Meeresflüstern von Coronet (Die Hungerspiele der Annie Cresta) ================================================================================ Kapitel 32: Auf weißen Schwingen --------------------------------  Auf weißen Schwingen - Siebenundzwanzigstes Kapitel * Counter: 7 Tage, 12 Stunden, 23 Minuten // Tote: 13 // Lebende: 11 Claudius! Können wir jetzt endlich auf ein wenig… Spannung hoffen? Caesar, sie können sich gar nicht vorstellen, wie sehr ich das hoffe! Auf jeden Fall liegt etwas in der Luft! Ich möchte nicht in der Haut der nichtsahnenden Tribute stecken, die einander bald im Kampf Gegner sein werden… Ich auch nicht, ich auch nicht… aber spannend wird es!   Sie stehen uns gegenüber, blutbefleckte Grinsen im Gesicht, umgeben von den Leichen aller gefallenen Tribute, ich kann die kleine Haunie und auch Wyatt unter ihnen ausmachen. Zusammengerollt liegen sie in einem Kreis um die Karrieros herum, die zusammen eine Phalanx bilden, jeder eine lange, rote Klinge in der Hand. Ihr Lächeln wirkt herablassend, ja fast schon spöttisch. Maylin grinst erhaben, denn sie fürchten mich nicht. Ich bin doch nur Annie, der kleine Tribut aus Distrikt vier, der sich geweigert hat, zu einem von ihnen zu werden! Mein Körper wird regungslos, ich bin wie gelähmt. Sie halten Pon in ihrer Mitte gefangen, doch er macht keine Anstalten, sich zu wehren. Wut überkommt mich, ich verkrampfe meine Hand zur Faust. Warum soll ich mich so quälen, warum sollen wir kämpfen, wieso meinen diese Tribute, dass sie uns mit Recht töten können?  Alles wird schwarz, wenn ich ein Schwert vom Boden erhebe und auf sie losgehe, völlig von Sinnen, doch ich verliere einfach die Kontrolle, mein Körper bewegt sich ohne mich. Zum Glück ist das nur eine Vision, die sich wie ein Alptraum in mir festgesetzt hat. Immer wieder flammen einzelne Bilder daraus vor meinem inneren Auge auf und ich spüre, wie etwas meine Brust zusammendrückt. Ich habe Aramis an meiner Seite und wir sind Kämpferinnen – irgendwie schaffen wir das auch ohne Blutvergießen und Gemetzel. Hoffe ich zumindest, naiv wie ich bin. Die Kontrolle über sich selbst zu verlieren, und sei es nur in seinen eigenen Gedanken, ist beängstigend. Niemals, hatte ich mir vor den Spielen geschworen, würde ich jemandem das Leben nehmen wollen. Doch jetzt… es scheint, als würde alles sich ändern. Wie soll man sich selbst treu bleiben? Tief über uns am Himmel steht die Sonne und färbt alles in einem warmen Licht. Nichts erinnert mehr an das Erdbeben von vorhin, außer einigen gelegentlichen Erdspalten, die sich aufgetan haben, wie gähnende Rachen klaffen sie auf, manche gut ein, zwei Meter tief. Noch immer fühle ich das Zittern in meinen Muskeln nach, doch die Welt kommt erstaunlich schnell wieder zur Ruhe. Selbst, wenn man in der Arena ist. Wo eben noch wildes Chaos herrschte und die Welt zu zerbrechen schien, ist jetzt alles leise und man hört nur das sanfte Rascheln des Grases. Nachdenklich lasse ich meinen Blick über den Horizont gleiten. Seit langem habe ich mich gefragt, wie sich mein Vater und mein Bruder wohl fühlen, wenn sie mich hier in dieser trügerischen Idylle sehen müssen. Lauert vielleicht gerade irgendwo eine Gefahr? Flehen sie mich innerlich an, es nicht zu tun, dieses selbstmörderische Vorhaben mit Aramis? Geht es meinem Vater überhaupt gut? Wenn er doch nur wüsste, dass ich das alles nur für ihn tue… Wie fühlt es sich an, ein Sponsorengeschenk für mich zu suchen? So gerne würde ich auch Finnick jetzt einmal sehen, und Amber, Floogs, Trexler, Mags… Aber vor allem Finnicks Stimme möchte ich gerne noch einmal hören, seine Umarmungen spüren, seinen Duft nach Ozean und Frühling riechen. Ich vermisse ihn fürchterlich und je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr zersplittert es mein Herz. Liebe braucht nicht viel, außer zwei Herzen, die einander finden und wissen, dass es wohl so kommen musste. Auch wenn wir uns gar nicht so lange kennen – seit wir uns voneinander verabschiedet haben, weiß ich, dass es echt ist. Denn es ist anders, als mit David, so anders. Unwillkürlich fährt meine Hand an den Hals und ich ertaste meinen kleinen Anhänger und das Medaillon. Möglichst positiv versuche ich gerade aus zu sehen, um allen, die um mein Leben bangen zu zeigen, dass ich wieder erstarkt bin und nicht aufgeben werde, alleine um ihnen Hoffnung zu geben, als ich einen schwarzen Schatten erspähe, der vor der Sonne kreist – ein Vogel. Mir reicht schon der Anblick dieser möglichen Nahrungsquelle, um mir das Wasser im Mund zusammen laufen zu lassen. Ein Großteil unserer Vorräte ist bei dem Erdbeben zurückgeblieben und die ewigen Trockenfrüchte und Kräcker sind auf die Dauer nicht sonderlich nahrhaft. Doch wir brauchen Kraft für unseren geplanten Überfall. Aufgeregt zupfe ich Aramis am Ärmel. „Was?