Meeresflüstern von Coronet (Die Hungerspiele der Annie Cresta) ================================================================================ Prolog: Ein seichtes Flüstern ----------------------------- Sanft rauschend brechen sich die Wellen am Strand. Sie bringen den Geruch von Tang und das Gefühl von Salz auf den Lippen mit sich. Zu dieser Jahreszeit ist das Wasser noch recht warm, auch wenn die erste Brise vom nahenden Winter verkündet. Entspannt fühle ich, wie die Brandung meine Füße umspielt, während diese langsam in den feinen Sand einsinken. Ein frischer Wind fährt mir durch die Haare. Wenn ich die Augen schließe, dann erscheint es mir fast, als wäre die Welt friedlich. Gleichmäßig atmend lasse ich alle dunklen Gedanken in meiner Vorstellung fortfliegen, hoch hinauf über das Meer, hinter die zerstörten Befestigungsanlagen am Horizont, die uns einst gefangen hielten, hinein in die Abendsonne. Zurück bleibt nur eine umfassende Leichtigkeit. Viel zu lange habe ich nicht mehr hier gestanden und dem Meer gelauscht. Zum ersten Mal seit einer Ewigkeit fühle ich mich wieder wie ich selbst. Die unendliche Weite des Ozeans vor mir nährt meine Kraft, anders als die engen Gänge unter der Oberfläche von Distrikt dreizehn. Flüsternd weckt das Meer alte Erinnerungen in mir wach, an Tage, die ich längst vergessen glaubte. An Menschen, die ich verloren habe. Es ist wie ein guter Freund, der einen nach einem anstrengenden Tag willkommen heißt und in seine Arme schließt. Ein wehmütiges Lächeln stiehlt sich mir aufs Gesicht, als ich mich an den Tag vor so vielen Jahren erinnere, an dem alles seinen Anfang nahm. Wäre es nicht passiert, dann würde ich heute nicht hier stehen. Dennoch wiegt mein Herz schwer mit den Erlebnissen, die mich hierher geführt haben. Und trotzdem würde ich es wieder tun, jedes Opfer erneut bringen. Er hat auch fest daran geglaubt, bis zuletzt. Bei dem Gedanken an ihn seufze ich. Es erscheint wie gestern, dass er sein Leben für die Hoffnung gegeben hat. Aber solange das Flüstern des Meeres meine Sinne erfüllt, fühle ich seine Liebe. Eine einsame Träne läuft mir über die Wange und in einem unaufhaltsamen Strudel überwältigen die Erinnerungen mich.   *** Es ist tief in der Nacht, als die ruhende Bevölkerung des vierten Distrikts von Panem aus dem wohlverdienten Schlaf gerissen wird. Eine durchdringende Sirene schallt ohne Vorwarnung durch die späte Stunde. Jedem ist klar, was dies bedeutet. Dieser Alarm erklingt nur dann, wenn ihr letzter Tribut in den unsäglichen Hungerspielen zu fallen droht, oder – und das ist der schönere Gedanke – sobald ein Tribut im Finale ist und der Sieg zum Greifen nah erscheint. Die Hungerspiele, das sind alljährliche wiederkehrende, an Grausamkeit schwerlich zu übertreffende Wettkämpfe, die einst von der Regierung des Landes ausgerufen wurden. Zur Strafe für das Volk, denn die Mutigsten eines jeden Distrikts hatten sich zusammengeschlossen und eine Rebellion gegen die ferne Hauptstadt hinter den Bergen, das sogenannte Kapitol, angeführt. Die Distrikte – dreizehn an der Zahl – verrichteten alle Arbeit in dem von Naturkatastrophen zerrütteten Land. Sie bestellten die Äcker, schneiderten die Kleidung und fertigten unzählige Geräte. All dies wurde in die Hauptstadt geschickt, welche sich seit jeher in ihrem eigenen Glanz sonnte und sich erhaben über die arme Bevölkerung in den dreizehn äußeren Bezirken wähnte. Erzürnt von dieser Ungerechtigkeit entbrannte ein