Shi Ans von Tei ================================================================================ Jouer Franc Jeu --------------- @ Asmodina: Ok, wenn du die Taschentücher bei dem Kapitel gebraucht hast, dann kannst du sie jetzt eigentlich ganz draußen lassen… @ -Shin-: *g* Deine arme Schwester! Am besten Tür zusperren beim Lesen ;) @ sasu1: Und ich trödel auch noch rum und mach die Folter noch ein wenig länger… Sorry! Ich hoffe, du hast es überlebt! @ Astrido: Das mit dem Tagebuch höre ich gerade zum ersten Mal. Weder in seiner Biographie noch in den wenigen Interviews, wo er wirklich ausführlich über seinen Vater spricht, hat Yoshiki je etwas darüber verloren. Nur eben, dass er sich bis heute fragt, warum sein Vater das getan hat, aber dass er darauf eben keine Antwort bekommen wird, sodass ihn diese Frage sein Leben lang quälen wird. @ Toshi-Hamlet_Hayashi: *g* Ja, weiß ich, dass du solche Szenen liebst. Ich mag solche Kuschelszenen allerdings auch ;) @ Kaoru: Was genau willst du deinem Prof vorschlagen? Shi Ans?? @ all: Sorry, für die kleine Verzögerung. Eigentlich sollte das Kapitel gestern noch on kommen, hatte es dann aber doch nicht mehr geschafft. Nun gut, dann will ich euch auch nicht mehr länger vom Lesen abhalten und wünsch euch viel Spaß mit dem Kapitel! •••••••••••••••••••• Yoshiki hatte gerade zu einer Antwort ansetzen wollen, da Toshi ihn eindringlich anblickte, doch er kam nicht dazu, da es an der Tür klopfte, die sich auch sogleich öffnete, und Fatima eintrat, um wie jeden Abend nach ihm zu sehen, seitdem sich sein Zustand rapide verschlechtert hatte. Die Überraschung, Toshi bei ihm zu sehen, war ihr deutlich ins Gesicht geschrieben, doch er erklärte ihr kurz die Situation, sodass sie sich damit zufrieden gab und sich wieder verabschiedete. Das bedeutete jedoch gleichzeitig, dass er wieder an derselben Stelle war wie vor fünf Minuten und irgendwie fand er, hätte Fatima doch noch ein wenig länger bleiben können. „Yocchan…?“ „Oui…. bien…. C’est-à-dire…….“, begann er und registrierte erst, als er redete, dass er in der falschen Sprache war. In den knapp vier Jahren hatte er sich so daran gewöhnt, die ganze Zeit über Französisch zu sprechen, dass er automatisch damit begonnen hatte. Zwar hatte er vorhin ohne weiteres ins Japanische wechseln können, doch wenn er richtig gehört hatte, dann hatte er bei sich selbst einen leichten französischen Akzent herausgehört. „… ach shit, falsche Sprache…!“ „Yoshiki…“ Es war deutlich, dass es dem anderen nicht leicht zu fallen schien, seine Frage zu beantworten. Erst recht, als er anfing seine Finger zu kneten und sich immer wieder durch die kurzen Haare zu streichen. Toshi vermutete, er würde sie längst schon wieder zwirbeln, wären sie kinnlang. „Fang einfach von vorne an, okay?“ „Von vorne…?“, wiederholte Yoshiki und bedachte Toshi kurz, ehe er auf dem Bett nach hinten rutschte, sodass er mit dem Rücken an der Wand lehnte und den Kopf in den Nacken legte, um nach oben an die Decke zu blicken. „… ich dachte, du wärst tot“, begann er leise zu erzählen, „… ich dachte, ich wäre nun endgültig alleine… ich hatte mich vom Leben betrogen gefühlt… und von dir alleine gelassen…“ „Yocchan…“ Toshi war zu ihm nach hinten gerutscht und hatte ihm eine Hand auf die Schulter gelegt. „Es gab so viele Augenblicke, in denen ich am liebsten tot gewesen wäre, um dich noch einmal sehen zu können…! Aber so sehr ich es auch wollte, ich konnte mich nicht umbringen… dafür hab ich dann einen anderen Weg gefunden… … … … … … ich hab angefangen, die Kontrollbesuche wegen der Schilddrüse zu vernachlässigen. Erinnerst du dich noch, was ich dir vor Jahren über die verschiedenen Krebsmöglichkeiten erzählt habe?“ Bei seiner Frage blickte er Toshi nicht an, sondern starrte weiterhin nach oben. „Ja…“ „Vor knapp sechs Monaten war ich nach langer Zeit mal wieder zu einer Kontrolluntersuchung, weil mir am Hals eine kleine Schwellung aufgefallen war, die nicht wegging.