Lies von Night_Baroness (Lelouch x Shirley) ================================================================================ Kapitel 1: Lies --------------- You're never gonna love me, So what's the use? What's the point in playing A game you're gonna lose? What's the point of saying you love me like a friend? What's the point of saying, it's never gonna end? Sie ärgerte sich, dass das alles war, dass ihr Gedanken hergaben, als sie auf dem kalten Fußboden lag, die Augen glasig auf die schmucklose Decke gerichtet, die ebenso kalt aussah, wie die Fliesen unter ihr sich anfühlten. Es war, als würde die Welt keine Wärme mehr kennen. Vielleicht war es auch so, sie konnte es nicht mehr beurteilen. Seit diesem einen Augenblick, den Moment, als sie diese Promenade hinuntergewandert war, den Schirm schützend über ihrem Kopf, Tropfen um Tropfen darauf prasselnd wie ein verstimmtes Glockenspiel, dem Moment, als sie das Gefühl hatte, die Zeit wäre für einen kurzen Augenblick angehalten und zurückgedreht worden – seitdem war alles anders. Das Prasseln von Regen, auf einmal waren ihre Erinnerungen voll davon. Jede Faser ihres Körpers, jeder Herzschlag war davon erfüllt, ein dumpfes Pochen wie das Platschen großer Tropfen auf dem leblosen Teer. War es wirklich nur ein Jahr? Nicht länger? Wie konnte ein Jahr alles verändern? Doch sie kannte die Antwort. Jetzt, wo sie dort lag, unfähig sich zu bewegen, eine schmutzige Schneekönigin, die von einer Eisschicht nach der anderen bedeckt wurde. Warum war ihr so schrecklich kalt? Und was war das für ein Lied, das in ihren Gedanken rumspukte. Verrat. Lügen. Nichts als Lügen. Nein, sie durfte nicht daran denken. Sie wollte es auch nicht. Sie hasste dieses Spiel in das er sie gezogen hatte, ein Spiel aus Lügen und Betrug, das sie alle zu Kartenspielern machte, gelenkt vom Schicksal und maskiert vom Teufel. Oh ja, sie trugen alle Masken. Seit diesem Moment wusste sie es. Sie wusste, dass man ihnen die Gegenwart genommen hatte, ja sogar ihre Vergangenheit auslöschte, sie veränderte, ihre Herzen mit Lügen fütterte und den Verstand mit Täuschungen nährte, bis er zu satt und müde war, um nachzufragen. Und doch spielten sie alle weiter. Wussten sie nicht, was mit ihnen geschah? Wussten sie nicht, was er mit ihnen angestellt hatte? Aber sie alle spielten weiter, lebten das Leben, das man ihnen vorgegeben hatte. Als wären sie Schauspieler und würden in einem Stück spielen. Jeder hatte seinen Text, jeder seine Rolle… What's the point in playing a game you're gonna lose? War sie denn besser? Hatte sie sich dagegen gewehrt? Nein. Sie hatte vergessen wie alle anderen. Vielleicht wollte sie insgeheim nichts als das. Sie lächelte müde, während die Kälte mit eisigen Klauen nach ihrem Körper griff und sie immer weiter in die Tiefe Schwärze zog, deren hungrige Lippen bereits ihre Seele zu küssen schienen. Sie wollte nur vergessen. „Shirley… es tut mir so leid.“ Als sie zu ihm aufblickte, füllten sich seine Augen, die von einem sonderbaren Violett waren mit echten Tränen. Sie hatte ihn noch nie weinen sehen… „Lulu…“ „Diese Welt ist so ungerecht, so schrecklich unfair. Die Schuldigen werden nie bestraft. Diejenigen, die leiden müssen, sind immer die, die es am wenigsten verdienen. Es sind die, die ehrlich sind, die…“ Ehrlich. Lies, don't wanna, no, don’t wanna know… Am liebsten hätte sie gelacht, weil ihr alles so lächerlich vorkam, so absurd. Sie lag hier in dieser schwarzen Kälte, die schmeckte, wie bittere, faulige Lakritze und sie zum Würgen brachte und schwebte in einem sumpfigen