The cage von lunalinn (Kisame/Itachi) ================================================================================ Kapitel 42: Leben ----------------- „…er wird es überleben oder?“ Die Frage fiel ihm nicht wirklich leicht, genau genommen wollte er auch keine Antwort hören, die nein bedeutete. Dennoch wusste er, dass es seinen Kumpel ziemlich erwischt hatte und dass das seine Schuld war. Immerhin hatte er ja unbedingt dem Uchiha hinterherjagen müssen und nun lag Zabuza auf dieser Liege, mit Schweißperlen auf der Stirn, die Lippen fest aufeinander gepresst, während die Rothaarige an ihm herumhantierte. Die behandschuhten Finger glänzten beinahe in derselben Farbe, wie es ihre Haare taten, die sie zu einem hohen Zopf gebunden hatte. Durch die Brillengläser konnte er ihren konzentrierten Blick erkennen, mit dem sie sich an die Arbeit machte…schon seit mehr als einer halben Stunde. Uzumaki Karin war so etwas wie eine alte Bekannte ihrer Bande und bisher war immer Verlass auf sie gewesen. Sie hing mit einigen skurrilen Gestalten herum und war in gewisser Hinsicht nicht ganz richtig im Kopf, doch zumindest war sie fähig. „Du schlägst mir doch den Schädel ein, wenn ich nein sage“, brummte sie, ohne den Blick von Zabuzas Körper zu nehmen. Sowohl er als auch Kisame hatten schon etwas mit der vollbusigen Frau gehabt, obwohl sie damals noch ziemlich jung gewesen war. Das Luder hatte ihren guten Ruf nicht nur durch ihr Können ergattert, sondern auch durch ihre Reize. Sie mochte eine Schlampe sein, doch wenigstens leugnete sie das nicht, sondern war auch noch stolz darauf. Solange sie für all ihre Dienste bezahlt wurde, bekam man auch kein Problem mit ihr, denn ob man es glauben wollte oder nicht, die Rothaarige konnte sich ziemlich gut zur Wehr setzen, kam man ihr krumm. „Karin…“, warnte er die junge Frau, deren volle Lippen sich zu einem freudlosen Lächeln formten. Sie waren alte Bekannte, vermutlich hatte Karin sie nur deshalb in ihren Unterschlupf gelassen und ihnen nicht gleich ihre Leute auf den Hals gehetzt. Auch Karin hatte ihre Kontakte, die sie davor bewahrten, dass man ihr mal eben die Kehle aufschlitzte. Momentan waren sie jedoch allein, Kisame hatte auch darauf bestanden und da es zwischen ihnen nie zu Unstimmigkeiten gekommen war, hatte sie sich darauf eingelassen. „Ja. Er hat einiges an Blut verloren, aber er ist hart im Nehmen und die Kugel hat keine lebensnotwendigen Organe zerfetzt, also reg dich ab und geh nach deinem Schätzchen gucken, während ich die beiden hier im Auge behalte“, antwortete Karin ihm endlich und klang genervt. „Was-“ „Du bist doch nicht nur wegen Zabuza so unruhig…kümmere dich um den hübschen jungen Mann, bevor ich es tue, klar? Er sah blass aus…“ Und das war nicht untertrieben, wenn sich Kisame die Szene von vorhin ins Gedächtnis rief. Es war erschreckend gewesen, wie still es plötzlich geworden war, als die Widerwehr des Uchihas endlich abebbte. Die halbe Fahrt über hatten Kisame und Deidara ihn immer wieder zurück auf die Rückbank drücken müssen – es war nicht ohne Gewalt gegangen. Zabuza hatte den Wagen die ersten paar Minuten notgedrungen gefahren, ehe sie schnell Plätze getauscht hatten und angesichts der Tatsache, dass er vermutlich dabei gewesen war, zu verbluten, war das eine große Leistung. Es war ihr Glück, dass die Bullen dem Kindermörder hinterhergejagt waren und sich dann von diesem Grauhaarigen und Itachis totem Bruder hatten aufhalten lassen. Kisame wusste, dass kein Zweifel