“ „Krebs.“ „Ja…“, antwortete Yoshiki und schluckte schwer. „Welche Variante?“ „Die aggressive… die, die statistisch innerhalb von sechs Monaten zum Tod führt…“ „Das…“ Toshi wollte nicht glauben, was ihm Yoshiki da erzählte. Es konnte doch nicht sein, dass er so lange nach seinem besten Freund gesucht hatte und dieser nun statistisch gesehen so gut wie tot war! „… der Arzt meinte damals, es gäbe neue Behandlungsmethoden, die noch nicht lange angewandt werden, aber bereits erste Erfolge erzielt hätten…“ „Hast du…?“ „Wozu?“, entgegnete Yoshiki und blickte zum ersten Mal Toshi an, während er mehrmals schnell hintereinander blinzelte, „Ich sah es als meine Möglichkeit, dem Ganzen endlich ein Ende zu bereiten und dir, hide und Papa folgen zu können…“ „Yocchan…“ Nur zu deutlich konnte er die Tränen sehen, die der andere zurückzuhalten versuchte. „Sicher, ich habe YOSHIKI umgebracht und mir im Laufe der Zeit hier ein Leben als Yoshiki aufgebaut, aber das hat die Sehnsucht nach dir nicht gelindert. Ich wollte meinen besten Freund wiederhaben!“, erklärte der Jüngere und konnte nicht verhindern, dass erste Tränen sich ihren Weg aus seinen Augen bahnten. „Weißt du, Tocchi… zum ersten Mal hatte sich das Leben wieder fair angefühlt! Ich habe nichts gemacht, was den Verlauf irgendwie hinauszögern oder verbessern könnte. Ich habe nichts gemacht…!“ Energisch wischte er sich die Tränen weg und biss sich auf die Unterlippe. „Gibt es denn rein gar nichts, was man noch…?“ Man brauchte keinen Harvardabschluss, um zu wissen, worauf es hinauslief. Yoshiki war vor knapp sechs Monaten beim Arzt gewesen, der die aggressivste Krebsvariante diagnostiziert hatte. Da der Jüngere bereits eine Schwellung am Hals hatte ausmachen können, hatte das Gewebe sicherlich nicht erst seit gestern zu wuchern angefangen. Die Gleichung war dementsprechend ganz einfach – sein bester Freund war schon so gut wie tot. „Mein Körper ist voll von Metastasen, Tocchi…“, entgegnete Yoshiki leise, während er leicht den Kopf schüttelte. Er hatte seinen Willen bekommen, er würde sterben. Doch was brachte ihm das noch, nun da Toshi leibhaftig bei ihm war? „Aber es muss doch…“ In Japan oder in den USA musste es doch irgendwelche Ärzte geben, die noch etwas für ihn tun konnten. Yoshiki schüttelte daraufhin jedoch nur erneut mit dem Kopf und senkte eben jenen. Er schloss die Augen und kaute weiter auf seiner Unterlippe herum, doch der andere konnte sehen, dass erneut Tränen über seine Wangen rannen. „Es ist nicht fair…“, flüsterte er, während Toshi nach seiner Hand griff und ihre Finger miteinander verschlang. „Es ist nicht fair…“, wiederholte er, wobei seine Stimme immer mehr in ein leises Schluchzen überging, „es ist nicht fair…“ Kommentarlos zog der Ältere ihn zu sich und hielt ihn fest. „Ich will nicht sterben, Tocchi…!“ Er löste seine Hand aus der seines besten Freundes und schlang im nächsten Moment beide Arme um dessen Hals, während der andere ihn nur an sich drückte und sein Gesicht gegen Yoshikis lehnte. „Es ist nicht fair… ich will nicht sterben… nicht wo ich dich wieder habe… ich will nicht…“ Der Rest ging in undeutlichem Schluchzen unter und der Ältere konnte nichts anderes tun, als ihn im Arm zu halten und beruhigend über den Rücken zu streichen, während er selbst irgendwie versuchte, damit klar zu kommen. Natürlich hatte er während all der Jahre die geringe Wahrscheinlichkeit im Hinterkopf gehabt, dass der Jüngere tot sein könnte, doch nie hatte er damit gerechnet, ihn zu finden, nur um ihn kurz darauf für immer zu verlieren. Es kam einem schlechten Scherz gleich! Wenn er ehrlich sein sollte, dann war ihm zum Heulen zumute, aber es brachte nichts, wenn er jetzt auch noch weinend zusammen