“, fragt sie verwundert. „Aramis, ich weiß, wie wir eine warme Mahlzeit bekommen können!“ Überrascht blickt sie mich an. „Aber es gibt doch nichts außer Kräcker und Trockenfrüchte…?“, fragt sie. „Doch!“ Ich ziehe sie zu mir heran und deute auf den Vogel, der seine Kreise zieht. Neben mir seufzt Aramis und hebt an: „Annie, der ist sogar für meinen Bogen zu weit weg“, doch ich unterbreche sie einfach. „Ich habe diese Vögel schon einmal gesehen, als ich in einen Steinschlag geraten bin. Sie saßen auf den Bäumen, perfekt getarnt durch ihre dunkle Farbe!“ Mit einem merkwürdigen Gesichtsausdruck betrachtet Aramis mich und dann die umstehenden Bäume. „Ich bin wohl nicht blind, aber ich sehe da keine Vögel auf den Bäumen“, entgegnet sie, leichte Ungeduld in der Stimme. Ebenfalls ungeduldig fahre ich fort: „Eben weil sie perfekt getarnt sind! Bei dem Krach damals sind sie aufgeflogen und hier sind bestimmt auch welche. Wenn sie noch ein wenig aufgescheucht sind, durch das Erdbeben, so können wir sie vielleicht besser ausmachen!“ Nun scheint auch Aramis zu merken, dass es mir bitterernst ist und sie tritt näher an einen der fast schon schwarzen Bäume heran, an dessen Ästen sogar ein paar bemitleidenswerte graue Blätter hängen. Eng stehen die Äste beieinander, sodass die Baumkrone ein grau-schwarzes Geflecht bildet. Völlig stumm und starr stehen wir zwischen diesen Bäumen, die mir in der ersten Nacht noch unheimlich erschienen, und warten auf ein Lebenszeichen. Nur langsam gewöhnen sich meine Augen an den Farbmischmasch, doch mit der Zeit bilden sich immer klarere Konturen heraus. Eines muss man den Spielemachern lassen, sie haben die Vögel wirklich sehr gut versteckt. Doch plötzlich, da, in einem der Bäume, ein Rucken! Aufgeregt stoße ich Aramis an und wir starren den Baum förmlich an, warten auf eine neuerliche Bewegung und tatsächlich, erneut bewegt sich etwas in dem Baum. Für einen kurzen Moment löst sich einer der Vögel ein wenig vom Ast, flattert harmlos mit den Flügeln. Diesen Augenblick nutzt Aramis, in Sekundenschnelle hat sie einen  Pfeil an die Sehne gelegt und schießt auf den Baum. Allerdings ist auch sie nicht unfehlbar und so verfehlt der Pfeil sein Ziel. Unter Protestgeschrei fliegen jedoch die Vögel aus dem Baum auf, aus ihrer Ruhe erweckt. Das Flattern von Flügeln umgibt uns beide und Aramis feuert wie mehrere Pfeile blindlings um sich. Es dauert nur wenige Sekunden, dann sind die Vögel auch schon von dannen geflogen und nur noch als Schatten am Himmel erkennbar. Aber direkt vor unseren Füßen, im hohen Gras liegt ein erlegter Vogel, den Pfeil im Bauch steckend. Zufrieden lächelnd sammelt Aramis ihn auf und zieht den Pfeil aus seinem weiß gefiederten Bauch, während ich die restlichen Pfeile einsammle, die allesamt leer im umliegenden Gras liegen. Doch ein Vogel sollte völlig reichen. Interessiert mustern wir beide den Vogel, der immer noch in Aramis ausgestreckter Handfläche liegt. Sein Obergefieder ist bräunlich-schwarz, doch auf der Unterseite ist er hell weiß. Noch nie zuvor habe ich so einen Vogel gesehen und Misstrauen keimt in mir auf, ob das Ganze nicht doch eine perfide Falle der Spielemacher ist. „Wow“, sagt Aramis jedoch, „eine Spottdrossel! Die kenne ich nur aus den Lehrbüchern.“ Bewundernd dreht sie das Tier in ihren Händen, während ich sie nur fragend anblicke. „Ein harmloser Vogel aus den äußeren Distrikten“, ergänzt sie. „Sie haben sich damals mit den gezüchteten Schnattertölpeln fortgepflanzt und so sind die Spotttölpel entstanden.