daran bestand, wer Sasuke erschossen hatte…und ebenso war ihm klar, dass es beinahe Itachi erwischt hätte. Sie alle hätten tot sein können. Der Hüne seufzte stumm über diese Erkenntnis, wissend, dass er seinen Kumpel auf dem Gewissen haben würde, wenn dieser die Behandlung nicht überstand. Ins Krankenhaus hatten sie schlecht fahren können, immerhin würde sie das direkt wieder in den Knast bringen. Die Wunde selbst flicken, war eine beschissene Idee, weswegen sie den Wagen stehen gelassen und sich hierher geflüchtet hatten. Kisame war von ihnen noch am besten zurecht gewesen, sodass er sich Itachi auf den Rücken geladen und Zabuza gestützt hatte, während Blondie ihnen hinterher gehumpelt war. Der Uchiha hatte sich irgendwann gar nicht mehr geregt und die Leere in seinem Blick hatte es Kisame flau im Magen werden lassen. Bewusstlos war er nicht gewesen, vielleicht stand er unter Schock?   „Kisame, geh endlich, hmm“, hörte er ein Murren aus der Ecke und richtete den Blick auf Deidara, der einen Verband um den Kopf trug und auch ansonsten ziemlich fertig aussah. Karin war noch nicht dazu gekommen, sich um ihn zu kümmern, doch sie tippte auf eine leichte Gehirnerschütterung, nebst einigen anderen Blessuren, die aber nicht im Entferntesten mit Zabuzas Zustand konkurrieren konnten. Zwar behagte es Kisame immer noch nicht, den Blonden einfach so wieder ins Team aufzunehmen, doch hatte er eine andere Wahl? Trotzdem mussten sie ihn von jetzt an im Auge behalten, denn er wechselte die Seiten einfach viel zu häufig. „Da hörst du’s…Blondie ist meiner Meinung“, gab Karin schnippisch ihren Senf dazu, während sie fortfuhr, die Wunde zu nähen. „Wenn er doch noch frühzeitig abtritt, rufe ich dich schon…“ Es war ganz sicher nicht das, was Kisame hatte hören wollen, doch er grollte nur verstimmt, ehe er sich abwandte. Zabuza war sowieso kaum noch bei Bewusstsein und anscheinend hatte er das Gröbste hinter sich. Wogegen er bei Itachi Angst haben musste, dass dieser sich was antat, wenn er sich an dessen Verhalten zurückerinnerte. Grimmig schritt er den kurzen Gang entlang zu einem der Zimmer, in dem sie Itachi notgedrungen hatten unterbringen müssen. Abgesehen von seiner geistigen Verfassung, war er wohl in Ordnung, doch sie hatten auf Nummer sicher gehen müssen. Kisame öffnete die Tür und fand den Uchiha genau so vor, wie sie ihn zurückgelassen hatten. Karins kleines Reich war sowas wie eine geheime Klinik und Puff für die richtigen Leute zugleich, je nachdem, welche Leistung man gerade in Anspruch nehmen wollte. Deswegen war es nicht verwunderlich, dass sie schnell ein paar Handschellen gefunden hatten, mit denen sie Itachi am Bett festgemacht hatten. Erst zu diesem Zeitpunkt war wieder Leben in den Uchiha gekommen und er hatte sich nach Leibeskräften gewehrt – Kisame spürte die Bisswunde noch an seiner Hand brennen. Unter anderen Umständen hätte der Hüne dies amüsant gefunden, ebenso wie den Ball-Knebel, den er ihm in den Mund geschoben hatte, doch Tatsache war, dass das hier rein gar nichts Erotisches an sich hatte. Der Knebel verhinderte, dass Itachi sich die Zunge abbeißen konnte, denn so selbstzerstörerisch, wie dieser sich noch bis vor kurzem verhalten hatte, traute Kisame es ihm zweifellos zu. Doch jetzt war es so still im Zimmer, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören können und es behagte ihm nicht. Ihm war klar, dass das Geschehene Itachi verändern würde…doch vielleicht würde er nun auch endlich erfahren, wer