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Crossing Borders

Whitebeards Söhne
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Das Danke geht an die liebe Peacer für das Betan. <3 Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Beta: Peacer Komplett anzeigen

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to meet


 

I

Das Diner war gut besucht. Musik plärrte aus den Lautsprechern an der Decke und die Klimaanlage blies kühlschrankartige Luft aus den Schächten zu Marcos Füßen. Seine Zehen, die in luftigen Sandalen steckten, hatten längst jedes Gefühl eingebüßt. Selbst der Rest seines Hamburgers war kalt und ungenießbar, so dass Marco den Teller ein Stück von sich schob. Dabei wanderte sein desinteressierter Blick aus der breiten Fensterfront des Diners und sein Kinn fand den Platz auf seiner Handfläche. Der Parkplatz und der Highway dahinter waren von Sonnenlicht geflutet und flimmerten in der Ferne, während Marco regelrecht Frostbeulen bekam. Wahrscheinlich war es so kalt hier drinnen, dass sich nicht einmal Keime bilden konnten. Vielleicht war das sogar der Grund, weshalb-

Ein Kreischen unterbrach Marcos Gedanken, seine Augen zuckten unwillkürlich zu seinem Ursprung herüber, während seine Finger bereits in die Richtung seiner Pistole zuckten. Es war ein Reflex, der sich nicht daran störte, dass er seine Bodyguard38 im Auto gelassen hatte.

Der schrille Schrei stammte von der Kellnerin, die hinter dem Tresen kauerte und einen jungen Mann anstarrte. Einen, der mit dem Gesicht auf seinem Teller lag.

Marcos Augenbraue zuckte in die Höhe, als er sich das Bild einprägte. Was ging da vor? Ein gelbes T-Shirt hing dem Fremden um die Schultern und ein roter Cowboyhut lag auf dem Barhocker direkt neben ihm, zudem lehnte ein grüner Seesack am Stuhlbein.

„Er ist tot!“, entfuhr es der Kellnerin mit einem Mal. Sie hielt ein Tablett schützend vor sich, als könnte das, was den Kerl umgebracht hatte, auch sie anfallen.

Ein alter Mann schob schabend den Stuhl über den Boden, als er sich von einem der nahegelegenen Tische erhob. „Er könnte an seinem Essen erstickt sein.“ Sein Blick glitt über die restliche Kundschaft, die inzwischen verstummt war. „Ruf doch einer den Notarzt!“ Mit diesen Worten trat er an den vermeintlich Toten heran.

Marco beobachtete ihn dabei genau. Wirklich vorstellen konnte er sich diese Annahme jedoch nicht. Würde ein Erstickender nicht auf sich aufmerksam machen, anstatt unzeremoniell in sich zusammenzuklappen?

Derweil war der Alte an den schwarzhaarigen Kerl herangetreten, den er nun vergebens an der Schulter rüttelte. Von Erster Hilfe oder wenigsten dem Puls fühlen hatte er scheinbar noch nie etwas gehört, wie Marco schien.

Allerdings verweilte er auch weiterhin auf seinem Platz. Er war nicht hier, um unnötig Aufmerksamkeit zu erregen. Viel eher war es in dem Sinne aller, wenn er nur ein weiterer gesichtsloser Kunde auf der Durchfahrt blieb.

In dem Moment, in dem der alte Mann den Knaben unter den Achseln packen wollte, um das Heimlich-Manöver anwenden zu können, kehrte wieder Leben in den Körper vor ihm zurück.

Mit einem Mal saß er kerzengerade auf dem Stuhl, die Gabel festumklammert, die ihm während des Zwischenfalls beinahe gänzlich aus den Fingern gerutscht war. Das fassungslose Lufteinziehen einiger Gäste übertönte die Musik für einen Moment und selbst Marco starrte mit geweiteten Augen zu ihm herüber.

Dieser blinzelte ein, zweimal, ehe er bemerkte, dass der Alte noch immer an ihm festhielt. „Was geht denn hier vor?“ Er klang ehrlich erstaunt, als er sich umsah und sich dabei eine Fritte von seinem Teller in den Mund steckte. Dabei glitt sein Blick auch über Marco, an dem er kurzzeitig hängen zu bleiben schien.

„Wir dachten, du bist tot!“, stieß die Kellnerin aus und deutete mit dem Finger auf den jungen Mann. Jetzt, wo Marco ihn von seinem Tisch in der hinteren Ecke erkennen konnte, fiel ihm auf, dass der Bengel recht jung war. Anfang Zwanzig vielleicht.

Dieser runzelte derweil die Stirn. „Hä? Ich bin doch nur eingepennt.“

Daraufhin herrschte abermals Schweigen, während Marco nur den Kopf schütteln wollte. Stattdessen fischte er jedoch seine Brieftasche aus seiner Jeans und legte einige Scheine auf den Tisch. Es war der optimale Zeitpunkt, um ungesehen aus dem Diner zu schlüpfen, wo die gesamte Aufmerksamkeit auf diesem Schwachkopf lag.
 


 

II

„Was für ein Spinner...“, murmelte Marco halb irritiert, halb amüsiert. Es rannten schon ein paar seltsame Menschen in der Welt herum, das musste man ihnen lassen.

Die Luft brannte und wärmte Marcos Haut, ehe er auch nur den halben Weg zu seinem Wagen hinter sich gebracht hatte. Sein silberner Camry stand im Schatten eines Baumes geparkt, damit sich das Interieur nicht allzu sehr aufheizte. Ganz seines Erwartens nach war es stickig im Wagen, woraufhin er alle vier Fenster herunterließ, als er sich hineinsetzte. Nirgendwo fand man im Sommer ein gutes Mittelmaß zwischen Wärme und Kälte.

Sein erster Blick galt jedoch dem Handschuhfach, das er sogleich öffnete, um sicherzugehen, dass seine Pistole sich noch an Ort und Stelle befand. Im nächsten Moment startete er bereits den Motor und parkte aus, um über den Platz in die Richtung der Route 90 rollen zu können.

Er hatte längst die Staatsgrenze nach Texas hinter sich gelassen, bis nach Austin war es demnach nicht mehr als ein Katzensprung. Morgen würde er Bellamy dann in aller Ruhe einen kleinen Besuch abstatten und das Geld zurückholen, das dieser bei seiner Flucht aus Key West mitgenommen hatte. Niemand stahl von Whitebeard und seinen Söhnen. Das war ein unausgesprochenes Gesetz, doch Marco war nicht hier, um es Bellamy noch einmal unter die Nase zu reiben. Nein, dafür stand zu viel auf dem Spiel, obwohl er nichts lieber getan hätte, als diesem armseligen Kerl zu zeigen, wo der Hammer hing. Doch Texas war weit entfernt von Whitebeards Territorium.

Abermals wurde er an diesem Tag unsanft aus seinen Gedanken gerissen, erneut in der Form eines Schreies. „Hey du! Du hast vergessen zu zahlen! Komm sofort zurück!“, drang es ihm ans Ohr, als er an dem Eingang des Diners vorbeifuhr. Im selben Augenblick nahm ihm eine Gestalt die Sicht auf die Kellnerin, die noch immer das Tablett in der Hand trug und gerade aus der Tür gestürzt kam.

Trotz seiner zwanzig Meilen per Stunde kletterte der Bengel von eben kopfüber durch das offene Fenster auf seinen Beifahrersitz. „Ich würde fahren, wenn ich du wäre“, entwich es Marcos blindem Passagier. Ein Schmunzeln lag auf seinen Lippen, als er sich im Sitz aufrappelte und den Cowboyhut auf seinem Kopf richtete.

Doch Marco starrte ihn auch weiterhin irritiert an. Er rechnete mit vielem, doch diese Aktion hatte ihm buchstäblich den Wind aus den Segeln genommen. Was bildete sich dieser Kerl ein?

Im Rückspiegel hob die Kellnerin empört die Arme. Für eine Sekunde wirkte es, als wollte sie ihr Tablett nach dem Camry werfen, entschied sich jedoch um. „Ich ruf die Polizei, verlass dich drauf!“

Als wäre es das Stichwort gewesen, drückte Marco das Gaspedal durch und bretterte auf den leeren Highway. Im selben Augenblick öffnete er mit der rechten Hand das Handschuhfach und zog seine Bodyguard mit einer raschen Bewegung hervor. Sie sprach von jahrelanger Erfahrung, ebenso sein Blick, der automatisch zwischen der verlassenen Straße und dem schwarzhaarigen Fremden hin und her wechselte. Ein Klicken verriet die Entsicherung seiner Pistole, was auch der andere zu verstehen schien, da dieser abwehrend die Hände hob. Das Grinsen konnte es jedoch nicht aus seinem Gesicht wischen.

„Wer bist du? Und was zum Teufel sollte das eben?“, fragte Marco, seine Stimme kalt und unnahbar.

„Immer mit der Ruhe...“

Doch Marco ließ den Pistolenlauf auch weiterhin auf die fremde Stirn zielen. Er war nicht aus Spaß in Texas und ein solcher Zwischenfall, der die Polizei involvierte, hatte ihm alles andere als gefehlt. Der Deal, den Whitebeard mit der Polizei ausgearbeitet hatte, galt lediglich für Florida, was bedeutete, dass Marco hier alleine auf sich gestellt war. Wenn die Polizei ihn schnappte, dann war es das für ihn, so viel stand fest. „Rück’ schon raus mit der Sprache oder die Bullen können dein Gehirn vom Sitz kratzen.“ In dem Ton, in dem Marco das sagte, war es viel mehr ein Versprechen anstatt einer simplen Drohung.

Doch sein Gegenüber hatte die Ruhe weg, davon sprach zumindest die stumme Belustigung in seinen dunklen Augen.

„Mein Name ist Ace“, sagte er. „Und ich bin mir ziemlich sicher, dass du ein Mitglied von Whitebeards Söhnen bist.“

Auf diese Aussage hin versagte selbst Marcos sonst so undurchdringliches Pokerface. Seine Gesichtszüge entgleisten augenblicklich und der Camry wabbelte kurzzeitig auf die andere Spur, während die Pistole keinen Zentimeter von ihrem Ziel wich.
 

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Beta: Arianrhod-

to distrust


 

III

Das Grinsen auf Ace’ Lippen wurde eine Spur breiter, als er beobachtete wie sich auf dem markanten Gesicht des anderen Irritation mit Misstauen abwechselte. Es war so unscheinbar, dass Ace ganz genau hinsehen musste, um die zuckenden Augenbrauen erkennen zu können. Doch die Emotionen blieben nur für wenige Sekunden sichtbar. Sein Gegenüber fasste sich schnell wieder, fast ein wenig zu schnell für Ace’ Geschmack.

„Und du denkst, dass wenn du mir das einfach so an den Kopf knallst, es deine Lebenschancen erhöht?“, wurde Ace gefragt, woraufhin er instinktiv mit den Schultern zuckte.

Der Lauf der Pistole, in den er praktisch hineinschauen konnte, wirkte als ob er ihn verschlucken wollte, doch tat nicht mehr als Adrenalin durch seine Venen zu schicken. „Ich dachte, es macht dich wenigstens neugierig.“

„Es lässt eher meinen Abzugsfinger jucken.“

Daraufhin nickte Ace, ehe er den Blick von dem älteren Mann abwandte und stattdessen aus dem Seitenfenster schaute. Eine flache Landschaft mit verdorrtem Gestrüpp flog an ihnen vorbei, mit einigen Hochhäusern in der Ferne, die auf Städte hinwiesen.

Der Wind drang derweil unablässig durch die geöffneten Fenster ein. Er wirbelte umher und versuchte Ace den Hut vom Kopf zu stehlen.

Zwar war er nicht vollkommen sicher, doch seine Intuition sagte ihm, dass sein Gegenüber ihn nicht ohne Augenkontakt erschießen würde. Zumindest nicht hier und jetzt. Nicht, bevor er wusste, woher Ace von Whitebeard und seinen Männern wusste. Vor allem, da Whitebeards Name nur in engen Kreisen fiel und er sich stets bedeckt hielt. Als Krimineller blieb ihm wohl nichts anderes übrig, aber dass er der Polizei so lange durch das Netz gegangen war, sprach nur für ihn. Insbesondere der inoffizielle Deal, den er mit den Gesetzeshütern in Florida ausgehandelt hatte. Nicht jeder konnte von sich behaupten freie Hand zu haben, nur weil er im Gegenzug für Ruhe auf den Key Inseln sorgte.

Würde er an so etwas wie Schicksal glauben, hätte Ace behauptet, dass ihre Wege dazu bestimmt waren sich hier in Texas zu kreuzen. Die Welt war eben doch kleiner als man immer annahm.

„Anstatt vor dich herzugrinsen, könntest du mir erklären, was der ganze Scheiß hier soll“, ertönte es von der Seite in einem Ton, der von zu viel Gelassenheit und zu wenig Beunruhigung erzählte. Ganz der professionelle Typ Mann, den Ace ohnehin erwartet hatte, als er ihm in dem Diner aufgefallen war. Vielmehr war es die Tätowierung auf seiner Brust gewesen, die Ace auf ihn aufmerksam gemacht hatte. Das violette Hemd war zwar zugeknöpft, doch der obere Teil war dennoch sichtbar. Ace hatte sich das Symbol von Whitebeard und seinen Männern lange genug eingeprägt, um es wiederzuerkennen. Das Verhalten seines Gegenübers bestätigte es ihm nur noch. Er hatte eindeutig mit seiner Vermutung ins Schwarze getroffen. Aber was er wohl sagen musste, damit die Pistole auch nur ein Stückchen gesenkt werden würde? Die Wahrheit? Ganz bestimmt nicht.

„Ich brauchte mal schnell eine Mitfahrgelegenheit“, sagte er stattdessen und lehnte sich tiefer in den Sitz zurück. Sein Seesack lehnte an seinem Bein und trug das wenige Hab und Gut, das er von Zuhause mitgenommen hatte. Es war nicht viel, doch materielle Dinge waren ohnehin nur unnutzer Ballast.

