Somethin' impossible von Shileyn_Nea (Drarry) ================================================================================ Kapitel 1: One Shot ------------------- Die nächtliche Kälte auf den Ländereien von Hogwarts nahe des großen, im Mondschein glitzernden Sees ließ mich erschaudern. Wenn das so weiter gehen würde, würde ich mich nicht mehr lange kontrollieren können. Harry Potter, der Junge der überlebt hatte, der schlimmste Feind des dunklen Lords, dem ich ungewollt dienen musste, ausgerechnet er war es, der mein Herz schneller schlugen ließ, der mir die Röte ins Gesicht trieb, sodass ich ihn nicht einmal ansehen konnte. Ich verfluchte mich dafür. Langsam setzte ich einen Fuß vor den anderen und ging in Gedanken versunken an dem Ufer entlang. Was sollte ich bloß tun? Ich würde definitiv nicht mehr lange durchhalten. Viel zu lange versuchte ich nun schon diese grässlichen Gefühle zu unterdrücken, doch alle Anstrengung war umsonst, jedes Mal, wenn ich auch nur im Entferntesten an ihn dachte. Und ich hasste es. Ich hasste es mir diese Schwäche eingestehen zu müssen. Ein Malfoy durfte keine Schwäche zeigen und doch tat ich es. Jeden Tag, seitdem ich mich damit abgefunden hatte, dass ich unmerklich niemals erwartete und verbotene Gefühle für den Gryffindor entwickelt hatte, plagten mich immer wiederkehrende Vorstellungen. Ich malte mir aus, wie er reagieren würde, wenn ich ihm gestehen würde, was ich für ihn empfand. Und jedes Mal lief es darauf hinaus, dass ich von allem und jedem alleine gelassen und verstoßen wurde. Er lachte mich nur aus und die anderen schlossen sich ihm an, sodass ich zum Gespött von ganz Hogwarts wurde. Und genau diese Vorstellung trieb mich dazu im Stillen zu leiden und niemandem etwas davon zu erzählen. Nässe und noch mehr Kälte bekam ich zu spüren, als ich bemerkte, dass es angefangen hatte zu regnen und es immer stärker wurde. Jeder Schritt, den ich tat, fiel mir schwerer und schwerer bis ich an einen Baum angelangt war, mich vor ihm zu Boden sinken ließ und an ihn lehnte. Mein Blick schweifte über den See. Ich würde es ihm einfach sagen. Ich hatte zwar viel zu verlieren, aber wenigstens würde mich die Last, die ich mit diesem Geheimnis tragen musste, nicht mehr zu erdrücken drohen. Ich schüttelte sofort heftig meinen Kopf. Die schwache Seite gewann wirklich Oberhand über mich. Das konnte ich, ein Malfoy, unmöglich zulassen. KNACK. Mein Kopf schnellte in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war, und das, was ich erblickte, ließ mich erstarren. Er war es. Zweifellos. „Was tust du hier?“, fragte er mich. Der Klang seiner Stimme ließ einen kalten Schauer durch meinen Körper fahren. „Das könnte ich dich genauso gut fragen.“ Er machte langsame Schritte auf mich zu. „Das könntest du, aber ich habe zuerst gefragt.“ „Was nicht bedeutet, dass ich dir antworten muss.“ Er seufzte und wartete einen kurzen Moment. „Na gut“, ließ er endlich locker. Jetzt stellte er sich direkt neben mich und ließ sich nieder. Was ...? „Was soll das denn werden, Potter?