Die Tochter des Puppenmachers von Sky- ================================================================================ Kapitel 3: Fragiles Herz ------------------------ Hester Holloway war eine hübsche Frau mit einem Hauch von Exotik und langem schwarzen Haar. Unter ihrem Ärztekittel trug sie eine bordeauxfarbene Bluse und dazu einen kurzen Rock und Schuhe mit hohen Absätzen. Sie begrüßte Near gut gelaunt und sah sich seine Krankenakte an. „Wie geht es dir denn so?“ „Wie immer“, antwortete dieser knapp und vermied es, die Behandlungsutensilien auf dem Tisch anzusehen denn allein die reichten schon aus, um ihn nervös zu machen. Der Geruch von Desinfektionsmitteln schlug ihm in die Nase und steigerte dieses unwohle Gefühl nur noch. Hester drehte ein wenig auf ihrem Drehstuhl herum und hob die Augenbrauen. „Da verschweigst du mir doch etwas. Du hattest vor vier Tagen einen leichten Herzanfall.“ „Tobis Taranteln sind ausgebrochen und eine hatte sich in meinem Bett versteckt. Viele hätten da einen Schreck gekriegt, wenn sie ein achtbeiniges haariges Monster unter der Decke finden.“ „Nimmst du deine Tabletten regelmäßig?“ „Ja.“ „Wie viele hast du noch?“ Near reichte ihr die Verpackung und Hester sah sich das an. Es waren nicht mehr viele da. Bis zur nächsten Untersuchung würde sie ihm neue geben müssen, sonst könnte er noch bei größerer Aufregung einen weiteren Herzanfall oder sogar einen Infarkt bekommen. Das konnte für ihn sehr gefährlich werden. Nach der Besprechung begann die übliche Prozedur. Augen, Ohren und Rachen wurden untersucht, dann die Lungen und schließlich das Herz und der Puls. Letzterer war etwas erhöht, rührte aber hauptsächlich von der Aufregung her. Schließlich kam das, wovor sich Near am meisten fürchtete: Die Blutabnahme. Da er neben seinem Herzfehler hin und wieder mit einer Anämie zu kämpfen hatte, musste er zusätzlich Tabletten schlucken, um seinen Eisenwert zu stabilisieren. Und um diesen zu kontrollieren, musste ihm Blut abgenommen werden. Ein wahrer Fluch war das. Bis jetzt hatte Near niemanden von seiner Phobie erzählt. Es war durch einen unglücklichen Zufall ans Tageslicht gekommen als man ihn in der Uniklinik in London kurz nach seiner Ankunft untersucht hatte und es zu Schwierigkeiten kam, weil sich in seiner Angst einige Venen verengt hatten und somit kein Blut floss. Man hatte es an mehreren Stellen versucht und irgendwann hatte Near die Nerven verloren und sich lauthals zur Wehr gesetzt. Hester wusste seitdem um seine Angst Bescheid und versuchte, ihm dieses Prozedere so angenehm und schnell wie möglich zu machen. „So, jetzt leg dich da hinten auf die Liege, schließ die Augen und versuch dich zu entspannen.“ Sie sagte ihm wissentlich nicht, dass sie ihm jetzt Blut abnehmen würde. Das würde es doch nur schlimmer machen. Und wenn Near die Augen geschlossen hatte, dann fiel es ihm auch einfacher, mit seiner Angst umzugehen und ruhig zu bleiben. An seinem Arm wurde nun der Gurt zugeschnürt und er musste die Hand leicht zur Faust ballen. Soweit so gut, er blieb ganz ruhig. Doch als Hester schließlich die Stelle mit einem mit Desinfektionsmittel benetztem Tuch die Stelle an seinem Arm rieb, an dem sie die Nadel ansetzen würde, kam ihm doch die Angst. Er versuchte ruhig zu atmen und an etwas anderes zu denken als an die Spritze, aber es fiel ihm wirklich schwer. Ihm wurde schlecht und kalter Schweiß brach aus. Dann spürte er ein unangenehmes Pieksen und während das Blut abgenommen wurde, versuchte er sich immer wieder einzureden, dass es gleich vorbei sei. Aber anscheinend gab es Schwierigkeiten, denn Hester bewegte nun die Nadel in seinem Arm und drückte ein wenig. „Gibt es Probleme?