Prinzen des Chaos von Palmira (Alles, aber nicht glamourös) ================================================================================ Kapitel 2: Dirty Dipping ------------------------ Itachi war sich nicht sicher, was andere Menschen unter Urlaub verstanden. Es war sehr schwer, eine Definition zu finden, die für jeden zutraf. Aber vielleicht konnte man festhalten, dass das Ziel von Urlaub Erholung war. Immer, wenn er sich zu diesem Punkt vorgearbeitet hatte, kehrte Godzilla zurück und riss das kleine Baugerüst namens Realitätsverweigerung ein. Sechs Tage. Sechs Tage Urlaub. Es fühlte sich an wie früher, als seine Eltern ihn mit fünf Jahren über den Sommer in ein Fußballcamp geschickt hatten (Itachi hasste Fußball, er hasste eigentlich jeden Teamsport und darüber hinaus jeden Sport, bei dem es Sammelumkleiden gab und man mit Bällen beschossen wurde). Freilich hatte er damals nicht gewusst, dass seine liebenden Erzeuger ihm den tiefen Schock der Geburt ersparen wollten. Seine Großeltern – beiderseits – waren Hippies und vertraten die Ansicht, dass ihr Enkel das Wunder des Lebens so bald wie möglich sehen sollte, und zwischen Gliederschmerzen, außerplanmäßig immer noch vorhandenen Kotzanfällen und einem Nierenstein, der aus der falschen Lage des Säuglings resultierte, hatte Mikoto nicht diskutiert. Genauso wie damals war das hier vermutlich auch zu seinem Besten, vorausgesetzt, man glaubte den Einflüsterungen von Kabuto, oder Godzilla, wie man ihn nun nennen wollte. Aber für Itachi änderte das gar nichts. Das bleischwere Ich-will-nicht-Gefühl war da. Als er das Ungetüm aus lackiertem Blech und verspiegelten Fensterscheiben betrachtete, das nichts mit einem anständigen Bus gemein hatte, verknotete sein Magen sich, und seine Hände begannen zu schwitzen. Neben ihm zuckte ein Lichtblitz, und Itachi zuckte gleichermaßen. „Lass das!“, fuhr er Kisame uncharakteristisch schneidend an, als dieser sein Foto aus der Polaroid-Kamera zog. Fotos. Oh Gott, er hatte sich die ansehen müssen. Seine Großmütter hatten allen Ernstes ihre (Schwieger)-Tochter im Kreißsaal dokumentiert, und sein Vater war zu gelähmt vor vorbildlicher Geburtspanik gewesen, um etwas zu unternehmen. Neben diesem Trauma aus seiner Kindheit von Glibber und Blut und einem unbeschreiblich hässlichen Bündel knautschiger Wabbelhaut stand jetzt dieser Idiot neben ihm und stocherte damit metaphorisch in Itachis Mageninhalt herum. Es fehlte nicht viel, und er würde es live und in Farbe tun können. Und Itachi würde dafür sorgen, dass Kisames Schuhe Bühne dieses großen Schauspiels wurden. Dieser steckte gerade seinen Schnappschuss in die Hemdtasche und blickte auf Itachi herab. Seine Körpergröße erlaubte ihm das fast immer, doch im Gegensatz zu Deidara war Itachi das relativ egal. Ebenso, wie er sich natürlich niemals die Blöße geben würde, sich vor jemand anders zu übergeben. Trips wie dieser kehrten die hässlichsten Seiten an einem Menschen hervor, und wenn niemandem nach Ablauf dieser sechs Tage – und sechs Nächte – Fingernägel, Haarbüschel oder wenigstens Augenbrauen herausgerissen worden waren, konnte die Rede von einem Erfolg auf ganzer Linie sein. Bis dahin gab es in den Schützengräben keine Atheisten. „Macht schon, Jungs. Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit.“ Kabuto wischte mit einem nach Reinigungsalkohol riechenden Tuch über seine Brillengläser. Itachi entging nicht, dass er Kisame nie lange aus den Augen ließ, am ehesten wegen dieser Polaroid-Kamera, Madaras neuster Reviermarkierung. Itachi fragte sich, warum Kisame sich freiwillig zu dem Acker gemacht hatte, der von den Apokalyptischen Reitern der Egomanie niedergetrampelt wurde. Vielleicht war er ein Idiot. Oder er hatte keine Wahl gehabt, in dem Fall war er auch ein Idiot. Man hatte immer eine Wahl – oder meistens. Der Kreißsaal war eine Ausnahme. Itachi kletterte in den Bus. Alles roch noch neu, steril und alles Andere als anheimelnd, und bevor er sich hier umsah- „Meine Fresse, das ist keine Dusche, das ist ein Plumpsklo!