The Darkness Inside Me von robin-chan ================================================================================ Kapitel 43: Alba. ----------------- Morgendämmerung. 16. September 2012 Der Abspann lief. „Spuck schon aus, was schwirrt dir im Kopf herum?“ Deutlich vernahm Robin den neckischen Tonfall. „Fehlte dir der Realismus?“ Hörbar atmete sie auf, wobei sie den Kopf auf die Lehne sinken ließ, ihn leicht zur Seite neigte und gleich das amüsierte Grinsen erspähte. „Ziehst du mich auf?“ Leise mit taxierender Miene. „Tue ich das?“, stellte Nami feixend eine Gegenfrage. Sie drehte sich ihr gänzlich zu, setzte sich gerade hin, ein Bein über das andere. Robin musste leicht aufschauen. „Komm Robin, du bist gegen Ende hin recht ruhig geworden. Erzähl mir womit du dich abgelenkt hast.“ Unschlüssig sah sie an ihr vorbei. Robin hatte den Film ausgesucht, wohl wissend, dass sie sich nicht für die Handlung interessierte. Meist langweilten Robin Filme. Nur wenige hielten sie bei Laune, aber das war nicht der springende Punkt. „Wer sagt, ich habe mich ausgeklinkt?“ Nami lachte leise. „Mir ist dein Desinteresse aufgefallen, du hast ab einem Punkt keine Beachtung mehr geschenkt. Du siehst hin, doch bist du mit deinen Gedanken woanders. Das sagt mir mein Gefühl. Also? Warst du bei der Arbeit?“ Sacht zuckten ihre Mundwinkel. „Dann hast du dich hin und wieder genauso herausgenommen“, tadelte sie gespielt und sah der anderen in die Augen. „Bist du dir deiner Vermutung sicher? Was die Arbeit angeht?“ „Was sonst?“ Flüsternd. „An den richtigen Stellen hast du mit einem Schrecken gerechnet, ist er eingetroffen, hast du dich dennoch erschreckt … irgendwie unvorbereitet. Dann und wann fieberst du mit den Figuren, nur um sie eine Szene später für ihr Handeln zu verfluchen.“ Robin hatte die Hand ausgestreckt, lächelnd strich sie Nami eine Strähne hinters Ohr. Eine einfache, flüchtige Geste. „Oder vorhin. Du jammerst darüber, dass von Anfang an offensichtlich ist, wer zusammenkommt oder dass dir Kitsch zuwider ist. Dabei siehst du in den Liebesszenen sehr verträumt aus.“ Ertappt wich Nami aus, richtete den Blick zurück auf den Fernseher, das Hauptmenü kehrte zurück. „Stört es dich?“, sprach Robin gedämpfter weiter. „Dass ich lieber dich beobachte als einem schlechten Film zu folgen? – oh, oh, sehe ich da einen dezenten Rotschimmer?“ Eine Antwort blieb aus, mit der Zweisamkeit war Schluss. „Nami?“ „Jemand ist von den Toten auferstanden.“ 17. Februar 2013 Das Smartphone wurde zurück auf das Nachtkästchen gelegt. Die letzten Minuten über, hatte sie den Gedanken abgewogen, einfach anzurufen – eine schnell verworfene Idee, bedachte Robin die bislang unbeantwortet gebliebenen Nachrichten. Frustriert schnaufte sie. Wegen der aus dem Ruder gelaufenen Situation. Wegen ihrem Verhalten, ihrer Gefühle. Dass die Wahrheit aufgedeckt worden war, war natürlich beängstigend. Plötzlich lag vor ihr eine beklemmende Ungewissheit. Allerdings schob sie den Aspekt beiseite. Denn momentan beschäftigte Robin ein anderes, tiefer gehendes Problem: ihre eigene Gefühlswelt. Sie stand Kopf. Dabei war sie diejenige, die stets wusste, wann Aufhören die vernünftigere Option war, wann Gefühle außen vorgelassen werden mussten. Das tat Robin auch hierbei, ihr Verstand riet zum Abdrehen, einfach die Unterlagen sichern und verschwinden. Eine logische Konsequenz, die ihr bei Laki keine Überwindung gekostet hatte, jedenfalls keine große. Nicht in dem Fall. Robin spürte einen wesentlichen Unterschied. Bestand die Möglichkeit auf einen Neubeginn, weit weg von Venedig? Natürlich, es bedurfte keiner komplizierten Vorbereitung. Sie konnte jederzeit verschwinden, wenn Robin denn wollte. Robin wollte nicht, ganzgleich