brach. „Warum… warum musstest du mich suchen? … Warum… warum konntest du mich nicht alleine sterben lassen? … Warum… warum musstest du…“ Erneut verstand Toshi den Rest nicht, da er in Schluchzen unterging, sodass er die Umarmung einfach nur verstärkt. Gleichzeitig gab es ihm auch ein Gefühl der Sicherheit, denn solange er Yoshiki festhielt, war dieser bei ihm. Solange der schmale, bebende Körper gegen den seinen gepresst war und sich die knochigen Arme beinahe schraubstockartig um seinen Hals schlangen, konnte er sicher sein, dass er den Jüngeren noch hatte. Jeden Gedanken darüber, für wie lange noch, hatte er aus seinem Kopf verbannt. Unterdessen drückte sich Yoshiki an den anderen und verbarg sein von Tränen nasses Gesicht in dessen Nackenbeuge. Wie bereits vorhin atmete er den seit Jahrzehnten vertrauten Geruch ein, während er sich gedanklich dafür fertig machte, dass er vor knapp vier Jahren einfach so aus dem Krankenhaus gerannt war und sich kein einziges Mal mehr rückversichert hatte, ob Toshi wirklich tot war, ehe er in seinen Privatjet gestiegen war. Warum hatte er kein einziges Mal seine E-Mails gecheckt? Er hatte es oft genug überlegt, sich dann jedoch wieder anders entschieden. Wenn er gewusst hätte, dass sein bester Freund am Leben war, dann wäre er doch nie so fahrlässig mit seiner Gesundheit umgegangen. Selbst mit der Diagnose Krebs hätte er nichts unversucht gelassen, um am Ende doch als Gewinner hervorzugehen. Doch in all den Jahren hatte er nie seinen eigenen Tod als Gegner gesehen, sondern das Leben. Und nun, da er schließlich triumphiert hatte, stellte sich heraus, dass er doch der Verlierer war. Ein weiteres Schluchzen ließ seinen Körper erbeben und er konnte spüren, wie Toshi die Umarmung verstärkte, wie seine Arme gegen seine hervorstehenden Rippen drückten. Alles wäre so viel einfacher, wenn der Ältere ihn nie gefunden hätte und er weiterhin in dem Glauben wäre, er wäre tot. So war es wenigstens einfach gewesen, zu ertragen, wie sein Körper immer mehr abschaltete. Nur die Götter wussten, wie lange er noch durchhalten würde, denn in den letzten Wochen hatte er spürbar abgebaut. Er hatte selbst den erschrockenen Blick in Toshis Augen gesehen, als dieser registriert hatte, wie abgemagert er war. Doch wie sollte er auch zunehmen, wenn er kontinuierlich abnahm, sich häufig erbrach und das Essen für ihn zu einer Tortur geworden war, weil die tumoröse Schilddrüse sowohl auf Luft- und Speiseröhre drückte? Er wusste schließlich selbst, dass er immer mehr Zeit des Tages im Bett zubrachte, weil er sich zu schwach fühlte, aufzustehen und sein Körper erneut von Fieber gebeutelt wurde. Hinzu kamen die unzähligen Schmerztabletten sowie Medikamente, damit er diese dank seiner Allergien überhaupt vertrug. Die machten ihn allerdings nur noch müder. Nein, wenn er ehrlich war, dann war er froh, dass Toshi ihn gefunden hatte, dass er seinen besten Freund noch einmal sehen konnte, ehe er starb. So konnte er ihn wenigstens noch einmal umarmen, seine Nähe spüren, seinen Geruch einatmen, seinen Herzschlag hören… Auch wenn er sich wünschte, mehr Zeit zu haben, um die verpassten vier Jahre nachholen zu können, so war er glücklich um jede Minute, die er jetzt noch mit ihm hatte. Sicher, er hatte sich hier in Refuge des Anges ein neues Leben aufgebaut, hatte neue Freundschaften geschlossen, obwohl er sich mit Toshis Tod eigentlich geschworen hatte, nie mehr einen Menschen an sich heran zu lassen. Er hatte zu Fatima und den Kindern eine engere Bindung aufgebaut, als er je gewollt hatte, doch all das hatte nie seinen besten Freund ersetzen können, hatte nie die Sehnsucht nach ihm gelindert. Zwar hatte er X JAPAN stets als seine Familie angesehen, doch seine Hauptbezugsperson war neben hide stets der Ältere gewesen. Und nachdem der Gitarrist verstorben war und sie beide sich wieder