“ „Schon mal 'nen Plumpsklo mit Blümchenvorhang gesehen, hm?“ „Maul halten, Rosettenlutscher! Das ist so schwul!“ Er würde sich hier gar nicht erst umsehen, basta. Ein Schubs von hinten brachte Itachi beinahe ins Straucheln. Von der Art her, wie sich dabei ein Daumen ekelhaft in den Muskel unter seinem Schulterblatt bohrte, war das Sasori gewesen. Itachi widerstand dem Drang, auf der Treppe kurz auszutreten, bei der Höhenlage der Stufen und Sasoris begrenztem Höhenwachstum erwischte er da noch die holde Visage. So was lohnte sich nur bei Schuhen mit markantem Profil. Nicht, dass Itachi wusste, wie ein Gesicht aussah, in dem man den Schriftzug ‚smack by bitch up‘ lesen konnte. Er erklomm die letzten Stufen und ließ sich auf eine Sitzbank fallen. Sasoris roter Schopf tauchte ebenfalls auf. „Ich bin mir nicht sicher, ob ich ein Bad benutzen möchte, in dem die beiden zusammen drin waren“, sagte er zu niemand Bestimmtem und gähnte. Die Geste, dabei den Mund zu öffnen, bettelte geradezu darum, etwas hineinzustopfen, und ewig konnte Itachi sich diese Notwendigkeit (von einem Vergnügen war hier nicht die Rede) nicht verwehren. „Du bleibst also hier? Wunderbar. Wenn einer von uns sich beim Auftritt auf das Keyboard setzt, wird die Qualität endlich besser.“ „Ich verstehe völlig, dass du die Klappe aufreißt. Bei deinen – Moment – drei Tonleitern, die du klimpern kannst, ist das wohlverdient.“ Sasori tippte sich nachdenklich ans Kinn. „Wobei ich denke, deine wahre Stärke ist es, dass du schon weißt, dass man bei dem Gurt erst den Kopf reinsteckt. Mir gefällt dein taktisches Denken in dieser Sache, wirklich. Erst das Leergut, und dann der hohle-“ „Sasomaso, es ist dein Niveau – es möchte von dir von der Unterseite deiner Schuhe abgekratzt werden, hm.“ Deidara hatte sein Badezimmerabenteuer offensichtlich überstanden und schaltete sich in den Kleinkrieg ein. Was naturgemäß hieß, dass kurzfristig er unter Beschuss genommen wurde. „Guter Einwand, Zwittermutante. Ich vergesse immer wieder, dass ich solche Dinge wie Niveau nicht in deine Nähe mitbringen darf. Wir wollen nicht, dass du dich ansteckst.“ Begleitet wurden Sasoris Worte von einem gönnerhaften Nicken in Deidaras Richtung. „Immerhin verstopfen deine Haare den Abfluss, wenn sie dir ausfallen“, fügte Itachi hinzu, ohne darauf zu achten, ob er hier den Grundstein für eine kleine Prügelei legte. Mit Rücksicht auf das Styling waren sie dazu nicht mehr gekommen, seit… Nein, bei ihrer kurzen Bekanntschaft war es noch nie dazu gekommen, weil immer eine Kamera in der Nähe war. Nicht zu fassen. Surrend schlossen sich die Flügeltüren des Busses, und Kabuto beschallte sie alle mit einem Lächeln, das dermaßen angestrengt war, dass es schon wieder echt wirkte. „Jungs, Jungs, ganz ruhig“, schnurrte er besänftigend, seine grauen Augen blitzten stahlhart. Daraufhin wurden Augen verdreht, aber das blieb die einzige Regung. Ein weiteres ungeschriebenes Gesetz war, dass der Manager in Ruhe gelassen wurde. Den blamablen Kostümen und Image-Vorgaben wurde getrotzt, doch letztendlich wurde getan, was Kabuto anordnete, mehr oder weniger originalgetreu. Nicht, dass das etwas an dem lauwarmen Hass änderte, den sie austauschten, das empfindliche Verhältnis durfte hingegen nicht gestört werden. Kein Sand in den Zahnrädern, die beim Ineinandergreifen schon genug knirschten. Man konnte es fast hören, als Kabuto routiniert seinen Kragen glättete und nach vorn zur Fahrerkabine marschierte. CL verteilte sich im oberen Geschoss des Busses, fern von dem kleinen Bad und den Stockbetten, und vor allem von dem Busfahrer, der womöglich Nettigkeiten auffing, die nicht für seine Ohren gedacht waren. Nicht am ersten Tag zumindest. Danach – in den sagenhaften SECHS Tagen, die zu kommen waren – waren die Reibereien völlig normal. Itachi konnte es gar nicht erwarten, als er sich auf einen blaugestreiften Sitz setzte und den hoffnungsvoll angebrachten Anschnallgurt ignorierte. Krachend stemmte Deidara seinen rechten Fuß gegen die Kante des kleinen Tisches und fing an, seine 14-Loch-Boots aufzuschnüren. Auch Hidan hatte das Bad schon genutzt, um provisorisch Gel aus seinen Haaren zu waschen. Wobei die Nässe ironischerweise nur noch mehr dazu beitrag, dass es sich an seinen Schädel schmiegte. „Was glotzt du so, hm?