Drama aus Erinnerungen und schlechter Musik. Vielleicht war es das, was das Leben wirklich ausmachte. Verwirrung und Schmerz untermalt mit zweitklassigen Melodien. „Aber warum? Wenn es einen Gott gibt, dann…“ Tränen liefen über ihr Gesicht und mischten sich mit dem Regen, von dem sie nichts mehr unterschied. Aus irgendeinem Grund stimmte sie dieser Gedanke noch trauriger. Als er sah, dass sie weinte, schlossen sich seine Arme um ihren zerbrechlichen Oberkörper, der immer noch zitterte, wie in dem Moment, als sie die Nachricht erhalten hatte und zwang sie in eine sanfte Umarmung. „Wenn es einen Gott gibt, dann darf sowas einfach nicht passieren. Dann dürfte es so jemanden wie diesen Zero überhaupt nicht geben!“ „Schon gut.“ Die schmalen Bäche auf ihren Wangen wichen reißenden Fluten und sie brüllte beinahe vor Schmerz. Hätte er sie nicht festgehalten, wäre sie wohl auf dem Boden zusammengebrochen und hätte ihren Kopf solange auf den matschigen Asphalt geschlagen, bis er blutig war. Sie wollte nichts mehr hören. Keine Lügen mehr. „Nichts ist gut! Mein Vater ist tot! Er ist tot, weil dieser Mistkerl Zero ihn umgebracht hat, dieser elende… dieser Mörder!“ „Ich weiß Shirley, ich weiß.“ Er löste eine Hand von ihrem Rücken und hob ihren Kopf, damit sie ihn ansehen konnte. „Ich bin für dich da. Das, was passiert ist, ist schrecklich, aber ich lasse dich nicht damit allein. Ich lasse dich nie wieder allein!“ Too proud to say that you made a mistake, you're a coward to the end. I don't wanna admit that we're not gonna fit, no I'm not the type that you like. Why don't we just pretend… Auch wenn ihr jetzt nur ein zynisches Lächeln über die Lippen huschte, während spöttische Geister in ihrem Herzen diese Worte in ihrem Kopf wiederholten wie eine monotone Tonbandansage und ihr all ihre sinnlosen Bemühungen und all die Täuschungen, denen sie sich hingegeben hatte, aufs Neue vorwarfen, konnte sie nicht verhindern, dass sie Schlucken musste, als sie sich an den Kuss erinnerte. Vielleicht war es albern sich jetzt noch daran zu erinnern, ja vermutlich war es das. Aber war das nicht ihre ganze Schwärmerei gewesen? Ihr unermüdliches Streben nach Glück? Sie hatte wirklich daran geglaubt, hatte gehofft, dass ihr Glück ewig halten würde, dass er der Richtige sein würde. Aber die Zeiten hatten sich geändert. Sie waren nicht mehr ein paar Freunde, die zusammen auf die Schule gingen und Spaß daran hatten, irgendwie ihr Leben zu meistern. Sie waren ein Ritter, ein Haufen Betrogene und ein Massenmörder. Das war die Wahrheit. „Hey, Shirley, was machst du hier so ganz allein?“ Überrascht sah sie auf und lächelte etwas verlegen, als sie Lelouch erblickte. Bevor sie antwortete, atmete sie tief durch, um ihren Herzschlag zu verlangsamen. Sie wollte nicht, dass er sah, dass sie insgeheim immer noch ein bisschen aufgeregt war, wenn sie allein waren, obwohl sie sich schon so lange kannten. „Nichts Besonderes, ich wollte nur einen Moment lang nachdenken und versuchen, einen klaren Kopf zu bekommen.“ Sie lehnte sich an die Brüstung des Balkons und blickte hinauf in den Himmel, wo die letzten Schatten des abendlichen Feuerwerkes langsam verblichen. „Stört es dich, wenn ich mich zu dir stelle?“ Sie lächelte verlegen. „Nein, schon okay.“ „So einen schönen Sternenhimmel sieht man selten.“ „Ja…“ Eine Zeit lang schwiegen sie und ließen sich einfach vom nächtlichen Lied einer zarten Brise umfangen. „Wir haben schon ziemliches Glück, oder?“ Er blickte sie überrascht an. „Ich meine, dass wir alle hier sind, alle zusammen, dass wir am Leben sind. Das ist doch Glück, oder?