„Für wen arbeitest du?“

Bei dieser Frage zogen sich Ace’ Augenbrauen zusammen und er strafte seinen Fahrer mit einem irritierten Blick. „Warum muss ich für jemanden arbeiten, um von euch zu wissen?“

Doch seine einzige Antwort war ein Schweigen, das lediglich von den Geräuschen des Wagens begleitet wurde.

Nicht ein Muskel zuckte in dem gebräunten Gesicht, obwohl Ace sicher war, dass sein Gegenüber seine Worte vernommen hatte. Wurde er gerade ignoriert?

Ace’ Hände ballten sich zu Fäusten, als er auch weiterhin zu dem blonden Mann am Steuer herüberstarrte. „Hör zu!“, presste er schließlich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. „Ich arbeite für niemanden. Ich bin mein eigener Mann. Verstanden?“

Zu Ace’ Erstaunen wurde die Pistole daraufhin gesenkt und die Hand, die sie hielt, fand den Platz auf dem Oberschenkel seines Besitzers. „Schön für dich.“

Was sollte das denn bitte bedeuten?

Ace’ Augen zuckten von der Waffe und dem fremden Gesicht hin und her.

Dieses blieb unbewegt, sein Blick beinahe gelangweilt auf die einspurige Straße gerichtet, die sich bis zum Horizont, bis zum Ende der Welt, zu schlängeln schien.

Wollte man ihn in Sicherheit wiegen? Oder glaubte er etwa, Ace sei keine Bedrohung?

Kurz, nur für den Bruchteil einer Sekunde, wurde er schließlich aus den Augenwinkeln heraus beäugt. „Beantworte mir nur eine Frage: Hat Don Quichotte de Flamingo dich geschickt?“

Don Quichotte de Flamingo?

„Wer soll d-“ Doch bevor Ace aussprechen konnte, fühlte er eine bekannte Müdigkeit mit einem Mal an seinem Bewusstsein ziehen. Sein Kopf kippte nach hinten und jegliche Anspannung verließ seinen Körper.
 


 

IV

Als Ace das nächste Mal die Augen blinzelnd aufschlug, lauerten bereits Schatten in den Ecken des Wagens. Im ersten Moment sah er sich desorientiert um, ehe sich der Schleier lichtete und die jähen Geschehnisse zu ihm zurückkehrten.

Er saß noch immer in dem silbernen Camry. Allerdings stand dieser inzwischen auf einem Parkplatz und von seinem Fahrer war keine Spur mehr.

Ace fuhr sich mit einer Hand über das Gesicht, ehe er seinen Hut ein Stückchen höher schob und die Wagentür mit einem Quietschen öffnete. Sobald er sich jedoch aus dem Auto geschoben hatte, flatterte ein Zettel von seinem Schoß hinab auf den asphaltierten Boden.

„Huh?“ Kurz betrachtete Ace ihn verwirrt, ehe er sich hinhockte, um ihn aufzuheben.

Eine dreistellige Zahl war daraufgekritzelt worden, die Ace unwillkürlich zu dem Gebäude schauen ließ, vor dem der Camry geparkt worden war. Es war zweistöckig und eine Außentreppe führte zum oberen Stockwerk, das mit mehreren Türen versehen war. Darüber wies eine Leuchtreklame darauf hin, dass es sich dabei um ein Motel handelte.

Eine Zimmernummer also...

Der fragende Ausdruck wich einem Grinsen, als Ace seine Tasche aus dem Auto zog und die Tür mit einem Krachen zuschlug. Scheinbar hatte man seinen kleinen Narkolepsieanfall nicht ausgenutzt, um ihn irgendwo im Nichts auszusetzen und von der Polizei aufgabeln zu lassen. Er hatte sich nicht in dem anderen getäuscht. Hinter der verschlafenen Fassade steckte doch so etwas wie eine ehrliche Haut.

Vergnügt stieg Ace die Metallstufen hinauf, linste zu dem Snackautomaten herüber und schlenderte zu der Zimmernummer, die ihm hinterlassen worden war. Dort betätigte er den Türklopfer, ehe er abwartete und kurzzeitig das Fenster musterte, dessen Vorhänge zugezogen waren.

Stille antwortete ihm. Eine, die Ace die Augenbraue heben ließ. Wo war sein Begleiter? Hatte er sich unlängst aufs Ohr gehauen?

Verwirrt sah Ace zum Himmel hinauf, der in der Ferne noch immer in Flammen stand, da die Sonne noch nicht gänzlich hinter den Horizont gerückt war. Nein, niemand ging so früh zu Bett. Nicht einmal sein Cousin Ruffy, obwohl dieser noch schulpflichtig war.

Abermals klopfte Ace, aber als ihm daraufhin ebenfalls niemand die Tür öffnete, versuchte er es selbst und fand heraus, dass sie offen war.

Seine Augen wanderten nach links und rechts, doch er war alleine hier draußen. Ace schob die Tür ein Stückchen auf, doch nur eine undurchdringliche Finsternis begrüßte ihn. Was ging hier eigentlich vor?

„Hallo? Darf ich reinkommen?“, sagte er in den Raum hinein, obwohl er sich keine Antwort erhoffte. Wer sollte ihm schon antworten? Deshalb betrat Ace kurzerhand das Zimmer und fühlte an der Wand entlang, um den Lichtschalter ausfindig machen zu können.

Im selben Moment, in dem er ihn betätigte, packte ihn jemand am Kragen seines Hemdes, zog ihn gänzlich ins Zimmer und stieß ihn an die nächstgelegene Wand. Der Aufprall presste die Luft aus Ace’ Lungen. Seine Augen fanden jedoch das markante Gesicht von Whitebeards Sohn, das ihn forschend ansah. Eine Intensität, die Ace nicht kannte, lauerte unter der verschlafenen Miene des blonden Mannes. Zeitgleich kickte sein Fuß die Tür zu und der Lauf der Bodyguard38 legte sich gegen sein Kinn.

Scheinbar war der andere noch immer nicht davon überzeugt, dass er nicht zu diesem Flamingo gehörte, wurde Ace bewusst, als der Körper des anderen ihn auch weiterhin gegen die Wand gedrückt hielt.

„Ich weiß nicht, wer du bist oder woher du kommst“, sagte dieser in einem leisen, aber nicht minder bedrohlichen Ton, als ihre Blicke einander hielten, „aber wenn ich herausfinde, dass du mit mir spielst, wirst du wünschen, nie Whitebeards Namen in den Mund genommen zu haben.“

Nachdem er endete, ließ er von Ace ab, so dass dieser glatt die Nähe vermisste. Ein Schmunzeln zog an seinen Lippen, als Ace sein Hemd richtete.

Der Ältere kehrte inzwischen zu einem der zwei Betten im Zimmer zurück und ließ sich schwer auf die Matratze nieder.

„Vielleicht solltest du mir lieber deinen Namen nennen“, erwiderte Ace.

Der Angesprochene sah auf, müde und gelangweilt. Von der vorigen Intensität war nichts mehr zu entdecken. „Eh?“

„Dann könnte ich mir wünschen, weder Whitebeards noch deinen Namen gekannt zu haben.“

Dem Blick nach zu urteilen, den Ace zunächst als Antwort bekam, erkannte er den Sinn hinter seinen Worten nicht. Kein Wunder, wo es doch keinen gab. Er wollte lediglich den Namen seines Bettnachbarn wissen.

„Marco“, erwiderte dieser schließlich. „Mehr musst du nicht wissen.“
 

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Beta: abgemeldet

to indulge


 

V

Marcos Augen hatten sich unlängst an die Dunkelheit gewöhnt. Er vermochte die Umrisse der wenigen Möbel im Zimmer zu erkennen und auch die vage Form seines Bettnachbarn auszumachen. Dieser hatte einen Arm lässig hinter seinem Kopf verschränkt und seinen roten Cowboyhut tief in das Gesicht gezogen.

Wann hatte Marco sich das letzte Mal ein Zimmer mit jemandem teilen müssen? Er vermochte sich beim besten Willen nicht daran zu erinnern. Andererseits hatte sich ein Zweibettzimmer als kostengünstiger herausgestellt und so konnte Marco wenigstens ein Auge auf diesen Ace haben – ebenso wie seine Bodyguard38, die in diesem Moment neben ihm auf dem Bett lag. Ein genaues Bild von diesem Bengel hatte er sich ohnehin noch nicht machen können. Dabei rühmte er sich für gewöhnlich mit einer guten Menschenkenntnis. Diese sagte ihm zwar, dass Ace nicht zu ihm in den Wagen gesprungen war, um ihn auszuspionieren oder ihn gar in einem unachtsamen Moment aus dem Weg zu räumen, doch das erklärte nicht, woher er von Whitebeard und seinen Söhnen wusste. Der Zufall war einfach zu groß, als dass Marco daran glauben konnte.

Ein Geräusch holte Marco aus seinen Gedanken und seine Finger schlossen sich um den Griff seiner Pistole. Sie lag kalt in seiner Hand, als er einen Blick zu Ace herüberwarf. Der junge Mann lag jedoch noch immer bewegungslos in seinem Bett.

Was hatte er dann gehört? Es hatte nach einer Stimme geklungen, dessen war sich Marco sicher. Er musste nicht lange in die Stille hineinlauschen, um es erneut zu vernehmen. Es war ein dumpfes Stöhnen. Eines, zu dem sich das leise, aber rhythmische Quietschen eines Bettes gesellte.

Bei dieser Erkenntnis rollte Marco unwillkürlich mit den Augen. Das durfte doch wohl nicht wahr sein... Heute schien Marcos Glückstag zu sein. Nicht nur, dass er nun diesen Jungspund am Rockzipfel hängen hatte, sie hatten auch noch ein Zimmer neben einem Pärchens ergattert, das offensichtlich nicht die Finger von einander lassen konnte. Hatten sie noch nie etwas von nächtlicher Ruhestörung gehört?

Ein unterdrücktes Lachen ertönte neben Marco, das ihm bestätigte, dass Ace scheinbar noch hellwach war. Oder er war es erneut, jetzt, da etwas Aufregendes geschah.

Marco verzog das Gesicht, während er an die schattenbesetzte Decke schaute. Seine Finger lösten sich derweil von seiner Pistole, obwohl ein Teil von ihm sie nehmen und diesen Störenfrieden einen gehörigen Schrecken einjagen wollte.

„Die lassen es ja ganz schön heftig krachen da drüben“, kommentierte Ace, als das Stöhnen um einige Oktaven anschwoll. Die Heiterkeit in seinem Ton war beinahe greifbar, aber Marco nahm an, dass das normal war bei einem jungen Mann in Ace’ Alter. Immerhin trennten sie mindestens neun oder zehn Jahre von einander.

„Wohin wolltest du?“, fragte Marco, um Ace auf andere Gedanken zu bringen. Schließlich war ein Mann im Nebenbett, der seine Hormone nicht unter Kontrolle hatte, das letzte, was Marco gebrauchen konnte. Die Situation war schon verfahren genug.

Aus den Augenwinkeln heraus beobachtete Marco, wie sein Gegenüber seinen Hut höher schob. „Huh?“

„Wohin du wolltest, bevor du im Diner angehalten hast“, wiederholte Marco. Dabei meinte er jedoch Ace’ Augen selbst bei der Dunkelheit im Zimmer auf seiner Haut fühlen zu können. Eine Antwort blieb jedoch aus, so dass Marco seinen Kopf nach einiger Zeit in Ace’ Richtung drehte. Hatte die Narkolepsie des Jungen etwa erneut zugeschlagen?

„Nirgendwo“, ließ Ace schließlich verlauten, leiser als zuvor. „Überall. Such dir was aus, Marco.“

Im Grunde konnte diese Antwort alles und nichts bedeuten, lediglich der ernste Unterton stimmte Marco nachdenklich. Allgemein bekam er das Gefühl, dass ein gewisses Temperament in Ace schlummerte. Das bestätigte nur seine Laune, die bei bestimmten Fragen schnell von Belustigung zu Ernsthaftigkeit und zurück wechselte. Es sagte Marco ebenfalls, dass es offensichtlich bestimmte Themen gab, auf die sein Gegenüber nur schlecht zu sprechen war.

„Dann wird Austin dein nächster Zielort sein“, erwiderte Marco mit gelangweilter Stimme. Inzwischen erreichten die Geräusche aus dem Nebenzimmer ihren obszönen Höhepunkt, ehe sie langsam verebbten.

„Dort werde ich dich nämlich morgen rausschmeißen“, fügte Marco hinzu, als ein Kichern das Ende des kleinen Hörspiels darstellte und wieder Stille einkehrte.

Dabei konnte sich Ace glücklich schätzen, da Marco ihn genauso gut hier in diesem Motel sitzen lassen könnte. Sein Instinkt sagte ihm jedoch, dass Ace sich daraus nicht allzu viel machen und sich stattdessen einfach von dem nächstbesten Wagen mitnehmen lassen würde. Vielleicht war Ace einer dieser Vagabunden, die durch die Weltgeschichte streunten, weil sie mit ihrem Leben nichts Besseres anzufangen wussten. Womöglich war er aber doch nur einer von Don Quichotte de Flamingos Leuten, die bereits von Bellamy und dem gestohlenen Geld wussten, und besaß nur zufällig ein Talent für das Schauspielern. Doch wenn Marco tatsächlich dieser Annahme gewesen wäre, würde er hier mit Sicherheit nicht entspannt in diesem Bett liegen.

„Musst du da wegen Whitebeard hin?“, fragte Ace unbefangen und seine Decke raschelte, als er seine Position veränderte.

