Wo Rauch ist... von Night_Baroness ================================================================================ Kapitel 1: Wo Rauch ist... -------------------------- 13.00 Uhr, Nagano (Silvester) „Er wurde also erschossen?“ Kansuke Yamato beugte sich über die Leiche des Mannes mittleren Alters, der blass, mit erschrockenen Augen an der Wand lehnte und bleich war, wie der erste Schnee in diesem Jahr, der sich ironischerweise gerade am letzten Tag puderweis über die aschgraue Landschaft legte. „Ja.“, erwiderte der steife Kollege mit dem hektischen Blick, der aussah, als würde er gleich zusammenbrechen oder sich übergeben – vermutlich war es sein erster Mordfall. Yamato seufzte. Wo waren all die kompetenten Polizisten geblieben? Ach ja, sie hatten heute frei… Auch er hatte sich eigentlich freinehmen wollen, aber das war jetzt egal. Es spielte keine Rolle mehr, jetzt wo Yui und er sich zerstritten hatten. Eigentlich konnte er nun für immer arbeiten, tagein tagaus, nur um die lächerlichen Schmerzen endlich zu vergessen, die ihn keinen klaren Gedanken fassen ließen. „Nun gut, untersuchen sie die Leiche und finden sie die gottverdammte Tatwaffe.“ Grimmig schob er sich an dem jungen Polizisten vorbei, der ein „Verstanden“ nuschelte und ging zu seinem Auto, um ein wenig zu recherchieren. 14.00 Uhr Etwas genervt schaltete er sein Handy wieder aus. Auch wenn es ein vollkommen übertriebenes und überentwickeltes Smartphone war, mit dem man so ungefähr alles konnte außer vielleicht fliegen, hatte er nichts gefunden. Zumindest nichts Relevantes. Wer konnte den Schauspieler ermordet haben? Niemand hier hatte ein Motiv, weder seine Frau noch sein Bruder, noch die Angestellte, die sich als ein „Mädchen für alles“ um alles kümmerte, was in Haus und Garten so anfiel. Was hatten sie bisher? Frustriert rieb er sich den Kopf, der schon den ganzen Tag schmerzte und nur von seiner beißenden Übelkeit übertrumpft wurde. Alkohol war nun mal leider keine Lösung, auch wenn man es sich manchmal einredete. Ein jungen Schauspieler, der auf seinem Grundstück erschossen wurde, seine Frau, die mit ihrem Vater telefonierte, als es geschah, ihr Schwager, der zwar kein Alibi, aber auch kein Motiv hatte und das Hausmädchen, die zur Tatzeit das Feuerwerk für den Silvesterabend vorbereitete. Was für ein wundervoller Start ins neue Jahr. Kansuke lachte trocken. 17.00 Uhr „Onkelchen?“, wie aus dem Halbschlaf geweckt, zuckte er zusammen und musterte den Jungen ärgerlich. „Kommt dir die Uhr nicht auch komisch vor? Überrascht musterte er ihn – Conan Edogawa, ein mehr als cleverer Junge, der so manches Mal zu einer Falllösung beigetragen hatte und sicher ein helleres Licht war, als dieser Möchtegern-Detektiv, Kogoro Mori. „Die Uhr, die das Opfer getragen hat?“ Kansuke musterte sie neugierig. „Nun…“Auf einmal fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. „Die Art, wie der Bildschirm gesplittert ist, das kann unmöglich von den Steinen, neben der Leiche kommen, die sind viel zu flach…“ Conan lächelte wissend, ganz anders, als kleine Jungen lächeln. „Genau und das bedeutet…“ Kansuke schnappte nach Luft und fasste sich an die Stirn. Wie hatten sie das übersehen können? „…dass die Uhr manipuliert wurde.“ Bevor er aufstand, um seine Kollegen zu informieren blickte er noch einmal hoffnungsvoll auf sein Handy. Null neue Nachrichten. 18.00 Uhr „Ich verstehe das einfach nicht.“, keifte seine Frau, eine affektierte Diva Mitte Dreißig, die niemals zu lächeln schien. „Was wollen Sie noch von uns? Ich dachte, es wäre geklärt, dass es höchstens sein Bruder gewesen sein kann, was auch lächerlich ist, da er kein Motiv hat?“ „Das sehe ich anders.“ Kansuke räusperte sich und hielt triumphierend die Uhr in die Höhe, als wäre sie ein heiliges Artefakt, das sie nun alle anbeten mussten. „Die Uhr ist nicht wie wir dachten, zur Tatzeit stehen geblieben, als das Opfer fiel, sondern bereits weit davor.“ Alle blickten ihn mit einer Mischung aus Shock und Unglauben in den Augen an. „Was wollen Sie damit sagen?