“ Jetzt lächelte er auch. „Ich denke schon.“ Einen Moment lang sahen sie sich einfach nur in die Augen. Ein Augenblick, der vielleicht nur einen Wimpernschlag lang dauerte, für sie aber die Ewigkeit bedeutete. Auch wenn die Ewigkeit manchmal kürzer ist, als man glaubt. „Ja, das ist Glück.“ Sie wusste nicht mehr, ob sie traurig oder fröhlich war, wütend oder erleichtert. Vermutlich hatte die klebrige Schwärze mittlerweile alle Gefühle zu einem homogenen Brei vermischt, bei dem es keinen Unterschied mehr zwischen ihnen gab. Vielleicht waren sie nur noch die Zutaten für einen großen Haufen Wahnsinn. Hatte er das damals ernst gemeint? War er wirklich glücklich gewesen oder hatte er sie belogen, um seiner Identität als Zero mehr Nachdruck zu verleihen? Er, der skrupellose Mörder ihres Vaters? Der Mörder so vieler unschuldiger Menschen. Aber tief drinnen wollte sie es glauben, auch wenn es lächerlich war, sie wollte glauben, dass ihm diese Welt etwas bedeutet hatte, selbst wenn sie nur gelogen war. Just pretend. Sie wollte glauben, dass sie ihm etwas bedeutet hatte… „Shirley? Nein, das kann nicht sein… Shirley!?“ Das ist unmöglich. Doch da war er. Direkt vor ihr. Er lief auf sie zu, die Augen voller ungläubiger Tränen, die wie ein Judaskuss auf seinen Wangen prangten. Lügen. „Shirley…nein…Wie ist das passiert?“ Sie lächelte. „Ein Unfall.“ „Halt durch, hörst du mich? Halt durch!“ Erst jetzt spürte sie die Wärme. Was für eine Ironie, dachte sie noch. Dass einem vorher warm wird, bevor es zu Ende geht… Auf ihrer Brust breitete sich die schwarze Hand weiter aus, doch jetzt begriff sie, dass sie keineswegs schwarz war, nein, sie war rot, rot wie Blut. Nun lag sie also hier mit ihrem Prinzen, das Dornröschen in ihrem Bett aus Blut zum ewigen Schlaf verdammt und bis zuletzt von ihrem Prinzen verschmäht. You're never gonna love me, so what's the use? What's the point in playing a game you're gonna lose? What's the point of saying you love me like a friend? What's the point of saying, it's never gonna end? „Shirley…Ich…“ Seine Tränen fielen auf ihren schneeweißen Körper und mischten sich mit dem dunklen Blut, das ungehindert wie ein kleiner Bach aus ihr herauslief, der langsam zu versiegen drohte. „Sag nichts.“ You're never gonna love me, so what's the use? „Aber ich, ich liebe dich! Stirb nicht, hörst du mich, Shirley? Ich verbiete dir zu sterben, ich LIEBE dich!“ Seine Arme schlossen sich um sie und er umarmte sie auf die gleiche, vorsichtig liebevolle Weise, wie er sie schon im Regen umarmt hatte. Wie etwas, das so wertvoll ist, dass man sich selbst davor fürchtet, es zu berühren. You only ever touch, me in the dark. And only in the evening, would you give yourself to me 'cause the night is your woman, and she'll set you free… „Ich liebe dich auch.“ Ihre Stimme war kaum mehr ein Hauch. „Ich liebe dich auch und ich werde dich immer lieben. Auch wenn ich jetzt sterbe, so werde ich doch wiedergeboren werden und mich wieder in dich verlieben, wieder und wieder, solange, bis alles vorbei ist und wir glücklich sein können...“ „Shirley!“ Doch sie war fort. Es gab keine Worte mehr, um das zu beschreiben, was sie fühlte. Ein kleiner, weißer Vogel, der sich aus dem schwarzen, öligen Schlamm befreit, in dem er gefangen ist und emporsteigt, zu Asche wird und zu Feuer, zu Sand und zu Wasser, zu Licht und zu Dunkelheit, alles in einem Augenblick und dann verschwindet, um nichts als eine flüchtige Erinnerung zurückzulassen. Just Pretend… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)