There’s no one left I love… - Well, there are always exceptions von Fairyannie (A Finnick and Johanna Story) ================================================================================ Kapitel 1: The rare and unexpected friend ----------------------------------------- Hallo zusammen, endlich habe ich angefangen auch eine FF zu The Hunger Games zu verfassen und ich würde mich über zahlreiche Reviews freuen. Ich hoffe, dass euch gefällt, was ihr lesen werdet :) Die Idee entspringt einem Panem RPG, bei dem wir zufällig noch fleißige Mitglieder suchen ;-) http://happy-hunger-games.forumieren.com/ Johanna Mason habe ich mir ausgeliehen zum Zweck dieser FF. Ich bitte, dies zu verzeihen ;-) ________________________ Kapitel 1: The rare and unexpected friend „Finnick. Finnick Odair.“ „Interessiert mich nicht. Interessiert mich wirklich nicht.“ Finnicks Mundwinkel zuckten, als das Mädchen mit der schwarzen, stacheligen Frisur ihn wenig charmant abwies. „Tatsächlich? Herzlichen Glückwunsch, du bist die erste Frau, die mir das sagt“, sagte er zu Johanna Mason, die ihren Blick fest auf ihren Monitor geheftet hatte und keinerlei Anstalten machte, überhaupt zu ihm hinüber zu schauen. Das war äußerst schade, denn Finnick hatte sich auf die Begegnung mit ihr bereits gefreut. Johanna Mason hatte eine extrem gute Show abgeliefert in den letzten Hungerspielen und schien ein schlaues Mädchen zu sein. Und sie machte keinen Hehl daraus, wenn ihr etwas missfiel. Und das wiederrum gefiel Finnick. Er traf nämlich nicht besonders viele Leute, die so waren. Geradeheraus. Er verkehrte beinahe nur noch mit aufgesetzten, falschen Kapitolern. Deswegen war Johanna geradezu ein Lichtblick. Und nachdem Finnick genauso von der Tatsache überrasch wurden war, wie alle anderen auch, dass Johanna alles andere als ein schwaches, hilfloses Ding war, war er daran interessiert gewesen sie kennenzulernen. Johanna stammte nicht aus einem Karrieredistrikt und war deswegen hoffentlich nicht sonderlich affektiert, sondern natürlich. Anders als seine Altersgenossen Gloss und Cashmere, das schöne Geschwisterpaar, das er so gar nicht leiden konnte, was auf Gegenseitigkeit beruhte. Außerdem war Johanna die einzige weibliche Siegerin aus Distrikt Sieben und damit war sie auf jeden Fall gezwungen immer wieder ins Kapitol zurück zukehren. Genau wie er, auch wenn er nicht immer als Mentor einsprang, sondern nur zu oft auch anderen Verpflichtungen nachkam. In seinem Empfinden stand da einer Freundschaft gar nichts im Wege. Außer vielleicht ihre ruppige Art. „Vielleicht weil du sonst nichts mit Frauen mit Verstand zu tun hast“, schoss Johanna zurück und wandte den Kopf zu ihm um, um ihm gespielt lieblich zuzublinzeln und ließ ihre Stimme eklig hoch erklingen: „Sondern mit hormongesteuerten…“ „Sie macht Spaß!“, rief Finnick dazwischen, als sie bereits böse angeschaut wurden und er bemerkte, dass er wirklich Recht hatte. Johanna Mason war schreckend ehrlich. „Nicht wahr, Johanna?“, erkundigte er sich scharf, weil er wirklich keine Lust auf Ärger hatte, auch wenn in dem Kontrollraum nur weitere Sieger waren. Aber beinahe alles, was gesprochen wurde, erfuhr auch der Präsident und Johanna sollte sich nicht an ihrem ersten Mentorentag in Schwierigkeiten bringen. „Nein“, gab sie unverblümt zu und funkelte ihn böse an. Finnick seufzte. Dieses Mädchen musste also noch einiges lernen, wenn sie hier zu Recht kommen wollte oder viel mehr musste. Und anscheinend hatte ihr entweder noch niemand hilfreiche Ratschläge gegeben, oder sie legte keinen Wert auf solche Ratschläge. „Zu deiner eigenen Sicherheit, würde ich aufpassen, was ich sage“, informierte er sie leise. „Wollte ich dir auch gerade sagen“, entgegnete Johanna sofort und Finnick ließ sich leise lachend in den Stuhl neben ihr fallen. Johanna warf ihm einen wütenden Blick zu. „Was wird das?