Die Dame hängt am falschen Strick von Hotepneith (Lord Sesshoumarus 21. Fall) ================================================================================ Kapitel 1: Sakura in der Höhle des Hundes ----------------------------------------- Neigi-sama, der älteste, und wie viele sagten, auch der weiseste unter den wenigen dämonischen Heilern, die es gab, beendete seinen Vortrag: „Nun, meine Schülerin, in diesem Fall sind sich Menschen und Dämonen wohl wirklich nicht ähnlich.“ Sie saßen beide im Privatgarten der Fürstenfamilie – sicheres Zeichen, dass zumindest der Heiler äußerst hoch bei dem Herrn der Hunde angesehen war. „Ich fürchte auch, sensei,“ erwiderte Sakura höflich: „Haben Dämonen denn niemals psychische Probleme?“ „Wenn, dann erkennt man es nicht. Ob ein Dämon, sagen wir, ein Menschendorf zerstört und auffrisst, mag für ihn selbst befriedigend sein, aber doch wäre solch ein Verhalten der Norm entsprechend. Handelt ein Mensch so, ist er eben nicht normal. Aber man erkennt es auch sehr spät – nun, ich. Menschliche Heiler haben da eher ein Auge darauf. Man sieht jedoch auch als Heiler nur das, was man selbst kennt. Durchaus ein gewisses Problem, nicht nur bei Menschen.“ „Habt Ihr mich darum vor einiger Zeit auch zu Eurem Freund gesandt?“ „Ja, du bist ein Mensch und nur, wenn dir nichts allzu Menschliches fremd bleibt, wirst du auch eine wahrhaft gute Heilerin werden. - Was möchtest du fragen?“ Dämon! Sie hätte um ein Haar geseufzt, aber sie wusste, dass ihr Lehrer oft ihre Gedanken erriet. Wie leider auch Lord Sesshoumaru. „Ich hatte ja nun bereits mehrfach die Ehre, mit dem Prinzen zu Mordfällen gesandt zu werden. Mir erschien der Unterschied zwischen Dämonen und Menschen nicht so groß. Ich meine, in der Ursache, warum sie morden.“ „Das habe ich befürchtet und wollte es dir darum erklären. Sieh, wenn ein Dämon einen Menschen tötet, so ist das für ihn so anstrengend oder belastend, als ob du eine Fliege tötest. Tötet ein Dämon einen anderen, so mag das, je nach Persönlichkeit ebenso sein, vielleicht denkt er auch ab und an an einen ehrenhaften Gegner. Aber niemals wird ein Dämon wegen des Todes einer anderen Person Gewissen haben. Und schon gar nicht zeigen. Dämonen sind nun einmal im Verhältnis zu Menschen die überlegene Rasse. Und sie tun nur, was ihnen nützlich ist.“ „Ja, ich weiß. Und ich verstehe, was Ihr sagen wollt, mein verehrter Lehrer.“ Sie zögerte, wollte nicht unbedingt Lord Sesshoumaru hinhängen. Wenn dieser davon erfuhr, mochte es für sie schmerzhaft oder auch tödlich werden. Neigi nickte jedoch bereits: „Ja, darum fällt es Seiner Lordschaft wohl leichter unter Dämonen zu ermitteln. Aber natürlich hat er bislang jedes Problem gelöst.“ Sakura verneigte sich höflich, diesmal froh, dass ihre Gedanken erraten worden waren – und sehr weise beantwortet. Der Dämonenheiler wandte sich etwas erstaunt um: „Was gibt es denn...?“ Er brach ab. Sakura sah auf. Sie konnte nur etwas wie ein leichtes Prickeln spüren – eine starke Dämonenaura, wie sie wusste: „Besuch?“ erkundigte sie sich. „Vermutlich.“ „Könnt Ihr anhand der Aura die Person identifizieren?