Auch Engel essen Fleisch von kentasaiba ================================================================================ Kapitel 8: Kapitel 8 -------------------- Unzufrieden stellte Luise am nächsten Morgen fest, dass die Zimmertür unverschlossen war. Empört blickte sie zu Sarah, die immer noch fest schlafend da lag und deren halber Oberkörper entblößt war. Langsam schlich sich Luise hinaus und sah durch das Fenster in die Einfahrt. Kein Auto, das hieß auch keine störende Mutter. Ihre Schicht dauerte wohl etwas länger, gut so. Sie durfte Sarah sagen, dass sie sich diesmal nicht extra wie eine Einbrecherin aus dem Haus stehlen musste. Luise selbst verspürte den Drang das Badezimmer aufzusuchen und ließ einen nassen Wasserschwall auf ihr Gesicht nieder. Es war erfrischend, vor allem da diese etwas Schweiß an sich roch, der wohl von der gestrigen Nacht stammen musste. Sie war inzwischen süchtig nach Sarah, das wusste sie, doch sie konnte sich auch nicht mehr gegen dieses Mädchen wehren. Sie liebte sie und hätte es am liebsten laut in die Welt hinausgeschrieen. Doch Sarah kam ihr zuvor. Erschrocken zuckte Luise zusammen, es hatte tatsächlich jemand geschrieen. Und zwar hier im Haus. Sarah! Ohne lange nachzudenken rannte sie zurück, vielleicht hatte sich ihre Liebste verletzt. Sie bog gerade in ihr Zimmer ein, als sie mit etwas kollidierte. Nein, mit jemandem. Vor ihr hatte sich eine Person aufgebaut, die mit dem Rücken zu ihr stand. Sie war groß gebaut, aber auch etwas hager. Dann fiel ihr Blick zu Sarah, die sich ängstlich in die Bettdecke einhüllte. Der Mann drehte sich um und seinem Gesicht nach, war er ebenfalls mit der Situation überfordert. „Luise, Hilfe! Ein Einbrecher!“, warnte Sarah sie panisch. Luise kniff fest die Augen zusammen, doch als sie sie wieder öffnete, war die Szenerie dieselbe geblieben. „Es… es tut mir leid.“, bat der Mann um Verzeihung und klatschte sogar die Hände zusammen. „Zuhalten.“, befahl Luise und reichte ihm ein Kissen. Dieser presste es sich sofort vor das Gesicht um nicht noch mehr Zorn auf sich zu laden. „Luise, kennst du ihn?“, wollte Sarah voller Peinlichkeit wissen. Diese musste leider nickten. „Das ist mein Bruder Jonas.“, gestand sie. „Freut mich dich kennen zu lernen!“, drang Jonas gedämpfte Stimme hinter dem Kissen hervor. Sarahs Angst hatte inzwischen zu Wut gewechselt. „Ecchi! Hentai!“, warf sie ihm an den Kopf. „Häh?“, staunte Jonas. „Tut mir leid, das wollte ich einfach immer schon mal von mir geben.“, erklärte sie. „Jetzt besser?“, fragte Luise die darauf einging. „Ja.“ 15 Minuten später saßen die drei am Küchentisch und schwiegen sich an. „Du… bist also Luises neue Freundin, ja?“, fragte Jonas überflüssigerweise. Sarah nickte stumm. „Was hast du hier eigentlich zu suchen?“, klang Luise vorwurfsvoll. Dieser wies aber alle Schuld von sich. „Das hier ist mein Elternhaus, ich habe ein Recht hier zu sein!“, stellte er klar. „Aber nicht unschuldige Mädchen zu überraschen während sie schlafen.“, fiel ihm Sarah ins Wort. Jonas lehnte den Kopf zurück. „Als ob ich wissen konnte, dass ich dich da drin vorfinde!“, war er sich weiterhin keiner Schuld bewusst.“ „Aber deine Schwester hätte da nackt liegen können! Was bist du? Ein Siscon?“ Wieder musterte Jonas das Mädchen skeptisch und Luise versuchte zu schlichten. „Ich meine was du gerade jetzt hier willst.“, fragte sie den Studenten. Dieser stieß einen tiefen Seufzer aus. „Ich wollte etwas mit Mama besprechen, doch scheinbar ist sie noch nicht aus dem Krankenhaus zurück. Außerdem liegt mein nachträgliches Geburtstagsgeschenk für dich noch draußen im Wagen.