“, fauchte sie und sah dann wieder auf den Bildschirm. Ihrer zeigte gerade den weiblichen Tribut aus ihrem Distrikt. Dem Mädchen war es gelungen nicht in das Blutbad verwickelt zu werden und war jetzt auf der Flucht durch steiniges Gebiet. Der Junge hatte weniger Glück gehabt. „Ich leiste dir Gesellschaft“, entgegnete Finnick, als wäre das das Normlaste der Welt. Demonstrativ verschränkte er die Arme hinter dem Kopf und legte die Füße auf Johannas Tisch. „Kann man etwas dagegen tun?“, erkundigte sich die frisch gebackene Siegerin sichtlich genervt und lauter. „Wenn du ein Mittel dagegen gefunden hast, sag mir Bescheid“, antwortete Cashmere vom anderen Ende des Raumes. Und Finnick verdrehte lachend die Augen. Schön, wenn Johanna Freunde finden wollte, aber Cashmere war sicher nicht die beste Wahl. „Cashmere, du musst nicht eifersüchtig werden, weil ich meine Zeit lieber mit Johanna verbringen will“, rief er zurück und erhielt eine wüste Geste von der Blondine dafür. „Womit habe ich das nur verdient?“ Finnick wandte sich wieder Johanna zu, die sich wieder dem Bildschirm zu wandte und sichtlich angespannt war. Finnick hatte sofort Mitleid mit ihr. Es war schlimm genug in die Spiele zu müssen und wenn man sie überlebte, war es noch lange nicht vorbei. Die Erinnerungen verfolgten einen hartnäckig und ließen keine Ruhe. Dass man jedes Jahr weitere Spiele mit ansah, machte es nicht besser. Aber der Mentoren Job war das wirklich Schreckliche. Bisher hatte Finnick nur einmal wirklich als Mentor aushelfen müssen. Und das war direkt nach seinem Sieg gewesen. Es war schrecklich, fast noch schrecklicher als selber in der Arena zu sein. Zum Zuschauen verdammt zu sein und nichts ausrichten zu können war ein hartes Los. Was nützen einem da ein paar silberne Fallschirme, wenn der eigene Tribut gerade abgestochen wurde? Johanna hatte zwar einen seltsamen älteren Mann an ihrer Seite, der nur selten während der Hungerspiele im Kapitol war und sich auch scheinbar mehr für das gute Essen interessierte, als für die Tribute, und auf den Namen Selmo, hörte, aber Selmo war keine besonders große Hilfe. Ein Grund mehr für Finnick zu ihr hinüber zu gehen. Nur schätze Johanna seine Freundlichkeit nicht wirklich, sondern rammte ihm stattdessen schmerzhaft den Ellenbogen in den Magen. „Ich will deine Gesellschaft nicht, kapiert?“, fauchte sie, während Finnick nach Luft schnappte und die Füße von ihrem Tisch nahm. „Warum?“, fragte er beleidigt und rieb sich die schmerzende Stelle. „Weil du ein eingebildeter Weiberheld bist. Und ich nicht an dir interessiert bin“, erklärte Johanna ungerührt und Finnick zuckte innerlich zusammen. Augenscheinlich mochte sie Recht haben. Aber Johanna schien noch nicht zu wissen, dass es einige Sieger gab, die von Snow benutzt wurden, um besonders reiche und einflussreiche Kapitolbewohner zu bespaßen. Und seit seinem vorletzten Geburtstag hatte Finnick die große Ehre an der Spitze der Beliebtheitsskale zu stehen. Kaum war er Sechzehn geworden, hatten sie ihm quasi die Tür eingerannt und er hatte mit nunmehr siebzehn Jahren alles Erdenklich schon gesehen und erlebt, worauf er alles andere als stolz war. Bloß konnte er das kaum jemandem sagen. Aber eigentlich hatte er auch keinem mehr, dem er sich anvertrauen wollte. Er war wie isoliert von seinem alten Umfeld, von seinen einstigen Freunden in Distrikt Vier. Seine neue Welt passte ihnen nicht. Es bleiben im Grunde nur noch die anderen Sieger. Aber er wollte nicht derjenige sein, der Johanna desillusionierte. Schon gar nicht, wo sie ihn so offensichtlich nicht mochte. Aus einigen Stellen des Raumes konnte Finnick scharfes Lufteinziehen hören und Haymitch, der bereits beide Tribute verloren hatte und sich lieber seinem Alkohol zugewandt hatte, wies Johanna zu Recht. „Ich wäre vorsichtig mit schnellen Schlussfolgerungen.