“ Deidara taxierte ihn feindselig. Itachis stoische Miene kaschierte den kurzen Stich Verlegenheit, den der schroffe Tonfall provozierte. Oder vielleicht war es nur der Stich Empörung, weil er um Gottes willen sicher nicht- „Ihm wachsen keine Brüste, da kannst du lange warten. Das könnte den Anblick auch nicht retten“, brummte Kisame und warf die Arme über die Lehne der Sitzecke. Es führte dazu, dass er einen Sekundenbruchteil zu spät reagierte, als Deidara unvermittelt den ausgezogenen Stiefel auf ihn schleuderte, der gegen Kisames Brustbein prallte. „Wenn ich dir jetzt den Nippel geklemmt habe, leg‘ dir bitte nicht hier Eis auf, hm. Wenn die Kotztüten bei 30 km/h in der Innenstadt zum Einsatz kommen, ist das peinlich, hm.“ Sasori ächzte leise bei dieser Aussage und nahm die zweite Sitzecke in Beschlag, um sich hineinzurollen und den anderen ostentativ den Rücken zuzukehren. Itachi rieb sich die Stirn. Wo war Kabuto, wenn man ihn brauchte? Sein hypokritisches ‚Jungs‘ lähmte jeden Wunsch nach Gewalt wie ein erstickendes Kissen. Wenn es mit der Karriere als Manager nichts wurde, konnte er immer noch eine tolle Stelle als Sedativum kriegen. Itachi holte seinen iPod aus der Hosentasche und begann, das Kabel zu entwirren. Kisame sparte sich und vor allem anderen die Genugtuung, sich die getroffene Stelle zu reiben, und pflückte den Stiefel von seinem Oberschenkel, wobei er das Gesicht verzog. „Schwer. Ich hatte fast vergessen, was für Mörderabsätze du brauchst, damit du überhaupt mit meinen Nippeln sprechen kannst. Wenn du sie das nächste Mal siehst, entschuldige dich bei ihnen.“ Hidan lachte und lehnte sich mit entspannt geöffneten Beinen auf der Rückbank zurück, die wie in jedem guten Bus das Ende säumte. Insgesamt hatten sich die Bandmitglieder so weit voneinander entfernt, wie das möglich war, akkurat wie Magneten. Man merkte die Professionalität. Itachi steckte seine Kopfhörer in die Ohren und wartete ungeduldig, dass das Gerät ansprang und ihn von dieser Audiobelästigung befreite. „Lass mal. An dem Zwitter wurde mehr rumgefummelt als bei 'ner minderjährigen Nutte zum ‚All you can fuck‘, die wissen wenigstens, dass er ein Kerl ist.“ „Du meinst, dass er ein Y-Chromosom hat“, warf Sasori schläfrig ein, und Hidan nahm den Einwand mit einem gönnerhaften Nicken hin. Der Blick seiner absonderlich gefärbten Augen hinter den weintraubenfarbenen Kontaktlinsen richtete sich auf Itachi, der die Lautstärke höher drehte. Sehr optimistische Tat, aber sechs Tage. Sechs Tage. Hatte er wenigstens schon eine Stunde herum? Nein, zehn Minuten seit der Abfahrt. Scheiße. „Hey, Itchy, weißt du, wie man eine Jungfrau in China nennt?“ Zum ersten Mal hätte Itachi seine Sneakers gegen einen von Deidaras leidenschaftlich gehassten Plateauschuhen getauscht. Einen hatte der Sänger noch davon, den er jetzt mit einer Hand pendeln ließ, ein schwaches Lächeln auf den herzförmigen Lippen. Nein, keiner dieser Dünnbrettbohrer würde etwas tun, bis Hidan seinen dummen Witz gerissen hatte. Teilnahmslos beobachtete Itachi die Billboard-Reklamen, die draußen mit zunehmender Geschwindigkeit an ihnen vorbeizogen. „Muschizu!“ In diesem Moment tauchte Kabuto im Obergeschoss auf. Er hatte die Höflichkeit, verwirrt auszusehen, als ihm die Pointe dieses feinsinnigen Witzes entging, kurz streifte sein Blick über die Band, um festzustellen, auf wessen Kosten ich amüsiert wurde. Mit einem geübten Ruck des Kopfes schob er seine Brille ein Stück das Nasenbein herunter und schob eine Hand in die Tasche seines Sakkos, um ein Kästchen daraus hervorzuholen. „Wer möchte Quartett spielen?