Marco öffnete ein Auge und schielte in die Dunkelheit, wo er Ace auf seiner Seite liegend entdeckte. „Das war keine Einladung für eine Frage.“

Daraufhin ertönte erneut ein leises Lachen seitens Ace. „Dann gute Nacht, Marco.“

Ohne eine Antwort zu geben schloss Marco erneut die Augen, obwohl er sich bewusst war, dass er in dieser Nacht nicht in einen erholsamen Schlaf fallen würde. Nicht mit einem Fremden im Nebenbett und seiner Bodyguard wenige Zentimeter von seiner Hand entfernt.

 
 

VI

Jazzmusik spielte Marcos Gehörgänge hinauf und herunter. Mit zunehmender Zeit wurde die Melodie lauter und lauter.

Marco wälzte sich auf den Bauch und presste sich sein Kissen auf den Kopf. Ein entnervtes Stöhnen entwich ihm, als die Realität sich durch die Schwärze seines Bewusstseins fraß und ihn daran erinnerte, dass das Geräusch von seinem Mobiltelefon stammte.

Seine Finger wanderten über das Laken, fanden seine Pistole und setzten ihren Weg zu seiner Hosentasche fort. Marco musste sich auf die Seite drehen, um es herausziehen zu können. Er hatte sich gestern nicht mehr die Mühe gemacht, in bequeme Kleidung zu schlüpfen, obwohl das kleine Badezimmer nur einige Meter entfernt war. Lediglich seine Sandalen hatte er ausgezogen gehabt.

„Thatch?“, beantwortete Marco den Anruf mit kratzender Stimme. Diesen Klingelton hatte er lediglich Bekannten zugeordnet, doch es war meistens Thatch, der ihn auf irgendwelchen Aufträgen anrief. Manchmal auf Whitebeards Befehl hin, häufiger jedoch aus reiner Langeweile. Weshalb er dazu gerade Marco anrief, vermochte dieser jedoch nicht zu beantworten. Immerhin bekam er des Öfteren zu hören, er sei eine Spaßbremse und würde sein Leben nicht genug genießen.

Wahrscheinlich wäre er mit Ace auf einer Wellenlänge, ging es Marco durch den Kopf. Im selben Moment wischte er sich mit einer Hand über das Gesicht und ließ seinen verschlafenen Blick zu dem anderen Bett herübergleiten, welches er leer vorfand. Nur die zerwühlte Decke erinnerte an den jungen Mann, der darin geschlafen hatte.

„Hab ich dich etwa geweckt, Marco?“, erkundigte sich Thatch vom anderen Ende der Leitung. „Wie war das noch? Der frühe Vogel fängt den Wurm? Das bist diesmal auf jeden Fall nicht du, Marco.“ Sein Lachen vermischte sich mit der Musik, die im Hintergrund erklang. Gelegentlich war zudem die ein oder andere Stimme zu vernehmen, die Marco versicherte, dass Thatch im Grandline frühstückte. Es war die bestbesuchteste Bar in Key West und schon seit einigen Jahren das Stammlokal der Jungs in ihrer Organisation. Doch es war Makino, die Besitzerin der Bar, weshalb Thatch dort herumlungerte. Das wusste inzwischen jeder – selbst die junge Frau, die Thatch nur noch nicht getraut hatte, um ein Date zu bitten.

„Du rufst mich nicht an, um mir das zu sagen“, erwiderte Marco, als er sich aufsetzte und aus dem Bett kämpfte. Dabei ging sein Blick durch den Raum, ehe er zum Badezimmer herüberschlenderte und dort sachte die Tür aufstieß. Aber auch dort war keine Spur von Ace.

Hatte er sich klammheimlich aus dem Staub gemacht? Wieso war Marco überhaupt eingeschlafen? Hatte er sich nicht vorgenommen gehabt, das gerade nicht zu tun? Für gewöhnlich konnte er sich auf seine Disziplin verlassen, andererseits hatte er dann auch keine mehrstündige Autofahrt hinter sich gehabt. Ein Seufzen drang über seine Lippen. „Also, was ist es, Thatch?“

„Ach, weißt du...“, begann dieser. Bei seinem Zögern hob sich Marcos Augenbraue ein Stück, etwas mehr, als er dessen nächsten Worte vernahm. „Ich wollte nur sichergehen, dass bei dir alles in Ordnung ist. Einige von uns sind immer noch der Meinung, dass du nicht alleine hättest losziehen sollen.“

Marco nahm das Mobiltelefon vom Ohr und starrte es eine Sekunde an, ehe er es wieder heranhielt. Man machte sich Sorgen um ihn? Dabei waren sie sich alle bewusst gewesen, dass es weitaus unauffälliger war, wenn er diesen Auftrag alleine hinter sich brachte. So bestand immerhin die Möglichkeit, dass der Aufenthalt eines von Whitebeards Söhnen in Texas unentdeckt blieb. Insbesondere, da Bellamy seinen Boss garantiert nichts von dem gestohlenen Geld erzählt hatte, um es stattdessen für sich selbst zu behalten.

Es mochte Bellamy gewesen sein, der sich in Whitebeards Ränge geschlichen hatte, doch das bedeutete nicht, dass sie nicht ebenfalls etwas über ihren Gegenüber in Erfahrung gebracht hatten. Nein, inzwischen hatte Marco eine ganz gute Ahnung davon, wie der hochgewachsene Mann mit dem närrischen Gesichtsausdruck tickte. Und seine Habgier würde das sein, was ihn zu Fall bringen würde. Allerdings war Marco nicht aus Rache hier, sondern lediglich um die dreihunderttausend Dollar zurückzuholen. Bellamy hatte nur einen Tag an Vorsprung und Marco war ihm trotz des späten Morgens dicht auf den Fersen.

„So alleine, wie du denkst, bin ich nicht“, murmelte Marco mehr zu sich selbst, als er den Vorhang am Fenster beiseite schob und auf den Parkplatz herunterschaute. Dort unten an seinem Camry gelehnt stand nämlich sein blinder Passagier vom vergangenem Tage.

„Nicht alleine?“, wiederholte Thatch derweil.

„Tu mir einfach einen Gefallen.“ Das Letzte, das Marco jetzt wollte, war mit Thatch diese seltsame Begegnung noch einmal durchzukauen. „Sag Vista, dass er mir alles über einen Ace D. Portgas zusammensuchen soll. Und wenn ich alles sage, dann meine ich das auch so.“ Immerhin trug Ace nichts weiter als einen einfachen Ausweis mit sich herum, den Marco bereits nach kurzem Suchen in seinem Seesack gefunden hatte. Denn nur ein Narr hätte die Chance eines narkoleptischen Anfalls nicht ausgenutzt. „Er stammt aus Louisiana. Und sag Vista auch, dass es eilt. Er soll mir alles, was er findet, per SMS schicken.“

„Ace D. Portgas? Ist das ein Freund von dir?”

„Meinst du, ich würde nach Informationen für einen Freund fragen?“, stellte Marco die Gegenfrage und betrachtete den Jüngeren erneut. Der rote Cowboyhut mit den Accessoires saß auf seinem Kopf und ein frisches Hemd hang Ace lose um den Schultern, als er von dem Müsliriegel in seiner Hand abbiss. Unter Marcos Blick brach er zudem ein Stück von ihm ab und legte es einige Meter vor sich auf den Asphalt. Anschließend trat er zurück und mit jedem Schritt, den er sich entfernte, kam eine Katze etwas mehr aus dem Gebüsch hervor.

Marcos Augen verengten sich kaum merklich. „Ich rufe an, wenn ich den Job erledigt habe“, fuhr er Thatch über den Mund, ehe er den Anruf abbrach. Sich vom Fenster abwendend nutzte Marco die Ruhe, um sich anzuziehen, obwohl er das Bild von Ace nicht gänzlich aus dem Kopf bekam. Jetzt fütterte der Bengel Streuner? War das nur eine Masche? Oder gab unter Don Quichotte de Flamingos Männern doch den ein oder anderen anständigen Kerl?

Als Marco schließlich aus dem Zimmer trat, die Tür jedoch offen stehen ließ, war Ace gerade dabei, der Katze auch den Rest des Müsliriegels klein zu machen und zu servieren.

Die Augen des Tieres behielten jede seiner Bewegungen im Auge, scheinbar hin- und hergerissen die Flucht zu ergreifen oder sich die Nahrung einzuverleiben. Trotzdem war es die Katze, die Marcos Anwesenheit als erstes bemerkte, indem eines ihrer Ohren in seine Richtung zuckte.

„Dir ist schon bewusst, dass Katzen dieses Zeug nicht vertragen, oder?“, erhob Marco die Stimme. Zeitgleich beobachtete er mit passiven Zügen, wie Ace irritiert zu ihm hochsah.

Marco trat an das Geländer heran und stützte die Arme darauf ab. „Aber wahrscheinlich ist schlechtes Essen besser als gar keines.“ Knochig wie das Tier war, entsprach das sogar der Wahrheit. Selbst von hier oben konnte er die hervorstehenden Schulterblätter und Hüftknochen erkennen.

Doch Ace’ Blick lag noch immer auf Marco, als dieser sich erhob und den Hut auf seinen Kopf richtete. „Einen Tag haben oder nicht haben...“, entwich es ihm mit dem Zucken seiner Schultern.

Kurz sahen sie einander noch an, ehe Marco die Lider senkte. „Komm, hol deine Tasche. Ich wollte schon seit Stunden wieder auf dem Highway sein.“

Tatsächlich folgte Ace seinen Anweisungen und stieg die Stufen hinauf, die Hände locker in den Hosentaschen vergraben. „Haben wir Zeit, um irgendwo zu frühstücken?“

Abermals an diesem Tag zuckte Marcos Augenbraue ein Stück nach oben, obwohl er noch immer dasselbe Desinteresse zur Schau stellte. „Wieso? Bist du über Nacht an Geld gekommen?“ Erst bei dem leichten Rotschimmer, der sich daraufhin auf Ace’ Wangen ausbreitete, hoben sich schließlich Marcos Mundwinkel.

 

 

 

 

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Beta: abgemeldet
 

[Edit] Da es scheinbar nicht ganz klar geworden ist: Das Ende weist nicht darauf hin, dass Ace Geld gestohlen hat, sondern dass Marco das Frühstück bezahlen wird, weil Ace pleite ist.

to spy


 

VII

Austin war ein Dschungel. Die Hochhäuser ragten wie Mammutbäume in den blauen Himmel hinauf, während die Menschen Ameisen gleich über die gepflasterten Straßen huschten.

Ace klebte mit dem Gesicht förmlich am Seitenfenster von Marcos Camry, als der Wagen sich den Weg durch die Stadt bahnte. Er hatte zuvor noch nie einen Fuß in eine derartige Metropole gesetzt. In dem kleinen Ort in dem aufgewachsen war, war kein Gebäude mehr als drei Stockwerke hoch gewesen.

„Du siehst aus wie ein Kind, das zum ersten Mal auf einem Rummelplatz steht“, bemerkte Marco neben ihm. Obwohl seine Stimme gelangweilt klang, meinte Ace Belustigung heraushören zu können. Vielleicht war es aber auch nur sein eigener Enthusiasmus, den er gedanklich auf seinen Gegenüber übertrug.

„Tja, ich war ja auch noch nie in Austin. Du etwa?“, gab Ace heiter zurück, aber ohne auch nur für eine Sekunde den Blick von den vorbeifliegenden Straßen und Menschen zu nehmen. Besonders das kleine Cafe an der Straßenecke zog seine Aufmerksamkeit auf sich, woraufhin Ace sich einen weiteren Muffin aus der Tüte auf seinem Schoß zog.

Inzwischen hielt der Camry an einer roten Ampel, bevor sie auf eine Seitenstraße abbogen, die sie in eine ruhigere Nachbarschaft brachte.

„Nein“, gab Marco schließlich zurück, so zeitverzögert, dass Ace sich anfangs nicht mehr an den Zusammenhang zu erinnern vermochte. „Übrigens solltest du die ganze Tüte nicht auf einmal verputzen“, fügte sein Gegenüber beiläufig hinzu. „Außer du hast nachher keinen Appetit mehr.“

Doch Ace schob sich dennoch den Rest des Muffins in den Mund, ehe er ein unverständliches „Stimmt, viele Geschäfte gibt es hier ja nicht mehr“ verlauten ließ.

Marco antwortete nicht, sondern fuhr den Camry einige Minuten später auf den verlassenen Parkplatz, der sich auf der Rückseite eines leerstehenden Firmengebäudes befand.

Ace’ verwirrter Blick wanderte zunächst umher, ruckte jedoch zu Marco herüber, als dieser seinen Arm packte. Kaltes Metall schloss sich um sein Handgelenk und rastete mit einem Klicken ein.

„Sorry, aber du lässt mir keine große Wahl“, entwich es Marco, als er die andere Seite der Handschellen am Lenkrad befestigte. „Ich glaub dir zwar, dass du nicht für Don Quichotte de Flamingo arbeitest, aber Glaube allein hat schon genug Menschen den Kopf gekostet.“ Diese Worte waren das einzige, woran sich Ace orientieren konnte, denn Marcos Gesicht war desinteressiert und verriet keinerlei Gedanken. Es war das perfekteste Pokerface, das Ace je gesehen hatte.

„Spätestens in ein, zwei Stunden bin ich zurück – und wisch' dir endlich die Krümel aus dem Gesicht. Wie alt bist du eigentlich?“

Trotz der Frage war Marco bereits ausgestiegen, bevor Ace den Mund öffnen konnte. Stattdessen wischte sich Ace mit dem Handrücken über die Lippen, während er Marco dabei beobachtete, wie er etwas aus dem Kofferraum holte und anschließend zur Straße zurückschlenderte. Sein Gang war nonchalant, lässig – ein klein wenig beeindruckend.

Ace wartete, bis er außer Sicht war, ehe er an den Handschellen zu ziehen begann. So hatte er sich das Absetzen in Austin nicht gedacht. „Verdammt!“, entfuhr es Ace und er fegte die Tüte mit den Muffins von seinem Schoß. Sie landete neben seinem Fuß, während Ace finster aus der Frontscheibe des Wagens auf den leeren Parkplatz hinausschaute.