“, erklärte er sein ungestümes Eindringen. Dennoch entschuldigte er sich nochmals ausführlich bei Sarah und diese reichte ihm sogar die Hand. „Gut, weil du Luises Bruder bist.“, willigte sie ein. „Nur deshalb?“, lächelte Jonas mild. Sarah erwiderte nichts darauf, ihr immer noch böser Blick sprach Bände. „So! Hast du Mama also endlich erzählt, dass du lieber Röcken hinterher jagst?“, versuchte der Student das Eis zu brechen. „Ich trage selten Röcke.“, mischte sich Sarah ein, auch wenn sie die Metapher erkannt hatte. „Nein…. Mama weiß natürlich noch nichts davon.“, wirkte Luise nun kleinlaut. Jonas legte ihr liebesvoll eine Hand auf die Schulter und nickte ihr zu. „Das wird schon noch irgendwann. Lass dir Zeit. Ich bin noch die ganze Woche in der Stadt, falls du etwas brauchst.“, bot er an und huschte dann nach draußen um das Geschenk zu holen. Luise setzte sich Sarah gegenüber und hielt ihre Hand. „Ich weiß ihr hattet einen schlechten Start, aber er ist wirklich lieb!“, versicherte sie. Sarah blies ihre Backen etwas auf und erklärte sich einverstanden. „So lieb wie ich?“, wollte sie aber auf Nummer sicher gehen. Luise grinste. „Nein, du bist du liebste. Meine Liebste sogar.“, versicherte sie und küsste sie auf die Stirn. Es wirkte etwas unangenehm, als Jonas wieder eintrat und die Szene mitbekam. Doch in seinem Kopf mussten sich bereits schlimmere Szenen abgespielt haben, schließlich hatte er die Freundin seiner Schwester in deren Bett ertappt. Was würde jeder halbwegs normale Mensch, aber vor allem Mann da denken? Luises einziger Wunsch war, dass er Sarah akzeptierte, genauso wie umgekehrt. Jonas reichte seiner Schwester sein verspätetes Geburtstagsgeschenk und diese freute sich über die neue CD ihrer Lieblingssängerin, die sie wenig später in Händen hielt. Sie umarmte ihren Bruder und gab zu, im Grunde froh zu sein, dass er wieder hier war. „Was ist denn hier los? Was soll die Versammlung und wieso wurde ich nicht eingeladen?“, stand Frau Fahlbusch perplex in der Haustür. Alle Anwesenden waren erst verunsichert, grinsten der netten Frau dann aber alle im Takt entgegen. Mit zwiegespaltenen Gefühlen kehrte Sarah in ihr eigenes Haus zurück. Es war das erste Mal in ihrem Leben gewesen, dass sie ein Mann nackt gesehen hatte. Sie selbst wusste nicht wie viel er zu Gesicht bekommen hatte, schließlich reagierte sie reflexartig auf den plötzliche Eindringling. Dennoch wusste sie, dass sie dich diesen Vorfall nicht zu Herzen nehmen durfte, wenn sie sich ein Bild von Jonas Fahlbusch machen wollte. Es war sein Haus und sie mehr oder weniger der Gast. Bei dieser Gelegenheit fiel ihr ein, dass Luises Bruder doch nicht der erste war, sondern ihr Vater, obgleich dies eine Ewigkeit her war. Doch er stand nun in der Küche und bereitete überraschenderweise das Frühstück zu. „Du noch da?“, fragte Sarah, als wäre es ein Weltwunder. Herr Heidenreich servierte dem Mädchen gekonnt einen Teller mit Schwarzbrot auf dem sich viel zu viel Butter befand. „Heute ist doch schließlich ein Feiertag! Und morgen habe ich auch nichts vor, wegen Fenstertag und so.“, sagte er begeistert und Sarah nahm das so hin. Sie wünschte sich, morgen wäre ebenfalls schulfrei. „Und du? Wieder ein Mädelsabend bei Luise?“, hakte er nach. Sarah zögerte etwas, dann bejahte sie. „Sag mal… bist du die ganzen Nächte wirklich bei ihr?“ Seine Tochter reagierte mit einem Stirnrunzeln. „Wo soll ich denn bitte sonst sein?“ Herr Heidenreich schüttelte aber schnell den Kopf. „Vergiss es einfach. Aber etwas anderes, Christiane hat uns morgen eingeladen sie zu einem Vergnügungspark zu begleiten. Du könntest auch Tabea und Tobias wieder sehen. Was hältst du davon?