fürchterlicher Krieg zwischen Arm und Reich; Leidtragenden und Unterdrückern. Aber das Glück war nicht mit den Widerstandskämpfern und sie fielen dem Kapitol zum Opfer. Der dreizehnte Distrikt wurde vernichtet und als Mahnmal für alle Rebellen in Trümmern zurückgelassen. Erneut wurden die übrigen Distrikte unter der Macht der Hauptstadt begraben, härter und strenger als beim letzten Mal. Der Preis der Rebellion – das sind die Hungerspiele. Dreiundzwanzig Kinder zahlen ihn jedes Jahr mit ihrem Leben, indem sie sich zur Unterhaltung des Kapitols in einer Arena bis auf den Tod bekämpfen. Das Vierundzwanzigste hingegen erwartet das schlimmste Schicksal. Das eines Siegers. Die Geschichte, die ich euch erzähle, beginnt mit dem Finale der 65. Hungerspiele in Distrikt vier, dem Ort von Meer und Fisch. Dessen Bewohner sind es, die des Nachts von lautem Alarm aufgeschreckt werden, um sich vor den Fernsehern einzufinden und das große Finale anzusehen. Niemand kann sich dieser Pflicht erwehren, bis auf jene, die an der Schwelle des Todes stehen. Vom jüngsten Spross bis zum ältesten Greis versammeln sich alle. Den gesamten Tag über sehen sie mit an, wie ihr tapferster Tribut – nicht einmal ganz ein Mann – sich mit einem Dreizack gegen eine viel größere Gegnerin wehrt. Bis zum Nachmittag zieht sich dieser Überlebenskampf, doch am Ende unterliegt das feindliche Mädchen. Erleichterung, Jubel und Frohsinn machen sich im gesamten Distrikt breit und eilig schafft man alles für ein ausgelassenes Fest herbei. Egal wie betrübend die Spiele jedes Jahr sind, wenn erst einmal der Sieg feststeht, dann gibt es für einen Moment bloß unbändige Freude. Soweit die gesundheitliche Verfassung es erlaubt, wird der Tribut schnellstmöglich in seinen Heimatdistrikt gebracht und mit ihm eine Auswahl der erlesensten Waren aus dem Kapitol. Für die kommende Zeit, so viel ist klar, wird es allen gut ergehen. Die nächsten Spiele liegen in weiter Ferne ...   *** Lachen erfüllt die engen Gassen im Herzen von Distrikt vier. Aufgestaute Wärme hat die Gesichter gerötet und der Wein, der heute, aber nur heute, reichlich fließt, tut sein Übriges. Zwischen den dicht stehenden Häusern gespannte Lichterketten und bunte Kerzen auf den Tischen schaffen eine Oase des Lichts im Dunkel der Nacht. Heute Abend gilt nicht einmal mehr die Ausgangssperre, ein Ereignis, das niemand freiwillig verschmäht. Der offizielle Teil der Feierlichkeiten ist längst vorbei. Der siegreiche Tribut, ein athletischer Vierzehnjähriger mit sonnengebräunter Haut und bronzenem Haar, ist bereits auf dem Podest vor dem Rathaus präsentiert worden. Eine Rede wurde gehalten, ein heroischer Zusammenschnitt seiner Highlights aus den Spielen gezeigt. Doch jetzt liegt die reich geschmückte Bühne verlassen da, Tribut und Mentoren haben sich in der Menge verloren. Die Erwachsenen sitzen dennoch ausgelassen beisammen, während Kinder und Jugendliche in Gruppen durch die Gegend stromern und vergnügt Streiche spielen, Essen stibitzen oder anderweitig diesen besonderen Tag genießen. Er lässt sie all das sonstige Leid vergessen, was sie bis hierhin erfahren haben. Für einen glückseligen Moment scheinen die Hungerspiele nur ein böser Traum zu sein, obwohl sie doch gerade erst geendet haben. »Annie, Annie, komm!« Aufgeregt läuft ein Junge von vierzehn Jahren durch die Gassen, flink Haken um die Tische schlagend. Er dreht sich immer wieder um, denn ihm folgt ein schmales Mädchen, dessen dunkle Haare wild hinter ihr her wehen. Sie rennt, so schnell sie kann. »Warte auf mich!