was ihr Verstand riet. Weder das Ende noch das Weite suchen. Können und Wollen – dazwischen tat sich eine Kluft auf. Und je länger Robin in sich horchte, desto lauter wurden ihre Gefühle. Vor ihnen fürchtete sich Robin mehr denn je. Was sie für Nami empfand – das hatte sie zwar vor Monaten verstanden und eingesehen – machte einen Rückzug unmöglich. Das Scheitern akzeptieren war keine Option. Robin liebte sie, auf eine für sie bislang nie da gewesene Weise, für sie hatte Robin nicht grundlos sämtliche Regeln über Bord geworfen. Ausgerechnet sie, wo sie früher gerne über die Liebe gelacht, sich geschworen hatte niemanden nah an sich zu lassen, war ganz und gar verfallen. Umso schmerzte das Aufdecken, Namis deutlichen Worte. Weder sehen noch hören, Robin sollte gänzlich aus ihrem Leben verschwinden. Für immer. Und das schürte wiederum die Angst, dass jeder Versuch sie vom Gegenteil zu überzeugen das Bedürfnis verstärkte und Robin endgültig die Hoffnung nahm. Andererseits, führte ihr Nichtstun nicht zum selben Ergebnis? Vielleicht half eine Nacht darüber schlafen, das Gespräch hatte genügend Wirbel erzeugt. Zum Verrücktwerden! Robin fröstelte, obwohl sie mittlerweile geduscht war, warme Kleidung anhatte und trockene Haare. Dennoch schien sie nicht in der Lage diese in den Knochen steckende Kälte abzuschütteln. Vermutlich lag es daran, dass das nicht, überhaupt nicht, mit dem Wetter einherging. Sie fühlte sich wesentlich anders, durchdringender, aber leider verdammt vertraut an. Ja, der Höhenflug war vorüber und Robin am Boden angekommen. Gern hätte sich Robin fallen gelassen, doch unterdrückte sie das Bedürfnis. Stattdessen warf sie einen fragenden Blick zur offenstehenden Schlafzimmertür. Deutlich hörte sie ein Trampeln. Erst auf der Treppe, dann im Flur und schlagartig wurde sie sich erneut ihrer Gesellschaft bewusst. Da kam Franky auch schon breit grinsend hereingeschneit. „Wusste, du hast ihn noch – Su~per Stolichna~ya!“, grölte er während die Wodkaflasche triumphierend in die Höhe gereckt wurde. „Los, zucken wir zusammen! Oder lieber auf alle, die uns böse gesinnt sind?“ Mit einem leisen Brummen schloss Robin ihre Augen, massierte angestrengt den Nasenrücken. Kalifa war schon vor einer Weile aufgebrochen. Sie sprach von Zeit. Für sich, zum Verdauen, zum Nachdenken. Das Fiasko hinterließ unweigerlich Spuren. Beim Gehen hatte sie ihnen noch das Versprechen abgegeben, keine voreiligen Schritte auf eigene Faust zu unternehmen. Robin vertraute ihr, wusste, dass die Vernunft am Ende den Sieg davontrug. Stattdessen, und das war Robin wesentlich lieber und half ihnen eventuell noch, würde Kalifa sich bald in Recherchen stürzten; beide, Nami und Trafalgar, durchleuchten. Solange bis sie genügend in der Hand hatte, um damit arbeiten zu können und wenn sie hierfür sogar ihre Kontakte einsetzte und Beschattung forderte. Robin ließ sie, wissend, dass keine Worte der Welt sie von dem Vorhaben abhielten. Franky hingegen war bei ihr geblieben. Er hatte gemeint, er wollte sie in dem Zustand nicht allein lassen, doch durschaute Robin ihren Freund. „Darf ich dir mein Geheimnis für ein glückliches Leben verraten?“, trällerte der Mann. Bevor sie verneinen konnte, schwang er sich schon auf das Bett und hielt ihr auffordernd die Flasche unter die Nase. „Sauf dir einen an, kotz alles aus und du fühlst dich neu geboren.“ „Du hast das Weinen vergessen, du weinst gern.“ „Ah, du kennst mich zu gut. Ist mit allen drei Schritten kompatibel“, lachte er. „Komm, wärmt die Seele.“ Robin schob seine Hand von sich. In erster Linie blieb Franky nicht für sie, vielmehr für sich selbst. Egal was er auch sagte, Robin kannte ihren Freund. Er war derjenige, der nicht allein sein wollte, der jemanden an seiner Seite brauchte. „Wo sind die Gläser?