ausgesöhnt hatten, war er stets seine erste Anlaufstelle gewesen – noch vor seinem Bruder und seiner Mutter. So fest wie nur irgend möglich, schlang er die Arme um Toshis Hals und presste sich gegen ihn. Er wollte ihn nicht zurücklassen. Er wollte bei ihm bleiben. Einige Zeit lang hielt der Ältere den bebenden Körper einfach nur fest, bis er glaubte, dass das Schluchzen nachließ, ehe es vollkommen verebbt war. Irritiert drehte er den Kopf so, um Yoshiki ins Gesicht blicken zu können – oder so gut das eben ging, wenn sich eben jener in seiner Nackenbeuge vergraben hatte. Mit einem leisen Seufzen stellte er fest, dass sich der Jüngere in den Schlaf geweint hatte und nun gegen ihn gekuschelt dasaß, während die dünnen Arme noch immer um seinen Hals geschlungen waren. Bedacht, ihn nicht aufzuwecken, löste Toshi sie und zog anschließend vorsichtig Yoshikis Beine über seine eigenen, sodass er mehr in seinen Arm lag als aufrecht zu sitzen. Es dauerte jedoch nicht lange und die Atemgeräusche von vorher fingen wieder an. Kaum hatte der Ältere seinen Kopf jedoch so gelagert, dass er mehr an der Schulter und weniger an der Brust lehnte, hörte es wieder auf, sodass Toshi ihn dann auf diese Art festhielt und ihm immer wieder geistesabwesend über die zierlichen Oberarme strich, während er das schlafende Gesicht seines besten Freundes musterte. Er wirkte so friedlich, auch wenn seine Wangenknochen abstanden, seine Wangen und Augen eingefallen waren, dunkle Ringe letztere zeichneten und seine Lippen ganz blutleer erschienen. Unwillkürlich hatte Toshi das Bild von hide vor Augen, der scheinbar schlafend in seinem aufgebahrten Sarg gelegen hatte. Doch im Unterschied zu ihm atmete Yoshiki und als er mit seinen Fingern über dessen Hals strich, konnte er unter der erwärmten Haut den beschleunigten Pulsschlag spüren. Sein bester Freund war am Leben! … Doch die Frage war, für wie lange noch… Wochen? Tage? Er hatte immer geahnt, dass Yoshiki vor ihm gehen würde – so fragil und kränklich wie er immer gewesen war, war das stets eine logische Annahme gewesen. Doch in seiner Vorstellung waren sie beide zu diesem Zeitpunkt weit über dem Rentenalter, hatten ihre dritten Zähne und graue Haare. Sich auf die Unterlippe beißend, drückte er den schlafenden Körper so eng wie möglich an sich und senkte seinen Kopf. Er konnte ihn nicht verlieren! Er konnte ihn nicht verlieren, nicht nachdem er ihn gerade erst wiedergefunden hatte! Sie beide, sie gehörten doch zusammen… wenn er eines in den 10 Jahren der Trennung, nach seinem Ausstieg bei X JAPAN gelernt hatte, dann das. Egal was für ein Sklaventreiber und Perfektionist der andere sein konnte, egal wie nervig und uneinsichtig er manchmal war, er vermisste dies, wenn er es nicht hatte – das hatte er erst in den vergangenen Jahren wieder erkannt. Nach so vielen gemeinsamen Jahrzehnten, fehlte einfach etwas, wenn er nicht plötzlich in den unpassendsten Momenten angehopst wurde, Yoshiki ihm um den Hals fiel, er ihn mitten in der Nacht anrief, weil er nicht schlafen konnte, ihn als Kuscheltier missbrauchte, sie sich gegenseitig neckten und aufzogen. Er konnte das nicht schon wieder verlieren, nicht nachdem er es gerade erst wieder gefunden hatte! Überrascht blickte er auf, als ihm auf Yoshikis T-Shirt ein dunkler Fleck auffiel. Vorsichtig, bedacht ihn nicht aufzuwecken, strich er mit dem Finger darüber und musste feststellen, dass er sich klamm anfühlte. Irritiert starrte er auf den Stoff, als sich direkt daneben ein weiterer Kreis bildete. Er blinzelte mehrmals, ehe er mit leicht zitternder Hand seine feuchte Wange berührte. Auf der Unterlippe herum kauend schloss er die Augen und lehnte seine Stirn gegen die Brust des Jüngeren. „Es ist nicht fair…“, flüsterte er leise, „es ist nicht fair… Du kannst nicht einfach so gehen… nicht nachdem ich dich gerade erst