Spuren hinterlassen. Erste graue Haare verirrten sich in dem dunkelbraunen Schopf, die Hände waren rau und auch kleine Fältchen waren um die Augen herum auszumachen. Sie legte den Kopf leicht in den Nacken, schaute zum Himmel. "Vielleicht gewittert es heute Abend..." merkte sie an, blickte wieder zu ihrem Jungen, ".... besser, du beeilst dich und bringst die Bündel ins Trockene, bevor es regnet." Er nickte. "Mache ich. Pass du lieber auf, das dich niemand auf dem Weg anspricht." Link sah seine Mutter bittend an. Es gefiel ihm nie, wenn sie alleine auf den verworrenen Wanderwegen unterwegs war, denn er wußte, wie gutgläubig diese Frau war. Auch wenn Überfälle relativ selten waren, es gab sie doch. Liebend gerne würde er sie begleiten, doch einer mußte auf den Hof acht geben. Sie seufzte leise, nahm den Korb in die andere Hand und legte Link beruhigend ihre Rechte auf die Schulter. "Mir passiert schon nichts. Gegen Abend bin ich wieder da. Versprochen." Mit jenen Worten wandte sie sich ab und ging. Resigniert blickte ihr Sohn ihr hinterher, ehe er sich wieder dem geschnittenen Roggen widmete. Ein, zwei Stunden war seine Aufmerksamkeit nur auf das zusammen sammeln und -binden gerichtet. Hin und wieder sortierte er aus, trennte Gutes vom Schlechtem. Link hatte gerade die ersten Bündel in die Scheune gebracht, als sein Blick auf die Sense fiel, welche er zuvor wieder an die Scheunentür gehängt hatte. Das Sensenblatt war schon reichlich abgewetzt und mußte dringend wieder nachgeschärft werden. Ein wenig schmunzelnd mußte er daran zurückdenken, wieviel Ärger er sich einmal eingehandelt hatte, nachdem er die Sense, ohne sie nach Gebrauch zu wetzen, einfach wieder zurückgehangen hatte - so wie jetzt. "Das Sensenblatt muss immer scharf sein, sonst schlägst du die Ernte nur kaputt!" hatte seine Mutter damals im donnerndem Ton gesagt. Seitdem hatte er immer daran gedacht das Blatt regelmäßig nachzuschärfen; es war ihm ein Rätsel, warum gerade heute nicht. Vorsichtig nahm er die Sense von der Halterung und legte sie auf dem Boden ab. Ein wenig irritiert stellte Link fest das der Wetzstein, mit dem das Sensenblatt geschärft wurde, fehlte. Sonst hing er immer in einem Halter, direkt neben der Sense. "...hat Mutter ihn entsorgt...?" fragte der sich selbst, seufzte. Hätte sie ihm das nicht sagen können...? Ein bisschen unschlüssig stand er nun vor der Tür, seine Augen wanderten von einem Instrument zum anderem in der Hoffnung, den Wetzstein vielleicht doch nur übersehen zu haben. Doch Fehlanzeige. Er fehlte. "Na wunderbar..." murmelte Link, kratzte sich am Hinterkopf und wandte sich dann langsam um. Wenn er sich recht entsann, hatten sie noch einen in Reserve... doch wo dieser wieder gelagert wurde, darüber mochte er nicht nachdenken. Seufzend nahm Link die alte Öllampe von der gegenüberliegenden Wand und zündete das kleine Licht an. Es roch entsetzlich nach altem Öl, doch was tat man nicht alles für ein bisschen Licht im Dunkeln...? Wenn sie einen weiteren Stein besaßen, dann vermutlich auf dem Dachboden der Scheune. Oft war er dort nicht gewesen, auch nicht in seiner Kindheit. Seine Mutter hatte es ihm stehts untersagt, gerade als er noch kleiner war und sich hätte verletzen können. Link hatte diesen Wunsch stehts respektiert ohne ein Wort der Gegenwehr; sah nun aber keinen Grund mehr, diesem Verbot folge zu leisten. Er war nun schließlich alt genug, um auf sich Acht geben zu können. Außer alten Kisten und Körben würde er dort wahrscheinlich nichts finden - aber einen neuen Wetzstein.... hoffentlich. Der junge Bauer nahm sich eine Leiter zur Hand und lehnte sie gegen den Aufstieg zum Dachboden. Sich ein letztes Mal vergewissernd, das die Leiter auch einen festen Stand hatte, stieg er die Sprossen empor und fand sich schließlich auf in Mitten von Staub, Kisten und Ungeziefer wieder. Seit