“ Mit zusammengekniffenen Augen starrte er Robin nieder. Spätestens da wurde ihr bewusst, dass er längst nicht mehr bei klarem Verstand war. Das tat er immer, wenn ihm alles zu viel wurde. Er floh, nahm sich für ein paar Stunden raus. „Was immer du brauchst, ich hab’s“, kicherte Franky aufgezogen. Verstohlen wanderte sein Blick Robins Körper entlang. „Biete auch Naturalien.“ Eine Spur zu viel. Schnaufend schnippte sie gegen seine Schläfe, woraufhin er theatralisch aufschrie. „Idiot!“ Vor ihr lag definitiv eine zähe Nacht. Schließlich wusste sie nicht, was genau er genommen hatte. Vermutlich nichts das ihn bald einschlafen ließ. Ein herausforderndes Funkeln war in seinen Augen erkennbar, als er die Flasche an seine Lippen führte und einen ordentlichen Schluck trank, ohne mit der Wimper zu zucken. „Wer braucht Gläser, das spart Zeit. Wobei ich mich frage, warum ihr aus diesen kleinen Dingern trinkt. Die sind so schnell leer.“ Auf den Spruch hin rollte sie die Augen über, nahm ihm aber dann doch die Flasche ab. Abwiegend blieb ihr Blick am Etikett hängen. Robin mochte Wodka nicht. Besonders in der Heimat verdarb ihr der Umstand liebend gern die Laune. „Der macht seinen Preis wett“, hörte sie ihren Freund. Schließlich probierte sie das Wässerchen, allerdings fiel das Schlucken schwer, denn abrupt lenkte Franky das Gespräch auf das eigentliche Thema: „Sie hat sich also getrennt? Richtig getrennt?“ „Damals im Auto“, begann Robin nach kurzer Bedenkzeit, „war’s bloß ein ungutes Gefühl, aber jetzt? Ja Franky, es ist aus … sie will mich nie wiedersehen.“ Da nahm sie einen weiteren Schluck, wobei sie angewidert das Gesicht verzog. Mit dem Wodka würde sie sich nie anfreunden, also reichte sie ihm die Flasche. „Ich verstehe sie, Gott, ich verstehe sie zu gut. Wer will uns auch freiwillig bei sich haben?“ Als sie ausgesprochen hatte, warf sie einen irritierten Blick zur Seite. Franky hatte den Arm um ihre Schultern gelegt und bevor sie etwas sagen konnte, zog er sie sanft an sich. Den Kopf an ihren gelehnt, lachte er. „Also ich will dich immer an meiner Seite haben – obwohl ich dich anfangs verflucht habe! Du warst ein zu rational denkendes Arschloch.“ „Gar nicht wahr!“ „Danke, diese sinnlose Konversation hat mich fünf Minuten meines Lebens gekostet“, äffte er nach. „Echt, das macht einen Menschen sehr sympathisch.“ Nach einem vielsagenden Brummen setzte er erneut die Flasche an. Robins Mundwinkel zuckten belustigt, ehe sie tadelnd mit der Zunge schnalzte. „Wir kannten uns zwei Minuten und was kam von dir? Dir sei ein Einhorn erschienen, das dir sein Horn abtreten wollte und darüber hast du noch mit mir zum Diskutieren angefangen!“ Beinah verschluckte sich Franky auf die Antwort hin, er fing sich, sah seine Freundin allerdings entgeistert an. „Davon habe ich letztens erst wieder geträumt … dieses Mal war’s ein echter Traum, denk ich zumindest. Soll mir das etwas sagen?“ „Ja, nimm und trink weniger.“ Mürrisch stöhnte er auf. Die Antwort hörte er nicht gern. „Kalifa hat Unrecht“, kehrte er zum eigentlichen Thema zurück. „Sie mag zwar Recht haben, aber das Richtige zu tun, ist nicht immer der richtige Weg. Gib nicht voreilig auf. Denk daran, Nami hat gerade erst erfahren, was wir nebenbei machen. Die meisten schlagen sich mit Affären ihrer Partner herum – in zweierlei Hinsicht – und dein Fehltritt ist halt … heavy. Du schläfst nicht mit einer anderen, du tötest sie. Ist halt ein spezielleres Hintergehen.“ „Du bist unmöglich“, seufzte Robin und besah sich unbeholfen ihre Hände. „Du warst nicht dabei. Sie wird das nie akzeptieren.