Deception Package von abgemeldet (ReitaxRuki) ================================================================================ Kapitel 3: Collision Course --------------------------- Samstagabend. Eine schön proportionierte Figur stand vor einem fast bodenlangen Spiegel, welcher in die Schranktür integriert war und ein paar haselnussbraune Augen beäugten selbige Figur anerkennend. Der junge Teenager war an nichts anderes als das Gutaussehen gewöhnt, angespornt nicht nur von seinem ausgeprägten Stolz sondern auch von Familienstandards. Seine Eltern sahen immer und überall sehr präsentabel aus und sie verlangten von ihrem Sohn nicht weniger, doch stets gerne mehr. Ein sanftes Klopfen an der Zimmertür führte dazu, dass er, gekleidet in einen stilvollen weißen Anzug, der nicht wirklich geschäftlich jedoch unglaublich gut an ihm aussah, sich zu selbigen Tür umdrehte. Seine Mutter kam herein, eine Frau Mitte Vierzig, obschon sie aussah, als ob sie gerade ihre Dreißiger begann. Ein ohne Frage wunderschönes weibliches Wesen, das ihre Schönheitsgene sicherlich auch an ihren Sohn weitergegeben hatte, und Rukis Stiefvater gab nicht selten mit seiner atemberaubenden Ehefrau an - sehr zum Missfallen seines Stiefsohns. Seine Mutter war kein Schmuck zum Tragen und Prahlen.... genauso wie er selbst es nicht war. Zu seinem Leidwesen jedoch liebte die Gesellschaft es, Schönheit und Anmut in den Schaukasten zu stellen. "Wie lange wirst du weg sein, Takanori?", fragte seine Mutter ihn, und er wendete sich wieder dem eigenen Spiegelbild zu, seine flinken Finger pickten dabei an seinen ordentlich gestylten blonden Strähnen, gaben der Aufmachung den letzten Touch. Sein Geburtsname war etwas, das er selten hörte - meistens nur Zuhause. "Ich weiß nicht. Warum?" Er konnte sich das Warum eigentlich schon denken. "Dein Vater bat darum, dass du spätestens bei Mitternacht wieder Zuhause bist." Genauso wie er sich denken konnte, dass 'bitten' sicherlich nicht das war, was der Mann getan hatte. Nein, 'angeordnet' traf es aller Wahrscheinlichkeit nach besser. Ruki schnaubte. Bevormundend wie sonst was, dieser Kerl. "Er ist nicht mein Vater," korrigierte er beiläufig, schlüpfte in seine Schuhe und warf einen Blick auf seine teuere, elegante Armbanduhr. Viertel vor Acht. "Liebling, bitte. Hör auf damit, ihn aufregen zu wollen." Seine Mutter trat zu ihm und ihre Hände versuchten, seinen Kragen ein wenig zurechtzurichten, woraufhin seine Hände die ihren wegstreiften. "Würde nicht im Traum daran denken," bemerkte er trocken. Nun versuchten ihre feingliederigen Finger sich an seinen Haaren und er vereitelte auch diesen Versuch, indem er sich in Bewegung setzte, um von ihr wegzukommen, ohne sie wirklich anzusehen. "Ich ruf an und geb Bescheid, wenn du mich abholen kommen kannst." Die Brust der jung gebliebenen Frau wölbte sich leicht mit einem tieferen Atemzug, als sie dabei zusah, wie ihr Sohn ein modernes, luxuriöses Handy in seine Gesäßtasche steckte mit derselben Hand, die bereits mehrmals an diesem Abend ihre Berührungen zurückgewiesen hatte. Mit jedem Tag schien sich der Junge ein kleines Stückchen mehr von ihr zu entfernen... einige der Gründe dafür kannte sie auch. Nur zu gut. "Geh und sag ihm wenigstens Hallo!", rief sie dem Teenager hinterher und Ruki rollte mit den Augen, während er den langen Flur im ersten Stock des Anwesens entlang schritt. Bevor die Treppen runter