Jahren war hier niemand mehr gewesen. Nicht einmal seine Mutter. Sie mied den Dachboden konsequent, warum auch immer. Erst letztens, als Link ihr vorgeschlagen hatte dort einmal aufzuräumen, hatte sie beinahe panisch abgelehnt und ihm abermals verboten, auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, einmal auf den Boden zu gehen... "...was für eine modrige Luft... da erstickt man ja!" bemerkte er, stieg hastig die letzte Sprosse empor. Link stellte die Lampe mitten im Raum ab und riss als erstes an dem Knauf eines alten Fensters. Es klemmte, was aber auch kein Wunder war. Als er mit Hängen und Würgen das Fenster schließlich aufziehen konnte, flog ihm der Staub nur so ins Gesicht. Hustend wandte sich Link ab und sah sich nun in dem spärlich beleuchteten Raum um. Seine Augen brauchten eine Weile, um sich an das Zwielicht zu gewöhnen, aber es ging. Wieder konnte er nur resigniert seufzen, Ärger machte sich in ihm breit. Bis er gefunden hatte, wonach er suchte war es Abend. Aber ihm blieb wohl keine andere Wahl, außerdem konnte sich Link beim besten Willen nicht vorstellen, wo er einen Wetzstein sonst hätte finden können, wenn nicht bei den übrigen Geräten. Im Haus sicher nicht, denn seine Mutter hatte jegliches Werkzeug das sie besaßen aus den vier Wänden verbannt. So machte er sich daran, den ersten Korb zu durchsuchen, der ihm ins Auge fiel. Dort waren ein paar alte Laken und Bezüge, mehr aber auch nicht. Eine der Kisten folgte. Lange Zeit fand er nichts aufregendes, manche Kisten waren sogar vollkommen leer. Wenn es so weiterging, würde er vielleicht doch schneller mit der Suche fertig als gedacht. Doch je länger Link sich hier oben aufhielt, desto mehr beschlich ihn ein Gefühl des Unwohlseins. So, als wenn jemand ihn beobachten würde. Als wenn jemand nur darauf gewartet hätte, das er diesen Dachboden betrat... Aber er wußte genau, das niemand hier sein konnte. Er war allein...und dennoch... Link erwischte sich im Laufe immer öfter dabei, wie er sich etwas nervös umwandte, schaute ob vielleicht doch jemand hier war. Wie absurd er sich dabei vorkam... doch dieses Gefühl ließ nicht locker. Es wandelte sich mehr und mehr zur Unsicherheit, wurde stärker und beklemmender. Ließ sein Herz rasen und schlußendlich trieb es ihm sogar den Schweiß auf die Stirn. Vehement versuchte er dieses Gefühl zu ignorieren, es auszublenden... er war doch nur auf einem altem Dachboden, nicht auf irgendeinem Friedhof... als er sich dann auch noch ein leises Wispern einbildete, wurde es ihm zu viel. Benommen schüttelte der junge Bauer den Kopf, ging in die Hocke und lehnte sich gegen eine Wand. Was zum Teufel war nur los mit ihm? Bis vor kurzem ging es ihm doch noch blendend! Lag es an der miesen Luft, die hier oben vorherrschte...? War ihm die Mittagshitze doch zu Kopf gestiegen? Oder wurde er krank...? Schnaubend zog Link die Beine an, legte die Arme auf den Knien ab und schüttelte den Kopf. Ja, es mußte die Luft sein... "Irgendwie... ist es doch seltsam... es kommt mir fast so vor als wenn ich hier etwas finden würde, was ich niemals finden sollte... wie ein Geheimnis..." murmelte er zu sich selbst. Ohne, das er Kontrolle darüber hatte, schweiften seine Gedanken langsam ab. Diese so absurde Situation gab ihm nun doch zu denken. Seine Mutter mied den Dachboden, hatte ihn immer wieder davor gewarnt dieses kleine Gewölbe zu betreten... gab es da vielleicht einen Zusammenhang zu dieser seltsamen Situation? Hatte sie einmal etwas in der Richtung erwähnt? Nein. Entsinnen konnte er sich nicht... in diesem Augenblick schlich sich ein Gedanke bei ihm ein. Ein Gedanke, der sich scheinbar all die Jahre vornehm zurückgehalten und nur auf den richtigen Augenblick gewartet hatte. Vielleicht fand er hier auch etwas, das einst seinem Vater gehörte...? War es das? Erinnerungsstücke, die seine Mutter