“ „Wonach sieht es denn aus? Ich leiste dir ein wenig Gesellschaft“, grinste er mich an. Sein Lächeln. Bei Merlin, ich glaubte mein Herz hatte gerade einen Schlag ausgesetzt, nur damit es anschließend umso schneller schlagen konnte. Ich wandte meinen Blick von ihm ab und hielt mit einer Hand meine Augen bedeckt. Warum tat er das? Hatte er nichts besseres zu tun, als seine Zeit mit seinem Erzfeind zu verschwenden? Ich sagte nichts und er saß ebenfalls einfach nur da und schaute in die Ferne. Nicht einmal ein ganzer Meter war mehr zwischen uns. Und diese unerwartete Nähe war wohl der Hauptgrund, warum ich so unglaublich nervös war, dass sich bereits kalter Schweiß auf meinen Handflächen bildete. War ich ihm überhaupt schon einmal so nahe gewesen, wie in diesem Augenblick, ohne dass unsere Zusammenkunft in einem Streit ausartete? Nur in meinen Träumen. „Ich bin öfter hier draußen um nachzudenken und einen freien Kopf zu bekommen.“ „Hm?“ Was erzählte er da? „Du wolltest doch wissen, warum ich hier bin“, erklärte er sich. Dieser Vollidiot. Musste er so verdammt nett zu mir sein? Konnte er mich nicht einfach hassen, wie ich mich dafür hasste, dass ich ihn liebte? Damit machte er es mir nur noch schwerer. Nun wandte ich mich ihm langsam zu, eine Hand auf meinem Zauberstab bereit liegend. Das war die perfekte Gelegenheit. Wann würde ich je wieder mit ihm allein sein? In Ruhe? Ich musste diesen Moment nutzen. „Petrificus totalus!“ Potter erstarrte, blieb jedoch an den Baum gelehnt sitzen. Damit hatte er nicht gerechnet und das Einzige, was er nun noch konnte, war mit seinen Augen zu rollen. Ich kniete mich vor ihn und schaute ihn direkt an. Es war wirklich ein ungewöhnliches Gefühl ihn so hilflos zu sehen, wo er sich doch sonst immer zu verteidigen wusste und das nicht zu knapp. Aber diesmal war ich es, der all seinen Mut zusammenkratzte, den er aufbringen konnte, um den Tapferen zu spielen. „Potter“, setzte ich ernst an. „Es gibt da etwas, von dem ich dir erzählen muss. Verdammt nochmal, ich weiß nicht wie ich es sagen soll.“ Verzweiflung machte sich in mir breit. Ich konnte nicht fassen, was ich hier tatsächlich versuchte auszusprechen. „Von mir aus, posaune es herum, berichte es der ganzen Schule, mach mich zum Gespött. Aber verschone mich vor irgendwelchen Gesprächen. Sprich mich bloß niemals darauf an … Bitte“, fügte ich schließlich noch hinzu, was meine Hoffnungslosigkeit nur noch einmal zu deutlich zum Ausdruck brachte. Ich machte eine Pause. Tief durchatmen. Du musst es nur ein einziges Mal über deine Lippen bringen, Draco. Dann ist es vorbei. Dann hast du es endlich hinter dir. „Ich werde das niemals wiederholen, also hör gut zu.“ Ich schloss meine Augen, da mir der Anblick seiner grünen Augen, deren Farbe ich selbst in dieser Dunkelheit erkennen konnte, sämtlichen Rest an Mut raubte, an den ich mich so hilflos klammerte. Mein Herz wollte sich partout nicht beruhigen und unterstütze so meine immer größer werdende und mich wahrscheinlich bald umbringende Nervosität. Mein Mund öffnete sich, aber mehr als ein Flüstern brachte ich nicht zustande. „Ich … begehre dich.“ Noch einen kurzen Augenblick hielt ich inne, kniff meine Augen fest zusammen, aus Furcht Potter könnte trotz des Ganzkörperklammerfluchs reagieren, und stand dann auf, um schnell in Richtung Schloss zu stürmen. Ich hatte ihn nicht einmal mehr angesehen, aber irgendwie fühlte ich eine gewisse Erleichterung. Bis jetzt war es ganz allein mein Problem gewesen, weil ich niemandem ein Wort davon gesagt hatte, aber nun wusste Potter es auch. Dadurch würde sich mein Leid beim besten Willen jedoch nicht mindern. Auch wenn es mir für diesen Moment besser ging, das würde nicht lange anhalten. Tränen, die ich nicht zu unterdrücken versuchte, vermischt mit den kalten Tropfen des strömenden Regens, den ich kaum