zu steigen hielt er vor der Tür des Büros seines Stiefvaters an, klopfte einmal an, stupste das Stück Holz offen und steckte seinen blondierten Kopf in den entstandenen Spalt. "Hallo," warf er das Wort in den Raum. Der Mann hinter dem Schreibtisch hob daraufhin seinen Blick von dem Papierkram, mit dem er immerzu beschäftigt war, hoch zu seinem Stiefsohn. "Würdest du nicht vielleicht erstmal reinkommen wollen?", die Stimme streng, bohrten sich jene Augen mit Schärfe und Nachdruck in den Siebzehnjährigen. "Nope. Muss los." Bitte keine Fragen. Bitte keine Fragen. "Ich habe gehört, Seiichiro holt dich ab?" Verdammt. "Ja." Ruki war immer noch nicht eingetreten, im Gegenteil, er nahm einen Schritt zurück, sodass nicht mal mehr sein Kopf im Türrahmen sichtbar war. "Wo genau wollt ihr hin? Und hat deine Mutter dir gesagt, um welche Uhrzeit du wieder zu Hause zu sein hast?" Doch der Teenager war bereits auf seinem Weg die Stufen runter. Er bezweifelte, dass sein Stiefvater allzu begeistert wäre, wüsste er, wo Ruki heute Abend sein würde. Er war sich perfekt darüber im Klaren, dass der Mann die Idee von einer Beziehung zwischen seinem Stiefsohn und einem anderen Jungen nur tolerierte, weil dieser Junge Seiichiro war. Seiichiro durfte schließlich alles... denn niemand würde es vorziehen, es sich mit dessen Vater, einem hohen Tier in der Regierungsebene, zu verscherzen. Was die zweite Frage anging... wann hatte Ruki je wirklich auf Befehle gehört? Richtig, nie. Das war auch genau der Grund, warum sein Stiefvater jedesmal stinkwütend auf ihn war, wenn er besagte Befehle abtat. "Takanori!" Den verärgerten Ausruf, der hinter ihm hallte, ignorierend, ging Ruki stur seinen Weg weiter und kam schließlich bei der Eingangstür an. "Wag es nicht, zu spät zu sein! Hast du mich gehört?! Und-" Trink keinen Alkohol, nimm keine Drogen und hab keinen ungeschützten Sex. Ja, ja, man wünschte, der Wicht würde sich darum sorgen. Aber alles, worum er sich wirklich sorgte, war, nicht in der Lage zu sein seine Autorität und Einfluss in und auf Rukis Leben zur Schau zu stellen. Der junge Blondschopf warf die Tür mit Wucht und einem frustrierten Knurren zu. Sein Stiefvater hatte die unglaubliche Fähigkeit Ruki auf die Palme zu bringen ohne großartig viel zu tun oder zu sagen. Das könnte auch daher kommen, dass er den Mann einfach nur abgrundtief hasste - dafür, wie er Rukis Mutter und Ruki selbst behandelte. Arschloch. Manchmal wollte er nichts sehnlicher, als dem Anderen seine hässliche Fresse einzuschlagen. Hand erhoben, berührten seine Fingerspitzen die eigene Wange. 'Liebling, bitte.' Hör auf damit, ihn aufregen zu wollen... huh? Kaum aus der Tür sah er auch schon Seiichiros protzigen Wagen in der Einfahrt, laute Musik plärrte aus den Boxen durch die runtergerollten Fenster. Der Schwarzhaarige lehnte sich locker raus und winkte ihn herbei. Für einen Augenblick wollte Ruki sich einfach nur an den Kopf fassen und laut schreien. Das Leben, das er lebte, trieb ihn manchmal in den Wahnsinn. Nichtsdestotrotz war alles, was sich auf dem hübschen Antlitz zeigte, ein bezauberndes Lächeln und sein graziler Körper bewegte sich mit katzenartiger Geschmeidigkeit dem prachtvollem Auto entgegen. Sobald sein wohlgeformter Hintern auf dem silbergefärbten, echten Leder des Beifahrersitz Platz genommen hatte, legte sich prompt eine Hand auf seinen Oberschenkel. "Bereit für eine Menge