“ Dennoch, und das lag garantiert nicht an seinen Worten, Robin akzeptierte das Ende nicht, sie wollte nicht aufgeben, nicht nach dem Gespräch, nicht so. Obwohl alles darauf hindeutete, irgendetwas musste sie tun. Irgendwas. „Was Kalifa angeht … ihre Reaktion ist normal. Unsere Existenzen stehen auf dem Spiel, ausgerechnet durch den Mann, der ihren besten Freund auf dem Gewissen hat. Sie kannte ihn wesentlich länger, stand ihm näher. Wä-“ „Ich weiß“, unterbrach Franky, reichte erneut die Falsche, zwinkerte aufmunternd. Natürlich verstand er. „Wir finden einen Weg.“ 16. September 2012 Bevor Robin aufgebrochen war, hatte sie sich etliche Szenarien ausgemalt. Die, in der sie neben Vivi Nefeltari, noch halb verkatert, auf der Couch saß (ausgerechnet zwischen Nami und ihr) und sich Die Mumie ansehen musste, hatte Robin definitiv nicht bedacht. Während Vivi vorgebeugt war und aß, tauschte sie mit Nami Blicke aus. Diese amüsierte sich gerade, mehr als Robin lieb war. Denn das Problem war nicht der Film an sich, sondern Vivis Redefluss. Sie kommentierte gern. Dabei wollte sie jedoch in erster Linie wissen, ob ihre Arbeit ähnlich verlief – abgesehen vom Erwecken einer Mumie. Der Alkohol zeigte weiter seine Wirkung. „Sei ehrlich Robin, dagegen ist dein Alltag langweilig“, sprach Vivi ausgelassen zwischen den Bissen. „Stell dir vor, du liest aus einem Buch und BAM! Die Welt steht Kopf!“ Kichernd warf sie einen Blick zurück. „Ja, mein Alltag hält da nicht mit.“ Was eine zum Leben erweckte Mumie anging. Der Rest schon. „Evelyn erinnert mich an dich“, sprang Nami auf den Zug auf. „Abschluss in Ägyptologie, der Enthusiasmus und-“ „Und was?“, unterbrach Robin mit gehobener Braue. „Findest du mich tollpatschig?“ In dem Moment lehnte Vivi zurück, dabei schwang sie den Arm um Robins Schultern. Irritiert sah Robin auf ihre Hand. „Wir wissen, dass Robin den gleichen Fehler machen würde. Aus reiner Euphorie“, erklärte sich Vivi prompt, klopfte aufmunternd auf den Rücken, sah dabei jedoch zu Nami. „Deine Liebste käme jedoch ohne Hilfe aus und würde einem Imhotep eigenhändig den Arsch aufreißen.“ „Was über die Stränge schlagen bewirkt.“ Stirnrunzelnd sah Robin abwechselnd zwischen den beiden hin und her. „Wenn du wüsstest …“, seufzte Nami hingegen und schlug sich die Hand vors Gesicht. Vivi ignorierte sie, ließ von Robin ab, nur um nach der Fernbedienung zu greifen. „Dank eures Gequatsches habe ich das Halbe verpasst.“ „Besser sie überlässt das Trinken anderen.“ Robin schlüpfte in ihren Mantel. Dem zweiten Teil, auf den Vivi beharrt hatte, war sie mit Hilfe entkommen. Für heute hatte sie genug. „Sie ist ihm keinen Schritt nähergekommen“, setzte sie flüsternd nach, obwohl die Schülerin längst außer Hörweite war. „Keine Frage, er ist ein hoffnungsloser Fall. Leider verstehe ich sie mittlerweile ein Stück besser. Gefühle entwickeln eigene Regeln.“ Nami folgte ihr nach draußen. Vorhin hatte es ein wenig geregnet, nun hielt das Wetter, war dennoch ungemütlich. Dennoch zog es Robin gerade vor. „Bis heute habe ich auch meine für hoffnungslos gehalten.“ Daraufhin blieb Robin auf der zweiten Stufe stehen, drehte sich mit tadelndem Ausdruck um. „Machst du mir etwa ein schlechtes Gewissen?“ „Bekommst du denn eines?“, witzelte die andere. „Muss dich leider enttäuschen. Ich stehe zu meinem Zögern.“ „Besser spät als nie, was?“ Als Robin das schelmische Grinsen erkannte, hob sie bloß fragend eine Braue. „Dass du dich für den nächsten Schritt entschieden hast, zeigt mir, wie sehr ich dir den Kopf verdreht habe. Was will ich mehr?“ Widersprechen war zwecklos. 