“ „Oh mein Gott, endlich.“ Sasori fuhr sich mit beiden Händen über sein rotes Haar, das sich störrisch sofort wieder aufrichtete. So kurz es war, so sehr schien es bestrebt, nach dem stundenlangen Plattdrücken durch die Lehne des Sitzes in jede Richtung abzustehen. Der Fotoapparat klickte und spuckte ein Abbild des Chaos aus. „Du siehst so niedlich aus – reif für die Grundschule, hm.“ Deidara grinste hämisch, und Kabuto spürte das immense Verlangen, seine Brille mit der Hand zu zerquetschen, um das nicht mehr zu sehen. Undankbares Pack. „Jeder Grundschüler spielt besser Quartett als er“, brummte Itachi, ohne das monotone Spielen seiner Tonleiter zu unterbrechen. G-Dur. Sasori ignorierte das Gespräch, das um ihn herumfloss, als sei er nicht da. Die erbärmlich schlechte Gedächtnisleistung konnte Kabuto ihm auch nicht absprechen, wäre Sasori immer so neben der Spur wie in den vergangenen Stunden, müsste man ihn Vollplayback spielen lassen. Aber solange er sich auf der Bühne noch erinnerte, welche Tasten er drücken musste, konnte er so viel Mist bauen, wie er wollte. So lange er es aushielt, gegen Deidara zu verlieren, der, je nach Nikotinpegel, auch nicht konzentriert war. „Hast du es schon mit einem Kamm versucht?“ Wer war er denn, die Mutter der Kompanie?! Sasori warf ihm einen entsprechend ungnädigen Blick zu, und Kabuto lächelte ihn strahlend an. „Ansonsten kannst du Deidara gern in die Maske begleiten, die kümmern sich um dich.“ Sasori starrte ihn ungläubig an (vermutlich wissend, dass er in diesem Sündenpfuhl nicht mit geglätteten Haaren, sondern vielmehr mit Strähnchen, neuen Wimpern und, wenn er sich ganz patzig anstellte, roten Koteletten herauskam). Ein kritischer Moment, in dem er nicht aufmerksam war und von dem hinterhältigen Angriff fast von der Bank gerissen wurde. Hidans brüllendes Gelächter war diabolisch, als er eine Handvoll Gel mit einem feuchten Schlürfen über Sasoris Haar zog. Itachis Daumen verharrte über der Saite, Kisame hob mechanisch den Fotoapparat und drückte ab. Kabuto nahm seine Brille ab. Und Sasori, nachdem ein Tropfen klarer, zäher Flüssigkeit über seine Stirn kroch und eine schleimig glitzernde Spur hinterließ, schoss aus seinem Sitz hoch. Er wirbelte zu Hidan herum, zweifellos um seine Fäuste auf möglichst gemeine Weise in dessen Körper zu rammen, und präsentierte damit unweigerlich die Rückseite seines Kopfes. Zu diesem Zeitpunkt war Kabuto bereits aufgesprungen, um den Ausbruch einer Prügelei zu verhindern (schon wieder!). Die Welt zeigte sich ihm nur in verschwommenen Konturen, doch er brauchte keine Scharfsicht, um Sasoris Arme festzuhalten, und wenigstens riskierte er nicht das Zertrümmern seiner Brille. Dank der Festigkeit des Gels zeichnete sich der Abdruck von Hidans Hand wie eine Schneise in den noch immer unverdrossen abstehenden roten Haaren ab. Es war einer dieser seltenen Momente, wo man wusste, dass etwas kommen musste. Deidara legte den Kopf schief. „Findet ihr nicht, dass es aussieht… wie die Teilung des Roten Meeres, hm?“ Itachi stieß ein uncharakteristisches, hustendes Schnauben aus, das in den Ansätzen noch Ähnlichkeit mit einem Lachen hatte. Hidan schlug sich grinsend auf den Brustkorb. „Ich bin der verfickte Moses!“ Sasori spannte sich an wie eine Sprungfeder, und Kabuto musste ihn mit beiden Armen umklammern, um ihn festzuhalten. Dass sich gelgespitze Haare dabei in seine Lippen bohrten, war nur ein wirklich unangenehmer Aspekt davon, doch er hielt das durch. Er hatte noch etwas zu tun. Deidara erwählte diesen Moment, um aufzustehen und seine Jacke zu nehmen, in deren Tasche es verdächtig raschelte. „Bin weg, hm.