wieder gefunden habe… du bist doch mein bester Freund… meine Familie…“ Es dauerte einige Minuten, bis Toshi die Augen wieder öffnete und den Kopf anhob. Nein, er würde nicht weinen, nicht solange Yoshiki noch lebte. Vor Jahren hatte er versprochen, er würde für immer an seiner Seite sein, den Weg mit ihm gemeinsam bis zu seinem Ende beschreiten – und davon würde er nicht zurücktreten! Energisch wischte er sich die Tränen aus dem Gesicht. Er würde ihm bis zum Ende alle Stärke geben, die er hatte. Schließlich kannte er den Jüngeren lange genug, um zu ahnen, dass er sich innerlich selbst fertig machte und sich die Schuld zuwies. Damit lag er zwar nicht falsch, doch der Tag der Schuldzuweisungen war schon lange verstrichen. Wenn er jetzt vor Yoshikis Augen Tränen zeigte, würde es nur noch schlimmer werden. Er würde erst weinen, wenn dessen Herz stehen geblieben war und er aufgehört hatte zu atmen. Solange er lebte, würde er stark für ihn sein! Behutsam legte Toshi seinen besten Freund auf die Matratze, stand auf und deckte ihn zu. Anschließend hob er das klamme Handtuch vom Boden auf, suchte an der Wand nach einem Lichtschalter, da draußen die Dämmerung eingesetzt hatte, und betätigte ihn, als er ihn gefunden hatte. Leise ging er zur Kocheckte, befeuchtete das Tuch von Neuem und legte es dem Jüngeren erneut auf die warme Stirn. Als er zurück in Richtung der Miniküche ging, nahm er ihre Getränkegläser mit und stellte sie auf den Tisch, ehe er sich daran machte, zu überlegen, was er zum Abendessen kochen konnte. Als Fatima hier gewesen war und nachdem Yoshiki ihr kurz erklärt hatte, wer er war, hatte sie angeboten, dass sie zum Abendessen ins Haupthaus kommen sollten, doch da der andere nun schlief und Toshi ihn nur ungerne wecken wollte, würde er zusehen, dass er aus den wenigen Vorräten irgendetwas Essbares zusammen stellen würde. Als er vorhin nach Gläsern gesucht hatte, hatte er schon gesehen, dass es nicht viel gab, aber zumindest hatte er Pulver für Hühnerbrühe sowie Nudeln gefunden. So zurückhaltend wie Yoshiki das Wasser getrunken hatte, konnte er nur erahnen, dass der Tumor wohl sowohl auf die Luft- als auch auf die Speiseröhre drücken musste. Etwas Flüssiges, dass er in kleinen Schlucken trinken konnte, war da sicherlich eine gute Essensidee, und wenn er die Nudeln klein brach und schön weich kochte, dann dürften sie auch kein Problem darstellen. So leise wie möglich suchte Toshi aus einem Unterschrank zwei Töpfe hervor – mehr fand er auch gar nicht – und füllte diese mit Wasser. Dabei entdeckte er neben der Spüle mehrere Strohhalme und schlug gedanklich mit dem Kopf gegen die Wand. Dass ihm diese nicht schon eher aufgefallen waren! Damit hätte sich Yoshiki wahrscheinlich nicht verschluckt! Seufzend stellte er die Töpfe auf die Herdplatten und wartete darauf, dass das Wasser anfing zu kochen, während er sich fragte, wie wohl eigentlich die Beziehung zwischen seinem besten Freund und Fatima genau aussah. Er lebte auf ihrem Grundstück, sie und die Kinder kümmerten sich offensichtlich um ihn, aber irgendwie bezweifelte er, dass da mehr lief, denn ansonsten würde er ja schließlich im Haupthaus und nicht in dem kleinen Cottage leben, oder? Als das Wasser kochte, gab er in den einen Topf etwas Salz und brach die Nudeln hinein, während er in den anderen mehrere Teelöffel von dem Instantpulver gab, gut umrührte und dann die Herdplatte ausschaltete. Es dauerte nicht lange und die Nudeln waren ebenfalls gut durch, sodass sie abgegossen werden konnten – oder so gut das eben ging, wenn der beste Freund scheinbar keinerlei Sieb besaß, sah man einmal von einem kleinen Teesieb ab. Seufzend improvisierte Toshi mit dem Deckel und gab den Inhalt des Topfes dann zur Brühe. Stellte sich nun nur die Frage, ob er warten sollte, bis Yoshiki von alleine wieder wach wurde oder ob er