« Für einen Moment hält er inne, wartet, bis sie zu ihm aufholt, und ergreift dann ihre Hand. Er zieht sie mit sich, ungeduldig an ihrem Arm zerrend. »Warum hast du es denn so eilig?« »Die anderen behaupten, der Sieger ist unten beim Strand! Ich will ihn mir unbedingt mal aus der Nähe ansehen! Der jüngste Gewinner aller Zeiten, kannst du dir das vorstellen? So alt wie ich!« Sein ungläubiges Schnauben wird von den Häuserwänden ringsum zurückgeworfen und er läuft wieder los. Immer weiter führt der Weg die beiden durch das Gewirr aus Gassen, fort von dem Fest. Es ist ein Geheimnis von Distrikt vier, dass jeder Weg, gleich wo er seinen Anfang hat, sein Ende stets am Meer findet. Von einem sanften Hügel aus, auf dem das Rathaus liegt, erstreckt sich die große Kernstadt bis zum Ozean, wo an einem breiten Betonpier gut vertäut unzählige Fischerboote liegen. Auf der anderen Seite, an den Hängen der Anhöhe, erheben sich düster die Fabriken, in denen Fisch filetiert, portioniert und tiefgefroren abgepackt wird. Jetzt bei Nacht ruhen die Fließbänder. Etwas weiter ab vom schmutzigen Hafenbecken gibt es allerdings immer noch Streifen naturbelassenen Strandes, in dessen Nähe bloß die Holzhütten der Ärmsten stehen. Windschiefe Schindeln, die hastig zusammen geschustert sind, verhängt mit Tüchern und Plastikplanen. Einige von ihnen nutzen illegale Netze, um wenigstens ein paar kleinere Fische für die Familie zu fangen. Doch selbst hier ruhen die Menschen heute Abend und lassen sich das große Fest auf dem Hügel nicht entgehen. Für viele ist es die einzige Möglichkeit, sich einmal so richtig satt zu essen. Je mehr sich die beiden Kinder dem Meer nähern, desto stärker werden der Geschmack des Salzes und die Geräusche der Brandung. Allmählich verdunkelt der Weg sich und als sie schließlich keuchend aus der letzten Gasse gerannt kommen, umgibt sie nur noch die blau-schwarze Nacht. Der Strand liegt in tiefster Dunkelheit da, nur in der Ferne schimmern Lichter. Fasziniert legt das Mädchen ihren Kopf in den Nacken und erblickt die Vielzahl an leuchtenden Sternen. Mit großen Augen späht sie hinauf zu dem entfernten Funkeln. »Wow«, ist alles, was sie flüstert, »ich vergesse immer, wie schön es hier bei Nacht ist.« Neckisch lacht der Junge an ihrer Seite. »Siehst du, allein dafür hat es sich gelohnt. Mach dir nicht immer so viele Sorgen um die blöden Friedenswächter, heute sind sie alle betrunken beim Fest. Los komm, weiter!« Gemeinsam laufen sie den Strand hinunter, wo sich bereits eine größere Gruppe von Kindern und Jugendlichen versammelt hat. Einige der Mutigeren unter ihnen haben eine Fackel von dem Fest entwendet, welche nun in den weichen Sand gerammt weiter brennt, ein winziger Fleck Licht in der pechschwarzen Nacht. Aufgeregt tuscheln sie durcheinander. »Ich habe ihn weglaufen sehen, irgendwo hier war er, wenn ich es euch doch sage!« »Glaubt ihr, er ist gefährlich?« »Ich würde so gerne die Geschichten aus der Arena hören!