noch wahrnahm, rannten über meine Wangen. Ich würde bald schon mehr darunter leiden als je zuvor. Da war ich mir sicher. * * * Die erbarmungslosen Blicke meiner Mitschüler durchbohrten mich. Sie wussten es. Sie alle wussten es und das hatte ich allein meiner grenzenlosen Dummheit zu verdanken. Was hatte ich gestern bloß getan? Warum hatte ich das getan? Um mich besser zu fühlen? Ich hatte doch von Anfang an gewusst, dass das nichts bringen würde. Und den Rest der Nacht hatten mich meine Selbstzweifel dermaßen gequält, dass ich keinen Schlaf hatte finden können. „Jetzt lach doch mal, Dray!“, stieß Blaise mich an meine Schulter. Ich konnte mir mit großer Anstrengung ein müdes und wahrscheinlich grausam verzogenes Lächeln abringen, welches jedoch nicht länger als eine Sekunden auf meinen Lippen lag. „Was ist eigentlich mit dir los? In letzter Zeit bist du sowieso schon so schlecht drauf, aber heute sieht ja sogar ein Blinder, dass du die Nacht kein Auge zu gemacht hast.“ Bevor ich reagieren konnte, versperrte Pansy mir den Weg, indem sie sich direkt vor mich stellte und ihre Arme in die Hüfte stemmte. Mit forderndem Blick beäugte sie mich. „Du sollst uns doch erzählen, wenn dich irgendwas beschäftigt. Also fang an zu reden, wir warten.“ „Pansy bitte, ich ...“, wollte ich gerade darum flehen, nicht darüber reden zu müssen, als ich jemanden hinter ihr erblickte und ich augenblicklich verstummte. Nein, nicht schon so früh am Morgen. Ich machte auf dem Absatz kehrt, damit er mich nicht zu sehen bekam, obwohl wir gerade auf dem Weg zur Großen Halle gewesen waren. Jedoch war mir mein Appetit soeben vergangen. „Hey! Jetzt renn doch nicht weg, Dray. Wenn du nicht reden willst, musst du nicht, aber frühstücken gehen wir trotzdem“, packte Blaise mich an meinem Arm, bevor ich entschwinden konnte, und schleifte mich hinter sich her. Pansy folgte uns und redete weiter auf mich ein ich solle ihr doch erzählen, was mir auf dem Herzen liegt, doch mich richtig auf ihre Worte konzentrieren, das schaffte ich nicht. Dazu wurde ich viel zu sehr von meinen nahezu schreienden Gedanken abgelenkt. Dort vorne stand Potter mit seinen Freunden direkt vor der Tür der Großen Halle und wir kamen ihm immer näher. Er war ziemlich blass im Gesicht und plötzlich fing er an zu husten. Hatte er sich etwa erkältet? „Du solltest dich wirklich wieder ins Bett legen, Harry. Ron und ich werden dann gleich zu Madam Pomfrey gehen und dir einen Hustensaft besorgen“, schnappte ich auf, wie Granger auf Potter einredete. Wie lange hatte er gestern wohl noch in der Kälte gesessen? Normalerweise verging etwa eine Stunde, bis die Wirkung des Zaubers nachließ. Genug Zeit, um sich eine Erkältung einzufangen. Also war es meine Schuld, dass es ihm jetzt schlecht ging. Als ob ich nicht ohnehin schon genug Probleme wegen ihm hatte, bekam ich jetzt auch noch ein schlechtes Gewissen. Ohne dass ich es wirklich registrierte, hatte ich die ganze Zeit über meine Augen nicht von Potter gelassen, bis er mich auf einmal ansah und begann zu lächeln. Er lächelte mich an und mein Puls ging unweigerlich in die Höhe. Dieses wunderschöne trügerische Lächeln. Es galt ohne Zweifel mir, das wusste ich. Jedoch wusste ich ebenso, dass es falsch war, denn damit wollte er mir nur mitteilen, dass ich gestern Nacht einen Fehler begangen hatte ihm meine Gefühle zu gestehen. Nun hatte er etwas gegen mich in der Hand und er würde es vollstens auskosten seinen Spaß damit zu haben. Das ganze Frühstück über hatte ich keinen Bissen herunter bekommen. Allein vom Anblick des ganzen Essens wurde mir schon schlecht und meinen Appetit hatte ich bis jetzt auch nicht wiedergefunden. Potter war dem Rat seiner Freundin gefolgt und zurück in seinen Schlafraum gegangen. Zumindest seine Gegenwart wurde mir so erspart. Umso schlimmer nervten mich Pansy und Blaise mit ihren bohrenden Fragen. „Ich gehe. Lasst mich bitte allein.