Handschellen? Marco kam ihm mit Handschellen? Dachte er immer noch ernsthaft, dass er für einen Flamingo arbeitete?

Beinahe gedankenverloren hob Ace den von Marco gekauften Milchshake aus dem Getränkehalter zwischen den Sitzen und schob sich den Strohhalm zwischen die Lippen. Doch erst als der Geschmack von Vanille auf seiner Zunge explodierte, nahm er den Becher näher unter die Lupe und ein schiefes Grinsen breitete sich auf seinen Lippen aus. Gab es doch noch einen Weg den Handschellen zu entkommen? Anstatt weiterhin unkoordiniert und wild an den Handschellen zu ziehen, presste er seine Finger so eng wie möglich zusammen, um zu sehen wie viel ihm fehlte, um hindurchschlüpfen zu können. Die Handschelle saß lockerer als erwartet, obwohl Ace nicht zu sagen vermochte, ob Marco sich dabei etwas gedacht hatte oder seine eher feingliedrige Hand nicht mit eingerechnet hatte. Doch was auch immer der Grund war, Ace konnte es zu seinem Vorteil ausnutzen.

Ace zögerte nicht lang, als er den Deckel des Milchshakes öffnete und ein wenig des dickflüssigen Inhalts über sein Handgelenk kippte. Es war so kalt, dass sich Ace die Nackenhaare aufstellten und sich Gänsehaut auf seinem Arm ausbreitete. Beide ignorierte er und begann lediglich damit sein Handgelenk von links nach rechts zu drehen, um seinem Gefängnis zu entkommen. Es war erstaunlich, wie gut es funktionierte, obgleich er die Idee nur aus Filmen kannte. Ruffy und er hatten sich als Kinder viel zu oft im Kino herumgetrieben, als dass er das nicht wusste.

Sein befreites Handgelenk trocknete er mit einem T-Shirt aus seinem Seesack ab, der auf dem Rücksitz saß, ehe er einen Blick auf das Chaos warf, welches er angerichtet hatte. Nicht nur das Lenkrad hatte einiges von dem Milchshake abgekommen, sondern auch der Fahrersitz und das Armaturenbrett. Wahrscheinlich würde Marco nicht begeistert sein, was Ace jedoch mit einem Schulternzucken abtat, bevor er sich aus dem Camry schob.

Wenn er Marco einholen wollte, musste er sich beeilen, so viel stand fest. Wirklich festlegen, weshalb er das eigentlich vorhatte, konnte Ace sich allerdings nicht. Vielleicht hing es mit dem zerknitterten Zettel in seiner Hosentasche zusammen, den er hervorzog, als er den Parkplatz überquerte. Auf ihm war eine Adresse verzeichnet, die er sich gestern Nacht abgeschrieben hatte. Klammheimlich und in der Dunkelheit, nachdem er beinahe über seine eigenen Füße gestolpert und mit dem Boden Bekanntschaft gemacht hätte. Für gewöhnlich respektierte er die Privatsphäre anderer Leute – zumindest ein bisschen – doch bei Marco hatte er eine Ausnahme gemacht. Immerhin war dieser ein Sohn Whitebeards und obwohl Ace laut seines Großvaters oftmals auf der Leitung stand, so war es ein Kinderspiel eins und eins zusammenzuzählen. Das ergab in Ace’ Kopf, dass Marco aufgrund von irgendetwas oder irgendjemandem nach Austin gekommen war. Es roch nach Gefahr, nach einem Abenteuer.

Ace’ Schritte wurden schneller, bis er zu joggen begann. Die Straße, in der das Firmengelände lag, war verlassen. Sie war auch nichts weiter als eine der unzähligen Seitenstraßen, durch die sie gefahren waren. Ein Blick umher ließ Ace unschlüssig, in welche Richtung Marco nun gegangen war. „Links oder rechts?“, murmelte er, ehe er bereits mit den Schultern zuckte und eine beliebige einschlug. Sollte es sich als falsch herausstellen, konnte er genauso gut umkehren und zurückgehen.

Sein Weg führte ihn zu einer recht befahrenen Straße, die jedoch genauso bewaldet war wie der Parkplatz es zuvor gewesen war. Scheinbar hatte sich Ace in der Annahme, dass Texas lediglich aus Wüste bestand, geirrt. Immerhin bestand die Gegend nicht nur aus ein paar Sträuchern, sondern hohen Bäumen, hinter denen nur noch die Hochhäuser von dem Herz der Stadt aus sie übertrumpften und klein wirken ließen.

Doch Ace’ Augen hefteten sich sogleich an eine Frau, die den Bürgersteig mit ihrem Dachshund entlang geschlendert kam. Die Nase des Hundes klebte am Asphalt, als er die verschiedensten Gerüche aufnahm, während sein Herrschen sich eine Sonnenbrille auf die Nase schob.

„Entschulden Sie bitte“, entrann es Ace, als er auf sie zukam. „Aber können Sie mir sagen, wie ich zu dieser Adresse komme?“ Er hielt ihr den Zettel entgegen und sie schob die Sonnebrille etwas höher. Die Nase ihres Hundes stupste derweil gegen Ace’ Oberschenkel, bevor er seinen Kopf tätschelte.

„Ach, das ist ganz in der Nähe. Fünf Minuten von hier vielleicht“, sagte die Frau mit den weißblonden Haaren. Sie deutete mit einer Hand über ihre Schulter zu der Richtung, aus der sie gekommen war. „Einfach die Straße herunter. An der Kreuzung links, dann die erste Seitenstraße rechts und das zweite Wohnhaus, wenn ich mich nicht ir—“

Ehe die Frau jedoch geendet hatte, war Ace bereits um sie herumgerannt und setzte seinen Weg in einem schnellen Lauf fort. Nur kurz warf er noch einen Blick zurück und hob die Hand. „Danke!“

Die Frau sah ihm skeptisch nach, begann jedoch zu lächeln, bevor Ace sie und ihren Hund aus den Augen verlor, indem er die Straßenecke umrundete.

„Sie war richtig nett gewesen...“, sagte er zu sich selbst, als er weiterlief. Seine Schritte waren schnell, aber trotz der Umstände nicht gehetzt. Er war nicht einmal außer Atem, als er die nächste Kreuzung ansteuerte, an der zwei Wohnsiedelungen anfingen. Welche Richtung sollte er nun noch einmal einschlagen? Links oder doch rechts? Mist, was hatte die Frau noch mal zu ihm gesagt? Wie hatte er das bloß vergessen können? Sein Blick zuckte hin und her, wanderte über die Straßen, die bis auf einige geparkte Autos vollkommen leer schienen. Natürlich war sie es jetzt, als Ace abermals nach jemandem suchte, der ihm den Weg zeigen konnte.

In dem Moment, in dem er jedoch auf die glorreiche Idee kam, einen Blick auf die Straßenschilder zu werfen, zog eine Bewegung in den Augenwinkeln seine Aufmerksamkeit auf sich. Ace’ Kopf ruckte herum, doch ein violettes Stück Stoff war alles, was er noch erkannte, bevor der Besitzer des offenen Hemdes in einem der Wohnhäuser auf der rechten Seite verschwand.

Wie angewurzelt blieb Ace stehen, er stemmte lediglich die Hände in die Hüften, als er das Haus anstarrte. Das war Marco, nicht wahr? Nur er trug diese seltsamen Hemden, die sich farblich mit dem Rest seiner Kleidung bissen, aber es zeitgleich irgendwie schafften, hipp zu wirken.

Instinktiv sah Ace an sich selbst herunter und begutachtete das schwarzgelbkarierte T-Shirt, welches er heute morgen angezogen hatte. Dabei kehrten seine Gedanken zu Marco zurück. Konnte er das wirklich gewesen sein? Hatte Ace es irgendwie geschafft, ihn einzuholen? Doch Ace zuckte gelassen mit den Schultern, bevor er losjoggte. Das würde er wohl nicht herausbekommen, wenn er weiterhin nutzlos herumstand.
 


 

VIII

Die Tür zum Hauseingang wurde von einem Stein aufgehalten, weshalb Ace ohne jegliche Mühe ins Innere spazieren konnte. Briefkästen reihten beide Seiten des Hausflures, während der Geruch von Essen eindeutig in der Luft lag.

„Tacos...“, ging es Ace durch den Kopf, als er die Hände in die Hosentaschen seiner schwarzen Dreiviertelhose schob und die Treppe erklomm, die in die höheren Stockwerke führte. Auch dieses Gebäude war dreistockig, ähnlich wie die meisten in seiner Heimatstadt. Nicht, dass er damals mit seinem Großvater und Ruffy in einem Apartment gewohnt hatte. Garp hatte immer gesagt, dass er froh sei, dass er sich sein Haus gekauft hatte, weil er es auf kleinstem Raum mit ihnen nicht ausgehalten hätte. Diese Erinnerung trieb Ace ein Grinsen auf die Lippen. Wie oft hatte Garp damit gedroht, sie zur Adoption freizugeben? Diese Worte hatten Ace seine gesamte Kindheit begleitet, auch wenn der alte Mann nie danach gehandelt hatte. Dabei hätte Ace es ihm nicht verübeln können. So ignorant, als dass er nicht wüsste, dass er seinem Großvater einige Probleme gemacht hatte, war er nicht. Schlägereien hatten bei ihm während der Schulzeit an der Tagesordnung gestanden. Anfangs bedurfte es nur der Erwähnung seines Erzeugers, damit er die Kontrolle über sich verlor, später hatte er sich dagegen eher über die Kinder und Jugendlichen hergemacht, die der Meinung gewesen waren, Ruffy ärgern zu müssen. Sein Cousin war anders als er, naiver und lebenslustiger... und einfach besser als Ace selbst.

Ein Klopfen riss ihn aus seiner Nostalgie und brachte ihn in das Hier und Jetzt zurück. Er hielt augenblicklich in seinem Schritt inne, um der nachfolgenden Stille zu lauschen. Das Geräusch war aus dem obersten Stockwerk gekommen, dessen war sich Ace sicher, da er sich in diesem Moment im ersten aufhielt. Es war zu weit entfernt gewesen, als dass es direkt von über ihm kommen konnte. Es bedurfte auch nur ein paar Sekunden bis er vernahm, wie das Schloss und die dazugehörige Tür geöffnet wurde. Gefolgt war es von einem Poltern und einem Klicken – Garp hatte Ruffy und Ace zu oft zum Schießstand geschleppt, so dass er das Entsichern einer Pistole überall herauserkennen würde.

Ace schlich langsam weiter und die Stufen zum zweiten Stockwerk hinauf. Er tat es so leise wie er konnte, da die Wände jegliche Laute wiedergeben würden.

„Marco...“, konnte er eine atemlose Stimme vernehmen.

„Halt den Mund, Bellamy. Keinen Ton.“ Gefolgt waren diese Worte von einem weiteren Poltern und dem Zuschmeißen der Haustür.

Stille folgte, in der sich Ace weiter vorwagte. Es war also doch Marco gewesen, den er gesehen hatte, und es war doch ein Auftrag, weshalb er all den Weg von Florida nach Texas gefahren war. Er hatte recht gehabt.

Ein Schmunzeln schlich sich auf sein Gesicht, welches von Sommersprossen besäht war. Sein alter Herr würde ihn umbringen, wenn er gewusst hätte, wo er sich aufhielt – vor allem aber, mit wem er hier war. Wahrscheinlich würde er an die Decke gehen und tatsächlich den Herzinfarkt bekommen, den Ace ihn an so manchen Tagen an den Hals gewünscht hatte. Besonders an denen, an denen er Ruffy und ihn herumgescheucht hatte, um sie physisch fit für die Prüfung an der Polizeiakademie zu bekommen. Es hatte sich ausgezahlt, da Ace am Ende tatsächlich angenommen worden war. Mit seiner Vergangenheit war er dort jedoch genauso unbeliebt wie damals auf der Schule gewesen. Niemand wollte etwas mit dem Sohn eines dreifachen Mörders zu tun haben. Dank diesem Mistkerl, der sich seinen Erzeuger schimpfte, war er gebrandmarkt – obwohl sich ihm zeitgleich die Frage aufschlich, ob er nicht auch ohne diesen wertlos gewesen wäre. Hatte denn jedes Leben einen Sinn? Ace war sich da nicht sicher und alles was sein Großvater gesagt hatte, als Ace ihn danach gefragt hatte, war dass das jeder für sich selbst herausfinden musste. Aus diesem Grund hatte Ace die Polizeiakademie auch verlassen anstatt dort weiter seine Zeit zu verschwenden. Und nun war er hier, vor dieser Tür, die in die Wohnung von diesem Kerl führte, den Marco Bellamy genannt hatte.

Da war kein Zögern oder Hadern in seiner Bewegung, als Ace leise den Knauf drehte, um die Tür unverschlossen vorzufinden. Erstaunlich war es nicht, denn es hatte nicht danach geklungen, als hätte sich jemand die Zeit genommen, um das Schloss davor zu schieben. Gut für Ace.

Dieser schob sich auf leisen Sohlen ins Innere des Apartments, welches mit Musik erfüllt war. Eine rockige Melodie lag in der Luft, der Ace keinen Namen geben konnte und die bis draußen nicht hörbar gewesen war. Ace’ Fuß wollte instinktiv mitwippen, doch anstatt diesem Impuls nachzugehen, schlenderte Ace weiter, wobei er in die Zimmer hineinlugte, an denen er vorbeikam. Für gewöhnlich war es nicht seine Art, einfach in fremde Wohnungen einzutreten ohne sich bemerkbar zu machen oder auf die Einladung des Besitzers zu warten. Allerdings war es fraglich, ob dieser die Zeit und die Lust hatte, sie ihm zu gewähren. Ace bezweifelte es.