er wirklich war? Vielleicht fiel die Maskerade jetzt ja endlich? Er atmete tief durch, ehe er die Tür schloss und sich dem Bett näherte. Itachis Körper lag regungslos auf dem Doppelbett, den Kopf hatte er weggedreht und plötzlich stieg in Kisame die Angst auf, er könnte vielleicht an dem Knebel erstickt sein. Was, wenn er wieder hyperventiliert hatte? Hatte er nicht genug Luft bekommen? Atmete er noch? Er war sofort bei ihm und fasste nach einem seiner Handgelenke, die schwach in den Fesseln hingen. Aufgescheuert und wund waren sie durch die Befreiungsversuche, doch der Puls war da. Kisame entspannte sich sofort ein bisschen und löste dann den Lederriemen des Knebels, um den Jüngeren endlich davon zu befreien. Die ausbleibende Regung gefiel ihm nicht und er drehte Itachis Kopf sachte in seine Richtung. Er war nicht bewusstlos, aber anwesend war er wohl auch nicht, so leer wie sein Blick an ihm vorbeizog. Nie hätte er gedacht, dass ihn das so mitnehmen würde, aber es machte ihm doch mehr aus, als er zugeben wollte.   Scheiße…er hatte nie gewollt, dass es so kommen würde. Wie sehr Itachi die ganze Zeit nur an seinen Bruder gedacht hatte…wie sehr er ihn hatte beschützen wollen und nun? Er konnte sich nicht vorstellen, was das für ein ätzendes Gefühl sein musste, aber Itachi so zu sehen, das drehte ihm den Magen um. Der Uchiha sah wirklich furchtbar aus, wie er ins Nichts starrte…das getrocknete Blut klebte ihm noch im Gesicht, da war der Bluterguss an seiner Stirn und die geschwollene Nase. Vielleicht hatte er ihm einmal zu oft eine reingezimmert, doch was hätte er tun sollen? Der sonst so kontrollierte Uchiha hatte sich wie ein Wilder gewehrt und hätten Deidara und er ihn nicht ruhig gestellt, hätten die Polizisten sie doch noch dran gekriegt. Man hatte nicht mit ihm reden können… Kisame seufzte stumm, strich mit dem Daumen über die Wange des Uchihas, ehe er sich kurz erhob, um in das kleine Bad inklusive Toilette im Nebenraum zu verschwinden. Er nahm sich das rosafarbene Handtuch und befeuchtete die eine Seite, gab etwas Seife darauf, bevor er sich wieder zu Itachi aufs Bett begab. Dieser bewegte sich immer noch nicht, starrte ohne Fokus vor sich hin. Der Ältere sagte nichts dazu, sondern löste nun auch die Fesseln um seine Gelenke, erwartete schon beinahe wieder, dass nach ihm geschlagen wurde, doch nichts dergleichen passierte. Es war geradezu unheimlich, wie Itachi einer Puppe gleich da lag und auf nichts reagierte. Nicht mal blinzeln tat er sonderlich viel und Kisame hätte die Stille am liebsten sofort gebrochen. Doch was sollte er sagen? Tut mir leid? Das wird wieder? Nein, ganz bestimmt nicht. Es gab nichts zu sagen, jedenfalls nichts, dass Itachi helfen würde, über den Tod seines Bruders hinwegzukommen. Deshalb hielt er den Mund und begann stattdessen lieber, das Gesicht des Uchihas vom Blut zu reinigen. Dieses Mal packte er ihn nicht grob an, so wie er es sonst immer zu tun gepflegt hatte. Allerdings hatte Itachi auch nie zuvor so dermaßen zerbrechlich gewirkt…er verspürte tatsächlich Sorge, er könnte ihm etwas brechen. Dabei handelte es sich hierbei um denselben jungen Mann, der ihm im Gefängnis so oft die Stirn geboten hatte. Der ihm beinahe die Nase gebrochen hätte und ihm ein Tablett über den Schädel gezogen hatte. Damals war Kampfeswillen in seinen Augen aufgeblitzt und es hatte ihn gereizt. So sehr gereizt, dass er nicht mehr davon losgekommen war. Selbst jetzt, wo Itachi nur noch ein Schatten zu