“ Ich erhob mich von meinem Platz und obwohl es den beiden sichtlich zuwider war mich alleine zu lassen, gaben sie es endlich auf, mich ausquetschen zu wollen. Ich wollte nur noch meine Ruhe haben. * * * „Hau endlich ab! Ich habe dir doch gesagt du sollst mich bloß nicht damit nerven. Was hast du daran nicht verstanden?“, hastete ich durch die Korridore der Schule, während Potter mir nachlief. Zuvor war ich ihm zufällig über den Weg gelaufen und seitdem ließ er nicht mehr locker. Sollte er nicht eigentlich im Bett liegen und auf seine Medizin warten? „Bleib doch stehen! Ich will nur mit dir reden.“ Nur mit mir reden? Pah! Als ob ich darauf reinfalle. Du willst mich doch nur leiden sehen, Potter, damit du über mich lachen kannst, so wie du es schon vor dem Frühstück getan hast. In den Dreck ziehen, auf mir herum trampeln und mich der Zauberwelt als Idiot vorführen, das willst du und nichts anderes. Inzwischen hatte ich in ein paar Schritten den Eingang des Slytherin- Gemeinschaftsraums erreicht. Nur dort würde ich jetzt Ruhe vor Potter finden, denn … „Draco!“ Hustend und nach Luft ringend blieb der Gryffindor stehen. Seine Erkältung machte ihm wohl mehr zu schaffen, als er dachte. Diese Gelegenheit nutzte ich, um nun schnell hinter der sich bereits wieder schließenden Steinmauer zu verschwinden und schließlich mitten im Raum stehen zu bleiben. Das war mein Vorname. Warum, bei Merlin, hatte er mich gerade bei meinem Vornamen genannt? Wollte er damit irgendetwas bezwecken? Aber natürlich, er wollte es mir nur noch schwerer machen, als es ohnehin schon war. Er musste ahnen, wie bittersüß der Klang meines Namens für mich sein musste, wenn er ihn aussprach. So durfte es nicht weiter gehen. Ich musste irgendetwas unternehmen, damit das hier nicht noch schlimmer wurde, denn ich wollte mir nicht ausmalen, was Potter sonst noch mit mir anstellen würde. Es lag nun einzig und allein an mir ihn aufzuhalten, und ich wusste auch schon wie. * * * Ich ließ das beschriftete Stück Pergament unbemerkt in die Tasche seines Umhangs gleiten, während ich kurz nach Beendigung des Zauberkust Unterrichts an ihm vorbeilief und er noch damit beschäftigt war seinen schrecklich klingenden Husten unter Kontrolle zu bekommen und seine Schulunterlagen einzupacken. Es konnte nicht lange dauern, bis er den Zettel bemerkte, also versuchte ich so schnell wie möglich den Klassenraum zu verlassen. Bis heute Nacht hatte ich also Zeit mein Vorhaben noch einmal zu durchdenken. Eigentlich war ich mir absolut sicher, dass es funktionieren würde. Jedoch würde es mich wohl einige Überwindung kosten, nicht einfach meine Vorsätze über den Haufen zu werfen und davon zu laufen. * * * „Ich bin überrascht, Draco. Woher auf einmal der Sinneswandel, dass du doch mit dir reden lässt?