“ Sarah ließ sich den Gedanken schnell durch den Kopf gehen, doch auch wenn sie Tabea mochte und ihre Mutter auch nicht unsympathisch war, klang ein gemeinsamer Tag mit Luise weitaus verlockender. „Nette Idee, aber ich habe bereits ein paar Freundinnen zugesagt.“, drückte ihre Miene Schuld aus. Herr Heidenreich war nicht erfreut über diese Antwort. „Mit denen kannst du doch ständig etwas unternehmen, oder? Tu mir doch bitte diesen einen Gefallen, Christiane hat dich bereits in ihr Herz geschlossen und freut sich so darauf.“ Sarah stöhnte auf, ihr Vater wusste wie man sie überzeugen konnte. „Schon kapiert, vielleicht wird es wirklich ganz spaßig.“, willigte sie ein. Das Gesicht des Mannes erhellte sich plötzlich und sofort stellte er seine Tochter eine Tasse Tee hin. „Das wird es bestimmt!“ Luise legte die CD gerade in den Ständer, während Jonas ihr Zimmer inspizierte. „Schön was du daraus gemacht hast.“, sagte er schließlich. Seine Schwester musste grinsen. „Es ist unverändert, genau so wie du es letztes Mal betreten hast.“, versicherte sie. Jonas nickte, hörte aber nicht damit auf sich umzusehen. Bestimmt wollte er der Peinlichkeit ausweichen über Luises neue Flamme zu reden. „Also? Warum bist du in der Stadt? Schwierigkeiten mit Melli?“, spielte sie auf Jonas’ derzeitige Freundin an. „Nicht mehr. Wir haben Schluss gemacht.“, gestand er. Scheinbar doch nicht ‚derzeitig’. „Das tut mir leid.“, unternahm Luise einen Versuch ihren Bruder zu umarmen, doch dieser wehrte ab. „Muss es nicht, es hat schon länger nicht mehr zwischen uns gepasst. Ich laufe auch nicht vor ihr weg, sondern besuche wie gesagt nur euch und außerdem einen Freund der in der Stadt wohnt. Ich hoffe mein Geschenk gefällt dir.“ Luise brachte es nicht übers Herz ihm zu gestehen, dass sie diese Ausgabe bereits besaß, aber eine Sicherungskopie war ja bekanntlich auch nie verkehrt. „Ich habe mich wahnsinnig gefreut, du bist der beste Bruder der Welt!“, hoffte sie, dass ihre Worte nicht übertrieben klangen. Dieser wirkte verlegen und setzte sich an Luises Schreibtisch. „Und du und Sarah? Die große Liebe?“, konnte er sich nicht erwehren zu fragen. Luises Strahlen ja im Prinzip bereits die Antwort darauf. „Sarah ist ein Engel. Ich kann noch gar nicht fassen, dass ich so viel Glück habe.“ Jonas wollte natürlich mehr über seine vermeintliche Schwägerin wissen und ließ sich von Luise haarklein erklären was denn nun genau ein Otaku sei. „Sie ist also ein total crazy Girl, ja? Gut, passt zu meiner kleinen Schwester.“, ärgerte er sie, als er bereits im Begriff war zu gehen. Er würde die Woche über bei einem Freund pennen, doch jederzeit für Luise zur Verfügung stehen. „Wem simst du denn da die ganze Zeit?“, fragte Herr Heidenreich, während er verzweifelt einen Parkplatz suchte. „Simsen? Seit wann benutzt du solche Ausdrücke?“, fragte Sarah schelmisch. „Wieso nicht? Ich bin hipp!“, verteidigte er seine Wortwahl. „Mhm.“, lautete die einzige Reaktion seiner Tochter darauf. Als sie endlich fündig geworden waren und ausstiegen, konnte Sarah bereits Christiane vor dem Eingang erkennen. Diese winkte den Neuankömmlingen zu und machte wild auf sich aufmerksam. Sarah ließ immer wieder ihren Blick schweifen, doch nirgends eine Spur von Tabea oder Tobias. „Schön, dass du ihr kommen konntet. Lasst uns schnell reingehen.“, schlug die Kollegin ihres Vaters vor. „Ähhmm… und wo sind die anderen?“, fragte Sarah verwirrt. Frau Wels schien es nicht anders zu gehen, da mischte sich Herr Heidenreich ein. „Verdammt, das habe ich total vergessen! Christianes Kinder hatten spontan keine Lust bekommen, deswegen werden es heute nur wir drei sein.“, klatschte er sich demonstrativ an den Kopf. Sarah sah ihn ungläubig an. Und dafür hatte sie einen gemeinsamen Tag mit ihrer Liebsten vergeudet? „Ähh… ja richtig, die beiden wollten sich im Kino unbedingt einen Film ansehen.