“ Er würde sie umbringen. ALLE! Letztlich kam es nicht zum Blutvergießen, weder durch Kabuto, noch durch Sasori, noch durch Hidan. Oder Kisame, der wahrscheinlich einfach mitgemacht hätte. Aber der Engel des Friedens kehrte wieder ein. Nicht wirklich ein Engel und nicht wirklich Frieden. Um mal näher bei der Wahrheit zu bleiben, es war Konan und sie brachte die Gewissheit mit, dass es ein höheres Ziel gab, als der Letzte zu sein, der an diesem Abend noch stand. Die kleinen Dinge des Lebens. Kabuto runzelte vernichtend die Stirn, als er ein feuchtes Taschentuch auf seine Nase drückte, um die Blutung zu stoppen. Sasori hatte seinen verunzierten Kopf in einem wrestlingreifen Headbutt in sein Gesicht gerammt. Hätte Kabuto nicht zur etwa gleichen Zeit seinen Finger hinter das Brustbein des anderen geklemmt und den Muskel dort verkrampfen lassen, hätte sein Nasenbein vielleicht mehr getan, als nur zu knirschen. Da tröstete es ihn nicht, dass Hidan eine aufgeplatzte Lippe hatte (die, ironischerweise, zu seinem Rowdy-Image passte und deshalb nicht mal ein Pflästerchen bekam). Der Teufel hatte ihn geritten, es mit einem ehemaligen Thai-Boxer und einem aggressiven Humorverächter aufzunehmen. Das nächste Mal, wenn er diese Jungs irgendwohin mitnahm, würde er vorher einen Frauen-Selbstverteidigungskurs machen, um ausreichend unehrenhafte Taktiken zur Verfügung zu haben. Vielleicht stimmte es, dass auch in nervtötenden und künstlichen Hartplastik-Popstars noch ein Hauch Gentleman steckte, sodass sich vor den Augen einer Dame nicht gekloppt wurde. Doch Kabuto glaubte nicht daran. Es war nur irgendwie peinlich, sich im Gang zwischen Sitzgelegenheiten auf dem Boden herumzuwälzen und möglichst entwürdigend aufeinander rumzudreschen. Zu allem Übel wusste er nicht, ob Kisame davon ein Foto gemacht hatte (Madara würde es sich einrahmen und in sein Schlafzimmer hängen, falls der Kerl nicht doch in einer Gruft schlief und es stattdessen an den Innendeckel seines Sargs pappte)… Und er hatte Deidara entkommen lassen. Das war ihm alles ziemlich egal, solange er noch das Bedürfnis hatte, die Köpfe dieser unterbelichteten Kreaturen im Takt zu den Spice Girls auf die Motorhaube des Busses zu donnern. Hidan grinste das Grinsen eines Babys, das gerade das Ausgeh-Hemd seines Babysitters mit verdorbener Milch vollgekotzt hat. Unschuldig und befreit und dreckig. Kabuto hasste ihn. Sasori hasste ihn. Sie hassten sich. Schön die Balance halten. Nachdem niemand mehr Gefahr lief, das gute Plastik-Parkett vollzubluten, setzte Konan sich neben Sasori auf die Bank, gerade so, als wollte sie ihn jetzt mütterlich in den Arm nehmen und an ihren wahrscheinlich gar nicht vorhandenen Busen drücken. Stattdessen zog sie aus den Untiefen ihres schlabberigen Pullovers (der Holzfäller-Look sah so beknackt an ihr aus wie irgend möglich) einen breit gezinkten Kamm und fing an, Sasoris Haar durch methodisches Reiben, Kratzen und Kämmen vom Gel zu befreien, wobei sie gerade genug davon ließ, damit die roten Strähnen nicht wieder in alle Richtungen abstanden. Gnade. Die Frau musste natürlich noch mehr Talente haben. Es reichte ja nicht, dass sie jedes Instrument auf Gottes weiter Erde spielen konnte, einschließlich der Arschgeige und des Dudelsacks mit Loch, und dass man sie zum Komponieren und Texten brauchten, jetzt war sie auch noch Stylistin! Es gab keinen vernünftigen Grund für Kabuto, sie nicht zu hassen. „Sich lausende Affen in freier Wildbahn – es wird pervers, ihr Säcke“, grollte Hidan und erntete damit ausnahmsweise Kabutos volle Zustimmung. Obwohl der Bastard ruhig tiefer in die Schublade der vulgären Beschimpfungen hätte greifen können. Nichts machte der Primat richtig. Konan blickte kurz von Sasoris Kopfhaut auf. Ihre Augen waren von einem spektakulären Hellbraun, wenn man mal geübt die dunklen Schatten und die geplatzten Äderchen übersah. Hidan schmunzelte auf diese Art, die sagte: Ich zünde gleich dein Haus an. Unerklärlicherweise war das das Schmunzeln, bei dem die Mädchen kreischten und seufzten, und nach Hidans Meinung reichte ein direkter Blick für einen Orgasmus aus. „Was guckst du, Süße?