Abermals vermochte er ferne Stimmen zu vernehmen, die sich mit der Musik vermischten, auch wenn der verärgerte Unterton nicht von ihr verschluckt werden konnte.

„Wo ist das Geld?“, fragte Marco, gerade laut genug, so dass sich Ace diese Worte mehr zusammenreimen konnte als alles andere.

„Haha, bist du behindert?“ Die Stimme von diesem Bellamy war einige Oktaven lauter, schriller. „Du stürmst hier so einfach rein, hältst mir dein Spielzeug unter die Nase und glaubst dann, dass ich es dir verraten werde?“ Ein kehliges Lachen drang aus seiner Kehle, während Ace die letzten Meter bis zum Wohnzimmer hinter sich brachte. Ohne einen Mucks von sich zu geben lugte Ace um den Türrahmen herum. Aus dem Flachbildfernseher an der Wand spielte die Musik, davor stand ein langes Designersofa, auf dem Marcos Gegenüber Platz genommen hatte. Seine dunkelblonden Haare standen wild ab, deuteten auf eine durchzechte Nacht hin und über seinem linken Auge trug Bellamy eine Narbe, die unsaubere Nähte zeigte. Zusammen mit seinem breiten Grinsen und der vorwitzigen Zunge, die immerzu über seine Lippen fuhr, wirkte er tatsächlich wie einer der Gangster aus einem Hollywood-Actionstreifen.

Marco hingegen schien davon nicht sonderlich beeindruckt, soweit Ace das beurteilen konnte. Die Mündung seiner Pistole zielte zwar auf den bequem sitzenden Bellamy, doch sein Blick wanderte durch das zugestellte Zimmer. Er riss eine Schranktür nach der nächsten auf, zog die Schubladen der Kommode auf und kramte in ihnen herum. „Da ich ziemlich sicher bin, dass es irgendwo in der Wohnung ist, kann ich uns das auch ersparen und dich gleich erschießen“, kam es im ruhigen Ton über Marcos Lippen, ein Auge stets auf seinen Gegner gerichtet. Bellamy mochte wie der typische Gangster wirken, doch Ace bekam den Eindruck, dass es Marco mit seinen violetten Hemden und seiner seltsamen Frisur war, der ihn tatsächlich wiederspiegelte. Zumindest verkaufte er sich verdammt gut. Der Kerl war cool, daran bestand kein Zweifel.

Nur Bellamy schien das anders zu sehen, der ein verächtliches Schnauben von sich gab und den Kopf in den Nacken warf, als würde ihn die gesamte Situation köstlich amüsieren.

Und obwohl Ace die beiden gern weiter beobachtet hätte, schob er sich ein paar Schritte rückwärts, weg von dem Wohnzimmer. Marco hatte alles unter Kontrolle und er würde einfach vor der Tür warten und ihn dort abfangen. Vielleicht würde er ihm dann glauben, wenn er sagte, dass er nichts mit diesem komischen Vogel zu tun hatte, mit dem Marco ihn stets zu assoziieren versuchte.

„Wenn du mich umbringen wolltest, hättest du das längst getan“, erwiderte Bellamy in der Zwischenzeit. „Ihr Penner seid doch viel zu weich dafür. Das hab ich ja gleich bemerkt, als ich bei euch eingestiegen bin.“ Ein raues Lachen ertönte daraufhin. „Mit offenen Armen habt ihr mich empfangen. Total blauäugig ist euer alter Mann und—“

Mit der Hüfte stieß Ace gegen den schmalen Schrank hinter sich, als er sich umdrehte. Das Poltern ließ Bellamy innehalten, nur noch die rockige Musik drang aus dem Wohnzimmer. Ace hielt instinktiv den Atem an, gefror in seiner Haltung, als würden sie ihre ohnehin einseitige Unterhaltung fortführen, wenn er nur lange genug warten würde.

Doch dem war nicht so. Stattdessen knarrte eine Diele hinter ihm und Marcos Stimme ertönte. „Ace.“ Es war keine Frage, sondern lediglich eine Feststellung, wobei der Ton des anderen nicht verriet, wie er über diese Begegnung dachte.

Grinsend blickte Ace über seine Schulter, ehe er mit dieser zuckte. „Hey. Ich hätte ja geklopft, aber ich wollt euer kleines Wiedersehen nicht stören.“

Beide Männer starrten sich an, bis Marco die anfangs auf Ace gerichtete Waffe senkte. Nicht genug, um ihn nicht mehr als Zielscheibe verwenden zu können, doch ausreichend, um Zweifel anzudeuten. Glaubte Marco etwa noch immer, dass Ace für diesen Flamingo arbeitete? Unwillkürlich verengten sich Ace’ Augen bei diesem Gedanken.

„Sollte ich fragen, wie du den Handschellen entkommen bist?“, fragte Marco aber doch nur passiv. „Obwohl ich mir nicht sicher bin, ob ich es überhaupt wissen will.“

Ace öffnete den Mund, um zu einer Antwort anzusetzen, als Bellamy hinter Marco im Türrahmen auftauchte. Lautlos war er um die Ecke geschlichen und warf sich nun blitzschnell auf Marco. Beide Männer gingen krachend zu Boden, Bellamy mit seinem Gewicht seinen Gegner auf den Boden fesselnd. Die Pistole war Marco aus den Fingern gerutscht und lag außerhalb seiner Reichweite zu Ace’ Füßen. Anstatt zu versuchen an sie heranzukommen, stieß Marco Bellamy seinen Ellenbogen in den Magen und nutzte die Chance, um diesen von ihm herunterzustoßen und sich auf den Rücken zu wälzen. Doch Bellamy ließ sich nicht abschütteln. Auch jetzt trug er ein schräges Grinsen auf den Lippen, als er sich von dem Schlag in die Magengrube erholt hatte und abermals auf Marco losging. Selbst der Fausthieb, der sein Kinn streifte, hielt Bellamy nicht auf. Er schüttelte den Schmerz ab, als wollte er eine lästige Fliege vertreiben, während seine Hände sich um Marcos Hals schlossen, ihm die Luft abschnürten. Ein Ächzen ertönte, bevor Marco keinen Ton mehr von sich gab und lediglich sein Gegenüber erfolglos wegzustoßen versuchte.

Und Ace riss sich aus seiner Starre, um die Pistole aufzuheben. Jeglicher Gedanke war aus seinem Kopf gewischt und sein Instinkt hatte die Kontrolle an sich gerissen, als er den Lauf hob, den Finger am Abzug. Der Schuss war unglaubwürdig leise, von dem heraufgeschraubten Schalldämpfer verschluckt, und ließ Bellamy nach hinten zucken. Sein wilder Blick löste sich von Marcos verzerrtem Gesicht und erfasste Ace, als sich der rote Fleck auf seinem T-Shirt ausbreitete. Weiter und weiter, bis die Pistole aus Ace’ plötzlich tauben Fingern fiel und mit einem dumpfen Geräusch auf dem Holzboden aufschlug – gefolgt von Bellamys Körper.

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IX

Ein Röcheln und Husten drang aus Marcos Kehle, als er sich aufsetzte. Seine Finger fanden seinen Hals und fuhren der geschundenen Haut entlang, während sein Blick auf dem am Boden liegenden Bellamy haftete. Darin, dass dieser gerade sein Leben gelassen hatte, bestand kein Zweifel.

Leblose Augen starrten auf einen imaginären Punkt über ihren Köpfen und das Hemd war mit Blut durchtränkt, welches sich langsam weiter und weiter auf dem Holzboden seiner Wohnung ausbreitete. Eine drückende Stille folgte dieser Auseinandersetzung, so dass Marco für einen Moment beinahe vergaß, dass er nicht allein war. Dass Ace sich irgendwie von den Handschellen befreit und ihm nachspioniert und ihm obendrein noch das Leben gerettet hatte. Das sprach Marco allerdings nicht aus, da die Situation ohne Ace erst gar nicht eskaliert wäre. Nein, ohne seine Ablenkung hätte er inzwischen wahrscheinlich längst das Geld und wäre gemütlich auf dem Rückweg zu seinem Wagen, nach dem er Bellamy bewusstlos geschlagen hätte. Es wäre ein Kinderspiel gewesen.

Schwer atmend kämpfte sich Marco auf die Beine, bevor er herumfuhr und den geschockten Ace am Kragen seines offenstehenden Hemdes packte. Diesmal machte er sich nicht einmal die Mühe, ihn an die nächste Wand zu pressen, sondern zog ihn lediglich näher heran und starrte ihn finster an. Es bedurfte eine Menge, um ihn aus der Ruhe zu bringen, doch dieser kleine Scheißer hatte offensichtlich ein Talent dafür. Dabei konnte Marco schwören, dass Ace das nicht einmal absichtlich tat.

Er holte tief Luft, um dem Jungen ordentlich die Leviten zu lesen, als er dessen Gesichtsausdruck zum ersten Mal registrierte. Es war der Ausdruck in den geweiteten Augen, der nicht zuließ, dass die Worte über seine Lippen kamen, dass Marco lediglich skeptisch eine Augenbraue hob.

Von Ace’ sonst so heiterem Grinsen war keine Spur mehr zu sehen, auch nicht von der Belustigung oder der unterschwelligen Wut, die ein Teil von ihm zu sein schien. Nein, Marco hatte schon so einige Männer zum ersten Mal jemanden töten gesehen und sie alle hatten so geschaut, unter Schock gestanden und nichts von ihrem Umfeld mehr mitbekommen.

Das durfte doch wohl nicht wahr sein... Marco stieß den Atem seiner schmerzenden Luftröhre aus, als er Ace von sich schubste.

Dieser taumelte ein, zwei Schritte rückwärts, als Marco seine Bodyguard38 vom Boden aufhob. Er steckte sie hinten in seinen Gürtel und packte den jüngeren Mann am Arm, um ihn mit sich an Bellamys Körper vorbeizuziehen, damit dieser nicht ewig da herumstand und sich seine Tat ansah.

„Irgendjemand wird garantiert die Polizei verständigt haben. Laut genug waren wir ja“, sagte Marco schließlich mit kratziger Stimme, als er Ace in die Richtung des Sofas schob und sich abwandte. Mit Ace konnte er sich später auseinandersetzen. Priorität hatte im Moment sein Auftrag und somit das Geld, welches Marco irgendwo in Bellamys Appartement vermutete. Es war eine einfache Schlussfolgerung. Jeder der auch nur eine Stunde in der Gesellschaft des blonden Mannes verbracht hatte, wusste wie gierig er war. Für Bellamy gab es nichts Wichtigeres als Geld, denn das regierte bekanntlich die Welt. Zudem hatte sein Auftrag lediglich daraus bestanden, Whitebeards Söhne auszuspionieren, ihre Schwachstelle herauszufinden, weshalb er Don Quichotte de Flamingo nichts von dem Geld erzählt hatte, um es für sich selbst behalten zu können. Und letztendlich vertrauten solche Männer niemandem außer sich selbst. Letztendlich hatten sie mehr Feinde als Freunde, was seine Wohnung zwar zu dem auffälligsten aber gleichzeitig auch dem sichersten Versteck machte.

„Warte hier – und ich schwöre, wenn du dich noch mal von der Stelle bewegst, werde ich dich wirklich erschießen“, sagte Marco an Ace gewandt, der sich mehr auf das Sofa fallengelassen als hingesetzt hatte. Sein orangener Hut war zu tief in das Gesicht gezogen, als dass Marco etwas in diesem lesen konnte. Er erhielt auch keine Antwort, nicht einmal die winzigste Reaktion.

Rasche Schritte brachten Marco ins Schlafzimmer, in dem er ebenfalls die Schubladen und Schranktüren aufriss, zwischen Klamotten und selbst unter dem Bett und der hintersten Ecke des Kleiderschranks suchte. Eine einzige Glühbirne über ihm erleuchtete den Schrank, der mit Designerklamotten vollgestopft war. Der Kerl war beinahe so schlimm wie eine Frau, ging es Marco durch den Kopf, als er dort umringt von ihnen verloren stand. Wo hatte Bellamy bloß das Geld versteckt? Eine Tasche mit dreihunderttausend Dollar legte man sich nicht einmal so unter das Kopfkissen.

Mit einer Hand seinem bärtigen Kinn entlang fahrend wandte sich Marco um und trat aus dem Kleiderschrank heraus, nur bei dem besonders lauten Quietschen einer Diele innehaltend. Er setzte einen Schritt rückwärts, um dem Geräusch abermals lauschen zu können. Es war unnatürlich laut. Konnte es wirklich so einfach sein?

„Marco, Sirenen!“, riss ihn Ace’ plötzlich energische Stimme aus seinen Gedanken, ließ ihn von dem Boden zu seinen Füßen aufsehen. Der Schock war aus dem Gesicht seines Gegenübers gewichen, hatte jedoch etwas anderem Platz gemacht, was Marco als Beunruhigung interpretierte. Scheinbar wusste der Bengel doch, wann es angebracht war, ernst zu bleiben.

Und jetzt, da Marco sich konzentrierte, konnte er die Polizeisirenen ebenfalls vernehmen. Doch anstatt mit Ace aus der Tür zu stürmen, ging Marco zu Ace’ offensichtlichem Erstaunen in die Hocke. Seine Finger lösten den Teppich und klappten ihn beiseite, um einen besseren Blick auf das Holz darunter zu haben. Es war, wie er sich gedacht hatte: versteckt und zeitgleich doch offensichtlich.

Die Vorrichtung im Boden bestand aus einer einfachen Holzdiele, die links und rechts durchgesägt wurde, damit man ein Stück von ihr ohne große Mühe herausheben konnte. Genau das tat Marco. Er überlegte nicht lange, denn dafür hatten sie keine Zeit, wie die lauter werdenden Sirenen ihm mitteilten. Der Hohlraum darunter war groß genug für zwei oder drei einer solchen Tasche, wie Marco sie mit einem Ächzen aus dem Loch zog.