“, half ihm Christiane weiter. Sarah gelang es nun nicht mehr, ihre Skepsis zu unterdrücken. „Und wie hieß der Film?“, fragte sie mit gespieltem Interesse. „Das… habe ich vergessen. Aber lass uns schon gehen.“, schlug sie vor und gemeinsam betraten die drei das Areal. Da Sarah sich zu alt dafür hielt, eine der vielen Attraktionen zu benutzen, ließ sie sich von ihrem Vater jede Menge Süßkram wie Zuckerwatte und dergleichen kaufen. Christiane selbst wollte aber keinen Muffel spielen, sondern versuchte sich tapfer am Schießstand und kreischte immer wieder freudig als sie einen Treffer erzielte. Schließlich ergatterte sie den ersten Preis, einen Plüsch-Koala den sie triumphierend hoch hielt und dann Sarah überreichte. „Hier für dich.“ Diese beäugte sie zweifelnd. „Sieht zwar süß aus, aber aus dem Alter bin ich raus. Wäre es ein Plüsch-Mokona wäre ich begeistert, aber so schenk es doch bitte Tabea…. Äh, vergiss was ich sagte, Tobias freut sich bestimmt darüber.“ Etwas eingeschnappt verstaute Christiane den Koala in ihrer Tasche und die Gruppe setzte ihren Weg fort. In der Geisterbahn bekam Herr Heidenreich ständig das Gruseln und Christiane tat es ihm gleich. Sarah selbst, konnte nur seufzen. Dachten die beiden, sie wären mit einem kleinen Mädchen unterwegs? Was sollte dieses Benehmen? Schließlich setzten sie sich an eine Würstchenbude und Sarah versuchte das Ketchup aus der kleinen Tüte zu drücken. „Ich muss noch ein wichtiges Telefonat führen, darf ich euch kurz allein lassen?“, fragte er Heidenreich ohne Vorwarnung und zückte sein Handy. Ohne eine Antwort abzuwarten, begann er einige Schritte zu gehen. „Und? Schmeckt es?“, wollte Christiane wissen, während Sarah ein Stück von der Wurst abbiss. Behutsam nickte diese und schluckte runter. „Du musst dich nicht mehr so hippiemäßig aufführen.“, versicherte sie der Frau dann. Christianes Augen weiteten sich und verdutzt musterte sie das Mädchen. „Du und Paps habt was am laufen, das sieht doch ein Blinder mit einem Krückstock.“, entkam es ihr, bevor sie den nächsten Bissen tat. Christiane selbst, unternahm alle Versuche die Überraschung zu verbergen. „Du hast recht. Joachim und ich haben uns wirklich nicht sehr diskret verhalten.“ Sarah konnte sich ein Kichern nun nicht mehr verkneifen. „Ach bitte! Erst die freundliche Masche, dann hast du mir das Du angeboten und jetzt diese Einladung, wo ihr euch wie zwei Eltern mit ihrem Kind benehmt.“, erwiderte das Mädchen mit vollem Mund. Christiane wollte darauf antworten, beschloss dann aber auszusetzen. Es war eine neue Situation für Sarah, sie wollte erst hören, was diese davon hielt. Endlich wirkte diese ernster und sah Christiane direkt in die Augen. „Hör mal, du bist nett! Tabea und Tobias machen auch einen annehmbaren Eindruck und ich wünsche Paps jemanden wie dich. Nur ist es vielleicht etwas schnell.“, sprach sie ihre Gedanken aus. Christiane überlegte kurz, ob sie sich auf ihre Mutter bezog, doch das konnte kaum sein. „Ich glaube du verstehst immer noch nicht. Joachim und ich kannten uns schon in Himmeldorf. Ich war jede Woche beruflich dort und so sind wir uns näher gekommen. Schließlich teilte er mir seine Idee mit, doch die Filiale zu wechseln und mit dir herzuziehen.