“ Konan kreischte weder, noch seufzte sie. Und Kabuto wagte mal mit seinen paar Semestern Medizin zu behaupten, dass sie auch keinen Orgasmus hatte. Sie schaute Hidan ausdruckslos an und verriet mit keinem Wimpernzucken, ob sie überhaupt verstand, was er sagte. Sasori hatte seit der Rangelei keinen Ton mehr von sich gegeben. Er war auch der Einzige, der ohne sichtbare Blessuren davongekommen war, obwohl Kabuto, seit er seine Brille wieder aufgesetzt hatte, die leicht vorgebeugte Haltung verdächtig fand. Mochte sein, dass Hidans Haken gesessen hatte, Sasori klemmte ja sowieso hinter seinem Keyboard fest. Obwohl es gut aussehen würde, wenn sie ihre Mini-Tour trotz ein paar gebrochener Rippen durchhielten. So ein Gesundheitskorsett war zwar weitgehend erotikuntauglich, aber Sasori stand bereits im Ruf, dafür besonders geschickte und bewegliche Finger zu haben. Treppe runterschmeißen, volles Rohr! Kabuto gönnte sich diesen Gedanken. Er brauchte definitiv einen Kaffee, während er seine Jungs ein bisschen freilaufen ließ. Für sie war bereits ein Park gesperrt worden, damit sie ein bisschen unplugged Krach machen konnten und vor zehn alle brav wieder in ihrem mobilen Heim waren. Er hätte es lieber gesehen, wenn sie mehr Termine schafften, aber besser, man ließ es langsam angehen. Jeder Mensch brauchte eine gewisse… Refraktärzeit, bis er wieder so tun könnte, als lebe er hier seinen Traum. Würg. Seine Träume hatten momentan eine ganz andere Richtung. Konan steckte den Kamm wieder ein und stand auf, floss die Treppen in ihrem ätherischen Schlurfen herunter, das kein Geräusch machte und orthopädisch ungesund aussah. Kabuto fiel erst jetzt ein, dass er nicht wusste, wie sie überhaupt reingekommen war. Das Pfeifen warnte ihn. Hidan mochte Parks nicht leiden, und Stiefmütterchen hasste er, diese hässlichen Oma-Blümchen mit dem verstaubten Flair. Park plus Stiefmütterchen war eine Aufforderung, das Ganze mal zu würdigen. Darauf wartete er schon, seit er aus diesem Drecksloch von Bus herausgekommen war. Und wie sich hier dieses Gestrüpp in Violett, Weiß und Gelb vor ihm ausbreitete, hatte er schon die Hand auf seiner Gürtelschnalle, um sie zu öffnen und diesen Anblick anzupissen. Wortwörtlich. Na ja, da war dieses asthmatische Pfeifen, das er kannte. Wenn Luft aus Lungen kam, obwohl das Organ fast keine mehr davon hatte und eigentlich versuchte, das Zeug drinnen zu behalten. Und während es Hidan nicht für fünf Cent kratzte, ob jemand seinen Arsch über der Jeans sah, und diese Ladies sich sein Prachtstück ruhig mal anschauen konnten, würde Kabuto wieder herumheulen wegen der Beschädigung öffentlichen Eigentums. Scheißegal, der Kerl schlug ja nicht mal ordentlich zu, wenn er keinen einen Wadenbeißer wie Sasori antrat. Fakt war, bevor er die Weiber in seinem Rücken nicht gesehen hatte, würde er sie nicht abschrecken. Es bestand ja immerhin die vage Möglichkeit, dass eine von ihnen (oder mehrere?) noch in den Genuss seines Präzisionsinstruments kamen, noch heute. Und da baute es selten Stimmung auf, wenn man vorher noch auf ein paar Blümchen urinierte, so was erinnerte die Softcore-Groupies nur daran, dass ihr Vibrator solche Unarten nicht hatte. Also insgesamt besser war. Mit den Stiefmütterchen konnte er später abrechnen. Hidan klebte sein Breitbandlächeln fest und drehte sich in die Richtung des Pfeifens. Es waren wirklich mehrere – drei insgesamt. Sehr gute Zahl. Sie waren noch aufgekratzt und ängstlich, weil sie es geschafft hatten, sich irgendwie durch die Security zu schleichen und eine Entdeckung fürchteten, doch auf ihren Gesichtern glühte Aufregung. Und Dreck. Waren die durch den Abwasserschacht oder so gekommen?! Hidan hob träge die Hand. „Hi.“ Eine von ihnen, eine große Blonde, fasste sich als Erste. „Kann… kann ich dir die Hand schütteln?