sein schien, konnte und wollte er ihn nicht loslassen. Stattdessen saß er hier und kümmerte sich wie eine verdammte Glucke, ohne dass er etwas dagegen machen konnte. Irgendwann, während der ganzen Strapazen, die er auf sich genommen hatte, um Itachi wiederzubekommen, hatte er angefangen, ein Interesse für ihn zu entwickeln, das nicht normal für ihn war. Kisame nahm sich, was er wollte, ohne Rücksicht…er war brutal, wenn es sein musste und er fickte, wen oder was er ficken wollte. Das hier hatte nichts mit alldem zu tun. Als er Itachi jetzt beinahe mit Samthandschuhen anfasste, mit dem nassen Stoff vorsichtig die Blutkrusten von seiner Haut löste, erkannte er die Parallelen. Es schien so lange her zu sein, dass er genau dieses Verhalten an seinem besten Freund verspottet hatte. Nämlich als dieser Haku zu ihnen gebracht und irgendwann Gefühle für den Kurzen entwickelt hatte. Auch Zabuza hatte sich verändert, hatte aufgehört, sich einfach zu nehmen…weil Haku es ihm freiwillig gegeben hatte. Es hatte kein Verlangen mehr nach jemand anderem gegeben, weil er sich nur noch für diesen schmächtigen Jungen interessiert hatte. Damals hatte Kisame es nicht verstanden, doch er hatte es akzeptiert. Und nun? Nun benahm er sich nicht viel anders als sein Kumpel…verdammt noch mal, er sorgte sich um Itachi. Leugnen brachte ja doch nichts mehr und vermutlich hatten Zabuza und Deidara das schon lange vor ihm selbst erkannt.   „…nicht an…“ Kisame stockte in seinen Gedanken, blinzelte einmal, als er die undeutlichen Worte vernahm. Die aufgesprungenen Lippen bewegten sich tatsächlich, während die Augen jedoch tot blieben. „Fass mich nicht an…“, wisperte er wieder und Kisame wusste immer noch nicht, was er sagen sollte. Itachis Stimme klang so dünn, als würde sie jede Sekunde zerbrechen. Die Situation war neu für Kisame, er war nicht gut in sowas…Emotionen und der ganze Kram, das war nicht seins. Also tat er das Einzige, das er tun konnte und fuhr fort, Itachis verdrecktes Gesicht zu reinigen, wodurch die Verfärbungen in diesem jedoch nur noch erschreckender zur Geltung kamen. Als kein Widerstand und keine weiteren Worte folgten, legte er das Handtuch zur Seite und fasste beinahe schon behutsam nach dem malträtierten Handgelenk, drehte dieses ein wenig, um das Ausmaß der Verletzungen zu betrachten. Es war nicht schlimm…nur oberflächlich. „Nimm…deine Finger weg…“, hörte er ihn zischen und Kisame fragte sich, ob nun der nächste Wutausbruch folgen würde. Gewundert hätte es ihn nicht, doch er hatte sich entschieden, sich davon nicht provozieren zu lassen. Er würde auch nicht mehr zuschlagen oder ihn anbrüllen, denn Itachi war bereits am Ende. Ruhig blickte er ihm ins Gesicht, sich wohl bewusst, dass der andere ihm auch in seinem Zustand einige schmerzhafte Blessuren zufügen konnte. Die Kratzspuren unter seinem linken Auge brannten immer noch, doch das spielte hier keine Rolle. „Verschwinde!“, wurde er angeherrscht, ehe ihm der Uchiha gegen die Brust schlug. Es tat nicht mal weh, so wenig Kraft steckte in dem Schlag und Kisame fand es erbärmlich. Aus diesem Grund ließ er es zu, dass der Jüngere ihn erneut schlug, ehe dieser von ihm wegrutschte, ihm den Rücken kehrte. Kisame fiel auf, dass er wieder zu zittern begonnen hatte. Noch nie zuvor hatte er so viel Sympathie für Itachi empfunden, wie in diesem Augenblick, als er dort saß…allein und so bemitleidenswert, dass es ihn eigentlich hätte anwidern sollen. Kisame verabscheute schwache Menschen, doch