“, begann sie zu erzählen. Sarah verengte ihre Augen. So war das also. Ihr Umzug war diesmal berechnender Natur gewesen. Es war nicht zwingend für die Arbeit, sondern weil ihr Vater Christiane näher sein wollte. Ihr wurde auch klar, dass sie ihm deshalb Vorwürfe gemacht hätte, nicht zuletzt, weil er es nicht mit ihr besprochen hatte. Sarah hatte ihre Freundinnen zurück lassen müssen, wertvolle Bekannte und nicht zuletzt den gemütlichen Manga-Laden in dem sie jedes Wochenende stöberte. Ja sie wäre verdammt sauer auf ihn gewesen wenn… wenn sie bei ihrer Ankunft nicht sofort Luise kennen gelernt hätte. Also vielleicht, aber nur vielleicht war es doch nicht die Entscheidung ihres Vaters gewesen, sondern eine göttliche Fügung. Der Himmel wollte, dass Joachim Heidenreich sich verliebte und mit seiner Tochter an einen anderen Ort zog. Alles nur, damit Sarah und Luise sich fanden. Dass ihre Herzen endlich nicht mehr trostlos und allein in der Welt umherwanderten. „Ich liebe dich! Also dafür, dass du meinen Vater liebst, meine ich! Und ihn, dass er sich einfach so über meinen Kopf hinweggesetzt hat und wir hergekommen sind!“, hätte sie Christiane beinahe küssen können. Diese überlegte einen Moment, ob sie die Gefühlsschwankungen als Sarkasmus interpretieren sollte, doch sie irrte sich. Sarah war aufrichtig glücklich. „Joachim und ich wollen es langsam angesehen lassen, wir haben nur den heutigen Tag genutzt um mit dir zu reden. Ob du unsere Beziehung unterstützt, oder nicht.“ Sarah zögerte einen Augenblick. Durch diesen Umstand hatte sie die Liebe ihres Lebens gefunden, doch das hatte nichts mit ihrer Familie zu tun. Es war das Leben ihres Vaters, er musste wissen was gut für ihn war. Und Sarah selbst? Sie wollte dass er glücklich war und wenn ihrer Mutter dazu nicht mehr im Stande war, was sollte sie anderes tun als diesen Weg zu akzeptieren. „Es wird sicher dauern, bis ich mich gewöhne, aber wenn ihr nicht gleich zusammen zieht…“ Augenblicklich musste Sarah über diese Möglichkeit schmunzeln. Tabea als Schwester zu haben, ein Zimmer weiter dröhnte die ganze Nacht Metal, Black-Metal, Death-Metal, oder wie das ganze Zeug auch hieß. Und hinter jede Ecke müsste sie fürchten, dass Tobias sie beobachtete, wie eine kleine Yandere oder eine Zaziki-Warashi. „Um Himmels Willen, nein! Das wäre mehr als voreilig, wir wollen sehen wie es sich entwickelt. Ich habe schon mit Tabea darüber gesprochen, doch Tobias ist noch im Unklaren. Die Zukunft wird zeigen wie alles verlaufen wird.“, stellte sie klar. Sarah gab zu, froh zu sein dies zu hören und wollte schon weiter essen. „Und… dein Vater hat mich gebeten, bei dieser Gelegenheit auch gleich mit dir ein paar ernste Worte zu wechseln.“, änderte sich der Tonfall von Christianes Stimme noch zusehends. Was würde jetzt kommen? „Joachim hat mir erzählt, dass du in letzter Zeit oft anderweitig übernachtest.“, sprach sie, ohne Sarah dabei direkt anzusehen. Sarah ließ die Gabel fallen. Ahnten die beiden Erwachsenen etwas? „Ich… übernachte bei einer Freundin.“, erklärte sie hastig. „Sicher? Joachim hat Angst, dass du vielleicht einen Freund hast, mit dem ähhh bei dem du die Nacht verbringst.“, sprach sie ihren Verdacht aus. Sarah holte tief Luft. Ihr Vater hatte mit seiner Theorie tatsächlich ins Schwarze getroffen. Naja, zu 50%. „Das ist doch albern! Wenn er mir nicht glaubt, kann er meine Freundin gern anrufen oder selbst fragen.“, tat sie die Sache ab. Christiane zuckte nut mit den Schultern. „Schon, aber… meine Freundinnen haben mir damals auch immer ein Alibi verschafft, während meinen wilden Zeiten.“, berichtete sie aus ihrer Vergangenheit. „Ich habe aber keine wilden Zeiten… denke ich.“ Christiane blickte sich nach allen Seiten um, doch scheinbar war Herr Heidenreich noch nicht wieder in Sichtweite. „Aber er denkt es gibt einen Jungen den du magst.“, verriet sie. Schlagartig viel Sarah wieder das Telefongespräch ein, das ihr Vater mitbekommen haben musste. Sie hatte Luise gesagt, dass sie sie liebte, und es später auf ihre Großmutter geschoben. Eine billige Ausrede, das wusste sie jetzt. „Selbst… wenn, ich bin alt genug um für mich selbst zu entscheiden.