“, fragte mich Potter, der mir gegenüber an einer Wand gelehnt stand. Er war also wirklich erschienen, um sich hier mit mir auf dem Schulgelände zu treffen. Ich schloss meine Augen und antwortete ihm nicht. Dazu war ich im Moment viel zu nervös und wahrscheinlich war ich nicht einmal dazu im Stande das zu sagen, was ich wollte. In meinem Kopf drehte sich alles, ich konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen, mein Herz würde mir jeden Augenblick aus der Brust springen und meine Hände waren wieder schweißnass. Atme tief durch, Draco. Du tust das hier nur, um diesem Horror ein Ende zu setzen, damit du wieder ganz auf dich allein gestellt bist und deine Probleme nur dich etwas angehen. Ich schluckte den Kloß in meinem Hals herunter, öffnete langsam wieder meine Augen und schaute ihn an, so wie er da stand und mich innerlich auslachte. Wie hatte ich mich nur jemals in ihn verlieben können? Nicht nur, dass er ein Kerl war, er musste auch die Person sein, mit der es mir am aller wenigsten vergönnt war, glücklich zu sein. Selbst der entfernteste Gedanke an eine glückliche Zukunft mit ihm war so unrealistisch, dass ich über mich selbst lachen musste, wenn ich meine Phantasie mit dieser Vorstellung mal wieder an ihre Grenzen trieb. Mit gesenktem Kopf schritt ich immer näher an ihn heran, ich traute mich nicht ihm jetzt in die Augen zu sehen, denn er würde in meinen lesen, dass alles in mir in genau diesem Moment nach ihm verlangte. Ich ließ einfach alle Hemmungen fallen, machte den letzten Schritt, bis unsere Körper sich beinahe berührten, überwand auch die letzten Zentimeter und … Er verkrampfte sich regelrecht unter der Berührung, die ich ihm mit blutendem Herzen aufzwang. Seine Lippen fühlten sich so unbeschreiblich weich auf meinen an und so plötzlich mein Überfall für ihn gekommen sein musste, so plötzlich wurde mir nun dieses wunderschöne Gefühl entrissen, indem er sich gewaltsam von mir löste. Ich taumelte einige Schritte rückwärts, fand wieder Halt und erhaschte nur noch einen Blick seiner weit aufgerissenen grünen Augen, bevor er schwer atmend zu Boden sank. „Harry!“ Ich machte einen Satz nach vorne und stützte ihn, bevor er gänzlich umkippen konnte und da bemerkte ich erst, dass ich ihn gerade bei seinem Vornamen gerufen hatte, so wie er es heute Morgen bei mir getan hatte. Mich durchlief ein Schauer und ängstlich schaute ich auf den in meinen Armen liegenden Gryffindor herunter, um seine Reaktion auf meinen Ausruf zu sehen, doch er war ohnmächtig. Seine Erkältung, die Kälte der Nacht und die durch den Kuss ausgelöste Aufregung waren wohl zu viel für ihn geworden. Bei Merlin, was sollte ich jetzt bloß tun? Der Anblick, dass Pot … Harry bewusstlos in meinen Armen lag ließ meinen Körper verrückt spielen. Ich konnte ihn doch unmöglich mitten in der Nacht in den Krankenflügel bringen. Erstens würde das nur Ärger und Bestrafung geben, da wir unsere Schlafräume in der Nacht nicht verlassen durften. Und zweitens würde das sicherlich auch unter den Schülern die Runde machen und Gerüchte würden sich verbreiten, die ich jetzt am aller wenigsten gebrauchen konnte. Langsam wurde Harry schwer und ich versuchte ihn anders zu packen, als auf einmal ein Tuch aus der Tasche seines Umhangs fiel. Mit Mühe konnte ich es aufheben und erkannte, dass es sein Unsichtbarkeitsumhang war, mit dem er wohl unentdeckt durchs Schloss hier her gekommen sein musste. Mit dem könnte ich ihn unauffällig rein bringen, was jedoch immer noch nicht mein Problem löste, dass ich nicht wusste wohin. Na ja, das war auch erst einmal egal, Hauptsache raus aus der Kälte. Es war schwerer als