18. Februar 2013 Nach einer recht kurzen Nacht schlug Robin träge die Augen auf. Kurz, weil ein verschlafener Blick zum Wecker sagte, dass sich kaum drei Stunden geschlafen hatte. Ihr Körper war schwer und sie spürte ein schmerzhaftes Pochen in den Schläfen. Letzteres wunderte sie nicht, beide hatten sich am Wodka bedient, wenngleich Franky derjenige gewesen war, der das meiste getrunken hatte. Franky. Langsam drehte sie sich auf den Rücken, drehte den Kopf. Er lag noch schlafend neben ihr. Während sie ihn beobachtete, fiel ihr nach und nach ein, worüber sie gesprochen hatten. Die Trennung, etwaige Schritte hinsichtlich Trafalgar und totalen Nonsens. Dieser Teil war von Franky ausgegangen und in den meisten Fällen hätte sie ihn gestoppt, aber dieses Mal hatte es Wirkung gezeigt. Robin für wenige Minuten abgelenkt. Je wacher sie allerdings wurde, desto erschlagener fühlte sie sich, was nicht am Alkohol lag, sondern vielmehr einer bitteren Erkenntnis geschuldet war: An einem normalen Tag läge ihre Freundin neben ihr. Stattdessen durfte sie ihren besten Freund beim halbwegs erträglichen Schnarchen zuhören, auf den Bauch gedreht, den linken Arm vom Bett baumelnd. Viele taten das am Rücken liegend, aber Franky schnarchte in jeder Position, wie auch dieser Morgen neuerlich bestätigte. Hätte sie sich anders verhalten, hätte sie vor ein paar Tagen gewusst, dass das Ende bevorstand? Wäre sie länger im Bett geblieben, hätte sie die Minuten ausgekostet? Andererseits, was brachten die Fragen im Nachhinein? „Du machst dich verrückt“, nuschelte Robin, fuhr sich dabei zerstreut über das Gesicht. Weder halfen sie, noch änderten sie etwas an der Situation. Vorerst musste sich Robin damit abfinden und lieber entscheiden, was der nächste Schritt war. Dabei stand sie vorsichtig auf, wenn schon einer von ihnen Schlaf fand, wollte sie ihn auch lassen. 21. September 2013 „Komm schon!“, jammerte Franky. „Freitagabend. Beisammensein. Trinken. Spaß. Verehrer abwimmeln?“ „Wie gesagt, ich habe heute keine Zeit.“ Das hatte sie ihm längst vermittelt. Mehrere Male, aber ihr Freund hörte ungern Absagen. „Du kommst auch ohne mich aus.“ „Dann nenn mir einen guten Grund.“ Ungeduldig wippte er mit einem Bein. „Vielleicht ist sie auch da?“ „Ist sie nicht.“ Normalerweise ignorierte sie seine Überzeugungsversuche. „Frag Kaku.“ Auf ihre letzte Bemerkung ging er überhaupt nicht ein. „Ihr redet wieder miteinander“, stellte er verblüfft fest. „Sag bloß … die Kleine hat dir den Kopf verdreht!“ Lachend schlug er sich aufs Knie. „Nico Robin springt für eine Frau über ihren Schatten. Du hörst auf deine Gefühle! Erzähl!“ Missbilligend schnaufte sie. In gewisser Weise sagte Franky die Wahrheit, aber so überspitzt ausgedrückt? Er übertrieb. „Wir haben heute eine Verabredung, okay?“ „Wo? Und wann?“ Stirnrunzelnd erhob sich Robin vom Schreibtisch. Als ob sie ihn darauf antwortete. „Komm, gib mir den Ort und die Zeit, ich steh dir mit der Ausrüstung zur Seite. Helfen, wenn du steckst und so was.“ „Veräppelst du mich gerade?“ Verständnislos stellte sie die Bücher zurück ins Regal. Für heute machte sie Schluss, obwohl es erst am frühen Nachmittag war. „Nein“, gab er trocken zurück. „Mach mir eher Sorgen, du könntest die Chance verbocken. Du bist eingerostet – nein, lass den Todesblick. In den letzten Jahren hattest du deine Flirts und unverbindlichen Sex, alles ohne Gefühle.“ „Hilf mir auf die Sprünge“, dabei massierte sie sich die Schläfe, „Warum sind wir befreundet?“ „Weil dein Leben ohne mich uninteressant wäre?“ Er mochte recht haben, aber in manchen Belangen wäre das gewiss kein Nachteil. „Steh auf, ich will gehen“, sagte sie seufzend und nahm noch ihre Tasche. „Tu mir einen Gefallen und verwerfe bitte auf der Stelle sämtliche Gedanken, die meinen Abend betreffen.“ Nur schwerfällig folgte er Robins Aufforderung. Dabei fiel ihr sein Gemurmel auf, allerdings verstand sie kein Wort. „Was hast du gesagt?