“, entgegnete sie. Christiane schluckte. Sie und Herr Heidenreich hatten ihre Beziehung vor dem Mädchen ebenfalls geheim gehalten, sie besaß somit kein Recht ihr irgendwelche Vorwürfe zu machen. „Dein Vater macht sich nur Sorgen um dich. Gibt es einen Grund warum du ihm diesen sicher netten Burschen vorenthältst?“, erkundigte sie sich. „Meine Gesundheit? Mein Erbe? Mein zukünftiges Taschengeld sowie PVC-Figuren?“, klang das Mädchen beinahe anklagend, realisierte dann aber, dass sie übertrieb. „Ach komm, so schlimm wird er wohl nicht sein. Oder… möglicherweise doch…“ Christianes Miene fiel nun einen Moment zusammen, scheinbar belastete sie etwas. „Doch selbst wenn es jemand ist, den Joachim vielleicht nicht mag, er ist ein Teil deines Lebens. Du kannst ihm vertrauen.“, startete sie sogleich einen weiteren Versuch. Sarah nickte, das wusste sie natürlich. „Und deine Nächte bei ihm… du denkst doch sicher daran zu verhüten, oder?“ Hätte Sarah auch ein Getränk zu den Würsten gehabt und gerade davon getrunken, wäre der ganze Saft direkt in Christianes Gesicht gelandet. Doch so, blieb ihr Mund einfach ganz normal offen stehen. „Was… willst du mit mir über Sex reden?“, konnte sie es nicht glauben. „Nunja, es ist immerhin normal bei Mädchen in deinem Alter.“, wand sie ein, doch Sarah verneinte sofort. „Mädchen haben heutzutage schon mit 12 oder 13 Sex, das ist kein Argument!“ Auch für Christiane war die Situation sichtlich unangenehm. „Also hast du auch schon in diesem Alter…“, begann sie, wurde aber sofort von ihrer quasi Stieftochter unterbrochen. „Nein! Ich meine, wann, wo, oder mit wem ich Sex habe geht nur mich etwas an!“, versuchte sie ihre Stimme so leise zu halten wie möglich. Christiane bat sie sofort zur Ruhe. „Ja ja, es tut mir leid, ich wollte nur für dich da sein. Genau wie dein Vater, mit dem auch über alles reden kannst.“, versicherte sie. Sarah zweifelte noch daran, ob das so einfach war, da war Herr Heidenreich schon zurück gekehrt. Es war ein Kinderspiel aus den Mienen der beiden zu lesen worüber sie gesprochen hatten. „Du… weißt es also?“, hakte er nach. Betretene Blicke und ein eisernes Schweigen. Dann ergriff Sarah seine Hand und führte sie zu Christianes. Er legte sie darauf und klopfte Herrn Heidenreich auf die Schultern. Das war ihre Antwort auf die neue Liebe ihres Vaters. „Na gut! Was hältst du davon, wenn Christiane morgen Abend zum Essen zu uns kommt?“, wollte Herr Heidenreich wissen. Sarah überlegte kurz. „Wer kocht?“ Sarah wäre sehr froh gewesen, Luise noch zu erwischen und mit ihr den Heimweg anzutreten. Doch ihre Freundin hatte an diesem Tag eine Stunde weniger, die Glückliche. Es war unsinnig zu warten, sie hatten immerhin das ganze Wochenende noch vor sich. Wieder erinnerte sich das Mädchen an den gemeinsamen Abend mit der neuen Partnerin ihres Vaters. Partnerin, wie sich das anhörte. Sie hatte mit Luise telefoniert und ihr alles erzählt. Dann wurde sie gefragt, ob sie denn irgendwelche Probleme mit der momentanen Situation hätte, doch dies war nicht der Fall. Christiane wollte ja nicht ihre Mutter ersetzen, wer hätte das schon gekonnt? Es war etwas Neues, auf das sich nicht nur ihr Vater, sondern auch sie sich einlassen musste. „Und du kannst heute echt nicht?“, fragte Katrin resignierend. Sarah schüttelte den Kopf und erklärte es ihr erneut. „Nächstes Mal, ja? Dann sehen wir uns diesen einen Laden an, der neu aufgemacht hat.