Spaß, Kleiner?" Er schätze es nicht wirklich, wie jene Augen, versteckt hinter dem dunklen Glass der Sonnenbrille, ihn förmlich auszogen - er konnte ihren Blick spüren, denn diese Blicke spürte er immer. Seine Mundwinkel zuckten minimal nach oben, ein unverständlicher Laut, nah an einem "Hm," verließ seine Lippen. "Kein Grund, nervös zu sein," lachte Seiichiro ausgelassen auf und tätschelte den Schenkel des Jüngeren, bevor seine Hand endlich weg von selbigem und zum Ganghebel fand. "Solange du mit mir unterwegs bist, brauchst du dich um nichts Sorgen zu machen." Auch nicht über dein überschäumendes Ego und deine gottverdammte Arroganz? Sich Dinge denken, nicht aussprechen, daran war Ruki schon gewöhnt und dieser Satz verließ seine Stimmbänder natürlich nicht. Stattdessen schnallte er sich an und beschäftigte er sich nun damit, aus dem Fenster zu starren - schon bald erkannte er die Gegend hinter selbigen immer weniger. Generell war Ruki nicht so oft draußen, wie man es annehmen würde, denn seine exzellenten Schulnoten schrieben sich nicht von alleine. Entgegen der Meinung der meisten Leute und Schulkameraden war er ein sehr intelligenter und fleißiger Junge, sein Vater kaufte ihm keine Noten oder Empfehlungen, obschon er es gewiss konnte. Doch Ruki würde sich eher den eigenen Kopf abreißen, als irgendetwas von dem Mann anzunehmen, was er nicht absolut brauchte, es reichte schon, dass der Wicht ihn mit dem Notwendigsten versorgte wie etwa Essen, Kleidung, Bildung und ein Dach über dem Kopf. Im Allgemeinen konnte Ruki es kaum abwarten, sich vom Familienleben los zu reißen und endlich auf eigenen Beinen zu stehen. Davon, und von einem glänzenden Schulabschluss, trennten ihn nunmehr kaum mehr zwei Jahre. Solange musste er noch ausharren. In Gedanken versunken bemerkte er nicht, dass das Auto nicht weit von einem der angesehensten Stadtclubs zum Halt gekommen war. Das Neonschild darüber verkündete: 'Akai Bara', die berüchtigte 'Rote Rose'. Die Sonne war bereits untergegangen, dadurch stachen die blau-rot leuchtende, kurvige Kanji umso mehr hervor. Ruki richtete sich im Sitz aus seiner zurückgelehnten Position wieder auf und hob zum ersten Mal, seit sie losgefahren waren, die Stimme. "Ich glaube nicht, dass man mich dort reinlässt." Mit Siebzehn war er doch ein wenig zu jung für solch ein Ambiente. Seiichiro neben ihm grinste nur breit und zog die Schlüssel aus dem Zündschloss. "Mach dir darum mal keinen Kopf, Süßer. Mit mir an deiner Seite steht dir der Weg zu jedem Ort öffnen." Himmel, wie dieses wichtigtuerische Feixen ihn an seinen Stiefvater erinnerte. Und Himmel, wie beängstigend es war, zu denken, dass er gerade ebensogut dabei war in die Fußstapfen seiner Mutter zu treten. "Du wirst doch jetzt nicht kneifen, oder?" Manchmal hasste Ruki den eigenen ausgeprägten Standesstolz. Er schnaubte leicht und öffnete die Beifahrertür, ein selbstbewusstes Wort auf den sinnlich roten Lippen: "Niemals." Niemals. Ruki kneifte nie, und er hatte auch vor nichts Angst, oder so flüsterte ihm zumindest seine jugendliche, standhafte Überzeugung zu. Als sie sich dem Clubeingang näherten, fand sich Seiichiros Arm den Weg um die schmalen Schultern seiner reizenden Begleitung, um den zierlicheren Körper an den eigenen zu ziehen. "Ich müsste mal den Ausweis sehen," verkündete der stämmige Bursche vor der Tür und selbstverständlich war es nicht Seiichiros Ausweis, den