« Doch weit und breit ist niemand außer ihnen zu sehen. Unentschlossen, was nun zu tun ist, lassen sie sich in einem Kreis um die Fackel nieder. Ein großes Mädchen beginnt, die Heldengeschichte des siegreichen Tributs der diesjährigen Hungerspiele nachzuerzählen. Sie ist reichlich ausgeschmückt und vor allem deutlich heldenhafter, als sie sich in Wahrheit zugetragen hat. Natürlich hat keines dieser Kinder eigene Erfahrungen mit den Spielen, sodass niemand um die traurige Wirklichkeit weiß. Stattdessen werden die zahllosen brutalen wie auch blutigen Tode der dreiundzwanzig anderen Tribute eher kurz erwähnt. Schon alleine bei der Vorstellung läuft es den meisten von ihnen insgeheim kalt den Rücken herab, vor allem dem Mädchen mit ihrem Freund. Man kann den Kindern keinen Vorwurf machen, denn sie sind noch so jung und viele wurden von den Eltern davor bewahrt, die Tode direkt anzusehen. Für sie überschattet der vermeintliche Ruhm des Sieges in diesem Moment alles. Sie verspüren eine ferne Angst vor den Spielen, doch mit dem Fest in vollem Gang, kann sich kaum einer der Vorstellung erwehren, wie es wäre, genau so als Sieger geehrt zu werden. Immerhin gibt es in ihrem Distrikt eine Akademie für all jene, die für die Spiele trainieren wollen. Alle siegreichen Tribute haben sich dort vorbereitet – und sind zu Legenden aufgestiegen. Genau wie der jüngste Gewinner, der sich freiwillig gemeldet und schlussendlich überlebt hat. In ihrer naiven Sicht funktioniert es. Wenn man einmal gewonnen hat, dann darf man sorgenfrei oben im Dorf der Sieger leben, wo es einem an nichts mangelt – so glauben sie. Doch mit dem Alter wird sich ihre Perspektive ändern. Das braunhaarige Mädchen hegt keinen dieser Träume. Lieber will sie weiter ihrem Vater bei der Fischerei helfen. Gerne einmal wünscht sie sich, das große Kapitol zu sehen, denn das muss wirklich beeindruckend sein. Doch am schönsten findet sie es hier in ihrem Distrikt, am Meer, wenn das Wetter gut ist und alles im Sonnenschein erstrahlt. Schon bald hat sie keine Lust mehr, den Geschichten der anderen zuzuhören. Der Junge, mit dem sie hierher gekommen ist, scheint hingegen tief in das Gespräch versunken zu sein und beteiligt sich mit den wildesten Spekulationen über die Geschehnisse in der Arena. Im schwachen Licht der weit herunter gebrannten Fackel bemerkt niemand, wie sich das Mädchen in die Schatten zurückzieht. Sie läuft die Bucht hinab, die Füße im Wasser. Es ist eigentlich nicht erlaubt, hierherzukommen, doch heute Nacht ist kein Friedenswächter auf Patrouille. Am Strand ist das Meer viel schöner als am Hafen, findet sie. So rein und friedlich. Es ist ein Anblick, den sie sich in ihrem Herz aufbewahren will, für schlechtere Tage. Im Mondlicht glitzern Steine auf dem Sand. Einer spontanen Eingebung folgend, hebt sie einen davon auf, um ihn über die Wellen hüpfen zu lassen. Vor langer, langer Zeit hat sie einmal ihrer Mutter dabei zugesehen, als sie noch näher am Strand wohnten, bevor sie ein eigenes Fischerboot hatten. Eine Weile lässt sie gedankenverloren die Kiesel springen, ehe sie mutiger wird. Ein paar Schritte geht sie tiefer ins Wasser und beobachtet, wie es durch ihre Hände gleitet. Die Friedlichkeit des Moments umgibt sie, die Angst vor den weiß gewandten Soldaten des Kapitols vergessen. Wenn sie die Augen schließt, hört es sich an, als wolle das Meer ihr etwas zuflüstern. Sie vergisst die Zeit, während sie dasteht und auf die Wellen lauscht. Erst ein verräterisches Plätschern zu ihrer Seite schreckt sie aus ihren Wachträumen. Angsterfüllt versucht sie, einen Schritt zurückzuweichen, in der Erwartung, einen Friedenswächter auf sich zu stapfen zu sehen, sodass sie in dem weichen Schlamm zu ihren Füßen ausrutscht und in das seichte Wasser plumpst. Doch es ist nur ein Junge, kaum älter als sie, der aus dem Meer auftaucht. Unbeweglich schauen sie den jeweils anderen für einen Moment