“ „Schon gut, keine Agentennummer … ich vertrau dir.“ Kopfschüttelnd schritt sie voraus. Manchmal war er fürchterlich und da wunderte sich Franky noch, warum sie ihr Liebensleben mehr oder weniger vor ihrem Freund verschwieg? Kaum hatte er aufgeholt, lachte er schelmisch auf. „Wenn heute was läuft, landet ihr bei dir. Vielleicht ändere ich meine Pläne und mach einen ausgedehnten Spaziergang.“ „Franky!“ 18. Februar 2013 Mit einer Tasse Kaffee in der Hand saß Robin an der Theke. Vor ihr die aufgeschlagene Tageszeitung. Zwar blätterte sie durch die Nachrichten, aber hängen blieb nichts, eher folgte sie schlichtweg ihrem täglichen Morgenritual. Es war über die Jahre eben zur Routine geworden, Kaffee und Zeitung zum Wachwerden. Eigentlich hatte sie heute auf Ablenkung gehofft, aber hatte Robin die Rechnung ohne ihren Verstand gemacht. Sie war putzmunter, er arbeitete bereits und das war gefährlich. Denn ihr mögliches Vorhaben wies eine Schwachstelle auf – zu viele Szenarien, zu viele Möglichkeiten und ihre Gedanken sprangen wild durcheinander. Bislang hatte sie auch keine Antwort auf ihre Nachrichten erhalten. Was unweigerlich die Frage aufwarf, ob sie Nami aufsuchen sollte oder nicht. Wo sollte sie das tun oder wann? War sie auf der Arbeit oder befand sie sich zu Hause? Nami abfangen, wäre eine Leichtigkeit. Bei ihr aufkreuzen … Robin brummte. Nefeltari. Beiden würde sie liebend gern aus dem Weg gehen. Vivi besonders, schließlich ahnte sie das Zerwürfnis und vermutlich hatte ihr Nami bereits eine Lüge aufgetischt, was zur Trennung geführt hatte. Darauf verzichtete Robin gerne, zumal sie mittlerweile wusste, wie Vivi tickte. Vielleicht wartete Robin ab, hielt sich bedeckt und ließ Nami den nötigen Freiraum. Das Geheimnis verdaute sich nicht binnen ein paar Stunden. Frustriert massierte sie sich die Schläfe. Dieses ständige im Kreis drehen, raubte ihr den letzten Nerv. Wozu das alles? Die Ansage war unmissverständlich gewesen. Bedrückt hatte sie dem Telefonat gelauscht. Lysop kam Nami holen, die Zeit drängte. „Treffen wir uns morgen? Wir reden, finden eventuell eine Lösung.“ Vielleicht nicht für sie als Paar, wenn – in dem Fall blieb Robin realistisch – brauchten sie Zeit, aber sie wollte wenigstens noch einmal in Ruhe darüber reden. „Heute. Morgen. Meine Meinung bleibt.“ Sie sah Robin gar nicht mehr an, behielt bloß das Meer im Auge. Vermutlich hielt sie nach Lysops Boot Ausschau. „Dein Geheimnis tut schon weh“, begann sie plötzlich, „aber das mit meinen Freunden? Zorro habe ich blind vertraut und was kommt raus? Er deckt dich seit Monaten. Dich! Er zieht deine dreckige Verlogenheit vor! Oder Sanji … er flirtet mit dir, dabei hast du …“ Unverständlich schüttelte sie den Kopf. „Bist du auch nur im Entferntesten in der Lage mich zu verstehen? Du, Zorro, Sanji, Bonney, Franky! Ihr habt mich alle verarscht!“ Robin ging auf sie zu, streckte vorsichtig ihren Arm aus. Eine einfache Geste, eine Gewohnheit, doch bevor sie ihre Freundin berührte, entzog sie sich, schritt abermals zur Seite. „Fass mich nicht an!“, zischte sie warnend. Robin spürte den Stich, schluckte ihn. „Für Bonney“, kam sie lieber auf das Thema zurück. „Für sie schweigt Zorro. Du weißt, was er für sie empfindet. Daher haben wir geholfen und schützen Bonney bis heute.“ „Bis er einen Fehler macht und dann? Dann lässt ihr sie fallen oder räumt sie eben aus dem Weg. Beide“, gab Nami verachtend zu Bedenken. „Hilf mir“, begann Robin verloren, „was muss ich dir sagen, dass du mir glaubst?“ Sie war in der Tat ratlos. Das Vertrauen war zerstört, daran gab es keinen Zweifel. „Nichts. Niemand von euch kann daran etwas ändern.“ „Guten Morgen, Robinchen.