“ fragte Near, der immer noch die Augen geschlossen hatte. „Da kommt nur sehr wenig. Anscheinend haben sich die Venen wieder verengt. Aber keine Sorge, wir kriegen das schon hin.“ Es dauerte knapp fünf Minuten, bis Hester schließlich die Nadel herauszog und ein Papiertüchlein auf seinen Arm drückte. „Ist dir schwindelig?“ „Ja, ein wenig.“ „Dann bleib besser noch ein wenig liegen. Sonst kippst du noch um.“ Sie reichte ihm einen Pappbecher mit Wasser, den er dankend annahm. Gott, wie er diese Prozedur hasste…. „Die letzten Werte bereiten mir ein wenig Sorgen, Near. Du hast eine erhebliche Herzrhythmusstörung. Ich muss deine Schilddrüsenwerte erst mal auf eine Überfunktion untersuchen und ich muss dir Nahrungsergänzungsmittel verschreiben. Wir versuchen erst einmal mit Medikamenten gegenzuwirken. Wenn das allerdings auf Dauer nichts hilft, müssen wir im Ernstfall über eine Herztransplantation nachdenken. Solange versuchen wir das Problem mit Medikamenten in den Griff zu bekommen.“ „Warum hat sich das verschlechtert?“ Hester zuckte mit den Achseln und sah ihn besorgt an. „Das kann alle möglichen Ursachen haben. Das Problem ist, dass dein Herz viel älter ist als der Rest deines Körpers- Du hast den Körper eines 12-jährigen, aber dein Herz ist fast 80 Jahre alt. Und ich fürchte, dass du mit diesem Herzen nicht älter als 15 Jahre alt wirst.“ Diese Nachricht erschreckte Near, äußerlich wie auch innerlich. Bis jetzt hatte er immer geglaubt, mit seinen Herztabletten könnte er noch lange mit diesem Herzen leben, auch wenn es nicht das kräftigste war. Aber dass er nur noch drei Jahre zu leben hatte, wenn er sich nicht operieren ließ, das erschreckte ihn doch sehr. „Kann man nicht irgendetwas tun, um diese verbleibende Zeit zu strecken?“ „Große Anstrengung und Aufregung vermeiden, Medikamente nehmen und gesund ernähren. Vom Sportunterricht bist du ja bereits befreit. Ich werde mit Roger und Watari darüber sprechen. Auch du solltest dir ernsthafte Gedanken machen. Je schneller du eine Entscheidung triffst, desto eher können wir alles in die Wege leiten. Aber selbst wenn du gesund lebst, wirst du im allergünstigsten Fall vier bis fünf Jahre leben. Einen Herzinfarkt hattest du bereits, ein zweiter ist umso gefährlicher und einen dritten überlebt man nicht. Ich sage dir das jetzt, damit du dir im Klaren bist, wie ernsthaft dein Zustand ist. Und ich mache mir wirklich große Sorgen um dich. Du hast dein ganzes Leben doch noch vor dir. Und das darfst du dir nicht durch ein schwaches Herz kaputtmachen lassen. Lass dir noch mal alles durch den Kopf gehen.“ Damit ging Hester zum Medizinschrank und kramte ein wenig drin herum. Schließlich holte sie drei kleine Medikamentenpäckchen heraus und schrieb etwas mit dem Kugelschreiber drauf. Die erste war sein üblicher Vorrat an Herztabletten. „Die nimmst du wie immer. Die zweite sind spezielle Präparate, die Kalium und Magnesium enthalten. Das hilft gegen deine Herzrhythmusstörung und die dritte sind spezielle Beta-Blocker. Sie verhindern größere Impulsreizungen auf das Herz. Die nimmst du nur, wenn du Atemnot und Stechen in der Brust hast. Die Beta-Blocker nimmst du dann zwei Mal am Tag und solltest dann jeglichen Stress vermeiden. Gibt es noch etwas, das dich beschäftigt?“ Near dachte an Alice Chevalier und ihre Puppe. Und an die Todesanzeige. Obwohl ihn die erschreckende Wahrheit über seinen gesundheitlichen Zustand erschreckte, so durfte er sein eigentliches Ziel nicht aus den Augen verlieren. „Kennst du vielleicht einen Dr. William Chevalier?“ „Natürlich. Wir waren Kollegen an der Londoner Universitätsklinik. Er war ein absolutes Genie in der Chirurgie. Charmant, gut aussehend und ein wahrer Meister mit dem Skalpell. Er war mein zweites großes Vorbild.