weggeschlossen hatte, auf das sie niemals wieder den Weg zu ihr oder gar ihrem Sohn finden würden...? Aber warum...? Einen Augenblick blieb Link noch regungslos sitzen, ehe sein Blick auf eine weitere Kiste neben ihm fiel. Sie war mit einem dunklem, schwerem Tuch abgedeckt. Ohne weiter darüber nachzudenken, lehnte er sich auf die Seite, packte die Decke und riss sie fort. So mußte es sein. Hier gab es etwas, das seine Mutter unter Verschluss halten wollte. Koste es was es wolle. Warum sollte sie sonst dieses Verbot ausgesprochen haben, wenn nicht, um etwas zu verstecken? Die Kiste, die er nun vor fand, war ziemlich provisorisch mit Nägeln verschlossen worden. Die vielen Jahre, sowie die Witterungsverhältnisse hier oben hatten sie morsch werden lassen und die Nägel waren verrostet und mürbe. Kurz zögerte Link noch, ehe er anfing, an dem Deckel zu ziehen und zu rütteln. Es sollte unter diesen Umständen nicht allzu schwierig sein, die Kiste aufzubekommen... was sich auch nach ein paar Mal kräftig rütteln bewahrheitete. Mit geräuschvollem Knacken splitterte das Holz und der junge Mann hielt mit einem Mal ein Stück des Deckels in der Hand. Achtlos pfefferte er das Holz in die Ecke, warf einen Blick auf den Inhalt der Kiste. Eine hölzerne Schatulle war alles, was er darin finden konnte. Vorsichtig griff er hinein, holte sie heraus. Es klimperte leise im Innern des Kästchens. Auch das Holz der Schatulle war schon leicht angefressen, aber in sichtlich besserer Verfassung als manch anderer Gegenstand, den er hier schon hervorgezaubert hatte. Sachte strich er den Staub von dem Deckel. Link holte die Lampe heran um besser sehen zu können. Es waren keinerlei Gravuren oder sonstige Verzierungen auszumachen. Sie war aus schlichtem, dunklem Holz gefertigt und von rechteckiger Form. Ob er darin fündig würde? Ein leichtes Kribbeln machte sich in seiner Magengegend bemerkbar, als er vorsichtig das kleine Scharnier öffnete und den Deckel nach oben zog. Ein Brief. Link blinzelte ein paar Mal, starrte beinahe ungläubig auf den leicht vergilbten Umschlag. War es dieses Stück Papier, das seiner Mutter das Leben anscheinend so schwer machte...? War das alles...? "Das... kann doch nicht ihr ernst sein.." war das Einzige, was ihm in diesem Augenblick dazu einfiel. Verwirrt und ein wenig verärgert griff er nach dem Brief; kein Absender, nichts. Nicht einmal ein Name stand auf dem Umschlag. Erst als er ihn wendete, sprang ihn ein Symbol an. Goldenes Wachs hatte das Papier all die Jahre verschlossen gehalten. Dieses Symbol, dieses Siegel war ihm gänzlich unbekannt... und doch seltsam vertraut. Es schien sich dabei um einen Vogel mit ausgebreiteten Schwingen zu handeln. Allerdings fehlte ihm der Kopf. Hier und dort war bereits ein bisschen Wachs abgeplatzt, aber man konnte es trotzdem noch gut erkennen. Sachte strich er darüber, dachte angestrengt nach ob er dieses Wappen nicht doch schon einmal irgendwo gesehen hatte... Sekunden verstrichen, ehe Link das Siegel vom Untergrund löste, um den Brief zu öffnen... Genau in diesem Moment fegten hunderte Bilder durch seinen Kopf, Bilder die er noch nie in seinem Leben gesehen hatte. Wie Momentaufnahmen rauschten sie an seinem innerem Auge vorbei zeigten ihm Dinge, die sein Geist nicht vollends erfassen konnte. Sein Kopf schmerzte entsätzlich, ein langer, pfeifender Ton machte es ihm beinahe unmöglich noch klar zu denken. Es war, als wenn in diesem Brief etwas verbannt worden wäre, ein böses Omen, eine längst vergessene Wahrheit... Er fand sich auf einem riesigem Feld wieder. Gewitterwolken hatten sich wie eine undurchdringbare Mauer über den Himmel gezogen. Sachte blickte er sich um. Ein kahles Land, gepflastert mit hunderten Leichen. Schreie. Blut. Feuer. Überall. Dort war eine fremde Frau, weinend. Er hörte ihre klagende Stimme, wie sie um Gnade flehte. Eine