abwarten sollte. Letztendlich entschied er sich für letzteres und setzte sich somit an die Bettkante, während er aus seiner Hosentasche sein Handy angelte und direkt von zwei neuen Nachrichten begrüßt wurde. Eine war Heath, wobei Sugizos und Patas Namen auch mit beistanden, und die andere von Kouki. Beide wollten mehr oder weniger dasselbe wissen, nämlich ob sich dieser „Yoshi“ als ihr Yoshiki herausgestellt hatte. Sein Finger schwebte schon über der Antworten-Taste, doch er zögerte, da er sich nicht sicher war, was er schreiben sollte. Sollte er ihnen sagen, dass er ihn gefunden hatte, er aber so gut wie tot war? Sollte er nur sagen, dass er auf ihn gestoßen war? Wollte Yoshiki überhaupt, dass irgendwer außer ihm wusste, dass er noch am Leben war? „Was überlegst du?“, riss ihn eine verschlafene Stimme aus den Gedanken. „Yocchan!“ Rasch steckte er das iPhone weg, nachdem er gesehen hatte, dass sich die Tastensperre aktiviert hatte. „Also, weshalb hypnotisierst du dein Handy?“, fragte der Jüngere, der von selbst wieder aufgewacht war und Toshi am Fußende hatte sitzen sehen. Nachdem er das feuchte Tuch von seiner Stirn genommen und auf den Nachttisch gelegt hatte, setzte er sich ächzend auf und blickte den anderen abwartend an. „Kouki und die anderen wollten wissen, ob ich dich gefunden habe…“ „Und? Was hast du geantwortet?“ „Nichts“, entgegnete Toshi und zuckte mit den Schultern, während er sich durch die Haare fuhr. „Nichts?“ „Ich meine, willst du überhaupt, dass sie wissen, dass ich dich gefunden habe?“ „… ich… ich weiß es nicht“, entgegnete Yoshiki leise und starrte auf seine Socken. Ein Teil von ihm sehnte sich danach, sie noch einmal zu sehen. Nun da er Toshi wieder hatte, musste er keine Beileidsnummern fürchten, doch andererseits fragte er sich, wozu es gut sein sollte. Auf dem Papier war er schließlich schon tot. Welchen Sinn hatte es also, seine Familie noch einmal zu sehen, wenn sie ihn dann doch wieder verloren. „Yocchan…“ „Riecht es hier nach Essen?“, wechselte er rasch das Thema, um nicht weiter darüber sprechen zu müssen. Er würde sich erst seine Gedanken dazu machen, ehe er Toshi eine wirkliche Antwort geben konnte. „Ich habe gekocht“, bestätigte der Ältere und verkniff sich jeglichen Kommentar über den rasanten Themenwechsel. Aus Erfahrung wusste er, dass er auf seine Frage noch eine Antwort bekommen würde. „Oder wie auch immer man das nennt, wenn man aus deinen… nennen wir es mal Vorräten, was zu essen zaubert.“ „… ich war schon seit eins oder zwei Wochen nicht mehr wirklich einkaufen… irgendwie verliert Essen seinen Reiz, wenn man sich die meiste Zeit danach erbricht…“, entgegnete Yoshiki und zuckte leicht mit den Schultern, während Toshi nur eine Augenbraue anhob. „Warst du deshalb schon bei einem Arzt?“ „Wozu…?“ „Aber Fatima hat dir doch heute früh…“ „Sie kocht für mich immer so Schonkostzeugs, seit sie durch Lara und Ben herausgefunden hat, dass ich zwei Tage lang nichts mehr gegessen hatte…“ „Verträgst du das besser?“ „Ab und an“, äußerte der Jüngere und zuckte erneut mit den Schultern. „Du musst etwas essen… woher soll dein Körper sonst noch irgendwelche Energie hernehmen…“, seufzte Toshi und bedachte den anderen mit einem besorgten Blick. Wie schlimm musste es um ihn stehen, wenn er, der Essen sonst immer so geliebt hatte, freiwillig darauf verzichtete. „Ich weiß“, seufzte Yoshiki und legte den Kopf auf seine angezogenen Knie, „Was hast du gekocht?“ „Hühnerbrühe mit etwas Nudeln… meinst du, du kriegst davon etwas runter oder muss ich alles alleine essen?“ „Ich probiere es… aber sei nicht beleidigt, wenn ich hinterher alles wieder auskotze…“ „Deal!