“ Ein bewunderndes „Oh“, ist alles, was mir dazu einfällt, doch weitere Worte sind nicht nötig, denn ein lautes Donnern zerreißt die Stille der Arena. Ein weiterer Kanonenschlag – ein weiterer Tod. Doch es stellt sich keine Furcht mehr bei mir ein, nur die müde Hoffnung, dass es nicht Pon war. Nicht Pon… Doch meine wirklich wichtigen Gedanken sind hier, denn während ich noch bedenke, ob wir nicht lieber erst einmal schauen sollten, ob der Vogel unbedenklich ist, hat Aramis bereits ein Messer gezückt und schneidet dem Tier ohne auch nur mit der Wimper zu zucken den Bauch auf. Angewidert wende ich mich ab und mache mich lieber nützlich, indem ich Feuerholz sammle, was dank der umstehenden Bäume, die knochentrocken sind, keine große Herausforderung ist. Innerhalb kürzester Zeit habe ich einen beachtlichen Haufen zusammengesammelt und Aramis den Vogel soweit gerupft und ausgeweidet, dass wir ihn essen können. Die Reste verscharrt sie vorsorglich in der harten Erde, während ich, mit zugegebenermaßen leichtem Ekel, die Fleischstücke auf lange, dünne Äste spieße, damit wir sie leichter im Feuer rösten können. Natürlich war ich an der Station für Wildfeuer gewesen, doch ich habe kaum noch Erinnerungen an das Training dort. Ich weiß nur noch, dass man pusten musste, damit das Feuer nicht erlischt. Aber wie ich überhaupt ein Feuer in die Gänge kriege, das ist mir schleierhaft. Auch Aramis sieht sich nachdenklich um, doch anscheinend scheint es nichts Geeignetes zu geben, deshalb entscheidet sie sich, dass Feuer durch Reibung zu erzeugen. Beide ergreifen wir je einen Ast und fangen an, ihn zwischen den Händen hin und her zu drehen, damit Funken entstehen. Allzu einfach ist dies nicht, denn immer wieder entgleitet mir der Stab oder rutscht vom glatten Holz ab. Ganz anders sieht das bei Aramis aus, die es tatsächlich schafft, den Stab relativ gleichmäßig zu drehen, doch auch bei ihr scheinen keine Funken zu entstehen, stattdessen zerfasert nur langsam das Holz. Es kommt mir vor, als wären es Stunden, die wir versuchen, das Feuer zu entzünden, die Sonne geht weiter ihres Weges und es wird Nachmittag, doch es gibt kein Feuer. Entmutigt und all der Euphorie beraubt, schmeiße ich den Stab von mir und lasse mich auf den Rücken fallen, den Blick in den hellen Himmel gerichtet, über den schwerfällig die dicken Wolken kriechen. Neben mir höre ich nur das Schaben von Aramis fruchtlosen Bemühungen um Funken. So, wie ich hier daliege, faul und gewärmt von der Sonne, könnte ich einfach einschlafen, doch als es gerade soweit wäre, dass ich eindämmern würde, weckt ein zaghaftes Klingeln mich. Träge blinzle ich und schrecke im gleichen Moment auf. Mitten auf mich fliegt ein graues Etwas zu. „Wah!“ Aufgescheucht rutsche ich fort und erkenne erst, als das ominöse Objekt gelandet ist, dass es sich um einen neuerlichen Fallschirm handelt, an dem ein graues Kästchen hängt. Aramis hat nicht einmal aufgeschaut und so robbe ich zu dem Schirm und löse das Kästchen. „Aramis, ein Fallschirm!“, sage ich begeistert, während ich mich mit dem Verschluss beschäftige, doch aus ihrer Richtung ertönt nur ein abwesendes Brummeln. Hat sie überhaupt richtig verstanden? Eindringlicher wiederhole ich: „Ein Fallschirm!“ „Das sagtest du schon“, kommt es weiterhin abwesend von ihr. Ein Moment der Stille folgt, dann: „Ein Fallschirm?“ Überrascht schaut sie von ihrer Arbeit auf, nicht jedoch ohne aufzuhören, das Holzstäbchen zu drehen. Mit einem Klicken öffnet sich das Kästchen jetzt vor unseren Augen und offenbart: Eine Schachtel Streichhölzer. Sie ist, wie alles andere auch, grau. In schwarzen Lettern steht auf dem Deckel: Ich glaube an euch. – Felix. Es ist zwar nicht mein Sponsorengeschenk, doch auch in Distrikt 10 glaubt man, zumindest teilweise, an mich. Im Prinzip reicht es, dass man auch an mich gedacht hat. Lächelnd reiche ich die Schachtel an Aramis weiter und beobachte, wie ihr Gesicht erstrahlt, als sie die kurze Botschaft ihres Mentors liest. „Er glaubt an uns“, flüstert sie andächtig. Dann, als hätte man sie in einer viel zu intimen Situation erwischt öffnet sie die Schachtel energisch, verscheucht das Lächeln und zündet stattdessen mit einem Streichholz den Haufen Feuerholz an. Innerhalb kürzester Zeit brennt er und wir halten unsere Äste