“ Er wandte sich wieder seiner Schülerin zu: „Nur, wenn es sich um den Herrn oder seinen Sohn handelt. Deren Auren, wenn sie sie zeigen, sind so, dass es niemand anderer hat. So kann ich nur sagen, dass ein starker Dämon über ein Portal eingetroffen ist. Vermutlich ein Bote mit einer überaus wichtigen Nachricht oder ein Dämonenfürst. - Nun, meine Liebe, hast du noch Fragen? Ansonsten würde ich sagen, du besorgst dir Essen und Trinken. Danach werden wir uns ein wenig um Tierkunde bemühen.“ „Wie Ihr wünscht, sensei. Danke.“ Sie erhob sich. Ja, es war schon Mittag geworden – aber der Heiler vergaß nie, dass sie eben nur ein Mensch mit dessen Bedürfnissen war. Und da heute die Patienten nur wenige gewesen waren, hatten sie bereits vormittags Zeit gefunden, eine Lehrstunde einzuplanen. Sie saß noch im Aufenthaltsraum der Dienerschaft, als ein Mann hereinkam: „Sakura-san....der Herr wünscht Euch zu sprechen.“ Niemand im Schloss, weder Mensch noch Dämon, hätte mehr gewagt sie zu duzen, galt sie doch als Geliebte des Erbprinzen, wenn nicht gar des Herrn. Sie schluckte hinunter, während sie hastig überlegte. Aber egal, warum der Hundefürst sie sprechen wollte, sie hatte unverzüglich zu gehorchen. War etwas geschehen? Sollte sie erneut mit Lord Sesshoumaru zu einer Mordermittlung? Aber das würde sie gleich erfahren. Als sie im Arbeitszimmer des Inu no Taishou niederkniete, konnte sie nicht umhin erstaunt zu sein. Nicht Lord Sesshoumaru saß dort, sondern eine Dämonin, die sie kannte. Prinzessin Tokushima. Sie wusste, dass die stolze Hundedame eine reiche Erbin war, über eine überaus spitze Zunge verfügte – und Seine Eisigkeit nur zu gern ärgerte. Momentan diente sie bei der Hundefürstin als Haushofmeisterin, wenn sie sich recht entsann. Zumindest hatte die Prinzessin dies getan, als Lord Sesshoumaru und ihre Wenigkeit den Mord bei einem Provinzfürsten klären hatten sollen. Das Ganze hatte damit geendet, dass sie, Sakura, auf der Prinzessin in ihrer wahren Form hatte reiten dürfen oder eher müssen, da diese wohl eine Wette gegen den Prinzen verloren hatte. Die Heilerschülerin konnte trotz aller Selbstkontrolle nicht verhindern etwas wie Sorge zu empfinden. Diese Hundeherrschaften waren arrogant und stolz und der Ritt unter einem Menschenmädchen hatte Tokushima sicher nicht gefallen – obwohl sie bestimmt wusste, dass ihr selbst nichts anderes übrig geblieben war als Lord Sesshoumaru zu gehorchen. Überdies war die junge Dame ebenso frauenfreundlich wie männerfeindlich. Der Inu no Taishou nickte: „Bitte, Tokushima.“ „Ich vermute, edler Herr, dass Eure Gemahlin eher an Neigi-san dachte...“ Tokushima verriet durch nichts ihren innerlichen Aufschrei oder gar ihre Besorgnis bei dem Gedanken an die Reaktion ihrer Herrin, sollte sie statt Neigi mit dieser da ankommen. Der Hundefürst neigte etwas den Kopf zur Seite – ein kaum sichtbarer Tadel: „Sollte ich mich vor meiner Gemahlin oder gar dir rechtfertigen müssen?“ „Vergebt meine ungebührliche Bemerkung, mein Herr und Fürst.“ Die Prinzessin wusste, wann sie zurückzustecken hatte: „So war das nicht gemeint. Nur könnte der eine oder andere Dämon im Schloss doch gewisse Vorurteile gegen diesen Menschen hegen.