er verlangte. Seiichiro war es jedoch, der durch ein autoritäres Lächeln hindurch antwortete. "Glaub mir, das musst du nicht," versicherte er dem Türsteher und winkte irgendjemandem hinter dem Rücken des Besagten zu. "Denn heute Abend bin ich sein Ausweis." Nebenbei stellte Ruki jäh fest, dass sein echter Ausweis einsam und verlassen zu Hause lag, zusammen mit seinem Portemonnaie. Er war so darauf bedacht gewesen, schnell aus dem Haus zu kommen, er hatte es doch glatt vergessen. Verflucht. Das hieß, dass Seiichiro heute ebenfalls für alles zahlen müsste... Na ja, er war sich sicher, der Andere hätte das so oder so getan, insofern sollte er einfach so tun, als ob er das von dem Älteren erwartete, damit seine kleine Misere hier nicht auffiel. Sobald sie drin waren, führte Seiichiro ihn zu einer kleinen, etwas abgegrenzten Lounge, sicherlich ein reservierter Platz. Ein in schwarzes Leder gehülltes Couchset stand um ein Trio schmaler, runder Glastische herum und während Ruki sich hinsetzte, fiel ihm die Person hinter der Theke ins Auge. Sie kam ihm irgendwie bekannt vor, doch es war unmöglich, das Gesicht in der Halbdunkelheit zu erkennen, noch dazu mit all den sich ständig bewegenden Silhouetten vor der Bar. Die im Vergleich zu draußen stickige Luft durchzogen von Zigarettenrauch und Alkoholgeruch, die laute Musik gemischt mit dem Stimmengewirr überall um ihn herum, das Lichtspiel und das Reflektieren von diesem von den Diskokugeln an der Decke verursachte bei Ruki bereits leichte Kopfschmerzen. Er war keine Partymaus. Genaugenommen war dies sein erster Clubbesuch und genaugenommen hasste er Menschenmengen. Der Kellner ließ nicht lange auf sich warten, die Getränkewahl der Oberschüler ziemlich vorhersehbar. Tequila, Whisky, Sake, Skotch - sie waren zum Feiern hier und der Feiererfolg setzte sich nicht selten gleich Alkoholpegel im Blut. Bald war Ruki an der Reihe, seine Bestellung aufzugeben. Ohne mit der Wimper zu zucken: "Einen Saft für mich, bitte." Sekunden erschlagener Stille, in die dann eine Lachsalve reindonnerte, fast schon lauter, als das Gegröle der Musik. "Baby, an solchen Orten trinkt man keinen Saft," presste Seiichiro lachend hervor, bemüht, seine Belustigung unter Kontrolle zu kriegen. "Ich bin mir nicht mal sicher, ob sie welchen haben!" Ruki blieb gänzlich unbeeindruckt. "Saft für mich, bitte," wiederholte er stur und absolut ernst. Der Kellner grinste unsicher und schielte zu Seiichiro, der nur mit den Schultern zuckte. "Bring ihm seinen Saft," winkte er feixend ab. Entweder war die blonde Schönheit neben ihm sehr juvenil, oder sehr vorsichtig. Wenn man Ruki fragte, wollte er sich einfach nur nicht zum Idioten machen, weil das Bitterste, was er je getrunken hatte wahrscheinlich Hustensaft sein würde. Der Kellner verbeugte sich und flatterte mit einem "Wie Sie wünschen," davon, während der schwarzhaarige Teenager näher zu Ruki rutschte. Dieser eine Arm schon wieder, sehr beharrlich darin, die Position um seine Schultern zurückzuerobern. Der Abend gefiel Ruki bereits jetzt schon nicht und er gefiel ihm immer und immer weniger, je mehr Zeit verstrich, besonders da Seiichiro und seine Kumpels einen harten Drink nach dem anderen ihre Kehlen runterspülten. Das Gelächter wurde lauter, die Gespräche ausgelassener und die Witze obszöner, doch was ihn am meisten störte, waren Seiichiros verklärte Starrblicke, die immer öfter an