„Wow“, entrann es Ace ehrfürchtig, der Marco inzwischen längst über die Schulter schaute, als er den Reißverschluss aufzog, um sich zu vergewissern, dass der Inhalt stimmte. „Ich hab' noch nie so viel Geld auf einem Haufen gesehen. Wie viel ist es? Eine Million?“

Doch Marco antwortete nicht, sondern zog den Reißverschluss zu, bevor er das Versteck erneut verdeckte. Er schwang sich den Träger der Tasche um die Schulter und schob sich an Ace vorbei. „Willst du da Wurzeln schlagen oder was?“

Marco brauchte nur einen Blick aus dem Fenster zu werfen, um zwei Polizeiwagen die Hauptstraße entlang brausen zu sehen. Ein, zwei Minuten, dann würden die rechtschaffenden Hüter dieser Stadt sich im Treppenhaus befinden.

Verdammt! Marco hatte alles geplant gehabt. Niemand hätte mitbekommen, dass er auch nur in der Nähe von Austin gewesen war, da Bellamy den Mund gehalten hätte. Denn sobald das Flamingo Wort über das Geld zu Ohren gekommen wäre, wäre das Bellamys Todesurteil gewesen. Darüber musste sich Marco nun jedoch keinerlei Gedanken mehr machen – höchstens über die Konsequenzen, die dessen Mord nach sich ziehen würde. In diesem Falle waren Marco jedoch die Hände gebunden, da es zu spät war, um die Sache noch vertuschen zu können.

„Ich hoffe für dich, dass du hier nichts angefasst hast“, murmelte Marco, als er hinter Ace die Haustür zuzog und die Fingerabdrücke des Türknaufs mit seinem Hemd abwischte. Er selbst trug dünne Lederhandschuhe, doch von Ace konnte man das nicht behaupten.

„Huh?“

Marco verdrehte die Augen. „Vergiss es.“ Mit diesen harsch hervorgepressten Worten packte er Ace abermals am Oberarm und zerrte ihn mit sich die Treppen herunter.

Ihre Schritte waren laut und wurden von den kahlen Wänden des Hausflures wiedergegeben, aber dennoch von den Polizeisirenen beinahe vollkommen verschluckt. Das Blaulicht drang durch die offene Eingangstür hinein, flackerte monoton und brach sich auf der silbernen Reihe an Briefkästen an der Wand. Doch Marco steuerte ohnehin nicht diesen Ausgang an, sondern zog Ace zur hinteren Tür, die auf die Rückseite des Gebäudes und den Mülltonnen hinausführte. Es gab immer mehr als einen Fluchtweg und Leute in seiner Branche kannten besser alle.

Marco legte den Finger vielsagend an die eigenen Lippen, als er Ace einen Blick zuwarf. Anschließend schlich er gefolgt von seinem unfreiwilligen Begleiter an der Häuserwand entlang, ihm gegenüber eine Reihe von überquellenden Mülltonnen. Ihr Weg führte sie zu einem kleinen Holzzaun, der das Grundstück vom nächsten Wohnhaus abtrennte. Da er nicht höher als zwei Meter war, stellte ein Drüberklettern keine Schwierigkeit dar. Nein, es war sogar Ace, der Marco die ineinander verschränkten Finger als Hilfestellung hinhielt. Beinahe so, als würde es Marco in seinem Alter nicht mehr allein über den Zaun schaffen, woraufhin dieser Ace’ Hände nonchalant wegschlug. Er war in Topform und trotz der einfachen Sandalen, die er trug, warf er gekonnt die Tasche auf die andere Seite und folgte wenige Sekunden später.

Auch für Ace stellte dieses Hindernis keine Hürde da und gemeinsam rannten sie über das Nachbargrundstück zur Straße. Von dort verlangsamten sie ihren Gang, bis sie wie gewöhnliche Fußgänger über den Bürgersteig schlenderten, das Blaulicht und die Sirenen hinter sich zurücklassend.
 


 

X

Ace verkraftete die ganze Sache doch besser als Marco angenommen hatte. Das war die erste Erkenntnis, die ihm kam, als sie seinen auf dem verlassenen Parkplatz stehenden Camry erreichten. Die zweite war, dass er Ace der Polizei hätte überlassen sollen.

Diese kam Marco in den Kopf geschossen, als er die Wagentür aufzog und seinen Sitz mit argwöhnischem Blick betrachtete. Genauer gesagt lagen seine Augen auf dem verschütteten und inzwischen durch die angestaute Hitze getrockneten Inhalt des Milchshakes.

„Das darf doch wohl nicht wahr sein...“, murmelte er, doch Ace hatte bereits wieder ein Grinsen auf den Lippen. Nur beim zweiten Blick wurden die Risse in seiner Maske noch erkenntlich. Allerdings beließ es Marco bei diesem einen und zog stattdessen sein Mobiltelefon aus der Hosentasche. Er hatte den Ton ausgestellt gehabt und dennoch konnten die zwölf verpassten Anrufe ein wenig Überraschung in ihm hervorrufen. Allesamt waren sie von Thatch – was wiederum nicht sonderlich verwunderlich war.

„Du machst den Sitz sauber, während ich mal schnell telefonieren gehe“, sagte Marco und machte mit der freien Hand eine lockere Geste in die Richtung des Kofferraums. „Da müssten irgendwo ein paar Tücher drin sein, die du benutzen kannst.“

„Du wirst den Sitz danach nicht mehr wiedererkennen“, erwiderte Ace und Marco nickte, als er sich von dem Camry entfernte, um wenigstens die Illusion einer Privatsphäre zu erhalten. So privat wie ein Parkplatz eben sein konnte.

„Den erkenne ich auch jetzt schon nicht mehr“, warf Marco lediglich noch ein, bevor er Thatch zurückrief. Es tutete nur ein, zweimal, bevor auch schon die Stimme seines Freundes am anderen Ende ertönte. Gelassen und viel zu gut gelaunt für Marcos Geschmack.

„Hey, altes Haus. Ich hab’ mich schon gewundert, wo du abgeblieben bist.“

Marco warf einen kurzen Blick zurück über seine Schulter, wo Ace soeben den Kofferraum geöffnet hatte und nach etwas zum Säubern suchte. „Mir ist etwas dazwischen gekommen. Ich habe das Geld, aber Bellamy ist tot.“

„W-Was?“ Thatchs Ausruf war laut genug, damit Marco das Handy kurzzeitig von seinem Ohr fern hielt. „Was ist passiert? Soll ich das Paps sagen?“

„Nein, ich kümmere mich selbst darum, wenn ich zurück bin“, war jedoch alles, was Marco zu diesem Thema sagte. Er hatte keine Lust alles doppelt und dreifach zu erzählen, aber Thatch konnte wahrscheinlich nicht einmal seinen Mund halten, wenn sein Leben davon abhing. Geheimnisse waren bei ihm leider nicht gut aufgehoben. „Sag’ mir lieber, warum du angerufen hast. Hast du was herausgefunden?“

Papiere raschelten im Hintergrund, als würde Thatch nach etwas Bestimmten suchen. „Warte... warte... ah, hier ist es! Vista hat gesagt, dass es wirklich nicht viel zu diesem Ace zu finden gibt. So gut wie gar nichts. Fast so, als hätte da jemand herumgepfuscht.“

Diese Worte weckten Marcos Interesse und er entfernte sich instinktiv noch etwas weiter von seinem Camry und Ace. „Aber Vista hat etwas gefunden?“

„Mhm, ja. Zumindest über seine Mutter“, erwiderte Thatch und abermals folgte ein Blätterrascheln. „Ihr Name war Rouge Portgas. Sie war Kellnerin in einer Bar in Louisiana. Allerdings starb sie bei der Geburt aufgrund von unvorhergesehenen Komplikationen. Es war eine Hausgeburt. Zum Vormund wurde daraufhin Rouges Vater, Garp. Und Marco? Er ist Polizeichef.“

Marco verzog keine Miene, obwohl diese Neuigkeiten dennoch erstaunlich waren. Ace wirkte nicht wie jemand, der unter einem Polizisten aufgewachsen war, obwohl das zeitgleich vielleicht sogar sein Wissen um Whitebeard und seine Männer bestätigte. Hatte Marco den Jungen verkannt und sich sein Instinkt somit geirrt? Hatte er zu viel Vertrauen in diese Bekanntschaft gelegt?

Abermals sah Marco zu dem Jüngeren herüber, gerade in dem Moment, in dem Ace die Papierrolle aus den Händen glitt. Er versuchte sie aufzufangen, scheiterte jedoch, woraufhin sie einige Meter über den Parkplatz rollte und Ace hinter ihr herhechtete.

Marco zog die Augenbrauen ein Stück zusammen. Nein, so gut konnte einfach niemand schauspielern. Aber was versteckte Ace sonst? Und dass er ein Geheimnis mit sich herumtrug, das hatte Marco spätestens während ihrer Unterhaltung im Motel gemerkt. Die Laune eines Menschen schlug nicht ohne einen Grund so radikal um.

Über was hatten sie in dieser Nacht gesprochen? Ace’ Zielort. Überall oder nirgendwohin, Marco hatte es sich aussuchen sollen. War er vor etwas auf der Flucht? Vor seinem Großvater?

„Mehr hat Vista nicht herausfinden können?“, hakte Marco nach, doch Thatch verneinte sogleich. „Wie war noch mal der Name seiner Mutter?“

„Rouge.“

Er hatte schon zuvor seltsam bekannt geklungen, aber umso länger sich Marco diesen Namen durch den Kopf gehen ließ, umso vertrauter war er. Aber woher sollte er Ace’ Mutter kennen – insbesondere, wenn diese schon mindestens zwanzig Jahre verstorben war. „Und sein Vater?“

Ein weiteres Papierrascheln folgte, weil Thatch von Ordnung noch nie etwas verstanden hatte. „Unbekannt.“

„Okay, danke“, entrann es Marco langsam. „Ich mach' mich jetzt auf dem Rückweg.“ Mit diesen Worten beendete er den Anruf und schob sein Handy zurück in die Hosentasche seiner Jeans. Wirklich mehr erfahren hatte er über Ace nicht. Nichts, wodurch er sich eine endgültige Meinung über den Jungen bilden konnte.

Rouge Portgas...

Gemütliche Schritte brachten Marco zurück zu seinem Camry. Ace war noch immer im Wagen beschäftigt, doch als Marco näher trat, zwängte er sich aus der Fahrertür. Sein Hut hatte den Platz auf dem Wagendach eingenommen, während einige schwarze Haarsträhnen an seinen schweißnassen Schläfen klebten. Doch es waren die Sommersprossen, die über seinen Nasenrücken und seinen Wangen verteilt waren, die Marcos Blick auf sich zogen, als Ace ihn grinsend ansah und sagte: „Wenn du mich fragst, sieht der Sitz wie neu aus.“

Es war seltsam, wie man jemanden anschauen konnte und ihn doch nicht wirklich sah. Erst jetzt, da Marco der Namen von Ace’ Mutter auf der Zunge lag, sah er die Ähnlichkeit zu ihr, kamen Angesicht dieser die Erinnerungen zu ihm zurück.

Rouge Portgas. Rothaarig mit Sommersprossen. Damals war ihr Bild in den Nachrichten gewesen. Marco war noch ein Jungspund gewesen, der gerade seinen Weg zu Whitebeard gefunden hatte, als er in einer Bar gesessen und die Übertragung gesehen hatte. Die Meinungen über den Gerichtsfall waren weit auseinander gegangen. Abgründe hatten sich aufgetan, als Roger Gold die Todesstrafe erhalten hatte, weil er drei Einbrecher in seinem eigenen Haus erschossen hatte. Allerdings war nach dem Verfahren und nach der Hinrichtung einige Jahre später recht schnell Gras über die Sache gewachsen, so wie das eben oftmals der Fall war. Doch Marco erinnerte sich - jetzt und hier, als er Ace mit dem Blick fixierte und dessen Gesichtsausdruck von Heiterkeit zu Verwirrung wechselte.

Roger Gold hatte einen fünfjährigen Sohn gehabt, der in jener verhängnisvollen Nacht ebenfalls im Haus gewesen war. Einen unehelichen Sohn namens Ace, dessen Mutter im Kindsbett verstorben war und der einen Großvater hatte, der genug Wissen und Einfluss hatte, um die Vergangenheit des Jungen ein bisschen zu verwischen.

Marco blinzelte, als er realisierte, dass Ace und er schon minutenlang auf diesem Parkplatz standen und sich einfach nur anstarrten. Sich mit einer Hand über das Gesicht wischend, nahm er den Cowboyhut vom Wagendach, um ihn Ace auf den Kopf zu setzen. Im selben Atemzug schob Marco sich an dem jungen Mann vorbei. „Steig einfach ein“, murmelte er mit gelangweilter Stimme, bevor er es selbst tat.

Im Rückspiegel sah er Ace den Kofferraum zuschmeißen und joggend den Camry umrunden. Er schmiss sich regelrecht in den Wagen und Marco warf ihm nur einen skeptischen Seitenblick zu, ehe er losfuhr.

to come home


 

XI

„Was grinst du so bescheuert?“

Doch das Grinsen, von dem Marco sprach, wurde auf seine Worte hin nur eine Spur breiter. Es zog sich von einem Ohr zum anderen, bevor Ace die Gabel zu seinem Mund führte. Das Omelett mit den Pommes war wirklich gut, obwohl er bisher kein Diner erlebt hatte, in dem das nicht der Fall gewesen war.

„Wir haben uns hier kennen gelernt“, bemerkte er schmatzend und deutete mit einer kurzen Geste jener Gabel ihre Umgebung an.