“ Seine Hand? Wo waren sie hier, beim Kindergartenfest der Volksmusik?! Noch zudem hatte er keine seiner frigiden Anstandsdamen dabei, die die Ladies davon abhielten, seine Bemerkungen zu ernst zu nehmen, und Image war alles. Hidan spannte seine Lippen beim Lächeln leicht, sodass seine weißen Zähne dahinter blitzten. „Wenn du dich traust…“, knurrte er, und das Mädchen errötete. Sie schien sich noch zieren zu wollen, als eine ihrer Freundinnen ihr einen festen Knuff in die richtige Richtung gab. Es waren doch vier. Hidan unterdrückte eine Grimasse, als er die heiße, schweißfeuchte Hand in seiner fühlte, und zog die Blonde mit einem Ruck zu sich, sodass sie mit einem mädchenhaften Keuchen gegen ihn taumelte. Ihre Freundinnen quietschten hell. Eine nach der anderen, ihr dürft alle mal… Die Blonde hatte ihm allerdings zu wenig zu bieten, zu wenig Brust und zu viel Parfüm. Und zu viel Haar. Hidan mochte keine Frauen mit langem Haar, es war immer nur im Weg, verknotete sich, verdeckte, fusselte, kam womöglich noch in den Mund. Und drei der vier Mädchen hatten langes Haar, scheiß Auswahl. Und die Vierte gehörte nicht zu ihnen. Kichernd löste die Blonde sich von ihm und nahm ihm wieder die Sicht auf das vierte Mädchen, aber Hidan war sich bereits sicher. Es war nicht nur der Unterschied im Styling (seit er ‚wichtig‘ war, war er geübt darin geworden, die Ähnlichkeit bei der Aufmachung von Mädchen zu erkennen, die befreundet waren), sondern auch der Abstand, die Art, wie sie nicht in das Kichern einfiel. Sie war für eine Frau groß gewachsen und stämmig – nein, pummelig. Ihr kurzes schwarzes Haar war zerzaust und weniger sorgfältig frisiert als das der anderen. Ihre generelle Erscheinung war nicht ganz so stilsicher, sie schien jedoch ähnlich nervös wie ihre Begleiterinnen. Sie presste die Fingerspitzen aneinander, ihr bemerkenswerter Busen hob sich mit kurzen Atemzügen. Frauen mit was zum Anfassen waren schon eher sein Ding, dafür sah Hidan auch über dicke Oberschenkel hinweg. Besonders geschickt angezogen war das Weib ja nicht, aber Mann, sie musste ja auch nur aus den Klamotten raus. Oberflächlich. Wehe, sie trug hässliche Unterwäsche, er würde nicht Hello Kitty ficken. „Jetzt ich!“ Ein anderes Mädchen trat mit einem koketten Zwinkern vor. Hidan wusste aus Erfahrung, dass es bei Frauen in Rudeln besser war, keine auffällig zu bevorzugen, denn bevor man sie in die Finger bekam, war ihr das Gesicht zerkratzt worden. Oder die Titten. Weiber kämpften mit erheblich weniger Respekt vor den Schwachstellen – das Gesicht wurde eher geschont als die Reproduktivorgane. Doch bevor Fusselkopf 2 vortreten wurde, schob die Dralle mit den kurzen Haaren sie einfach zur Seite. Mit ihren flachen, hässlichen Sandalen hatte sie die bessere Bodenhaftung als die Pumps, und Hidan grinste noch, als sie ein bedrucktes, zerknülltes Kärtchen aus ihrer Hosentasche zog. „Das ist meine Nummer“, stieß sie atemlos hervor und streckte Hidan die Karte hin. Es war die Visitenkarte eines Hotels, auf der jemand schlichtweg hastig alles weggestrichen hatte, um eine handschriftliche Nummer draufzukritzeln. Wahrscheinlich war es besser, als Lippenstiftgeschmier entziffern zu müssen, aber what the fuck, was war das denn?! Strich die Irre etwa auch ihre Nippel durch, bevor sie jemanden ihre Brüste signieren ließ?! Hidan hob eine Augenbraue, was, wie er wusste, eine enorme Wirkung für etwas hatte, bei dem er seine Stimmbänder nicht gebrauchte. „Hör mal, Schätzchen-“ „Ist das mein Einsatz, hm? Wir vermissen dich, Schmalzlocke, für die Probe, hm.