konnte er das hier irgendwie vergleichen? Was Itachi durchgemacht hatte, war schrecklich und dabei kannte der Hüne nur die Hälfte der Geschichte. Nun hatte er seinen Bruder verloren…den scheinbar letzten Menschen, der ihm etwas bedeutet hatte. Nein, das war keine Schwäche. Itachi hatte gekämpft bis zum Äußersten, doch das Schicksal hatte ihn zum Verlierer gemacht. Das war einfach nur…total beschissen. Wie viele Menschen hätten das alles ausgehalten, anstatt sich die Kugel zu geben? Itachi bebte immer noch am ganzen Körper, hatte das Gesicht in den Händen vergraben und schien sich zurückgezogen zu haben. Was wohl in seinem Kopf vor sich ging? Wollte er Rache für seinen Bruder? Oder wollte er ihm am liebsten ins Jenseits folgen? Kisame fiel auf, dass er immer noch keinen Ton von sich gegeben hatte und es war so untypisch für ihn, wie Itachis heftige Reaktionen.   „Ich…“, kam es plötzlich abgehackt von diesem und Kisame hob den Kopf. „…hätte…statt seiner…“ Ein Geräusch, das einem unterdrückten Schluchzen ähnelte, befreite sich aus Itachis Kehle, während Kisames eigene staubtrocken wurde. Hierfür war er nicht gemacht, wirklich nicht…er war grottenschlecht, wenn es darum ging, Trost zu spenden. „…warum hat er…er hat…“ Es war nicht mehr als ein Flüstern und Kisame war sich nicht mal sicher, dass der Junge mit ihm sprach. Vielleicht war es auch nur Gefasel, weil die ganzen Ereignisse zu viel für Itachis gequälten Verstand waren. „…Sasuke…“ Es glich mehr einem Wimmern und in Kisame krampfte sich alles zusammen, als er sah, wie Itachi sich hochstemmte. Dabei taumelte er, als würde er sofort wieder zusammenbrechen, doch bevor dies passieren konnte, hatte der Ältere ihn schon gepackt und an seine Brust gedrückt. Er konnte fühlen, wie Itachi ihn von sich wegdrückte, doch er ließ ihn nicht. „…nicht…“ Itachis Haut war so kalt, dass es wohl kein Wunder war, dass er so heftig zitterte…wobei das sicher noch andere Gründe hatte. Der schlanke Körper in seinen Armen verkrampfte sich immer wieder, doch er hatte auch nichts anderes erwartet. Wahrscheinlich wollte Itachi seinen Trost nicht einmal, denn es stand noch einiges zwischen ihnen. Andererseits konnte der Uchiha ihm vielleicht irgendwann verzeihen… Kisame hätte beinahe aufgelacht bei dem Gedanken, von dem er nicht wusste, wo er herkam. Nun brauchte er schon Vergebung…wie tief war er gesunken? Itachi brabbelte immer noch einzelne Worte vor sich hin…Satzfetzen und er wirkte einfach vollkommen aufgelöst. Der Anblick regte etwas in ihm, das er die ganze Zeit schon zu unterdrücken versucht hatte. „Es ist nicht deine Schuld gewesen“, brummte er schließlich ein wenig hilflos und merkte sofort, dass es ein Fehler gewesen war. Itachi hob den Kopf so ruckartig, dass Kisame ihm verwirrt in die zornfunkelnden Augen sah. Wenigstens keine Leere mehr… „Halt den Mund!“, wurde er regelrecht angeblafft und konnte ihn nur anstarren. Dann knurrte er und packte grob Itachis Kinn, hielt dieses schraubstockartig fest. „Warum? Damit du dich in Ruhe selbstbemitleiden kannst?! Das bringt deinen Bruder auch nicht zurück, du-“ Klatsch! Die Ohrfeige brannte auf seiner Wange…und Kisame registrierte erst da, dass er sie verdient hatte. Sasuke war seit wenigen Stunden tot und Itachi hatte noch überhaupt keine Zeit gehabt, um ihn zu trauern. Er konnte sich ja anscheinend noch nicht mal damit abfinden…er erwartete definitiv zu viel und was er gesagt hatte, tat ihm plötzlich leid. „Verschwinde! Geh weg!