über das Feuer, das sich langsam ausbreitet und zu voller Größe findet. Nicht lange dauert es, bis der Vogel gebraten wird und sein verführerischer Duft uns in der Nase kitzelt. Während wir essen ist kein Laut zu hören, viel zu beschäftigt sind wir damit, unsere Mägen mit dieser reichhaltigen Nahrung zu füllen. Längst habe ich vergessen, dass ich anfangs skeptisch war, sondern nehme glatt noch ein weiteres Stück, welches schon fast angebrannt ist. Mittlerweile brennt das Feuer lichterloh und der gesamte, große Haufen aus trockenen Ästen brennt hell und heiß. Als wenn die Hitze der Arena nicht genug wäre, wärmt uns nun auch noch das Feuer, doch in der Nacht, wenn man es wirklich braucht, ein Feuer zu machen, das wäre glatter Selbstmord. So bleibt uns nichts anderes übrig, als von den lodernden Flammen Abstand zu nehmen und das Feuer zu betrachten. Schweigend beobachte ich, wie knackend die Zweige bersten und die Funken sprühen. Erst, als plötzlich das Gras in unserer unmittelbaren Nähe zu qualmen anfängt, wird uns unser schwerwiegender Fehler bewusst: Wir haben das Feuer auf dem trockenen Gras entzündet! Flammen züngeln bereits im verdorrten Gras und breiten sich in rasender Geschwindigkeit aus, fressen sich gierig zu uns vor. „Oh mein Gott, Aramis, was sollen wir tun?“, entrinnt es mir panisch. Für einen Moment sind wir geschockt und starren die um sich greifenden Flammen konsterniert an, ehe wir mit einem Satz auf die Beine springen. Aramis springt heldenhaft auf den Rucksack zu, in dessen Richtung sich das Feuer ebenfalls ausgebreitet hat. Die Wasserflasche in der Hand beobachtet sie das Feuer, doch als ich ängstlich rufe: „Nicht das Wasser, nicht das Wasser!“, da scheint sie sich zu besinnen und schüttelt nur den Kopf. Mit wenigen Schritten ist sie bei mir und zieht an mir. „Suchen wir unser Heil lieber in der Flucht“, sagt sie, doch ich stehe stocksteif dar und starre die verheerenden Flammen an. „Aber… alles wird brennen. Es ist doch alles trocken“, kommt es weinerlich aus meiner Kehle. Fassungslos begegnet Aramis meinem Blick. „Willst du lieber bei dem Versuch das hier zu retten von den Flammen erfasst werden?“ Sie schüttelt den Kopf und packt meinen Arm fester. „Komm!“, drängt sie. Nur noch einen Moment starre ich die sich ausbreitende Feuersbrunst an, die sogar schon an den Bäumen leckt, dann drehe ich mich um und folge Aramis. Ich habe Angst vor den Flammen, denn ich könnte sie niemals löschen, aber genauso sehr habe ich Angst, dass die gesamte Arena in Flammen stehen wird – wegen uns. Doch Aramis ist unerbittlich und zieht mich im Laufschritt fort, ich folge ihr lediglich wie ein nasser Sack Mehl, keuchend und mit Stichen in der Seite, die jeden Schritt zu einer anstrengenden Qual machen. Erst nach mehreren Metern lässt sie mich los und wir verfallen wieder ins Schritttempo. Der Blick über die Schulter zeigt mir, dass sich bereits dichter Rauch am Himmel abzeichnet. Sorgenvoll legt sich meine Stirn in Falten, doch meine Empfindungen werden von Aramis nicht geteilt, denn sie lächelt nur, während sie sagt: „Vielleicht treibt uns das die Karrieros sogar in die Hände.“ Trotz des Brandes vollgeschlagen mit köstlicher Spottdrossel folgen wir am Nachmittag also weiter unserer Route, von dem drohenden Rauch im Rücken bedroht. Noch  heute können wir es schaffen und das Füllhorn erreichen, wenn die Karrieros uns nicht sogar begegnen, denn wir müssen nur noch um die Südöstliche Bergflanke, dann sind wir dort. Mit dem vollen Magen ist auch ein Teil unserer Euphorie zurückgekehrt und so gut gelaunt, wie es uns angesichts der Feuerkatastrophe und des Bevorstehenden möglich ist, wandern wir weiter. Eines zeigt sich hier unten ganz deutlich: Die Arena ist wirtlicher an dieser Stelle. Auch wenn das Gras trocken ist, so gibt es hier doch immerhin welches, ebenso wie die Bäume verkümmerte Blätter tragen und es sogar kleine Büsche gibt. Natürlich liegen auch hier immer noch vereinzelte Gesteinsbrocken in der Gegend, doch insgesamt gefällt es mir hier schon viel besser. Die Berggegend, welche die Arena zu den Seiten begrenzt war ziemlich trostlos. Stumm wandern wir, sonderlich viel gibt es nicht mehr zu besprechen, weder von