Marco hatte einen Tisch im hinteren Teil des Ladens gewählt, dem nicht unähnlich, den er besetzt hatte, als er Ace ins Auge gefallen war. Auch nun lagen Essensgerüche und ein Stimmengewirr in der Luft, während die Ventilatoren an der Decke sich gemütlich zum Rhythmus der leisen Musik drehten.

Marco sah ihn jedoch unverwandt an, sich der Atmosphäre scheinbar gar nicht bewusst. Doch wenn Ace in der Zwischenzeit etwas über sein Gegenüber gelernt hatte, dann war es, dass dieser Mann so gut wie keine Gesichtsmimik besaß. Selbst wenn Marco grinste, überschattete dies nicht den schläfrigen Ausdruck auf seinen Zügen.

„Dir ist aber schon klar, dass das nicht dasselbe Diner ist, oder?“, war alles, was Marco erwiderte und genau wie Ace erwartet hatte, zuckte nicht ein Muskel in seinem Gesicht. Allein dafür musste sich Ace ein Lachen verkneifen.

Sein Blick wanderte von Marco zu den breiten Fenstern, durch welches die Sonne fiel. Die kahle Steppe war einer bewaldeten Gegend gewichen, die Ace in ihrer Monotonie bestätigte, dass sie sich längst nicht mehr in Texas befanden. Nein, sie jagten stattdessen schon seit gestern mit von Ace geöffneten Autofenstern über den Highway. Irgendwo zwischen den Staatsgrenzen von Texas und Alabama verloren – auf der Flucht, ohne festes Ziel, vollkommen vogelfrei.

„Komm’ mit mir nach Florida“, durchbrach Marco das aufgekommene Schweigen zwischen ihnen, als hätte er Ace’ Gedanken gelesen. Vielleicht waren sie auch offensichtlich gewesen oder Marco hatte über dasselbe nachgedacht. Marco wirkte eben nicht wie jemand, der vorschnell etwas aussprach, jemandem unüberlegt ein solches Angebot unterbreitete.

Marcos Kinn ruhte derweil auf seiner Handfläche, der angefangene Salat vor ihm längst wieder stehen gelassen.

„Huh?“ Für einen Moment vergaß Ace selbst das Essen. Vergaß die Gabel, die abermals auf dem Weg zu seinem Mund gewesen war, nun jedoch eingefroren in der Luft hing.

Marcos Mundwinkel hob sich zu einem freudlosen Lächeln. „Soweit ich das beurteilen kann, hast du kein Zuhause und auch sonst keinen Ort, zu dem du möchtest“, setzte er schließlich zu einer Erklärung an und zuckte mit den Schultern. „Und ewig in einem Diner nach dem anderen die Zeche zu prellen, ist auch keine dauerhafte Art zu leben. Da kannst du genauso gut mit nach Florida kommen. Für einen Streuner ist bei uns immer Platz.“ Sein Ton war gesenkt und ruhig, als würde er auf ein kleines Kind einreden, doch Ace’ Wut darauf und auf die Kritik seines Lebensstils schaffte es nicht über seine Lippen, sondern verfinsterte nur kurzzeitig seinen Blick. Marco war nicht der Feind, das hatte er mehrfach bewiesen und Ace hatte ohnehin nie daran gezweifelt. Ansonsten hätte er sich auch nicht Marco als Mitfahrgelegenheit auserwählt.

„Also glaubst du nicht mehr, dass ich für diesen – wie hast du den Kerl noch genannt? – arbeite?“, fragte Ace.

„Don Quichotte de Flamingo”, entrann es seinem Gegenüber, der zeitgleich jedoch den Kopf schüttelte. „Wahrscheinlich könnte nicht einmal der beste Schauspieler so gut vorspielen, sich den Namen nicht merken zu können. Denk’ einfach an einen Flamingo, denn nach dem hat er sich schließlich benannt. Selbst sein Äußeres hat er danach angepasst. Exzentrisch halt.“

Das Bild eines sprechenden Flamingos mit menschlichen Armen und Beinen kam Ace in den Kopf geschossen und er schnaubte belustigt, als er mit dem Essen fortfuhr. Warum würde man sich freiwillig nach einem pinken Vogel benennen? Es gab doch weitaus eindrucksvollere Tiere.

„Also? Was ist nun?“, hakte Marco nach.

Ace sah auf, obwohl Marcos Gesicht noch immer ein Schloss mit sieben Siegeln war. Es wäre gelogen gewesen, wenn Ace behauptet hätte, dass ihm diese Idee nicht selbst schon gekommen war. Dass er sich in den letzten Tagen nicht einmal vorgestellt hatte, wie es sein würde, ein Mitglied von Whitebeard und seinen Söhnen zu sein. Im Grunde war es schon damals so gewesen, als sein Großvater Ruffy und ihm von ihnen erzählt hatte. Er hatte stets von Verbrechern und Mördern gesprochen, doch alles was Ace gehört hatte, war Zusammenhalt und eine verdrehte Art der Freiheit, die jenseits der Gesetze existierte.

Und dennoch brauchte Ace einige Sekunden, um überhaupt etwas sagen zu können. „Wenn du das aus Mitleid machst oder weil du denkst, dass ich jemanden von du-weißt-schon-wem erzähle, dann kannst du dir das schenken“, sagte er mit belegter Stimme und verengten Augen. „Ich schwöre, dass ich das Geheimnis mit ins Grab nehmen werde, Marco.“

Kurzzeitig ging Marcos Blick daraufhin an ihm vorbei, als wollte er sichergehen, dass auch wirklich niemand in Hörweite war. Erst danach lehnte er sich etwas vor und fixierte Ace wieder. „Wenn ich mir Sorgen darum machen würde, dass du zur Polizei rennst, hättest du Bellamys Wohnung nie verlassen. Und aus Mitleid würde ich eine Nervensäge wie dich auch nicht bis nach Key West mitschleppen.“

„Key West?“ Gegen Ace’ Willen hoben sich seine Mundwinkel zu einem Grinsen. Nach Key West hatte er schon immer gewollt, denn es galt sicherlich nicht umsonst als ein kleines Partyparadies. Wahrscheinlich hätte er selbst darauf kommen sollen, dass die Söhne Whitebeards sich genau diesen Ort als ihren Hauptsitz ausgesucht hatten. Es war passend, wenn Ace darüber nachdachte. Verlockend. „Bei Key West kann ich nicht nein sagen“, warf er daher ein und zuckte mit einer gespielten Gelassenheit mit den Schultern.

Marco verdrehte die Augen, doch nickte anschließend. „Dann iss endlich auf, damit wir weiterkönnen.“

„Willst du deinen Salat nicht mehr?“, fragte Ace mit vollem Mund und Marco schob ihm seufzend seinen Teller zu, ehe er sich zurücklehnte.
 


 

XII

Sie brachten Meilen und noch mehr Meilen hinter sich, bis sie Flordia erreichten und es auf der Route 1 durchquerten und das Festland hinter sich zurückließen. Ein nackter, sich quer über den Ozean ziehender Highway führte Marco und Ace von einer der Key Inseln zur nächsten. Weiter und weiter, bis sie die letzte der Kette erreichten: Key West.

Eine kleine Insel, die laut Marco, in vier Distrikte eingeteilt worden war, die Old Town, New Town, Mid Town und Casa Marina hießen. Doch alles, was Ace in der Dunkelheit der Nacht erkennen konnte, waren Bars und Tavernen mit Neonlichtern, Fahrradfahrer, die sich durch die schmalen Straßen schlängelten, und herumziehende Leute, meistens mit einem Drink in der Hand.

Ace’ Oberkörper hing halb aus dem Fenster und er musste seinen Hut festhalten, damit er bei dem Fahrtwind nicht davonflog.

„Zu der Uhrzeit werden sich die Jungs wahrscheinlich im Grandline aufhalten“, konnte Ace Marco hören sagen, sowie dessen Hand spüren, die sein T-Shirt packte. Beinahe so, als fürchtete er, Ace würde kopfüber aus dem Wagen fallen. Aber dieser Gedanke erheiterte Ace nur mehr, als eine Gruppe junger Frauen ihm beim Vorbeifahren zuwinkten. Er erwiderte die Geste, kurz, abgerissen, da er wieder nach seinem Cowboyhut greifen musste.

Daraufhin wurde er von Marco gänzlich in den Wagen gezogen. „Hörst du mir überhaupt zu?“, brummte er. Sein Gesicht war schattenbesetzt und abweisend – und Ace hätte sich trotzdem zu ihm herüberlehnen und ihn küssen können. Ungezwungen und mit einer vorwitzigen Zunge, die eine Reaktion aus ihm herauskitzeln wollte.

„Du hast was über ein ‚Grandline’ gesagt“, erwiderte Ace und sackte grinsend in seinen Sitz. „Was soll das sein?“

Marco bog auf eine schmalere Straße, die ruhiger war. „Eine Bar. Das ist das Stammlokal von Paps und den Jungs.“ Eine kurze Pause folgte, in der Marco ihm einen Seitenblick zuwarf. „Da wird sich herausstellen, ob Whitebeard dich überhaupt aufnehmen will.“

Mit einem Mal war die Euphorie wie weggeblasen, die zuvor in Ace noch Purzelbäume geschlagen hatte. Ob er ihn überhaupt aufnehmen würde? Darüber hatte sich Ace bisher keinerlei Gedanken gemacht. Viel eher war er davon ausgegangen, dass es alles bereits geklärt war, dass er bereits ein Mitglied war. Was würde dort von ihm erwartet werden? Gab es etwa eine Aufnahmeprüfung?

„Dir ist doch sicher klargewesen, dass ich das nicht entscheiden kann, oder?“, fragte Marco, doch Ace’ kurzzeitiges Schweigen musste Antwort genug sein, denn Marco zog ihm seinen Hut über die Augen. „Sei einfach du selbst“, fügte er hinzu. „Hier sind wir auch schon.“

Ace schob seinen Hut zurück, als der Camry auf den Parkplatz vor einem kleinen Lokal fuhr. Einige Autos standen herum und Fahrräder sammelten sich am Eingang. Leuchtend weiße Buchstaben setzten den Namen der Bar zusammen und Musik drang bis nach draußen, als Marco und Ace ausstiegen.

Das Meersalz lag in der Luft, ganz anders als in dem kleinen Ort, in dem er aufgewachsen war. Dieser Geruch ging jedoch in dem Rauch und dem Alkohol unter, sobald sie sich durch die breiten Schwingtüren der Bar geschoben hatten. Die laute Musik ließ Ace’ Herz im Takt hüpfen und Marcos Hand fand den Platz auf seiner Schulter, als der Ältere ihn in die Richtung des Tresens schob.

„Bestell dir was zu trinken, während ich mit Paps rede“, sagte Marco und nickte zu einem der besetzten Tische, an dem einige Männer saßen. Einer von ihnen überragte er sie alle mit seiner Größe: Whitebeard. Sein Großvater hatte ihm Bilder von ihm gezeigt und obwohl die aus jüngeren Jahren stammten, so waren sein weißer Bart und seine Hakennase doch unverkennbar. Ein riesiger Krug stand vor seiner Nase, den er mit einem langen Zug leerte.

Gelächter lag in der Luft und niemand hatte ihnen bisher einen Blick geschenkt. Wahrscheinlich war ihnen nicht mal aufgefallen, dass jemand eingetreten war.

„Was kann ich dir bringen?“, holte eine weibliche Stimme Ace in die Realität zurück. Überrascht wandte er sich der Frau zu, die ihr kurzes, dunkles Haar unter einem Tuch verborgen trug. Ihr Lächeln war freundlich, als sie ihn mit warmem Blick abwartend ansah.

„Öhm...“

Im selben Moment legte sich ein Arm um Ace’ Schultern und jemand sackte auf den Barhocker neben ihm. „Bring meinem jungen Freund ein frisch gezapftes Bier, Makino.“ Auch der braunhaarige Mann mit der Elvistolle und der Narbe am linken Auge trug ein breites Lächeln auf den Lippen, doch seine Aufmerksamkeit lag einzig und allein auf der Barkeeperin, die von dannen huschte. Erst als er Ace’ Blick bemerkte, sah er ihn an und lachte kehlig. „Makino ist meine Traumfrau, musst du wissen“, sagte er zur Erklärung. „Das weiß sie nur noch nicht. Aber bald, sehr bald.“

Allerdings brauchte Ace nur zu Makino herüberzusehen, um das wissende Schmunzeln auf ihren Lippen zu erkennen.

„Du musst dann wohl Marcos kleines Anhängsel sein.“

„Anhängsel?“, erwiderte Ace und zog die Augenbrauen zusammen, als er den fremden Kerl finster musterte. Er war galt also nur als Marcos Anhängsel? Ein Souvenir, das er unterwegs aufgegriffen hatte?

„Ich bin Thatch“, fuhr dieser jedoch unbeirrt fort, „jetzt, wo du so gut wie zu uns gehörst, sollten wir versuchen miteinander auszukommen. Aber wenn ein unsozialer Typ wie Marco dich gut leiden kann, dann ist das sicher kein Problem.“

Abermals folgte ein Lachen, welches Ace die Stirn in Falten legen ließ. Dabei schaute er zu dem Tisch herüber, den Marco angesteuert hatte und an dem Whitebeard saß. Zu seinem Erstaunen erwiderte genau dieser aus berechnenden Augen seinen Blick, als wollte er Ace von Kopf bis Fuß durchleuchten. Dieser Anblick stellten sich ihm die Nackenhaare auf.

Aber bereits im nächsten Moment wandte sich Marco um und bedeutete ihm mit einer knappen Handbewegung, sich zu ihnen zu gesellen.

Ace schob sich von seinem Stuhl herunter und schüttelte Thatchs Arm ab, um dieser Geste Folge zu leisten. Dabei fühlten sich seine Beine wie Gummi an und Thatchs Worte gingen in dem Rauschen des Bluts in seinen Ohren unter.