“, wurde er angeschrien, während Itachi mit dem letzten Rest seiner Kraftreserven wie von Sinnen auf ihn einprügelte. „Du verstehst gar nichts!!“ Kisame kippte nach hinten aufs Bett, bekam die Handgelenke des Jüngeren nur schwer zu fassen. Woher nahm der seine Kraft denn bitte noch? „Lass mich los! Kisame, verdammt, lass mich los!“ Und wieder warf er sich in seinem Griff hin und her…doch die Verzweiflung stand ihm ins Gesicht geschrieben. Kisame fluchte stumm über seine eigene Dummheit. Er hatte ja schon vorher gewusst, dass er das hier zu unsensibel angehen würde, doch jetzt hatte er sich das Eigentor schon geschossen.   Mit einer kräftigen Bewegung seinerseits brachte er den sich windenden Uchiha unter sich, hielt diesen nun mit seinem Gewicht einigermaßen ruhig. „Es tut mir leid, okay?!“, blaffte er zurück und Itachi hielt inne, sah ihn atemlos an. „…es tut mir leid.“ Dass er es leiser wiederholte, machte gar nichts besser, doch er bemühte sich wirklich. Vielleicht hielt Itachi deshalb plötzlich still, jedenfalls machte es dies dem Hünen einfacher. „…ich bin…einfach erleichtert, dass du noch lebst“, brach es aus ihm hervor und er war überrascht, dass er es tatsächlich hatte aussprechen können. Itachi weitete seine dunklen Augen, doch anscheinend hatte es ihm die Sprache verschlagen. Nur sein schwerer Atem war im Raum zu vernehmen und Kisame riss sich zusammen. Rau strich seine Daumenkuppe über die Wange des Uchihas, während er dessen Blick festhielt. „Und…ich denke, dass…Sasuke genau das auch wollte. Dass du lebst. Deshalb hat er dich weggeschubst.“ Es war für seine Verhältnisse unheimlich sentimental, was er hier tat, doch auf Itachi schien es die gewünschte Wirkung zu erzielen. Jedenfalls war es ein gutes Zeichen, dass er nicht mehr auf ihn einprügelte oder seine Stimme erhob. Das Schlimmste war jedoch, dass es Kisame ernst meinte…dass er wirklich für ihn da sein wollte. „…was…für ein Leben?“ Er schluckte hart, als Itachi ihm diese Frage stellte und er bemerkte, wie des anderen Stimme erneut brach. Etwas Nasses streifte seine Finger und er hätte nicht hinsehen müssen, um zu wissen, was los war. Anscheinend hatte Madara es jetzt endgültig geschafft, Itachi zu brechen. Es fiel ihm schwer, ihn weiter unverwandt anzusehen, denn Itachi so zu sehen, das war selbst für ihn nicht leicht zu ertragen. Weitere Tränen lösten sich aus den dunklen Augen, rannen über die blassen Wangen und Kisame verfluchte sich dafür, dass ihm das so viel ausmachte. „Jetzt…wo Sasuke…jetzt habe ich niemanden mehr…“, stieß er hervor und machte sich wohl nicht mal mehr die Mühe, mit dem weinen aufzuhören. Noch nie hatte er so viel von seiner Gefühlswelt vor ihm offenbart, selbst damals im Ryuuchidou nicht. Ätzend, dass das kein Anlass zur Freude war. „…niemanden…für den…es sich zu leben…lohnt“, wisperte er und schloss die vom Weinen geröteten Augen. Kisame betrachtete ihn eine Weile, ohne etwas von sich zu geben. Selbst jetzt mit seinem von Blutergüssen gezeichneten Gesicht und den verheulten Augen wollte er ihn noch für sich. Selbst in dieser schwachen Stunde konnte er nicht von seiner Seite weichen. Wann war das passiert? Dieser Umschwung, dass ihm der Körper nicht länger reichte? Kisame seufzte innerlich, wollte sich nicht länger solche unwichtigen Fragen stellen. Es hätte sowieso keinen Sinn.   „Du lebst aber noch.