meiner Seite aus, noch von Aramis aus. Wir sind aufgeregt und als ich bei einem Rascheln sogleich zusammen zucke, ergreift Aramis still meine Hand, ohne sie wieder loszulassen. Noch nie hat sie viel geredet und so ist es auch ganz gut, es würde mich wohl ohnehin nur verrückt machen. Die Bäume rascheln leise im Wind, als wir schließlich die Bergflanke umrundet haben. Von nun an sind es nur noch wenige Meter, die Karrieros aber sind uns noch nicht begegnet – was ein gutes oder schlechtes Zeichen sein kann. Ich fühle mich, als würden sie im Fernsehen nun eine gefährliche, drängende Musik einspielen, während die Zuschauer voller Spannung langsam vergessen, in ihre Popcorneimer zu langen, weil ihr Herz in einem Rhythmus mit unseren klopft, vor lauter Anspannung. So vielen Widrigkeiten haben wir nun also getrotzt, wie die Helden in einem alten Roman und nun stellen wir uns der größten Herausforderung, deren Ausgang ungewiss ist. Den Speer in die Hände genommen, warte ich unter einem Baum, während Aramis hinauf klettert, um sich einen Überblick über die Lage zu verschaffen. Ich selber wollte nicht auf einen Baum hinauf, denn ich hätte nur Angst vor dem, was ich sehen könnte. So tut sie es, anstelle von mir. Eine Zeit lang ist alles still, nur gelegentlich höre ich, wie sie sich etwas bewegt. Doch schließlich knacken die Zweige, woraufhin ich zusammenzucke, da mir selbst dies wie ein verräterisches Zeichen vorkommt. Mit einem dumpfen Plumps landet sie neben mir, dieses undurchsichtige Lächeln im Gesicht, was sie auch schon vor dem Überfall auf das Sucherlager trug. „Die Karrieros sind zu Hause. Nichts ahnend braten auch sie sich gerade ihr Abendessen. Den Rauch im Osten scheinen sie nicht einmal bemerkt zu haben.“ „Okay“, flüstere ich, etwas heiser, und fasse den Griff des Speeres fester. Der Moment der Wahrheit kommt also. Aramis nimmt ihren Bogen vom Rücken und legt einen Pfeil locker an die Sehne. So gerüstet verlassen wir vorsichtig unsere schützende Baumgruppe. Wie witternde Hasen stehen wir da, im ungeschützten Gelände, inspizieren eiligst unsere Gegend, um dann im Laufschritt zur nächsten Baumgruppe zu hechten. Langsam bin ich den Spielemachern sogar ziemlich dankbar für diese wahllos platzierten Bäume, deren Schutz besser als nichts ist. Der Himmel, der am Mittag für kurze Zeit aufgerissen ist, ist nun auch wieder von Wolken verhangen und die Schwüle ist unerträglich, man  hat das Gefühl, dass ein unglaublich großes Gewicht einen stetig nach unten zieht. Über unsere Körper läuft der Schweiß, als wir uns in den Schutz der Bäume drücken. „Siehst du dort?“ Mit ausgestrecktem Arm deutet Aramis nach vorne. Mein Blick folgt dem ihren und ich erkenne, dass wir uns knapp oberhalb des Füllhorns befinden, dass noch in einer kleinen Senke liegt, genauso, wie ich es in Erinnerung habe. Es glänzt golden und Rauch steigt auf. Natürlich ist ihr Feuer besser vorbereitet als unseres, mit einem schützenden Ring aus Steinen um die wilden Flammen herum. Doch sie sitzen nicht friedlich um das Feuer herum, sondern Shine steht, die Arme in die Hüften gestemmt, am Feuer und scheint wütend etwas zu rufen, doch wir können es in unserem Schutz nicht verstehen. Dafür kann ich ziemlich gut erkennen, dass Floyd jetzt aufspringt und mit großen Schritten auf sie zuläuft, sie an der Schulter packt und ihr etwas ins Ohr schreit. Sonderlich harmonisch ist das Abendessen bei den Karrieros allem Anschein nach nicht. Etwas abseits steht Maylin, die Arme abwehrend verschränkt und guckt einfach nur unendlich grimmig. Slay ist der Einzige, den ich nicht genauer beobachten kann, da er mit dem Rücken zu uns auf einem umgedrehten Kanister hockt. Ich merke, dass mein Mund bereits wieder trocken ist und zwinge mich, zu schlucken. „Also, wie gehen wir vor?“, richte ich meine Frage an Aramis. Diese zuckt jedoch nur vage mit den Schultern. „Ich finde, wir überfallen sie einfach rücklings.“ „Einfach so?“ „Sie sind schließlich grad genug mit sich selbst beschäftigt um uns erst zu bemerken, wenn es zu spät ist.