Rukis Körper haften blieben. Der eine Arm um ihn herum drückte ihn nunmehr viel fester an den Älteren und irgendwann griff auch plötzlich der zweite Arm von vorne um seine Taille. Die Hand von selbigem Arm strich über seine Seite und dann seinen Bauch hoch zu dem untersten der zwei großen, runden, schwarzen Knöpfe, die seine weiße Anzugsjacke geschlossen hielten. In diesem Moment wurde Ruki langsam bewusst, dass er sich wirklich, wirklich, wirklich nicht hätte auf all das hier einlassen sollen. "Warum so angespannt, Ruki-chan? Amüsier dich ein wenig... Willst du vielleicht doch einen richtigen Drink?" Die Stimme an seinem Ohr war durchtränkt von Lust, und der Atem, der sein Gesicht streifte, roch streng nach Alkohol und Tabak. Er versuchte, ein wenig weg zu rutschen, doch der Andere hielt ihn ziemlich fest in seinen Schraubstockgriff. "Nein. Ich will lieber etwas an die frische Luft." Ihm war mit einen Schlag wirklich ein wenig übel, umso mehr als Seiichiros Hand anzüglich über seine mit einem schwarzen Shirt bedeckte Brust strich. "Ach, komm schon, Baby. Mach dich locker." Betrunkenes Lachen an seinem Ohr und warme Lippen auf seiner Wange, die Rot aufflammte, weniger vor Verlegenheit und mehr vor Unbehagen. "Oder vielleicht sollte ich dir dabei ein bisschen helfen, hmm?" Hier und da an der zierlichen Haut nippend wanderten jene Lippen weiter nach unten, hinterließen eine feuchte Spur die Kieferpartie entlang und trafen bald auf die Seite des Halses auf. "N-nein, nicht nötig. Sei-kun, warte... Nicht." Nein. Stop. Hört einfach auf. Hör auf, hör auf. Hör auf, mich anzufassen. Die Liebkosungen der plumpen Lippen und feuchter Zunge fühlten sich eklig an, Ruki erschauderte es, nicht vor Genuss aber vor Abscheu. "Bitte, ich..." Muss hier raus. Muss hier weg. Weg, weg, weg. Sobald Zähne sachte in die weiche Stelle zwischen Hals und Schulter bissen, schoss Ruki letztendlich hoch auf die Füße und rammte dabei die scharfe Kante seiner Schulter fast in Seiichiros Gesicht. "Ich brauche wirklich etwas frische Luft," murmelte er fieberhaft und hastete rasch dem Hinterausgang entgegen, einfach nur weil dieser mit einem grünen Licht gekennzeichnet und leicht zu erkennen war. Zudem fühlte Ruki sich dem weißen, weglaufenden Strichmännchen auf der Lampe gerade sehr verbunden. Etwas benommen bahnte er sich den Weg durch die euphorische, betrunkene, tanzende Meute. Die Musik war nichts mehr als ein entsetzlicher Lärm in seinen Kopf, das Atmen fiel ihm schwer wegen der dunstigen, rauch- und schweißdurchtränkten Luft. Aus für ihn unbegreiflichen Gründen rebellierte sein Magen auf heftigste, sodass er sich fast schon übergeben wollte. Endlich erreichte er die Tür und stieß sie auf, stolperte hinaus in die kühlen Temperaturen und Atmosphäre der nächtlichen Stadt. Sein zerbrechlicher Brustkorb hob und senkte sich unregelmäßig sowohl auch schnell, er atmete ein paar Mal so tief ein, dass ihm kurz schwindlig wurde. Eine Hand erhoben begann er sich verzweifelt über den Hals zu wischen, Gesichtsausdruck bestürzt und erschrocken, der schlanke Körper zitternd entweder wegen der Kälte oder dem Wirrwarr aus Emotionen, die mit jedem rapiden Schlag seinen Herzens durch ihn jagten. "Eww..." Wimmerte er klagend, versucht, den Speichel und den unsichtbaren Schmutz jener Küsse von seiner Haut zu putzen. Er fühlte sich elendig. Mehr als alles andere wollte er jetzt einfach nur nach Hause. Er sollte seine Mutter anrufen und sie fragen, bitten, anflehen ihn von hier abzuholen. Just als er sein Handy hervorgeholt hatte, ging die Tür hinter ihm einmal mehr auf, diesmal aufgestoßen mit viel mehr Elan, sodass sie in die gegenüberliegende Wand knallte. "Oi, oi. Du willst doch nicht etwa schon gehen, und das auch noch ohne dich verabschiedet zu haben? Das ist ziemlich unhöflich." Seiichiros Stimme, belustigt und gespielt verletzt. 