gedacht, Harry zu tragen, aber ich wollte die letzte Chance ihm so nahe zu sein, nicht verpassen, obwohl ich wusste, dass es mit einem Zauber sehr viel einfacher wäre. Denn wenn er wieder zu Bewusstsein kommen würde, konnte ich mich wohl auf eine sehr schmerzhafte Konfrontation mit ihm gefasst machen. Vielleicht weniger körperliche Schmerzen, doch ganz sicher seelische. Er könnte anfangen mich zu beleidigen und zu beschimpfen, vor Wut außer sich zu geraten und mir die Schuld daran zu geben, dass er nun behaupten konnte einen Jungen geküsst zu haben. Orientierungslos und geistesabwesend tappte ich mit Harry in den Armen und seinem Unsichtbarkeitsumhang getarnt durch die teilweise stockfinsteren Korridore. Eine Tür, die noch ein paar Schritte von mir entfernt lag, machte sich bemerkbar. Sie war mir irgendwie unbekannt. Konnte das etwa … ? Ich ging weiter auf die Tür zu und trat schließlich in den Raum ein, in dem ein Sofa und ein Sessel vor einem warm knisternden Kamin standen. Tatsächlich, es war der Raum der Wünsche. Es heißt, dass er dann erscheint, wenn er dringend benötigt wird, und dann genau das ist, was jemand gerade sucht. Ich legte Harry sogleich auf das Sofa, bedeckte ihn mit einer Wolldecke, die auf der Armlehne lag, und wollte mich selbst erst in den Sessel daneben setzten, zögerte jedoch. Sollte ich wirklich bleiben? Vielleicht wäre es besser, wenn er aufwachen würde, ohne gleich das Gesicht desjenigen zu sehen, den er wohl am meisten verabscheute. Andererseits wollte ich ihn einfach nicht allein lassen. Dazu war es viel zu schön ihn so friedlich daliegen zu sehen. Auf einmal atmete er einmal tief ein und wieder aus und bewegte sich ein wenig. Ohnmächtig war er allem Anschein nach wohl nicht mehr, aber müde genug, um direkt in die Schlafphase über zu gehen. Es war still. Totenstill. Alles, was ich jetzt noch hören konnte, waren meine Gedanken, die sich nur noch um ihn drehten. Ich hatte ihn mit dem Kuss schockieren wollen, jedoch hatte ich nicht geahnt, dass es zu so etwas hinauslaufen würde. Allerdings hatte ich jetzt eine Möglichkeit, die sich mir wahrscheinlich nie wieder bieten würde, und das Gefühl seiner weichen Lippen war einfach viel zu begehrenswert, als dass ich nun ohne weiteres gehen konnte. Leicht benebelt von der sich langsam bemerkbar machenden Müdigkeit und Harrys verlockender Hilflosigkeit näherte ich mich ihm, bis ich mich über ihn beugen konnte. Ich schloss meine Augen und während ich meinen Mund auf seinen legte, durchströmte mich eine Hormonflut. Ich genoss jeden Sekunde, die ich ihm so nah sein konnte, seine Wärme spüren konnte, denn es würden die letzten sein. Plötzlich bewegten sich seine Lippen, mein Herz setzte einen Schlag aus und ich wich sofort vor ihm zurück. Einen Moment lang dachte ich er würde aufwachen, aber das tat er nicht. Glück gehabt. Ich hatte wohl die Grenze erreicht. Wenn ich jetzt weiter machen würde, würde er sicher noch aufwachen und das Risiko wollte ich nicht eingehen. Gerade, als ich mich umgedreht hatte, hörte ich ein Gemurmel. Erneut in Aufregung versetzt schaute ich ihn an, in der Hoffnung er würde seine Worte wiederholen und ich würde sie verstehen. Und er tat es. Als ich das hörte, erhöhte sich mein Puls um ein Vielfaches und mir wurde schlagartig warm, denn das, was ich verstand, war das, womit ich am wenigsten gerechnet hatte. „Draco. Ich … ich liebe dich.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)