“ „Ich will sagen, dass die Uhr nicht dazu dienen kann ein Alibi zu bezeugen, im Gegenteil, sie ist ein Beweis dafür, dass ein Alibi gefälscht wurde, nicht wahr, Fräulein Aiko Nawasaki oder sollte ich besser sagen Hina Tarumi?“ Die Haushälterin starrte angsterfüllt an. Sie ballte die Hände zu Fäusten, um das Zittern, das ihren ganzen Körper zu erfassen drohte, zu ersticken. „Wie…?“ Sie schluckte, unfähig, weiterzusprechen. „Sie sind in Wahrheit Hina Tarumi, die Schwester von Jun Tarumi, welcher vor zwei Jahren eine Rolle im letzten Moment an Eisuke Takimichi verlor, das Mordopfer. Hier hätten wir ihr Motiv.“ Er lächelte finster. „Aber…das stimmt nicht!“, versuchte sie verzweifelt, sich zu verteidigen. „Ich, ich hab ein Alibi! Zur Tatzeit habe ich das Feuerwerk für heute Abend vorbereitet.“ Er schüttelte den Kopf, seine Miene versteinerte und sein Blick wurde eiskalt wie der eines Raubvogels, der zum Todesstoß ansetzte. „Was soll das Versteckspiel? Sie wissen doch ganz genau, dass sie das Feuerwerk nach dem Mord vorbereitet haben. Sie haben heute, so um Mittag rum, Takimichis Uhr gestohlen. Conan hat sich zufällig daran erinnert, dass er beim Essen keine Uhr trug. Diese haben sie manipuliert, um sie zu einer bestimmten Uhrzeit anhalten zu können, damit sie ein perfektes Alibi vorzuweisen hatten, um uns zu täuschen. Anschließend haben sie ihn erschossen und die Waffe versteckt.“ Er lächelte spöttisch. Dummerweise nicht sehr gut. Ein Polizist trat hinter ihn, die Tatwaffe, demonstrativ in der Hand haltend. „Sie haben sie in der Eile unter die Feuerwerkskörper gepackt und hatten vor sie heute Abend, während des Feuerwerkes, zu entsorgen, nicht wahr?“ Er stierte sie an. „Nun, wo Rauch ist, da ist auch Feuer.“ Ein trockener Laut, der in einer anderen Situation vielleicht ein Lachen gewesen wäre, entwich seiner Kehle. Tarumi sagte nichts mehr. Sie vergrub das Gesicht in den Händen und ging schluchzend zu Boden. Das grausamste Geständnis von allen. Als er sich abwendete hörte er noch ein ersticktes Flüstern von ihr. „Er hat sich umgebracht, mein lieber, großer Bruder…deshalb, deshalb musste er sterben…Er hatte es verdient, aber…“ Ihre Stimme war beinahe tonlos. „Es tut mir leid…“ Nun war sie stumm und nur der Klang ihrer nicht enden wollenden Tränen begleitete ihn. Null neue Nachrichten. 23.59 Uhr Müde blickte Kansuke zum Himmel. Noch eine Minute…Gleich würde das Feuerwerk losgehen. Deprimiert blickte er auf das Glas Sekt in seiner Hand, das man ihm noch eingeschenkt hatte, bevor er sich zurückgezogen hatte. Er wollte allein sein. Keine Gesellschaft der Welt konnte ihn über seinen Verlust hinwegtrösten. Wo sie jetzt gerade wohl steckte? Er vermisste sie so sehr, ihr Haar, ihre Augen, ihr Lachen, ihre Zuversicht, ihr Mut, ihre Angst, ihre Sturheit, alles, was sie ausgemachte. Was war dieser Moment, was war das neue Jahr wert, wenn man es mit niemandem teilen konnte? Eine bittere Sekunde lang wünschte er sich, mit dem Toten zu tauschen. Fast schon beiläufig blickte er auf das Display seines Handys, um den Gedanken abzuschütteln. Eine neue Nachricht. Plötzlich hellwach öffnete er sie. „Du Trottel…“, las er darin. Der Mund blieb ihm offen stehen. „Was…?“ Ein Lachen erlöste ihn aus seiner fassungslosen Starre. „Hast du wirklich gedacht, ich würde es mir entgehen lassen, dir ein neues Jahr zu wünschen, Kansuke?“ Yui trat neben ihn und schenkte ihm ihr schönstes Lächeln, etwas, das er mehr als alles andere vermisst hatte. Hinter ihrem Lächeln begann nun der Himmel in allen Farben zu explodieren, doch er bemerkte es nicht. Alles, was er sah, waren ihre Augen. 0.00 Uhr „Lass uns gemeinsam ins neue Jahr gehen.“ Ihr Lächeln wurde verführerischer. „Frohes neues Jahr, Kansuke.“ Sie küsste ihn, während der Himmel hinter ihnen in allen Farben des Regenbogens leuchtete und dichte Rauchschwaden langsam damit begannen, sie zu umschließen. 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