“, schlug sie vor. Ihre Klassenkameradinnen nickten zustimmend, dann wurde ihre Unterhaltung durch einen Laut unterbrochen. Es handelte sich um das Hupen eines Wagens, Sarah staunte nicht schlecht als sie vernahm, wie ihr Name gerufen wurde. Stutzend wand sie ihren Blick und musterte das blaue Auto das näher an die drei Mädchen heranfuhr. Wenige Meter vor ihr kam es zum Stehen und eine bekannte Gestalt schwang sich heraus. Ein schlaksiger Kerl, Mitte 20. „Hey Sarah, dein Chauffeur ist da.“, begrüßte sie Jonas fröhlich. Lena und Katrin sahen natürlich blöd aus der Wäsche, und Sarah geriet in Erklärungsnot. „Deswegen hast du also jeden Typen in der Schule abgewiesen. Du stehst auf ältere, der Kerl ist sicher Student.“ Sarah lächelte verlegen. „Nunja, Mädels, ich studiere Medizin, aber das ist nichts Großartiges. Trotzdem werde ich mir irgendwann einmal meine eigene Praxis aufbauen!“, profilierte sich Luises Bruder vor den beiden. Sarah seufzte tief, womit hatte sie das nur verdient? „Ich erkläre es euch demnächst, schönes Wochenende!“, verabschiedete sie sich von ihren Freundinnen und huschte schnell auf den Beifahrersitz. „Tut mir leid, das war gelogen. Luise hat dir sicher erzählt, dass ich Elektrotechnik studiere.“, schienen das Jonas einzige Sorgen zu sein, als er wieder im Wagen war. Sarah schenkte ihm nur einen trotzigen Blick. „Wieso bist du hier?“, klang sie beinahe wütend. Jonas war sich aber keiner Schuld bewusst. „Das heißt danke! Ich sorge dafür, dass du noch schneller mit deiner geliebten Luise vereint wirst.“ Das änderte aber nichts an Sarahs Mimik. „Das war doch nicht ihre Idee, oder?“ Jonas schüttelte den Kopf. Er war inzwischen losgefahren und legte sein Hauptaugenmerk auf die Straße. „Nein, ich wollte die Gelegenheit nutzen um mich noch mal zu bei dir zu entschuldigen. Du musst dich ziemlich erschreckt haben.“, sagte er in reuevollem Ton. Auch das stellte Sarah nicht zufrieden. „Trotzdem, du hast mich erneut überrumpelt! Was denken meine Freundinnen wohl jetzt?“, machte sie sich mehr Sorgen um ihren Ruf. Jonas schmunzelte. „Dass du mit einem wirklich gut aussehenden Studenten liiert bist, was sonst!“ Das schien Sarah jedoch weniger zu gefallen. „Oder ich verrate ihnen einfach, dass du nur ein perverser Stalker und Spanner bist, der mich nackt sehen wollte!“, drohte sie gespielt. Doch damit schien sie Jonas nicht einschüchtern zu können, im Gegenteil. „Dann wirst du ihnen aber auch erklären müssen, was genau du nackt im Bett meiner Schwester zu suchen hattest.“, konterte er. Augenblicklich verstummte das Mädchen und bat den jungen Studenten nach vorne zu sehen. Eine Stunde später befand sich Sarah endlich wieder in ihrer Otaku-Bude. Luise besaß endlich einmal wieder die Gelegenheit etwas mit ihrem Bruder zu unternehmen, während sich Sarah auf die Hausaufgaben stürzte und sich auf den Abend vorbreitete. Die Kochkünste von Christiane sagten ihr zu, sie und ihr Vater wollten gemeinsam kochen. Dachten sie etwa, dass sie Sarah mit einer leckeren Mahlzeit endgültig überzeugen konnten? Tja, das könnte durchaus klappen, dachte Sarah vergnügt. Als Juliane Fahlbusch vom Frühdienst Heim kehrte, wusste sie bereits, dass sie alleine sein würde. Es war nett, dass Jonas mehr Zeit mit Luise verbrachte, doch seine Mutter schien er außen vor zu lassen. Ob das bei allen Jungen so war? Und wann genau hatte sie aufgehört jung zu sein? Nein, bevor sie sich noch einer melancholischen Welle hingab, würde sie die täglichen Arbeiten hinter sich bringen und sich die Geschichten ihrer Kinder anhören, wenn diese zurück waren. Sie parkte ihren Honda in der Einfahrt und hievte sich vom Fahrersitz. Draußen schlug sie die Tür zu und schlenderte Richtung Kofferraum, wo eine Einkaufstüte auf sie wartete. Kaum war sie davor angelangt, traute sie ihren Augen nicht. „Ne jetzt, oder?