“ Träge zuckten ihre Mundwinkel. Noch gestern hatte sie mit Zorro telefoniert. Während er arbeiten musste, hatte Sanjis montags seinen freien Tag. „Eine kleine Stärkung, ich hoffe der Große hat nichts gegen Sandwiches.“ Eine Stofftasche wurde neben ihr abgestellt. Als sie den Kopf hob, schob sie die Zeitung beiseite. Ein kurzer Blick reichte. Sanji sah nicht besser aus, auch er hatte wohl wenig Schlaf gefunden. „Normalerweise würde ich keiner alleinstehenden Frau raten die Türe aufgeschlossen zu lassen, aber du bist die Ausnahme.“ Kopfschüttelnd winkte sie den Kommentar ab. Als ob in den Minuten jemand auf die Idee kam, sich bereichern zu wollen. Robin hatte ihm geschrieben das die Tür offen war, sie wollte Franky nicht aufwecken. „Danke und nein, er isst, was auf den Teller kommt.“ Grinsend nickte Sanji, dabei fiel ihr auf, dass er keinerlei Anzeichen zeigte den Mantel abzustreifen. Lediglich sein Schal fiel offen über die Schultern. „Sag Robin, was haltest du von einem Spaziergang?“ Natürlich war ihm der fragende Blick aufgefallen. „Jedes Sandwich ist einzeln eingepackt und unterwegs holen wir uns einen Kaffee.“ „Deine Schwester?“, fragte Robin kaum das sie durch die Tür waren. Da sie sich vorwiegend in der Bar trafen, wo alle anderen anwesend waren, hatte sie schon eine Weile nicht über Reiju gesprochen. „Wir haben uns auf Kontakt geeinigt. Ohne den Alten auf meine Fährte zu führen. Für ihn bleibe ich verschwunden oder tot, was immer ihn lieb ist.“ Sanji straffte den Kragen. Der Regen hatte über Nacht aufgehört, die Kälte war wiederum nicht verschwunden und der Wind heulte durch die Gassen. Als er in die Brusttasche griff und die Zigaretten hervorholte, bestätigte sich Robins Vermutung, warum er den Spaziergang vorgeschlagen hatte. In ihrem Haus wurde nicht geraucht. „Reiju ist zurück in Frankreich. Genießt ein paar Tage abseits der Verpflichtungen. Bei dem Chaos hat auch sie Nerven liegen lassen.“ „Sie haben den Köder geschluckt? Keine Komplikationen?“ Skeptisch schielte er hoch, während er den ersten Zug nahm. Robin wich aus, starr stur geradeaus. „Das Problem entpuppt sich gefährlicher als angenommen. Hat dir Nami gesagt woher sie Bescheid weiß?“ „Nein. Darüber zerbreche ich mir seither den Kopf. Ich meine … habt ihr jemanden übersehen? Ihr, Zorro, Bonney und ich. Niemand sonst weiß von jener Nacht. Seien wir ehrlich, das stinkt zum Himmel – also Robin, bringst du mich endlich auf den aktuellen Stand?“ Das tat Robin, er erfuhr das gesamte Ausmaß und das er verstand, wie schwerwiegend es war, sah sie dem Koch an. Kaum hatte er die eine Zigarette fertig geraucht, zündete er sich die nächste an. Auf einem kleinen Piazzo blieben sie schweigend stehen. Robin wartete ab, beobachtete ihn aufmerksam. Das Rauchen diente mehr der Ablenkung als dem Genuss. Vier Züge und die Zigarette war abgebrannt. „Eine intelligente Absicherung. Euch im Tod ruinieren … er ist euch stets einen Schritt voraus gewesen. Bloß hat er mit der Wendung gerechnet?“ Den Stumpf schnippte er auf den Boden. „Oder misstraust auch du dem Mistkerl?“ „Ich bitte dich, als ob Trafalgar den Trumpf vollkommen aus der Hand gibt und Nami die Entscheidung überlässt. Versteh mich nicht falsch, ich tue ihr nichts, aber sie ist keine Garantie. Weder für sich noch für ihn.“ „Klingt logisch. Hat er mit einem aus der Branche zusammengearbeitet, muss er wissen, wie ihr in der Regel vorgeht. Hört sich eher an, als ob er Nami für seine eigenen Zwecke missbraucht.“ Der Gedanke war ihr schon gekommen. Bislang blieb ihr Trafalgar Law ein Rätsel, das sie schleunigst durchschauen musste. Offensichtlich war er verliebt, seine Art schloss jegliche Zweifel aus. Wiederum mischte er sich nicht der Liebe wegen ein. Robin hatte so ein Gefühl und damit lag sie fast immer richtig. „Vertraust du ihr?