“ Itachi hörte die Worte des Hünen und ein ersticktes Lachen entwich seiner trockenen Kehle. Er öffnete die Augen und gleichzeitig den Mund, begegnete den grünen Raubtieraugen, die ihn ernst fixierten. Warum war Kisame überhaupt noch da? Jetzt, wo er so erbärmlich war, dass er sich nicht mal selbst ertragen konnte. „…und für…was?“ Seine Stimme hörte sich fremd an, nicht wie seine eigene. Nicht gefasst, nicht berechnend…gar nichts. Madara hatte ihm das Letzte genommen, was ihm etwas bedeutet hatte…das letzte Stück, das ihn ans Leben band. Seinen Bruder. Er hatte Sasuke geliebt, seit er ihn das erste Mal gesehen hatte. Damals war er so klein und Itachi so stolz gewesen. Er hatte ihm versprochen, ihn immer zu beschützen…er hatte es seinen Eltern vor ihrem Tod versprochen und nun? Er war ein elender, verlogener Versager. Ihn hätte die Kugel treffen sollen, er hatte den Tod verdient, aber nicht Sasuke. „Willst du ihn gewinnen lassen?“ Itachi hielt inne, als Kisame ihn das fragte und seinem Gesicht noch näher kam, so dass sich ihre Nasenspitzen beinahe berührten. Er erfasste die blutigen Kratzer unter seinem Auge…wo er ihn angegriffen hatte. Kisame war immer noch da. Auch jetzt noch…warum? „…das ist kein Spiel“, murmelte er und fühlte sich verloren. Kisame lächelte sarkastisch, doch es erreichte seine grün schimmernden Augen nicht. „Stimmt. Trotzdem…willst du ihn gewinnen lassen? Nachdem er dich jahrelang gequält hat? Deinem Bruder das angetan hat? Willst du das?“ Die Antwort war so einfach, lag doch klar auf der Hand, doch Itachi zögerte. Was machte er hier? Er weinte, zeigte Schwäche…gab sich praktisch selbst auf. Er ließ ihn gewinnen. Doch war das noch wichtig? Nun, wo Sasuke auch noch gestorben war…nein, ermordet war die richtige Bezeichnung. „Nein.“ Sein Körper fühlte sich wie betäubt an und trotzdem zitterte er noch. Kisame auf ihm fühlte sich schwer an, doch er gab ihm auch Wärme…und das war nicht das erste Mal. Er schluckte hart, als der andere die Stirn gegen die seine lehnte und ihm tief in die Augen blickte. Nicht mal zu atmen wagte er in dieser Sekunde. „Gut…dann helfe ich dir dabei.“ Itachi konnte nicht anders, als ihn anzusehen, als wäre er verrückt. Vermutlich war er das auch…warum? Er wollte es fragen, doch seine Stimme versagte wieder einmal. Er konnte sich gerade nicht damit befassen. Sein kleiner Bruder war gestorben und ja…er wollte Madara dafür umbringen. Für alles, was er seiner Familie und ihm angetan hatte, wollte er ihn auf die schmerzhafteste Art und Weise töten, die er sich nur vorstellen konnte. Doch jetzt wollte er nur eines…   Kisame wusste nicht, was in ihn gefahren war, Itachi diese Rache aufzuschwatzen, doch er wollte nicht länger diese Verzweiflung sehen. Es machte ihn krank, zu hören, dass Itachi keinen Sinn mehr im Leben sah. Anscheinend ging sein Plan sogar auf, wenn er seine Mimik mitverfolgte…dass er diese plötzlich so gut lesen konnte, aber Itachi war ja auch nicht ganz bei sich…und dies bestätigte sich noch, als der andere ihn am Kragen seines Shirts zu sich runterzog. „…Idiot“, wisperte er ihm ins Ohr und Kisame schauderte. Dann tat er das Einzige, das er in diesem Moment tun konnte…er schlang die Arme um den Uchiha und drückte ihn so fest an sich, wie er konnte. Der Jüngere zitterte wieder stärker, die Geräusche wurden verräterischer, als er sein Gesicht an seiner Brust vergrub, doch es war Kisame gleich. Sollte er heulen, so viel er wollte…denn es war ein verdammt gutes Gefühl, gerade jetzt für ihn da sein zu können. Man…er war wirklich ein Weichei geworden… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)