“ Der Inu no Taishou ignorierte das: „Sakura, du wirst Prinzessin Tokushima in das Schloss meiner Gemahlin begleiten. Sie wird dir sagen,wen du untersuchen sollst.“ Ach du gute Güte, dachte die Heilerschülerin nur, die aus der Hundefürstin und Tokushima auf den Rest schloss – das konnte ja heiter werden. Lauter hyperarrogante Dämonen, für die sie nicht mehr als ein Haustier war, und das auch noch, wenn sie freundlich waren. Aber ihr war klar, dass sie gehorchten musste. So verneigte sie sich stumm. „Lass dir von Neigi die Tasche zusammenstellen. Geh.“ Sie gehorchte. Womit hatte sie denn das verdient? Das war ja fast Höchststrafe! Als sie ihren Lehrer davon berichtete, wandte der sich ab, um den Koffer mit diversen Medikamenten zu füllen: „Ich denke nicht, dass der Herr dich bestrafen will,“ sagte er: „Aber es erscheint ihm wohl merkwürdig, dass seine Gemahlin mich anfordert. Das tat sie nur zweimal, als sie dachte guter Hoffnung zu sein, und dann bei der Geburt Lord Sesshoumarus. Wie ich zuvor bereits erwähnte – Dämonen werden kaum krank. Wenn sie vorzeitig sterben, dann oft durch Gewalt.“ „Aber...warum ich?“ Er zuckte die Schultern: „Womöglich einfach, weil du ein weibliches Wesen bist. Der Herrin war es damals ziemlich...unangenehm mit mir darüber zu sprechen.“ Nun, das war untertrieben, aber wozu seine Schülerin noch mehr verschrecken. Die Herrin hatte ihm damals sachlich mitgeteilt, wenn es kein Sohn werde, würde er das nicht überleben. Und er hatte ihr geglaubt. „Überdies kennt der Herr deine Klugheit und dein Wissen.“ Zumal ihre Fähigkeit in engem Umgang mit seinem Sohn zu überleben. Vermutlich hoffte der Taishou, dass ihr das auch bei seiner Gemahlin gelingen würde. Sakura hatte nicht erwartet, dass sie nach Dämonenart reisen würden, und war ein wenig überrascht, als Prinzessin Tokushima sie mehr oder weniger unter den Arm klemmte und ein Portal erschuf. Als sie spürte, dass sie abgesetzt wurde, wollte sie sich niederknien, aber die Hundeprinzessin winkte ab: „Komm.“ Nun erst erkannte die Heilerschülerin vor sich ein schwebendes Schloss. Vor diesem, auf einem Thron, saß die Hundefürstin und musterte sie. Eine Treppe führte dort hinauf, allerdings begann diese erst in gut zwanzig Metern Höhe. Da Tokushima sie erneut packte und mit ihr auf den Beginn der Stufen sprang, ehe sie sie absetzte und sich verneigte, kniete sich Sakura höflich nieder. „Komm, Tokushima.“ Nichts in der Stimme der Herrin verriet deren Gefühle. Erst, als ihre Haushofmeisterin allein bei ihr war, fuhr sie fort: „Das da?“ „Ausdrücklicher Befehl des Herrn.“ Die Prinzessin hätte um ein Haar die Schultern gezuckt. „Natürlich nicht deine Idee.“ Die Hundefürstin bemerkte, dass einer ihrer Diener näher zu ihr trat und sah etwas auf. So neigte er sich zu ihr: „Vergebt, meine Fürstin – sollen wir diesen Menschen töten?“ Sie hob etwas die Augenbrauen. „Der Herr unseres Volkes, unser Fürst und mein Gemahl, befahl sie her. Willst du mich zu Hochverrat verleiten?“ „Natürlich nicht,“ beteuerte der Dämon hastig, der das schlicht übersehen hatte. Nun, was auch immer sich der Taishou dabei gedacht hatte, es blieb ihr wohl nichts übrig als gute Miene zu bösem Spiel zu machen: „Komm, Sakura.