'Sieht so aus, als ob unser Eisprinz dabei ist, dich abzuservieren, Sei', hallten die betrunkenen Sticheleien und Gelächter seiner Kumpane in seinen Ohren. Der Schwarzhaarige schnaubte zornig. Niemand servierte ihn so einfach ab. Oh nein, nicht ihn. Und schon lange nicht so ein Unterstufenflittchen. Ruki erfror und wagte es nicht, sich umzudrehen, betend, dass all dies nur ein schlechter Traum war. Seine Hand bebte und seine Finger zitterten, was ihm das Wählen der Nummer seiner Mutter ungemein erschwerte, denn plötzlich waren die Tasten seines Handys irgendwie viel zu klein. "Hey! Ich rede mit dir!", ein beleidigter Ausruf, Schritte, die rasch näher kamen, bald gefolgt von einer schweren Hand, die auf Rukis Schulter niederschlug und diese fest packte, um ihn herum zu wirbeln. Mit dem Schock der abrupten, ungewollten Bewegung ließ er das Handy fallen und wie alles teuere Gedöns zerbrach es – genau in der Mitte, an der die zwei Hälften des aufklappbaren Geräts verbunden waren. Ruki starrte Seiichiro aus stark geweiteten Augen an, die Worte blieben ihm im Hals stecken, wenn er überhaupt klar genug denken konnte, um zu wissen, was er sagen sollte. Nicht, dass er dazu überhaupt die Gelegenheit kriegte, statt Silben verließ ein scharfes Lufteinziehen seine Brust wegen des unsanften Stoßes, der ihn hart mit dem Rücken gegen die Wand prallen ließ. Er hatte keine Zeit, großartig zu reagieren, denn seine Handgelenke fanden sich in lebendigen Handschellen, geformt durch Seiichiros lange Finger, wieder, bald ganz immobilisiert, als seine Hände zu beiden Seiten von seinem sich drehenden Kopf gegen die selbige Wand gedrückt wurden. Die eigene breitschulterige Statur gegen Rukis kleinere, viel zierlichere Gestalt drängend, war Seiichiros Stimme ein erbostes, niederträchtiges Zischen am gepiercten Ohr des jüngeren Teenagers: "Du kleine Schlampe hast schon den ganzen Abend lang dein kleines Eisprinzessinnenspiel mit mir getrieben. Ich glaube, es ist an der Zeit, dich etwas zu entfrosten." Schroff schob er sein Knie zwischen die schlanke Beine, doch Ruki gab nicht mal irgendeinen Laut von sich, weil grässliche Angst und blanker Schock ihm alle Luft abgeschnitten. Oh Gott... Jemand soll ihn aus diesem Alptraum aufwecken... Jetzt. Bitte... Sein ganzer Körper bebte vor Ekel, Erniedrigung und Hilflosigkeit, gefangen in dieser demütigenden Position - von Seiichiro an die Wand gepflastert, mit dem aufdringlichen Schenkel des Anderen im Schritt und jenem Mund, der zurück zu seinem Hals gefunden hatte, um diesen mit brüsken Küssen zu bedecken. Der stechende Schmerz, als Zähne sich achtlos an der hellen Haut vergriffen, schüttelte den Blondschopf ein wenig aus seiner Schockstarre raus. "Nicht..." Verzweiflung gab ihm seine Stimme wieder, auch wenn diese nicht mehr als ein Aufwimmern war. Nein. Stop. "Lass mich los!" Endlich spannten sich auch seine Muskel in Gegenwehr an, doch er versuchte vergeblich, sich aus