“ „Hatte er Kinder?“ „Ja, eine Tochter. Er hat sie nach dem Tod seiner Frau alleine großgezogen und er hat sie wirklich vergöttert. Sie kam jeden Tag nach der Schule zur Klinik, um ihn zu besuchen und hat sich mit seinen Kollegen wunderbar verstanden. Sie war der kleine Engel in der Klinik. Bis zu dem Tag, an dem sie bei einem Unfall verstorben ist. Gerade war sie auf dem Rückweg von der Klinik und wollte nach Hause gehen, als sie von einem Kleintransporter angefahren und gegen einen Baum gequetscht wurde. Trotz unserer Versuche, sie zu retten, hat sie es nicht überlebt. Für William war es das Ende seines Lebens.“ „Was ist mit ihm geschehen?“ „Er hat seinen Beruf von einen Tag auf den anderen an den Nagel gehängt und hat zu jedem den Kontakt abgebrochen. Niemand hat mehr etwas von ihm gehört. Als ich ihn besuchen wollte, fand ich ein leeres Haus vor. Offenbar ist er weggezogen. Der Verlust seiner einzigen Tochter war einfach zu viel für ihn gewesen. Warum fragst du?“ Sollte er Hester von Alice erzählen? Davon, dass er sie getroffen hatte, obwohl sie eigentlich tot war? Und von ihrer Puppe, die sie ihm hinterlassen hatte? Einerseits war es ihm ganz und gar nicht recht, Außenstehende in sein Rätsel einzuweihen aber andererseits besaß Hester wichtige Informationen, die ihm noch nützlich sein konnten. Er entschied sich dafür, sie einzuweihen und erzählte ihr, was passiert war. Und er reichte ihr auch den Brief, den sie sich ansah. Nach und nach wich ihr jegliche Farbe aus dem Gesicht. „Tatsächlich ist das ihre Handschrift. Und diese duftende Tinte ist auch typisch für sie. Und die Beschreibung trifft auch auf sie zu. Aber wie kann Alice, die vor fünf Jahren gestorben ist, noch als 13-jähriges Mädchen Schlittschuh laufen? Es muss sich um eine Verwechslung handeln.“ „Glaube ich eher nicht. Sie wollte, dass ich von dem Unfall erfahre und auch ihre Todesanzeige lese. Sie will mir irgendetwas damit sagen und das sind folgende Möglichkeiten: Alice lebt doch noch und es gibt Ungereimtheiten bezüglich des Unfalls, oder es handelt sich um eine Betrügerin.“ „Aber ich war doch dabei, als sie operiert wurde und wir haben ihren Tod diagnostiziert.“ „Dann ist sie wohl eine Betrügerin. Oder hatte William Chevalier eine zweite Tochter?“ „Nein, völlig unmöglich. Seine Frau ist direkt nach der Geburt von Alice verstorben.“ „Was ist sonst noch nach dem Tod von Alice passiert?“ Da musste Hester überlegen und lief langsam auf und ab. Der Fall lag immerhin 5 Jahre zurück, da war es schwierig, sich noch an alle Details zu erinnern. „Ich weiß nur noch, dass kurz vor Williams heimlichen Umzug um die 5 Kinder verschwunden und nie wieder aufgetaucht sind.“ Ein Mädchen, das fünf Jahre nach ihrem Tod plötzlich wieder auftauchte… ein Chirurg, der als Meister des Skalpells gefeiert wurde und fünf Kinder, die verschwunden sind. Wie passte das zusammen? „Stimmt es, dass William als Hobby Porzellanpuppen gebaut hat?“ „Oh ja, er liebte Puppen über alles. Er sagte, sie seien die Verkörperung von Perfektion, weil sie ohne Fehler sind und nie ihre jugendliche Schönheit verlieren. Er war schon immer handwerklich geschickt gewesen, da sein Vater und sein Großvater Prothesenmacher waren. Auch er hat eine solche Ausbildung gemacht und sein Studium dadurch auch mitfinanziert.