“, stimmte der Ältere ein und stand auf, um rasch die Suppe noch einmal zu erhitzen, damit sie nicht nur lauwarm war, während Yoshiki langsam zum Esstisch ging und sich auf einem der Stühle niederließ. „Teller sind im linken Hängeschrank“, informierte er den anderen, als dieser den Herd ausschaltete. „Ich weiß. Hab ich vorhin schon entdeckt, als ich deine Küche auf der Suche nach einem Sieb auf den Kopf gestellt hab“, entgegnete Toshi und holte zwei Suppenteller aus dem Schrank, in welche er das Essen gleichmäßig aufteilte. „Sieb?“ „Zum Nudeln abgießen…“ „Nudeln gießt man ab?“ „Wie kochst du die?“ „Ich lass sie solange kochen, bis das Wasser weg ist…“ „So macht man definitiv keine Nudeln“, äußerte der Ältere und konnte sich nur schwer ein Lachen verkneifen. Zumindest Yoshikis Kochkünste waren noch genauso miserabel wie damals! Kopfschüttelnd holte er aus derselben Schublade, in der er bereits ein Teesieb entdeckt hatte, zwei Suppenlöffel, tat sie in die Teller und trug diese dann zum Tisch. „Ich hab hier einfach nirgendwo diese Instantnudeln gefunden, die man nur mit kochendem Wasser übergießen muss, fünf Minuten wartet und sie dann essen kann“, verteidigte der andere seine Kochweise und riskierte einen Blick in den Teller, während Toshi von der Spüle noch rasch einen Strohhalm holte und in das Glas des Jüngeren gab, ehe er sich ebenfalls setzte. „Für gewöhnlich steht auf der Nudelpackung eine Kochanweisung… sowas wie Wasser zum Kochen bringen, salzen und dann die Nudeln darin für 15 Minuten gar kochen“, äußerte der Ältere und begann etwas von der Hühnerbrühe zu löffeln, während Yoshiki lediglich zaghaft an seinem Strohhalm zog und ein wenig Wasser trank. „Das hab ich beim ersten Mal auch so gemacht, aber da war noch so viel Wasser übrig… und ich konnte mich dumpf entsinnen, dass Mama mal meinte, beim Sushireis muss das komplette Kochwasser aufgesogen werden.“ „Und welcher Zusammenhang besteht zwischen Reis und Nudeln?“ „Beides sind Grundnahrungsmittel und beides kocht man in Wasser“, erklärte der Jüngere seine Logik und rührte mit dem Löffel in der Suppe umher. „Allerdings hat das nie so wirklich funktioniert… entweder sind die Nudeln zerbröselt oder angebrannt und waren total bissfest…“ Er hatte ein paar Nudeln aus der Brühe geangelt und kurz betrachtet, ehe er sie zurück in den Teller fallen ließ. „So wie deine wurden sie in den seltensten Fällen…“ Toshi neckte Yoshiki noch ein wenig mit seinen Kochkünsten, eher auf das Thema „Fatima“ zu sprechen kam, während der andere sich schließlich dazu durchgerungen hatte den ersten Löffel Suppe zu sich zu nehmen. „Fatima und ich?“, lachte er und legte den Suppenlöffel zurück in den Teller, als er die Andeutungen seines besten Freundes verstand. „Da läuft garantiert rein gar nichts. Uns verbindet eine gute Freundschaft und dass wir beide wissen, wie es ist, jemanden zu verlieren, der einem sehr nahe steht.“ Mit ein paar Worten weihte er Toshi in die Familiengeschichte ein, dass ihr Ehemann an Krebs verstorben war und sie sich seither um die Kinder und das Anwesen alleine kümmerte. „Fatima hat mich damals aufgelesen, als mein Auto im Gewitter liegen blieb und mich nach Refuge des Anges gebracht. Eigentlich wollte ich nur so lange bleiben, bis der Wagen repariert war, aber hier hatte ich mich das erste Mal, seit ich dachte, du wärst tot, wieder im Reinen gefühlt… also bin ich letztendlich geblieben. Sie und die Kinder wollten immer wieder wissen, wer genau ich war, aber ich bin den Fragen lieber ausgewichen… irgendwann meinte ich, ich sei Geschäftsmann. Da hat mich Fatima gebeten, ob ich vielleicht mal einen Blick in die Bücher werfen könnte, weil die Zahlen seit dem Tod ihres Mannes immer rückläufiger wurden. Seitdem helf ich ihr da halt ein wenig aus, aber beziehungstechnisch läuft da absolut rein gar nichts“, erklärte Yoshiki und kicherte bei der Vorstellung leise vor sich hin. Hätte er eine Schwester, wäre das so, also würde Toshi denken, er hätte mit ihr ein Verhältnis. Kopfschüttelnd aß er ein paar weitere Löffel der Hühnerbrühe und konnte sich nur schwer ein Grinsen verkneifen. „Schön zu sehen, dass du dich so köstlich amüsierst.