an, ehe er verschwörerisch einen Finger an seine Lippen legt. Mit großen Augen beobachtet sie, wie er aus dem Wasser kommt, komplett in feinste Kleider gehüllt. Sie erkennt ihn, ohne ihn zu kennen. Er ist schließlich überall im Fernsehen – der Sieger der 65. Hungerspiele. Hastig wendet sie ihre Augen ab. Unbeabsichtigt hat sie ihn gefunden und mit einem Mal schämt sie sich, hierher gekommen zu sein. »Ich ... - ich wollte dich nicht stören«, fängt sie zögernd an, aber er unterbricht sie mit einem leisen Lachen, das sie an das Glucksen der Wellen am Rumpf eines Bootes erinnert. Ein so sanftes Geräusch hat sie von einem Jungen, der andere mit einem Dreizack durchbohrt hat, nicht erwartet. »Das Gleiche wollte ich auch gerade sagen«, meint er amüsiert. »Du siehst beschäftigt aus.« Zum Glück sieht er in der Dunkelheit nicht, wie rot sie wird. Was hat sie sich nur dabei gedacht, alleine ans Wasser zu verschwinden? Das hat sie nun davon! »Ach, ich hab doch nur…«, sie gestikuliert etwas hilflos in Richtung des dunklen Strandes, »weg von den anderen gewollt.« »Hm«, brummt der Junge zustimmend und lässt sich unerwartet neben ihr in der Brandung nieder, wo sie hingefallen ist. »Und ich erst. Dort oben lassen sie einen ja nie in Ruhe.« Für einen Moment herrscht Schweigen, in dem das Mädchen überlegt, ob sie zeigen soll, dass sie weiß wer er ist, oder ob sie es lieber ignorieren sollte. Bevor sie eine Entscheidung getroffen hat, spricht der Junge schon weiter. »Außerdem war es eine gute Idee, dieses beschissene Ding, diese Krone, loszuwerden.« Ob der sichtlichen Frustration in seiner Stimme schaut sie ihn zaghaft von der Seite an. Es ist schwer, die Gefühle auf dem Gesicht des Jungen zu deuten. Er sieht jedenfalls nicht nach Freude aus. Sie findet keine passenden Worte für diese Situation, also nickt sie bloß. »Sollen doch die Fische sie fressen«, setzt er leise hinzu. Sie wagt nicht, ihn anzusehen. Seine Stimme zittert so, wie die von ihrem Vater, an dem Tag, da ihre Mutter starb. Damals fielen stumme Tränen seine Wangen herab, wenn er dachte, dass sie wegsah, und sie ahnt, dass es bei dem Jungen ganz ähnlich ist. Einer der Steine, die sie vorher hat hüpfen lassen, liegt zu ihren Füßen und sie hebt ihn auf. Angenehm glatt schmiegt er sich in ihre Hand. Nervös dreht sie den von den Wellen geschliffenen Kiesel in den Fingern, unsicher, ob sie etwas sagen sollte. Auf jeden Fall wird sie ihn nicht nach seinen Hungerspielen fragen. Ihr Mitleid will er vermutlich ebenso wenig. Trübsinnig wirft sie den Stein von sich. Je länger das Schweigen andauert, desto mehr wünscht sie sich, sie wäre dem Sieger nie begegnet. Leicht segelt ihr Kiesel über die Wellen, bevor er platschend versinkt. Das Geräusch lässt den Jungen an ihrer Seite heftig zusammen schrecken, als würde die Sturmflutsirene plötzlich losgehen. Aber er fängt sich schnell wieder und strafft seine Schultern. Stumm hebt er einen anderen Stein auf und wirft ihn ihrem hinterher. Er hüpft nicht so weit wie ihrer. Lächelnd reicht sie ihm einen zweiten Kiesel. »Neuer Versuch, neues Glück.« Ungläubig sieht er sie an, doch dann erwiderte er ihr Lächeln.   *** Dieses Mädchen, das bin ich. Annie Cresta. Nicht weit in der Zukunft, werde ich ihm, dem strahlenden und doch so traurigen Sieger, wieder begegnen. Wenn mein Leben sich für immer verändert – unser Leben. Hätten wir nur geahnt, was das Schicksal bereit hält ... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)