“ „Sofern ich mich an ihre Worte halte … ja, ich vertraue ihr. Eigentlich. Nicht seinem Charakter.“ Grübelnd zog sie ihre Brauen zusammen. „Wir haben uns. Wir reden miteinander, suchen Wege. Nami? Abgesehen von ihm hat sie niemanden. Er ist manipulativ. Mit wen sonst kann sie offen reden, es sei denn …“ „Sie gibt eure Identitäten preis“, beendete der Koch düster. „Seid ihr gewappnet?“ Robin nickte, setzte sich wieder in Bewegung. „Uns kann jederzeit ein Fehler unterlaufen. Dementsprechend haben wir vorgesorgt.“ Pläne existierten seit jeher. Robin hatte immer mit einem fehlgeschlagenen Auftrag gerechnet, der sie zur Ausführung zwang, nicht mit einer eventuellen Enttarnung seitens der Liebe. „Ich bin ein Narr.“ Robin reckte den Kopf zum grauen Himmel empor. „Lang habe ich dem eigentlichen Problem kaum Beachtung geschenkt. Zwar haben wir uns oft den Kopf darüber zerbrochen, wie wir das Leben hinter uns lassen … normal weitermachen, ohne Abstriche, ohne dass die Wahrheit ans Licht kommt – Liebe überwindet nicht alles. Das hat sie mir gesagt und je mehr darüber nachdenke, desto mehr entspricht es der Wahrheit.“ „Also gibst du Nami auf“, stellte Sanji nüchtern fest. „Nein … aufgeben will ich nicht, aber du hast sie nicht gesehen, nicht gehört. Sie hat mit unserer Welt nichts am Hut. Macht ihre Einstellung verständlicher, oder?“ Träge hob Robin ihre Hände. Genügend Leben wurden mit ihnen ausgelöscht. „Um dem zu entgehen, hast du deiner eigenen Familie den Rücken gekehrt. Warum stehst du auf meiner Seite? Ich … Wir habe deine Brüder auf dem Gewissen.“ Plötzlich spürte sie seine Hand an der Schulter, mit sanfter Bestimmtheit zwang er sie zum Stehenbleiben. „Weil ich weder an ein schwarz-weißes Muster glaube noch, dass du daran ernsthaften Gefallen findest.“ Seine Schultern zuckten. „Nehmen wir meine Geschwister. Wir haben dieselbe Ausbildung erhalten, von frühester Kindheit an. Die drei mochten das alles. Angefangen von Schikanen mir gegenüber, weil ich ihnen überhaupt nicht ähnelte. Reiju war gefangen, ist sie heute noch. Die Angst vor unserem alten Kerl war schon damals groß. Genauso vor meinen Brüdern. Sie machten vor nichts Halt, es hat ihnen Freude bereitet. Entweder spurte Reiju oder sie erhielt die Quittung. Angst ist und bleibt ein entscheidender Faktor. Sie hat sich eingefügt. Was glaubst du, warum sie geholfen hat? Klingt schrecklich, aber am Ende hat sie ihr Ableben erleichtert.“ Robin lauschte schweigend, erinnerte sich unweigerlich an die eigene Kindheit. Bis ihr Onkel die Vormundschaft übernommen hatte, hatte sie noch ein besseres Leben gehabt, aber im Vergleich zu seiner Erziehung … was machte da schon eine nervtötende Cousine oder eine herrische Tante? Sie war ihnen früh genug entkommen. Als er sie bestimmend mit dem Namen ansprach, hob Robin den Kopf. „Ihr hattet damals bestimmt gute Gründe und was für mich zählt? Wäre ich überzeugt davon, dass du die Taten genießt? Ich hätte euch niemals geholfen, hätte den Kontakt mit Reiju gemieden und Nami sofort aus der Schusslinie gezogen. Unterschätze mich nicht, so eine Ausbildung bleibt hängen und ich habe die letzten Jahre nicht nur den Herd gehütet.“ Letzteres sprach Sanji überzeugend, doch mit einem heiteren Grinsen. „Behalte ich im Hinterkopf“, erwiderte sie nur. „Komm, der Markt ist gleich ums Eck. Ich koche und nebenbei brüten wir über deinen nächsten Schritt.“ „Was ist deiner?“, fragte sie neugierig. Sanji hatte sich bereits in Bewegung gesetzt, wodurch er sich umdrehte und rückwärts ging. „Was wohl? Ich steh heut Abend auf der Matte und wenn ich Steine an ihr Fenster werfe, ich lass mich nicht abwimmeln.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)