“ Ein gelernter Prothesenmacher und ehemaliger Chirurg verliert seine Tochter und taucht unter. Und kurz darauf verschwinden fünf Kinder? Wie passt das zusammen? Hatte William Chevalier vielleicht etwas mit dem Verschwinden der Kinder zu tun? Aber was für einen Grund sollte er haben? Und was für eine Rolle spielte die Puppe, die Alice ihm gegeben hatte? Near musste an Hesters Worte denken, dass Puppen für William das Sinnbild der Perfektion seien. Und Alice sah selbst wie eine lebende Puppe aus. Steckte vielleicht William dahinter, der sie zu einer lebenden Puppe gemacht hat? Aber das würde immer noch nicht erklären, warum sie wieder aufgetaucht war. Dass Hester sich irrte, war völlig ausgeschlossen. Wenn sie dabei war, als man ihren Tod diagnostizierte, dann wäre es ihr sofort aufgefallen, wenn William Chevalier getrickst hätte. Und man konnte Tote doch nicht einfach ins Leben zurückholen. Das war völlig unsinnig und bescheuert. „Und was wirst du jetzt tun?“ fragte Hester schließlich. Near stand nun auf und ging in Richtung Tür. „Ich werde William Chevalier finden und ihn zum Tod seiner Tochter fragen.“ Damit verließ er das Behandlungszimmer. Nachdem er die Medikamente in der Schublade des Schreibtisches in seinem Zimmer verstaut und seine alten wie immer einnahm, ging er nach draußen, wo es genauso wie die letzten Tage schneite. Obwohl es furchtbar kalt war und er außer seinem viel zu großen Hemd und der Hose nichts trug, fror er nicht. Ihn beschäftigten nach wie vor Hesters Worte. Nämlich, dass er nicht mehr lange leben würde. Schweigend legte er sich in den Schnee, so als würde er sich in ein weiches Bett legen und er starrte in den grauverhangenen Himmel. Was wäre, wenn er sich hier und jetzt hinlegte und einfach dieser Welt entschliefe? Was wäre, wenn er morgen plötzlich nicht mehr da war? Würde es jemanden kümmern? Würde überhaupt irgendjemand bemerken, dass er nicht mehr da war? Würde jemand um ihn weinen? Eigentlich hatte er schon innerlich gewusst gehabt, dass es um ihn nicht gut stand. Immer wenn er ein Stechen in der Brust spürte und nicht atmen konnte, bereitete er sich darauf vor, dass er es nicht überleben würde. Jeden Tag hielt er sich vor Augen, dass jeder Tag sein letzter sein könnte, wenn er nicht aufpasste. Aus diesem Grund isolierte er sich von der Außenwelt und verschloss seine eigenen Gefühle. Die anderen Kinder sagten immer, er wäre gefühllos und kaltblütig. Er würde die Menschen immer nur als irgendwelche Schachfiguren ansehen und selbst nichts Menschliches besitzen. Doch dabei wusste niemand, wie es wirklich in ihm drin aussah. Auch er würde so gerne lachen wie die anderen, herumrennen und sorglos spielen. Wie gerne würde er am nächsten Mehlkrieg teilnehmen, oder bei einer Schneeballschlacht mitmischen. Aber er konnte nicht. Diese grausamen Szenen, die er da im Dschungel gesehen hatte… das viele Leid und diese Schreie. Wie konnte er noch ein Kind sein, wenn er den wahren Alptraum in der Welt gesehen hatte? Und wie konnte er mit den anderen spielen, wenn sein Herz dann stillzustehen drohte? Er hatte den Tod gesehen und lebte jeden Tag mit der Angst, dass er bald selbst einfach sterben würde. Und wer würde dann um ihn trauern? Wer würde für ihn da sein, wenn es passierte? Er hatte keine Eltern mehr, keine Verwandten, keine Freunde…. Als Near darüber nachdachte, spürte er einen Schmerz in seiner Brust und versuchte, seine Gefühle zu unterdrücken. Doch er konnte es dieses Mal nicht. Er versteckte sein Gesicht hinter seinem Arm und spürte, wie heiße Tränen sein schneeweißes Gesicht hinunterliefen. Wie konnte man dieses Leben überhaupt ein Leben nennen? „Ich will nicht sterben… Ich habe Angst…“ Schritte kamen näher und als Near sich schnell die Tränen wegwischte, sah er Mello, der dick angezogen war und offensichtlich mit ein paar anderen Kindern eine Schneeballschlacht veranstaltete. „Was machst du denn da, Near?“ „Nichts“, murmelte er und setzte sich auf. „Ich musste nur ein wenig nachdenken.