“ Mir wird schlecht. So ein Plan, das kann doch nie funktionieren! Ich schüttle den Kopf nur stumm. Aramis scheint zu merken, dass mir diese Vorstellung nicht sonderlich behagt, denn sie legt mir erst einen Arm um die Schulter, schweigt, dann nimmt sie mich ganz in den Arm. Wehmütig lege ich meinen Kopf auf ihre Schulter und umarme sie ebenfalls mit zitternden Armen. Noch immer habe ich Angst vor der Konfrontation mit den Karrieros, doch Aramis ist so stark und sie zittert keinen Augenblick… „Alles wird gut“, murmelt sie an meinem Ohr. „Ich glaube, dass du viel stärker bist, als du dir eingestehen möchtest, Annie. Befreie dich von deinen Gedanken.“ Mit diesen Worten löst sie ihre Umarmung, blickt mir jedoch noch kurz ernst in die Augen. „Es war mir ein Vergnügen, dich zu treffen, Annie, mit dir gemeinsam die Arena zu bestreiten. Und jetzt vergiss nicht: Wir sind Kämpferherzen!“ Mit diesen Worten tippt sie mir grinsend unters Kinn. „Kopf hoch.“ Ich seufze und schenke ihr ein kleines, wenn auch noch zittriges Lächeln, dann wenden wir uns wieder der Ebene vor uns zu. „Lass es uns so machen: Wir laufen bis zu diesem Steinhaufen dort“, Aramis deutet auf eine kleine Ansammlung von Steinen, die sich in einigen Metern Entfernung befindet, „dann wage ich mit dem Bogen den ersten Schlag. Ihre Verwirrung nutzen wir aus, um ins Lager zu laufen. Wir nehmen sie von beiden Seiten in die Zange, du von rechts, ich von links, okay?“ Während ich nicke, beschwöre ich die nötige Willenskraft in mir auf. ‚Du kannst das, Annie‘, präge ich mir ein, ‚du willst das!‘ Bekräftigend nicke ich noch einmal. ‚Hör auf zu denken und handle!‘ „Auf drei“, entgegne ich zittrig und grimmig dreinschauend. Aramis nickt und reckt den Daumen anerkennend in die Höhe. „Eins“, fange ich an. „Zwei“, kommt es von Aramis. „Drei!“ Wir rennen über die Ebene, geduckt und doch schnell. Keinen Blick verschwenden wir auf die Karrieros. Zügig erreichen wir den Schutz der Steine, ich presse mich so klein wie möglich hinter die Steine, halte den Speer flach, Aramis drückt sich neben mich, unser Atem ist das einzige Geräusch. Sie taucht schnell aus dem Schutz auf, orientiert sich, duckt sich zurück, zieht die Sehne strammer. Wir tauschen einen kurzen Blick aus, Furcht, Zuversicht, Entschlossenheit, alles wirbelt darin. Die Lippen zusammen gebissen nicke ich, dann kniet sie sich hin, zieht die Sehne endgültig durch, visiert nur kurz an, doch es erscheint mir so viel länger, ich sehe, wie sie sich konzentriert, alles sammelt, für den Moment, in dem die Sehne zwischen ihren Fingern hindurch schnellt, der Pfeil mit einem Zischen über uns fliegt, und ehe ich es mich versehe ist der Moment doch schon wieder vergangen, Aramis schaut dem Pfeil hinterher und schmeißt sich dann atemlos neben mich. „Getroffen“, ist alles was ich höre. Meine Augen weiten sich überrascht, während sie mich ergreift und wir über die Steine springen. Ich laufe, so schnell ich kann, mein Atem pfeift, den Blick habe ich fest auf das goldene Füllhorn gerichtet, doch kann ich das Geschehen unter mir nicht einfangen, nicht begreifen, alles um mich herum erscheint beschleunigt und aus den Fugen zu sein. Rennen, rennen, das ist alles. Das Gras verwischt zu einer schlichten Farbschliere, wir fliegen förmlich. Schockierte, wütende Gesichter kommen näher, von links erschallt es: „Rechts!“ Intuitiv laufe ich von Aramis fort, direkt auf meine Erzfeindin zu: Shine. Ihr Gesichtsausdruck ist grimmig, doch sie wirkt keinesfalls so, als hätte sie Angst, eher… trotzig. „Hallo Annie“, sagt sie süffisant und betrachtet mich mit schief gelegtem Kopf, dieses gefährliche Lächeln auf dem Gesicht. Es ist wieder genau wie bei dem Training. Eigentlich, da hätte ich einfach zuschlagen sollen, sie aus dem Weg räumen sollen. Doch ich bremse ab, irritiert und unsicher. Mein Herz hämmert in der Brust, als wolle es davonfliegen, während ich einfach nur dastehe, den Speer fest umklammert wie einen Rettungsring und sie beobachte. Hinter ihrem Rücken zieht sie dieselbe Axt hervor, wie schon beim Füllhorn. Die Übelkeit kriecht in mir herauf, bekommt mich zurück in ihren Griff. Getrocknetes Blut klebt darauf. Panisch fliegt mein Blick über die Senke, doch die Eindrücke sind zu viel. Am Boden, in einer Lache aus Blut, liegt Floyd, ein Pfeil in der Brust. Habe ich die Kanone nicht gehört? Aramis, sie ist nicht