„Marco erzählt mir, du hast sein Leben gerettet“, sagte Whitebeard, sobald er den Tisch erreicht hatte. Auch die Blicke der anderen Männer dort waren auf ihn gerichtet, darunter ein dunkelhäutiger Mann mit Dreadlocks und einer mit schwarzen Haaren, Kotletten und einem Bart, der an seiner Zigarre zog.

Ace’ Ohrenspitzen glühten. „Ich hab' Marco gesagt, dass ich nichts sagen werde!“

Doch sein hitziger Kommentar wurde mit weiterem Gelächter beantwortet, welches ihn zeitgleich verwirrte und noch wütender stimmte.

„Bringt Ace einen Stuhl“, forderte Whitebeard aber doch nur, woraufhin neben ihm einer erschien. Mehrere Hände landeten auf seinen Schultern und klopften ihm auf den Rücken, als er sich setzte.

Thatch kam ebenfalls herübergewandert, denn dieser stellte ihm seinen Bierkrug vor die Nase und ließ sich anschließend zwischen zwei der Männer auf der Tischplatte nieder.

Verloren sah Ace von einem zum anderen, von Thatch zu Marco, der mit verschränkten Armen neben ihm stand, und schlussendlich zurück zu Whitebeard. Dieser wurde inzwischen von Makino mit Alkoholnachschub versorgt und er hob seinen eigenen Krug. „Auf unser neues Mitglied, Ace. Jemanden, der einem meiner Söhne aus der Patsche hilft, zähle ich zu meiner Familie.“ Ein Grölen und Jubeln brach aus, während sich Marcos Mundwinkel hoben und Ace sich fast an seiner eigenen Spucke verschluckte, bevor sich auf seinen Lippen ein dümmliches Grinsen ausbreitete.


Nachwort zu diesem Kapitel:
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Kommentare zu dieser Fanfic (16)
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Von:  Hisoka_Hebi
2021-08-09T04:23:13+00:00 09.08.2021 06:23
Hallo,

Endlich komm ich Mal dazu dir eine ens zu schreiben. Gestolpert bin ich über eine deiner anderen FFs zu Marco x Ace. Aber hier fängt ich an mit Kommentieren :)
Dein Schreibstil gefällt mir außerordentlich gut und ich würde mir wünschen wenn du zu dieser FF noch ein zwei Kapitel hinzufügst :)
Eins auf jedenfall von Marco den neuen abkömmlich eingliedert, Chaos vorprogrammiert als OS reicht ja wieder völlig und eins wer wieder wen erobert, gerne wieder angedeutet, aber Herzklopfen bekomme ich trotzdem. Obwohl ich kein BL Fan bin, hat mir deine Schreibweise gefallen und ich bin süchtig geworden. Mach weiter so :)
Von:  Wisteria
2018-02-25T14:59:01+00:00 25.02.2018 15:59
Moin,
schöne FF, macht spaß zu lesen. Allerdings darf man nicht vergessen, dass Marco nicht in Gefahr wäre, wenn Ace ihn nicht abgelenkt hätte. Da hatte er echt Glück, dass ihm das zum Beitritt geholfen hat.
LG
Von:  Black-Heart-OP
2016-08-31T12:19:32+00:00 31.08.2016 14:19
Das lässt einen schon schmunzeln. Ist echt cool.
GLG Black
Von:  Puma_Ace
2013-08-14T12:18:45+00:00 14.08.2013 14:18
Ja das lässt mich Grinsen XDD
Von:  Ysaye
2013-04-21T08:09:27+00:00 21.04.2013 10:09
Hallo Votani,

das war nicht als persönliche Kritik gemeint. Ich wollte lediglich die Leser und Autoren darauf aufmerksam machen, dass sie in Zukunft etwas genauer darüber nachdenken sollten, wann sie welche Wortwahl verwenden.

Dass Bellamy so was sagen würde von seinem Charakter her, stimmt schon. Aber vielleicht könnte man in diesem Falle eine entsprechende Notiz im "Autorenkommentar" reinstellen, damit klar ist dass sich der Autor persönlich von dieser Redewendung distanziert.

Es tut mir leid, dass du dich dadurch persönlich angegriffen gefühlt hast - das war ganz sicher nicht so beabsichtigt. Ich konnte es aber nicht einfach so stehen lassen, dass "behindert" als Schimpfwort verwendet wurde. Ich hatte daher die Form des Kommentars gewählt, um nicht nur dir, sondern auch den anderen Lesern und Autoren diese Problematik etwas bewusster zu machen.

In diesem Sinne: Frieden, einverstanden?

Liebe Grüße, Ysaye
Von:  Peacer
2013-04-10T13:23:04+00:00 10.04.2013 15:23
Yay, endlich kommen die Handschellen und der Milchshake zum Einsatz. :D Hört sich auf jeden Fall plasuibel an, so wie du es geschrieben hast, genau wie die Verfolgung Marcos. Ein bisschen Zufall darf da ruhig sein. Ich finde es auch lustig, dass Ace die Wegbeschriebung gleich wieder vergisst. xD
Und dann Marco vs Bellamy fand ich auch klasse, konnte mit die Konfrontation richtig gut vorstellen. Und Ace, der Tollpatsch, tztz. Auch wenn ich mir nicht sicher bin, ob Marco Bellamy wirklich aus den Augen gelassen hätte. Aber nun gut, Ace hätte ja auch Bellamys Verbündeteter sein können, und die Überraschung, ihn da zu sehen erklärt es auch. xD
Und ich mag das Handgemenge, vor allem aber natürlich wie Ace Marco rettet. Und ich finde es schön geschrieben, dass du seinen Gemütszustand mit den tauben Fingern andeutest. :D
natürlich freue ich mich jetzt umso mehr auf das nächste Kapitel und Marcos Reaktion. :)
Von:  Ysaye
2013-04-09T08:37:35+00:00 09.04.2013 10:37
Ooops... da hat Ace ja ganz schön was angerichtet. Wie kommen sie jetzt aus diesem Schlamassel wieder raus?

Ich mag deine Geschichten sehr, Votani. Aber in dem heutigen Kapitel war ein Punkt drin, der mich doch enorm geärgert hat: dass du Bellamy sagen hast lassen: „Haha, bist du behindert?“

Ich persönlich finde es überhaupt nicht lustig, wenn Leute so völlig gedankenlos "behindert" als Schimpfwort verwenden, weil ich selbst eine Körperbehinderung habe.

Könntet ihr (und damit meine ich ALLE in diesem Forum) bitte die Verwendung des Wortes "behindert" als Schimpfwort in euren FFs und auch in eurer Alltagssprache unterlassen!!??? Auch die Form b*** will ich nicht sehen, da man dennoch erkennt, was gemeint ist.

Uns, die wir tatsächlich im klassischen Sinne "behindert" sind und täglich mit den Folgen, die all die unterschiedlichen körperlichen und geistigen Einschränkungen mit sich bringen, leben müssen, tut diese beiläufige Verunglimpfung nämlich verdammt weh.

Wir wollen nicht bemitleidet werden, sondern wir versuchen, aus eigener Kraft trotz aller unserer Probleme unsere Leben mit viel Spaß und Engagement zu leben und sind meiner Meinung nach zu Recht stolz darauf, wie viel wir trotz oder gerade wegen unserer Behinderung alles erreichen können. Wir brauchen lediglich in einigen Bereichen ausgleichende Unterstützung, wie z.B. Hörhilfen, Prothesen, Hilfskräfte und etwas Rücksicht und Hilfsbereitschaft unserer Mitmenschen, die bereit sind sich unseren Bedürfnissen etwas anzupassen und uns als ansonsten ganz normale Mitmenschen akzeptieren.

Was wir GANZ SICHER NICHT BRAUCHEN, ist die beiläufige Gedankenlosigkeit, mit der ihr unsere Leistungen und Probleme herabwürdigt und uns in eine Schublade steckt. Denn diese Gedankenlosigkeit verletzt fast noch schlimmer als offene Feindschaft.

Es ist, als wäre jeder, der auch nur im leichtesten Sinne behindert ist, dumm, unfähig, hilflos und man könne ohne Weiteres mit ihm seine Scherze treiben.

Ich will jetzt nicht mit der Einstellung der Nazis gegenüber Behinderten und deren "Euthanasie" kommen, weil das in diesem Zusammenhang eindeutig übertrieben ist. Aber die Grundlage für deren Gedankengut war genau diese Einstellung, die ihr an den Tag legt, und die Ausführung konnte nur darum so ohne weiteres protestlos durchgeführt werden, weil sich über das Schicksal und Leben der Behinderten schlicht niemand jemals Gedanken gemacht hat.

Bitte denkt in Zukunft genauer über eure Sprachwahl nach, bevor ihr etwas sagt oder schreibt. Denn mit der Sprache formen wir stets die Welt und die Gesellschaft um uns herum; sie ist der Rahmen und Ausdruck unserer Gedanken und etwas beiläufig oder absichtlich Ausgesprochenes kann oft viel tiefer treffen als jeder körperliche Schlag.

Bitte denkt daran, wann immer ihr etwas sagt.

Liebe Grüße,

Ysaye
Antwort von:  Votani
09.04.2013 20:36
Um das noch mal offiziell zu machen: Sicherlich liegt es nicht in meiner Absicht irgendjemanden mit meinen Texten zu beleidigen oder zu verletzten. Das war sicherlich nicht meine Absicht – und wenn das geschehen ist, tut mir das ehrlich leid.
Ändern werde ich es aber nicht, da meiner Meinung nach ein Unterschied zwischen der Stimme des Autors und der des Charakters besteht. Bellamy ist ein Arschloch und ihm ist es egal, ob er irgendjemanden beleidigt oder nicht. Daher trau ich ihm diesen Ausdruck sehr wohl zu. Das hat nichts mit meiner Wortwahl zu tun, die ich an den Tag lege, oder ob ich nun auf jemanden heruntersehe oder ihn bemitleide und jemand mit einer Behinderung für dumm/hilflos etc. sehe. Dieser Satz sagt rein gar nichts darüber aus.
Wie gesagt, unter Umständen hätte ich das auch gern geändert, aber nicht nachdem man mir so einen Kommentar hinklatscht, der zeitgleich scheinbar auch Kritik für andere Autoren und Geschichten etc. beinhaltet. Das gehört in dieser Art und Weise hier einfach nicht hin. Trotzdem tut es mir noch mal leid, dass dich das getroffen hat. Ich wünschte nur, du hättest deine Kritik konstruktiver verpackt anstatt mir als Person Dinge zu unterstellen, die so einfach nicht zutreffen.
Von:  Peacer
2013-03-02T22:34:56+00:00 02.03.2013 23:34
Hier sind dann auch die Beweggründe von Marco erklärt, und die scheinen mir ganz logisch. Ich würde einen komischen Kauz wie Ace auch im Auge behalten. xD
Ich finde das Pärchen neben ihnen lustig. xD
Aber ich finde Aces Stimmungsschwankungen auch ganz interessant, von Heiterkeit zur Ernsthaftigkeit, und dass das Marco auch sofort auffällt. Unser Blondschopf ist schon aufmerksam, und schlau, wie er Aces Reisetasche durchsucht und Vista Recherchen anstellen lässt.
Ich mochte auch, dass die Grandline eine Bar ist und Makino die Leiterin, und fand es knuffig, dass Thatch zu schüchtern ist, um sie auszufragen. Über das Pairing habe ich ehrlich gesagt noch gar nicht nachgedacht, ich habe sie immer nur mit Shanks gesehen. xD Könnte aber klappen, denke ich. Thatch ist schließlich unser Frauenheld.
Die letzte Bermerkung von Marco habe ich im übrigen so interpretiert, dass er Ace einfach damit aufzieht, dass er beim letzten Mal die Zeche geprellt hat. Aber dass er ihn einlädt finde ich umso besser. *g*
So, und jetzt schreib schnell weiter, ich bin schon ganz gespannt auf das nächste Kapitel. xD
LG,
Peacer
Von:  Peacer
2013-03-02T21:35:39+00:00 02.03.2013 22:35
Finde ich toll, dass sich Ace nich einmal von einer Waffe wirklich aus der Ruhe bringen kann. Und ich bewundere Marco, dass der gleichzeitig den Hitzkopf bedrohen kann und auch noch Auto fährt. xD
Allerdings muss ich zugeben, dass Marcos Beweggründe mir noch ein kleines Rätsel sind. Ich für meinen Teil würde keinen Fremden in meinem Auto lassen, oder gar ein Zimmer mit ihm teilen. Aber wie Marco Ace gegen die Wand drückt fand ich schon irgendwie... sexy. *hust* xD
Ich fand es auch recht interessant, dass du Ruffy zu Aces Cousin und nicht zu seinem Bruder gemacht hast. Könnte ich mir sogar irgendwie vorstellen, ehrlich gesagt. xD

LG,
Peacer :)
Von:  Peacer
2012-12-24T22:58:50+00:00 24.12.2012 23:58
Frohe Weihnachten! :D
Ich habe mich jetzt endlich an dein AU herangetraut, und bereue es nun, das nicht schon früher getan zu haben. Es gefällt mir jetzt schon. :D
Natürlich ist es etwas gewöhnunsbedürftig, sich Marco mit einer Pistole vorzustellen, als in seiner üblichen Phönixform, aber trotzdem ist er so IC, dass es mich nicht wirklich stört. Und Ace war auch genial, Hauptsache er pennt zuerst in seinem Essen und flüchtet nacher typischerweise, ohne zu zahlen. Dass er dabei Marcos Wagen als Fluchtmittel benutzt, damit hatte ich nun wirklich nicht gerechnet. xD
Ich bin auch schon neugierig, was genau Whitebeard ist, hört sich irgendwie nach Mafia oder so an. Und ich freue mich schon drauf, wie er Bellamy auseinandernehmen wird, den konnte ich noch nie leiden. xD
Dass ich deinen Schreibstil mag, muss ich mittlerweile nicht mehr erwähnen, oder? ;)
LG,
Peacer


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