“ „Du musst dir doch den Arsch abfrieren. Du kommst ja immer auf Scheißideen.“ Obwohl Mello Near zu seinem regelrechten Todfeind erklärt hatte, half er ihm hoch und ihm entgingen nicht die geröteten Augen des 12-jährigen. Er sagte aber nichts dazu. Mello hatte seine eigenen Prinzipien, was das Piesacken von Near anging. Und das beschränkte sich lediglich auf den Unterricht und auf seine Hobbys. Wenn es aber um Sachen ging wie zum Beispiel mit persönlichen Problemen umzugehen, da hielt Mello lieber die Klappe. Er selbst hatte auch genug durchgemacht um zu wissen wie hart es war, schlimme Erlebnisse zu verarbeiten. Er selbst hatte ein gewaltiges Erdbeben überlebt und war mit Matt durch Chaos und Zerstörung gegangen. Als blinde Passagiere auf einem Frachtschiff kamen sie halbtot nach Schottland und hatten es mit allerletzter Kraft nach England geschafft. Auch Mello hatte Leid und Tod gesehen und das war etwas, was ihn mit Near verband, auch wenn er es nicht gerne zugab. Und deshalb sah er es selbst als absolut asozial an, sich über andere lustig zu machen, die durch die Hölle gegangen waren. Wenn das passierte, dann zögerte er auch nicht, handgreiflich zu werden. Alles hatte seine Grenzen. Trotzdem konnte er sich nicht dazu überwinden, einen Schritt auf Near zuzugehen und mit ihm über seine Sorgen zu reden. Auch er hatte seinen Stolz und dieser war manchmal größer als sein Mitgefühl für andere. Jeder hatte eben seine eigene Art, mit seinen Problemen umzugehen. Beim Aufstehen wurde Near schwindelig und kurzzeitig wurde ihm schwarz vor Augen und er kippte nach hinten. Mello hielt ihn jedoch fest, damit er nicht hinfiel. „Wenn du krank bist, dann geh gefälligst ins Bett.“ „Ich bin nicht krank… mir ist nur schwindelig.“ „Nichts als Ärger hat man mit dir, echt jetzt….“ Da Near völlig unsicher auf den Beinen war, nahm Mello ihn auf den Rücken und brachte ihn zu seinem Zimmer. Auf dem Weg stieß er auf ein paar Kinder, die das sahen und anfangen sich darüber lustig zu machen. Doch das ließ sich Mello nicht gefallen und drohte damit, sie allesamt windelweich zu prügeln wenn sie nicht die Schnauze hielten. Als sie schließlich vor Nears Zimmer standen, setzte Mello den Geschwächten ab und sagte nur noch mit missmutiger Stimme „Dein Dankeschön kannste dir sparen.“ Schweigend sah Near ihm nach, dann ging er in sein Zimmer und setzte sich auf sein Bett und nahm den kleinen Spielzeugroboter, der ziemlich mitgenommen war und dem sogar schon ein Arm fehlte. Sein erstes Spielzeug, als er nach Birma kam. Er hatte ihn zu seinem 10. Geburtstag geschenkt bekommen, als er zu seiner Schwester kam, die er bis dato noch nie gesehen hatte. Und doch hatte er innerlich gespürt, dass sie seine Schwester war. Manchmal gab es ja solche Bindungen, dass man sofort wusste, dass man ein Familienmitglied vor sich hatte. Vorher hatte er eine Zeit lang in einem Heim gelebt, nachdem seine Eltern bei einem Flugzeugabsturz verunglückten. Erst zweieinhalb Jahre später hatte man Kontakt zu seiner Schwester aufnehmen können und diese hatte sofort die Adoptionsunterlagen unterzeichnet, als sie von ihrem verwaisten Bruder erfuhr. Streng genommen war sie eigentlich nicht seine richtige Schwester, sondern lediglich seine Halbschwester. Sie stammte aus einer früheren Beziehung ihres Vaters, der damals noch 16 Jahre alt war und sich nicht um sie kümmern wollte. Und trotzdem hatte sie Near aufgenommen, obwohl dieser bei seinem Vater aufgewachsen war und von diesem geliebt wurde. Und doch hatte es nichts daran geändert, dass er am Ende hier landete und niemanden mehr hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)