Seiichiros eisernem Griff raus zu winden, der größere Junge war ihm einfach nur überlegen, er hatte dieser dominanten, physischen Stärke wenig entgegenzusetzen. Die Augen zugekniffen drehte er ruckartig den Kopf zur Seite, um den Kuss, den der Andere ihm auf die Lippen aufdrücken wollte, zu verhindern. Der Gestank von Alkohol und die ungewollte Hitze eines fremden Körpers ließ Übelkeit aufkommen und irgendwo wünschte er sich beinahe, er möge sich direkt in Seiichiros scheußliches Gesicht übergeben. Der Schwarzhaarige versuchte erneut, ihn zu küssen, was Ruki den Kopf in die andere Richtung zucken ließ. Das im Gegenzug führte dazu, dass Seiichiro frustriert aufknurrte. "Ja, zier dich nur ruhig weiter. Ich weiß doch eh, was für ein dreckiges Luder du wirklich bist. Jeder weiß es." Lüsterne Sätze, die in sein Ohr gehaucht wurden, und Ruki fuhr zusammen, während seine Gesichtzüge sich zu einer leidvollen Grimasse verzogen. Seiichiro wusste nichts. Er wusste rein gar nichts. Überhaupt nichts... Nur dreckige Gerüchte, abscheuliches Gerede, ungerechtfertigte Beschuldigungen... "Hör auf...", presste Ruki hervor, doch er weigerte sich, zu betteln. Nicht so... Gott im Himmel, nicht so... "Hey." Eine ruhige, von Missfallen durchzogene Stimme erklang in der Luft und Seiichiro stoppte kurz in seinem tun. Ruki indes, öffnete abrupt wieder seine Augen. "Nehmt euch ein Zimmer." Reita wollte hier nämlich gerne in Ruhe rauchen, ohne sich dabei einen Softporno ansehen zu müssen. Immer diese hormongesteurten, angeheiterten Gigolos hier, konnte man sich denn nicht wenigstens in der Öffentlichkeit beherrschen? Das sanfte Klicken eines Zippos erklang, sich leicht runterbeugend hielt er seine Hand um die kleine Flamme und schützte sie damit vor dem Wind, damit sie die Spitze seiner Zigarette zum Glühen bringen konnte. Seine Augen wanderten dann zu den zwei eher intim ineinander verschlungenen Gestalten und erst jetzt erkannte Reita, um wen es sich eigentlich handelte. Glimmstängel zwischen den vollen Lippen eingeklemmt, blies er einen feinen Streifen weißen Rauchs um den Filter herum aus. "Kümmer dich um deinen eigenen Scheiß," brummte Seiichiro und wandte seine widerwärtige Aufmerksamkeit wieder Ruki zu. Und wahrscheinlich hätte Reita sich in der Tat dazu entschieden, das Paar einfach zu ignorieren und links liegen zu lassen, wenn sein unvoreingenommener Blick sich nicht kurz mit dem jener verzagten, nussbraunen Iriden gekreuzt hätte. Seine eigenen Augen verengten sich, die glatte Stirn legte sich leicht in Falten - es sah nicht so aus, als ob der kleine Blondschopf dort die Stellung, in der Seiichiro ihn gefangen hielt, allzu sehr genoss. Nein, genaugenommen sah er total verstört und verängstigt aus. "Wo sind wir stehen geblieben?" dreckig grinsend lehnte sich der Schülerratvorsitzende wieder vor, und da diese verdammt anziehenden Lippen ihm einmal mehr entwischten, begnügte er sich damit, an dem zarten Ohrläppchen des Jüngeren zu knabbern. Das Feuerzeug zurück in die Tasche gesteckt, blickte Reita einmal mehr zu der unschönen Szenerie nahe der kahlen Wand und fing den gequälten Blick dieser Augen einmal mehr mit dem eigenen ab. Er will's nicht? Na ja, es war ziemlich offensichtlich, dass der Andere es nicht tat. Und ganz egal, wie ungern Reita sich in etwas einmischte, was ihn nicht wirklich etwas anging, ein kaltherziger Bastard war er dennoch nicht. "Sei. Lass