“, stöhnte sie auf, als sie sich der Delle oberhalb ihrer Stoßstange bewusst wurde. Diese war ihr nicht aufgefallen, als sie den Wagen startete, aber es musste passiert sein, während der Honda auf dem Krankenhaus-Parkplatz stand. Frau Fahlbusch knirschte förmlich mit den Zähnen, womit hatte sie soviel Pech verdient? Jetzt durfte sie sich auch noch mit der Versicherung und der Reparatur herumschlagen. Es half nichts. Sie schleppte die Tüte in die Küche und griff dann zum Telefon. Dort wurde ihr mitgeteilt, dass es nicht schaden konnte, im Vorfeld einige Fotos von dem Schaden zu schießen, die dann dem Antrag beigelegt werden konnten. Juliane Fahlbusch beschloss diesen Rat zu befolgen und fischte nach ihrem Handy. Leider war sie nicht sehr geübt mit diesen Dingen, sie wusste lediglich, dass es eine Fotofunktion besaß. Aber selbst wenn sie sie fand, wären diese Bilder qualitativ genug? Und wie bitte sollte man diese dann aus dem Gerät herausbekommen? Wieder einmal wünschte sie sich in einer Welt ohne Technik zu leben. Prompt erinnerte sie sich an die Digitalkamera, die sie ihrer Tochter zu ihrem letzten Geburtstag geschenkt hatte. Diese würde sie im Moment selbst gut brauchen, doch wo hatte Luise sie zuletzt liegen lassen? Langsam trat die Frau die Treppe hoch und kehrte ins Zimmer ihrer Tochter ein. Es war unordentlicher als sonst. Vermutlich Sarah Heidenreichs Verdienst. Auf dem Schreibtisch fand sie eine Prüfung mit der Note 2 vor. Vermutlich ebenfalls Sarah Heidenreichs Einfluss. War sie am Ende doch kein guter Umgang für Luise? Ach was, wahrscheinlich sah sie schon Gespenster. Die Freundschaft mit Sarah tat ihr offensichtlich gut, und als Mutter begrüßte Juliane diesen Umstand. Dennoch kam es ihr spanisch vor, dass sich die beiden Mädchen so schnell anfreundeten und sich auch so gut verstanden. Ständig hockten sie zusammen, lernten, oder unternahmen etwas. Während sie noch nachdachte, fand sie die Kamera in einer Schublade. Jetzt musste sie nur noch herausfinden wie man dieses verdammte Ding bediente. Sie hatte es zwar käuflich erworben, den Umgang damit jedoch ihrer wesentlich schlaueren Tochter überlassen. Den ‚On-Knopf’ zu betätigen war im Vergleich zum Rest noch relativ einfach. Sofort erschien das erste Bild auf dem Display. Es zeigte Luise, scheinbar hatte es jemand anders geschossen. Da das Datum darunter älter war, konnte es nicht Jonas sein. Sie selbst hätte sich daran erinnert, womit nur Sarah oder Sabine in Frage kämen. Sie begutachtete die Pfeiltasten, womit sie umherscrollen konnte. Das nächste zeigte Luise nur im Badetuch, etwas unpassend wie sie fand. Dann ein Foto von Sarah, eine Nahaufnahme ihres Gesichts. Sie war also die mysteriöse Fotographin. Dann ein Bild wo die beiden ihre Köpfe zusammensteckten und schließlich… In diesem Moment hätte Frau Fahlbusch das Gerät auch fallen lassen können, aber nein, sie zerquetschte es beinahe ungläubig in ihren Händen. Sarah Heidenreich drückte ihre Tochter einen Kuss auf die Wange. Beide Mädchen wirkten überglücklich. Aber… das konnte auch noch normale Freundschaft sein, richtig? Ein Foto weiter, das letzte im Speicher, brach die Gewissheit über sie herein. Sarah küsste Luises Hals und sie genoss es sichtlich. Die Frau ließ die Kamera sinken und kehrte mit ihr ins Wohnzimmer zurück. Der Schaden an ihrem Wagen war wie verflogen, in diesem Moment kreiste nur in Gedanke in ihrem Kopf herum. Ihre Tochter, ihr eigenes Fleisch und Blut war lesbisch. Und sie schien mit dieser Sarah zusammen zu sein. Nun ergab auf einmal alles Sinn. Diese ständigen Übernachtungen, wie sich Luise herrichtete, wenn sie Sarah erwarteten. Das Mädchen war nicht zu Luises neuen besten Freundin geworden. Sondern zu ihrer Geliebten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)