“ Immerhin hatte dieser Mensch Benimm. Ihr Einziger musste es ihr gut beigebracht haben. Obwohl die Heilerin sicher neugierig war oder auch unsicher in der fremden Umgebung, hatte sie mit gesenktem Kopf gewartet, bis sie angesprochen wurde. Nicht einmal einen Blick hatte sie herumgeworfen – und tat dies auch nun nicht, als sie sie Stufen emporstieg, sich erneut verneigte und niederkniete. Hm. Vielleicht sollte das doch kein schlechter Scherz sein oder ein dezenter Hinweis darauf, dass sie keinen weiteren Sohn zur Welt gebracht hatte. Sie erhob sich: „Folge mir.“ Während Sakura gehorchte, dachte sie bei sich, dass die Begrüßung freundlicher ausgefallen war, als sie es befürchtet hatte. Immerhin lebte sie noch – wobei es die Fürstin sicher kaum darauf anlegte, den Inu no Taishou durch ihre Ermordung zu erzürnen. Tokushima kam hinter ihr her und so wartete sie höflich, um die Hundeprinzessin vorbeizulassen, die diese Geste zufrieden zur Kenntnis nahm. In der Tat, mochte der Sohn des Inu no Taishou auch arrogant sein, allein durch seine Anwesenheit ihr beständig zeigen, was sie an Männern so hasste – er war intelligent und offenbar ein guter Erzieher. Die Hundefürstin betrat ihren eigenen Trakt und wandte sich nach hinten, zufrieden, dass dieser Mensch nicht so schwatzhaft war, wie sie es in manchen Dörfern schon gesehen hatte, wenn sie darüber flog. Diese Weiber tratschten ja sogar beim Wäschewaschen – und schrien: Tiergeist, wenn sie sie am Himmel entdeckten, ehe sie kreischend wegliefen. Nun, dieses Mädchen war Neigis Schülerin, da konnte man schon etwas erwarten. Überdies gab sie zu, dass ihr Gemahl es verstand die richtigen Dienstboten auszusuchen. Sie blieb stehen: „Öffne.“ Tokushima schob die Tür beiseite und Sakura erkannte zu ihrer Überraschung an der Wand eine tote Frau hängen, eine Hundedämonin. Offenkundig hatte sie sich erhängt. Ein Seil war um einen Holzbalken oberhalb geschlungen und ein Knoten lag rechts am Hals der Toten, deren Füße fast dreißig Zentimeter über dem Boden schwebten. „Beseitige sie und sorge dafür, dass sie verbrannt wird,“ befahl die Fürstin knapp. Darum hatte sie also nach Neigi verlangt, dachte Sakura und trat näher, nur in Gedanken seufzend. Es war unschicklich, starb jemand in einem Fürstenschloss und es galt als schlechtes Omen. Noch dazu ein Selbstmord. Die Unglückliche sollte sicher so rasch wie möglich fortgeschafft werden. Sie betrachtete kurz die Tote, ehe sie herumfuhr und sich niederkniete. Etwas irritiert, dass ihr Befehl nicht unverzüglich befolgt wurde, fragte die Dame: „Was?“ Scheute sich dieser Mensch etwa davor einen toten Dämon anzufassen? Sie hatte Tokushima angewiesen nichts von dem Selbstmord zu erwähnen. Der Herr der Hunde musste ja denken, sie wäre unfähig ihre Leute richtig zu behandeln. Neigi wäre wohl doch besser gewesen, aber sie hatte nicht an dieses Menschenmädchen gedacht. Sakura erwiderte aus antrainierter Sachlichkeit ohne den Blick vom Boden zu nehmen: „Die Dame hängt am falschen Strick, Herrin.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)