mehr als ein wirbelnder Schatten, verkeilt in Slay. Wo ist Maylin? Die Gedanken rasen, während ich langsam wieder von Shine zurück weiche. Was tue ich hier? Einem Blitz gleich zuckt es vor mir auf: Die Karrieros, wie sie um mich herum stehen, ein jeder eine blutige Klinge oder Axt in der Hand, die Leichen der toten Tribute um ihre Füße gesammelt, allen voran Haunie und Wyatt… Ich greife meinen Speer fester, wutentbrannt, festentschlossen, sie alle, sie alle zu vernichten. Nur Pon – Pon fehlt! Der Gedanke daran, dass er nicht hier, bei den Karrieros ist, bringt meine Vision zum Wanken. Es muss nicht so sein, nein. Doch wenn Aramis so tapfer mit Slay kämpft, dann sollte ich doch wenigstens Shine die Stirn bieten, damit sie eine Chance hat. Ich starre die blondhaarige Shine an, die immer noch engelsgleich anmutet, wie sie so langsam auf mich zu schleicht, die Axt wie ein Spielzeug in der Hand. Der Kloß in meinem Hals wird nur noch größer, doch ich greife wieder nach dem Speer, stelle mich bereit, so wie Amber und Floogs es mir gezeigt haben. Was in der Theorie geht, das muss doch auch in der Praxis gehen! „Wovor hast du Angst, Annie Schätzchen?“, ruft Shine jetzt höhnisch und reißt mich aus den Gedanken. Sie ist in einiger Entfernung stehen geblieben. Nervös lecke ich mir über die Lippen und starre grimmig zurück. Ich kann nicht sprechen, denn meine Stimme würde zittern, wie nichts Gutes, also beschränke ich mich auf den bösen Blick. Perlend erklingt ihr Lachen, ja, sie lacht wirklich aus vollstem Herzen, obwohl sie angegriffen wurde, sie Angst haben sollte! Voller Kraft wirft sie ihre Axt. Nur eine Sekunde lang stehe ich da, starre die auf mich zu fliegende Axt an, dann werfe ich mich zu Boden. Dumpf höre ich den Aufschlag des schweren Mordgerätes hinter mir. Schwer atmend blicke ich vom Boden auf zu Shine, die mir ihre leeren Hände zeigt. „Jetzt hast du deine Chance. Ziel auf mich, na los!“, höhnt sie. Wieder muss ich an meine Vision denken. Ich erhebe mich, so unendlich langsam. Der Vorteil ist, dass Shine sich überlegen fühlt, sie wartet ab, was ich tue. Also tue auch ich nichts, sondern sondiere die Lage. Nicht weit entfernt liegt Floyd, der fiese, rachsüchtige Floyd, doch er regt sich nicht mehr, sein Blick ist starr gen Himmel gerichtet – er ist tot. Schnell wende ich den Blick ab, zu Aramis, die mit den Fäusten auf Slay losgeht. Ganz hinten, im Schatten des Füllhorns, dort kauert Maylin. Ihr Blick ist undurchdringlich und sie hält die merkwürdige Waffe umklammert, die sie schon im Training bei sich trug. Sie schaut überraschenderweise nicht aus, als würde sie in das Kampfgeschehen eingreifen wollen. Doch wenn ich zu ihr will, dann muss ich zuerst Shine überwinden. Zwei Schritte gehe ich zurück, den Speer erhoben, sauge den Atem zwischen meinen Lippen ein, als der erstickte Schrei ertönt. Blutige Messer und verzerrte Gesichter tauchen unwillentlich vor meinem Inneren auf. Wie auch Shines Blick fliegt meiner zu dem Knäuel aus Aramis und Slay. Nur, dass es kein Knäuel mehr ist. Keuchend steht Slay da, ein merkwürdiges Grinsen im Gesicht. Zu seinen Füßen: Aramis. Sie liegt da wie Floyd, reglos, etwas aus der Brust ragend, Arme und Beine in einem komischen Winkel abstehend. Der Schlag meines Herzes setzt aus, mehrmals blinzle ich, während das Unfassbare sich vor meinen Augen auftut. Am Himmel über uns kracht es, erst jetzt merke ich, wie dunkel es geworden ist. Blitze zucken über der Ebene, auf der sich alle abspielt, einem grotesken Theater gleich. Slay, der den Griff des Schwertes fasst, welches in ihrer Brust steckt und wie sich ein Lachen auf seinem Gesicht ausbreitet, während er dir rote Klinge hervor zieht. Alles ist still, so still, wir alle sind nur Beobachter seines Stückes, das von Blitzen und Donner untermalt wird. Die Kanone donnert, so laut, so laut… Alles ist laut und still zu gleich, ich höre nicht einmal meinen eigenen Schrei, der sich erschütternd aus meinem Inneren schält. Meine Sicht wackelt, die Szenerie verschwimmt. Zweimal knallt es, das mir ist, als würde die Ebene wanken, Angst, Bestürzung, Panik, alles ist wieder da. Aramis ist fort, weggeflogen wie die Vögel auf ihren weißen Schwingen. Die