“ „Die Vorstellung ist einfach…“ „Ich wollte es nur wissen…“, entgegnete der Ältere und schob seinen leeren Teller von sich. „Sie war dir gegenüber sehr beschützend, als ich nach diesem ‚Yoshi‘ gefragt habe…“ „Im Laufe der Zeit habe ich ihr erzählt, dass ich jemanden verloren habe, der mir sehr nahe stand und ich seitdem mit meinem alten Leben nichts mehr zu tun haben will. Daraufhin meinte sie, sollte jemals jemand nach mir fragen, würde sie nichts sagen.“ Er gönnte sich einen weiteren Löffel, als er das allzu bekannte Gefühl einer Welle von Übelkeit verspürte, die ihn überrollte, sodass er aufsprang und ins Bad eilte. So schnell wie er verschwunden war, konnte Toshi gar nicht schauen. Dafür konnte er aus dem angerenzenden Raum Würggeräusche hören, sodass er seufzend aufstand und Yoshiki folgte, der auf dem Fliesenboden kniete und sich über die Toilette beugte. Kommentarlos ging der Ältere neben ihm in die Hocke und legte ihm eine Hand auf den Rücken, über welchen er in sanften Kreisen strich. „Ach Yocchan…“, seufzte er leise und legte seine Stirn gegen die knochige Schulter des Jüngeren, als sich dieser gegen ihn lehnte, nachdem der Brechreiz nachgelassen hatte. „Geht’s?“, fragte Toshi besorgt und legte beide Arme um den anderen, um ihn an sich zu drücken, während er sanft über dessen Schläfe strich und dabei erneut feststellen musste, dass er sich warm anfühlte. „Besser… sorry…“, antwortete Yoshiki mit rauer Stimme und ließ erschöpft sein ganzes Körpergewicht gegen seinen besten Freund fallen, der dadurch aus dem Gleichgewicht kam und auf seinem Hintern landete. Der Jüngere kuschelte sich jedoch nur an ihn und schloss müde die Augen. Genau aus diesem Grund hatte er in letzter Zeit eine solche Abneigung gegen Essen; vor allem fühlte er sich hinterher nur noch schlechter als zuvor schon. „Shh, alles okay…“, flüsterte Toshi und strich durch die kurzen, schwarzen Haare. Irgendwie war es seltsam, mit den Fingern in keinen lange, gebleichten Strähnen, die sich verknotet hatten, hängen zu bleiben. Er stand auf und zog dabei den Jüngeren hoch, welchen er zum Waschbecken dirigierte, damit er sich den Mund ausspülen konnte. Während er dies tat, ging Toshi zurück zur Toilette zum Spülen, entdeckte dabei aber in der Schüssel etwas, dass ihm gar nicht gefiel. „Du hast Blut erbrochen…!“ Es war keine Frage, sondern eine reine Feststellung, als er die Spülung betätigte. „Wäre nicht das erste Mal“, entgegnete Yoshiki schwach und spritzte sich kaltes Wasser ins Gesicht. „Du musst zum Arzt, Yosh! Blut erbrechen, auch wenn es nur eine kleine Menge ist, ist alles andere als eine Lappalie!“ „… mir geht es gut…“, widersprach der Jüngere und wankte auf wackligen Knien an Toshi vorbei in Richtung Tür, als er auch schon die Hand seines besten Freundes im Rücken spürte und im nächsten Moment hochgehoben wurde. „Das sehe ich“, seufzte der Ältere und zog besorgt die Augenbrauen in die Höhe, während er Yoshiki zum Bett trug und dort ablegte. Wortlos nahm er das Handtuch von vorhin, befeuchtete es erneut mit kaltem Wasser und legte es zurück auf die Stirn des anderen, der ihn aus halbgeöffneten Augen anblickte und seine Bewegungen verfolgte. Als er zurück in die Küche gehen wollte, um abzuspülen – irgendwie bezweifelte er, dass der Jüngere heute Abend noch einen Bissen essen würde – wurde er am Ärmel festgehalten. „Kannst… kannst du heute Nacht hierbleiben?“ „Natürlich!“ Nicht dass er das nicht sowieso vorgehabt hätte… „… danke, Tocchi…“ •••••••••••••••••••• Was denkt ihr? Wird Yoshiki Toshi die Erlaubnis geben, Kouki zu informieren oder wird Toshi hinter Yoshikis Rücken dessen Familie informieren? Oder schweigt er gar? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)