ihn los," die blank gesprochenen Worte erinnerten an die eines resignierenden Elternteils, das zu ihrem unverbesserlichen Kind sprach. "Warum sollte ich?", warf Seiichiro desinteressiert zurück, während er betrunken-amüsiert das so verboten schöne Antlitz seiner Beute vor sich betrachtete. Irgendwo war selbiges Antlitz nur noch umso atemberaubender mit Spuren von Angst und Verzweifelung auf den feinen Gesichtszügen. "Weil ich's dir sage." Der Schwarzhaarige blickte über die eigene Schulter, direkt in ein Paar fokussierter, rehbrauner Augen. Ihm entging Reitas ausdrückliche Tonlage nicht, und sie schien ihn äußerst zu verärgern. "Fick dich, Suzuki. Das hier geht dich einen feuchten Dreck an," grollte er hervor, während Ruki ungemein viel Erleichterung in dem schönen Detail fand, dass Seiichiros Knie sich aus der sehr unangenehmen Position zwischen seinen Beinen entfernte. Reita währendes schnaubte und neigte kurz den Kopf, um die Halsmuskulatur ein wenig zu strecken. Hand gehoben, pflückte er seine kaum angefangene Zigarette von den eigenen Lippen und ließ die schmale Tabakrolle auf den Boden fallen. "Was hast du gesagt?", fragte er fast schon neugierig, doch seine Augen waren raubtierhaft auf Seiichiro fixiert, denn der Andere war gefährlich nah dran, seinen verhaltenen aber dennoch jähzornigen Klassenkameraden wirklich sehr zu verstimmen. Vielleicht hatte der übermäßige Alkoholkonsum Seiichiros Verstand schon ziemlich benebelt oder er war einfach nur einmal mehr in der Rolle des arroganten, unausstehlichen Arschlochs, aber wider besseren Wissens ließ er eine überaus herablassende und hochmütige Retorte verlauten: "Ich sagte - verpiss dich, Halbfresse." Dieses Mal war der Konter körperlicher Natur. Manche Sachen ließ Reita sich einfach nicht bieten, und diese Aussage war eine davon gewesen. Blitzschnell vorwärts schreitend packte er den Anderen am Kragen und zog ihn mit einem heftigen Ruck zu sich und somit auch weg von Ruki, während sein anderer Arm ausholte, um mit höchster Präzision und einer guten Menge Kraft die zu einer soliden Faust geballte Hand in diese eine hämische Fresse zu rammen. Blut spritzte aus der gebrochenen Nase und mit einem benommenen Aufschrei ging Seiichiro augenblicklich in die Knie, sich mit beiden Händen das demolierte Atmungsorgan haltend, aus welchem bereitwillig rote Flüssigkeit in seine Handflächen quoll. Reita schüttelte einmal brüsk seine Hand, als ob die paar Bluttropfen und irgendwelchen unsichtbarem Dreck von ihr abschütteln zu wollen und spuckte dann zur Seite auf den Boden. "Pass auf, was du sagst, Arschloch." Er leugnete nicht, dass das gerade eben eine große Genugtuung gewesen war. Er beugte sich dann runter, hob seine vorher fallen gelassene Zigarette wieder auf und blies den Staub von ihr ab, taub für Seiichiros Gejammer und Gewinsel, während er den Glimmstengel einmal mehr anzündete. Mit einem Seufzen schnipste er diesen aber nach ein, zwei Zügen wieder weg, denn er hatte nicht mehr wirklich Lust zum Rauchen, daher entschloss er sich, ins Innere des Clubs zurückzukehren. Also drehte er sich um und hatte nun die Tür im Visier, auch wenn er nicht weit kam, denn eine helle, zittrige Stimme, die hinter ihm erklang, ersuchte ihn, stehen zu bleiben. "Warte, bitte!" Ach ja. Hätte er fast vergessen. Da war ja noch was - oder eher gesagt, wer - gewesen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)