Karrieros stehen vor mir, ein jeder eine blutige Klinge in der Hand, sogar Shine zieht eine. Sie ruft irgendetwas, die Klinge fliegt in meine Richtung, fällt vor meinen Füßen zu Boden. Sogar Maylin kommt aus ihrer Deckung, sie bilden eine Phalanx mir gegenüber. In ihrer Mitte – NEIN! Sie stehen uns gegenüber, blutbefleckte Grinsen im Gesicht, umgeben von den Leichen aller gefallenen Tribute, ich kann die kleine Haunie und auch Wyatt unter ihnen ausmachen. Zusammengerollt liegen sie in einem Kreis um die Karrieros herum, die zusammen eine Phalanx bilden, jeder eine lange, rote Klinge in der Hand. Ihr Lächeln wirkt herablassend, ja fast schon spöttisch. Maylin grinst erhaben, denn sie fürchten mich nicht. Ich bin doch nur Annie, der kleine Tribut aus Distrikt vier, der sich geweigert hat, zu einem von ihnen zu werden! Mein Körper wird regungslos, ich bin wie gelähmt. Sie halten Pon in ihrer Mitte gefangen, doch er macht keine Anstalten, sich zu wehren. Es ist alles so gleich… so gleich. Salzige Feuchtigkeit rinnt meine Wangen herab, tropft in meine zitternden Mundwinkel und brennt auf den rissigen Lippen wie Feuer. Reglose Tribute liegen auf dem Boden und ich weiß, dass sie noch mehr auf dem Gewissen haben. Ihre Klingen sind rot vom Blut anderer, alle stehen geschlossen im Kreis, und ja, es ist Pon, der vor Maylin in die Mitte tritt. Seine blonden Haare verwuschelt wie eh und je, die Sommersprossen, das Gesicht noch vom Kinderspeck gekennzeichnet… dafür trägt er einen Speer in der Hand, aber er wehrt sich nicht, er wehrt sich nicht! Für den Moment starren wir uns nur an, so viele widersprüchliche Ausdrücke gleiten über sein Gesicht, dann schüttelt er den Kopf. Ruft er gerade, dass es ihm Leid tut? Meine Finger schließen sich bereits wie von selbst um den kalten Schwertgriff, heben es an und richten die Spitze auf sie. Die Karrieros achten nicht einmal auf ihn, bemerken nicht, wie er sich wegduckt, sie beobachten nur mich, mit diesem Schwert in der Hand. „Es tut mir leid, ANNIE!“ Er läuft einfach zwischen ihnen hindurch, in die weite Ebene hinein, blickt noch einmal über die Schulter hinweg. „LAUF“, ist das letzte, was ich von ihm höre, dann verschwindet er hinter den Karrieros, die mich immer noch ungerührt angrinsen. Sie kommen auf mich zu, was ich erst jetzt bemerke. Verwirrt taumle ich auf der Stelle, doch ich weiß: Ich kann es mit ihnen nicht aufnehmen. So viele, alle gegen mich. Meine Hand krallt sich fest um den Griff des Schwertes. Zwei Waffen halte ich in meinen Händen doch… ich kann es nicht. Verzweifelt wende ich mich ab, die Waffen immer noch festhaltend und renne fort, einzig und allein getragen vom Adrenalin. Ich stürme über die Ebene, wieder in Richtung des Feuers, es ist der Einzige weg, der mir bleibt. Es kracht erneut am Himmel über mir, die Ebene ist für die Sekunde taghell erleuchtet. Dann, ohne Vorwarnung, wird es wieder dunkel, und mit der Dunkelheit kommt der Regen, wie die Sintflut bricht er über uns hinein, prasselt unbarmherzig auf mich hinab, es fühlt sich an, als würden Nadeln mich pieken. Ich renne weiter, in Richtung des Feuers, wo nun keines mehr ist, wahllos irgendwo hin, Hauptsache fort. Der Regen verschleiert meine Sicht derart, dass ich nicht mehr weiß, wo ich mich befinde, ich könnte überall sein. Meine Hände schmerzen, doch ich lasse dennoch nicht los. Mit jedem Schritt gerate ich mehr ins Taumeln auf dem Grund, der immer rutschiger wird. Keuchend fange ich mich, laufe weiter, weiter, weiter, weiter. Erneut verliere ich den Halt, alles schwankt, ich rudere mit den Armen, hilflos, doch es ist zu spät. Wie ein Stein falle ich, doch ich falle nicht einfach zu Boden, plötzlich ist da ein Abgrund, ich gerate ins Rollen, immer schneller kugle ich dem Abgrund entgegen, kreischend halte ich die Arme vors Gesicht. Das Letzte, was ich unter dem Leuchten des Blitzes vernehme ist ein überraschter Schrei: „Annie!“ Dann treffe ich hart auf den Boden, die Luft verlässt meine Lungen und ich versinke in Schwärze, die mich mit offenen Armen willkommen heißt. Nun schwebe auch ich von dannen. Counter: 7 Tage, 19 Stunden, 47 Minuten//Tote:  16//Lebende: 8 Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)