Spieluhr zersprang vor seinen Augen. Schallendes Gelächter. Die Gegend wandelte sich. Ein weißer Raum, leer und unendlich. Dort vorne stand jemand... Seine Mutter, welche ein Kind entgegennahm. Tränen, unsagbar viele Tränen. "Möge Hylia dich schützen, mein Kleiner..." Es goss wie aus Kübeln, als der Hof endlich in Sichtweite war. Erleichtert lupfte die Frau ihren Rock an, damit sie beim Laufen nicht über den Stoff stolperte und im Schlamm landete. Ihr rechter Arm war schon ganz taub vor Kälte und Anstrengung, denn er trug den Weidenkorb, welcher randvoll mit mit Äpfeln gefüllt war. Auf ihrem Weg zur Haustür fiel ihr auf, das dass geschnittene Getreide teilweise noch auf dem Feld lag. Irritiert schüttelte sie den Kopf. Warum hatte Link nicht auf ihren Rat gehört...? Sie würde wohl noch einmal mit ihm reden müssen. Vor der Haustür angekommen, verschnaufte sie kurz, dann betrat sie das Haus. "Ich bin wieder da!" rief sie, stellte den Korb zur Seite und legte ihren Umhang ab. In ihrer Bewegung hielt sie kurz inne, sah sich etwas um. Es war totenstill im Haus. Nicht einmal das Flackern des Kaminfeuers konnte man vernehmen. Normalerweise bekam sie auch immer Antwort wenn sie heimkam, doch heute... "Link? Bist du da...?" fragte seine Mutter, abermals laut und deutlich. Wieder nichts. Langsam aber sicher machte sich Unbehagen breit... War vielleicht etwas vorgefallen, als sie fort war? Vorsichtig schlich sie den kleinen Flur entlang, sah sich mit bedacht um. Als sie dann um die Ecke kam, fand sie Link stumm am Esstisch sitzend vor. Gerade wollte sie das Wort ergreifen, als sich ihre Augen auf den Gegenstand hefteten, welcher vor ihrem Sohn auf dem Tisch stand. Erschrocken sog die Bäuerin die Luft ein, die Worte welche sie an ihn richten wollte blieben ihr wie ein Kloß im Hals stecken. Wie um alles in der Welt war er an die Schatulle geraten...? Noch immer war ihm ein bisschen schummerig. Nachdem diese schrecklichen Bilder aufgehört hatten ihn heimzusuchen, war Link beinahe ohnmächtig geworden. Übelkeit und unsagbare Kälte hatten ihn urplötzlich wieder in das Hier und Jetzt zurückgeholt. Noch nie in seinem bisherigem Leben hatte Link sich so hilflos und von Angst geplagt gefühlt. Während er diese... Visionen, die Bilder wahrgenommen hatte, fühlte sich sein Körper schwer an und wie in Trance verfallen. Erst, nachdem sich sein Kreislauf wieder beruhigt hatte und er sich sicher sein konnte das es vorbei war, konnte Link sich dazu durchringen, die Schatulle mit in das Haus zu nehmen und den Brief zu lesen. Sein erster Gedanke war, dieses verfluchte Ding wegzuschließen, so das er niemals wieder das eben Gezeigte sehen müsse - doch letzten Endes siegte die Neugierde, die Frage nach dem warum. Link glaubte an das Übersinnliche, daran das es eine höhere Macht geben mußte. Umso aufgewühlter war er wegen dem, was er erlebt hatte. Es ergab für ihn einfach keinen Sinn. Warum sah er solche Dinge? Warum beschlich ihn so ein beklemmendes Gefühl, so als wenn er etwas undendlich wichtiges verloren hätte...? Erst, nachdem er jenen Brief gelesen hatte, konnte er sich zumindest einer Sache sicher sein... Langsam, ganz langsam hob der Hylianer den Blick, sah emotionslos auf die gegenüberliegende Wand. Die ganze Zeit hatte er still schweigend auf die geschwungene, zierliche Schrift gestarrt, welche das Pergament vor ihm schwarz färbte. Immer und immer wieder hatte er die Zeilen stumm gelesen, um auch nur im Ansatz begreifen zu können, was sie für ihn bedeuteten. Was sie für sein ganzes bisheriges Leben bedeuteten... "Kannst du mir verraten... was das hier ist...?" Ohne sie anzusehen, hielt Link dieser Frau das Pergament entgegen. Dieser Frau, die er all die Jahre "Mutter" nannte ohne zu wissen, was wirklich hinter diesem Wort steckte: eine Lüge. 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