“ Und wie immer ruinierte Deidara ihm die Genugtuung, diesen Müll unter seinem Absatz zu zermalmen. Der Sänger war in einem unbeobachteten Moment neben Hidan aufgetaucht, und sein plötzliches Erscheinen täuschte sowohl über seine wenig kameradschaftliche Anrede hinweg als auch über die Tatsache, dass er durch die Stiefmütterchen marschiert war. Wer wollte denn auf zerlatschte Stiefmütterchen pinkeln?! Der Zwitter würde das noch bereuen. Freilich noch nicht jetzt, wo er, eine glimmende Zigarette zwischen die Lippen geklemmt, seinen Blick kurz über die Eindringlinge schweifen ließ. Deidara zwinkerte mit einer Fröhlichkeit, die Frauen aus irgendeinem Grund magnetisch fanden (Hidan nicht), trotzdem legte er die Hand auf Hidans Schulter und drückte. Jetzt fummelte der Kerl ihn auch noch an. Hidans zähnefletschendes Grinsen war Warnung genug, bevor er sich mit einem bedauernden Achselzucken den Mädchen zuwandte. „Später?“ Die Hand mit dem Kärtchen war immer noch ausgestreckt. Das pummelige Mädchen gönnte Deidara nur einen kurzen Blick, dann schluckte sie. „Meine Nummer“, wiederholte sie und klang jetzt schwächer. Wer ihn wollte, musste eben die Ellbogen ausfahren. Hidan verlagerte das Gewicht und lächelte provokant der Blonden zu, die er umarmt hatte. „Sorry. Die Pflicht ruft.“ Deidaras Hand schloss sich im selben Moment um seinen Bizeps, wie der Sänger das Kärtchen aus den zittrigen Fingern riss und einen äußerst fahrigen Kuss über das papier hauchte. „Wir sehen uns, hm.“ „Nimm deine Griffel von mir, Schwuchtel, oder ich stecke sie in deinen Arsch und tackere ihn zusammen.“ Der Kiesweg knirschte unter ihren Schuhen, als sie in zügigen Schritten darüber hinwegtrampelten, auf die kleine Bühne zu, die im Herzen des Parks aufgebaut worden war. „Nagel‘ sie nach dem Auftritt, aber nicht vorher, du Idiot, hm.“ Deidara atmete eine zornige Rauchfahne aus und drehte die Visitenkarte kurz, betrachtete sie, bevor er die Zigarette zurück zwischen seine Lippen legte. Das Nächste, woran Hidan sich erinnerte, war dass der Blonde die Karte mit einer schnellen Bewegung in die hintere Tasche seiner Jeans schob – wobei seine Fingerknöchel unweigerlich gegen den dünneren Stoff der Innentasche gedrückt wurden. „Und verdammt noch mal, fass meinen Arsch nicht an!“, fauchte er und schubste Deidara zur Seite. Dieser grinste spöttisch und rieb sich betont seine Hand an der Hose ab. „Ich desinfizier‘ sie nachher, hm.“ „Machst du das noch mal, brech‘ ich dir deine Lacktentakeln. So weit klar, Wichser?“ Hidan fuhr sich gereizt über sein gelverklebtes Haar. Wie er dieses Zeug hasste, wahrscheinlich konnte man ihm mit einem Baseballschläger auf die Rübe schlagen, ohne dass er was merkte… „Hey – du wirst sie vögeln, oder, hm?“ Deidara neigte seinen Kopf leicht in Richtung der Karte. Es war Grund zum Misstrauen genug, dass er an das Thema anknüpfte; bisher war es ziemlich egal gewesen, was Hidan mit Groupies machte, solange er nicht über die Stränge schlug. Und Letzteres war nur Kabutos Problem, nicht das der Band. „Keine Ahnung.“ Er hatte es nicht wirklich nötig, zweite Chancen zu verteilen. „Willst du sie vorher haben? Nachher nimmt sie dich sicher nicht mehr.“ Deidara überhörte die Spitze völlig. „Tu’s einfach, hm.“ „Was denn, hat sie Intimherpes? Wach auf, Zwitter, für so was gibt’s Kondome.“ Deidara spuckte die noch immer glimmende Zigarette in einen Papierkorb, ohne sich um die kleine Rauchfahne zu scheren, die sich nach oben kräuselte. „Vögel‘ sie, wenn sie unbedingt will, hm.“ Das war ja schon zu viel. Hidan schnaubte und vergrub die Hände in den Hosentaschen. Er spürte das Kärtchen und spielte mit dem Gedanken, es der Zigarette hinterherzuwerfen. Es war immer etwas faul, wenn es einem zu leicht gemacht wurde, vor allem in diesem Business… „Unter die Zuhälter gegangen? Was ist dein Preis?“ Deidara nutzte die Blockierung von Hidans Händen, als er grinste und diesem einen festen Klaps auf den Hintern gab – und sich unter dem Schlag auf den Kiefer hinwegduckte. „Nichts, was du dir leisten kannst, hm!“ A/N: Harr, ich liebe eure Miesfiesigkeit. Ihr habt kein Mitleid! Deswegen musste ich dieses Kapitel noch vor dem LBM-Exodus reindrücken. Ach ja, für das Zitieren irgendwelcher eigentlich allgemeingehörender Sprüche nimmt Kabuto Seelen in Zahlung. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)