“ Doch Finnick winkte ab. „Ist okay, ehrlich gesagt, bin ich sogar extrem erleichtert. Ich bin nämlich auch nicht an ihr interessiert“, rief er Haymitch zu und brachte den anderen Mentor zum Schmunzeln. „Arschloch“, kommentierte Johanna und Finnick war sich nicht sicher, ob sie ihn meinte oder Haymitch. Sie gingen beide dazu über stumm die Übertragung zu verfolgen, biss Johanna ihn wieder fragend ansah. „Musst du nicht da drüben sein? Die alte Frau sieht nicht aus, als würde sie das gut alleine schaffen“, gab sie zu bedenken und Finnick folgte ihrem Fingerzeig auf Mags. „Oh doch, das tut sie. Hier sitzt der Beweis. Und sie ist noch genauso fit wie vor drei Jahren“, beruhigte Finnick sie sofort. Dass Mags durch und durch fähig war hatte sie bewiesen. Und er würde nichts auf sie kommen lassen. Immerhin verdankte er seine ehemalige Mentorin zu viel. Kurze Zeit lang beobachtete er Mags, die eher gelangweilt zu sein schien. Für Mentoren der Karrieretribute war es immer das Gleiche. Die Kinder schlossen sich zu einer Allianz zusammen und schlachteten die ab, die ihnen im Füllhorn in die Quere kamen, bevor sie sich selber daraus bedienten. „Also wirst du mich nicht so schnell los“, verkündete er gut gelaunt. Seine Tribute waren sowieso im Karrieroteam und gerade noch dabei sich Waffen und Vorräte zu beschaffen. Da musste er nun wirklich nicht zuschauen. „Was für wundervolle Aussichten…“ „Komm schon, in deinem ersten Mentoren Jahr, kannst du ein bisschen Gesellschaft gebrauchen“, sagte Finnick und nickte vielsagend zu Selmo hinüber, der sich über einen gefüllten Braten hermachte und vielleicht noch nicht mal bemerkt hatte, dass sein Bildschirm schwarz war, weil sein Tribut gefallen war. Johanna folgte seinem Blick und verzog den Mund, bevor sie sich wieder ihm zuwandte. „Wenigstens lässt er mich in Ruhe. Das will ich nämlich. Meine Ruhe“, ließ sie Finnick wissen. Ungerührt dessen rutschte Finnick mit seinem Stuhl näher an sie heran und zog die Füße auf den Stuhl, um sich im Schneidersitz hinzusetzen. „Ja, das hab ich mir gedacht. In deinen Spielen wolltest du auch deine Ruhe“, erinnerte er sich. Johanna war alleine losgelaufen und hatte sich in irgendwelchen Büschen und Felsspalten verkrochen. Das war so lange gegangen, bis in ihrer Nähe ein Tribut getötet wurde, der eine Axt besessen hatte. Sein Bezwinger hatte offenbar nicht eingesehen seine mit Spitzen besetzte Keule dagegen einzutauschen und hatte die Axt in den erstarrten Händen des toten Tributs gelassen. Wie auf Stichwort war Johanna vorgeschnellt und hatte die Axt ergriffen, bevor der Hovercraft sie zusammen mit den toten Jungen aus der Arena heben konnte. Das war der Anfang von Ende gewesen und Johanna Mason hatte endlich eine Waffe ergattert. Sogar eine, mit der sie mehr als vertraut gewesen war. Finnick hatte sofort erkannt, dass Johanna vermutlich schon als kleines Mädchen den Umgang mit Äxten erlernt hatte, genauso, wie es sich bei ihm mit seinem Dreizack ergangen war. Vorbei war es mit dem schwachen, ängstlichen Mädchen und Johanna hatte ihre wahre Natur gezeigt, was so beeindruckend wie schockierend war. „Es war ein ziemlich guter Trick. Wie sind alle auf dein harmloses Mädchengehabe reingefallen“, gab Finnick zu und seine Gedanken folgen zu den Tribut aus seinem Distrikt, der Johanna ausgelacht hatte, wann immer sich Gelegenheit dazu gegeben hatte. Das Lachen war ihm allerdings vergangen, als Johannas Axt in seinem Brustkorb steckte. „Ich hatte damit gerechnet, dass aus Junge als Sieger hervor geht“, erinnerte sich Finnick ein bisschen bekümmert. Aber leider war Hochmut eine weit verbreitete Krankheit unter den Karrieros und er konnte nicht sagen, dass er nicht zu gewissen Zeiten selber darunter gelitten hatte. Johannas Mundwinkel verzogen sich zu einem bösartigen Lächeln. „Tut mir leid, dass ich das verhindert habe.“ Finnick musterte sie. „Tut es nicht. Niemanden von und tut es wirklich leid, oder? Sonst hätten wir es ja gar nicht erst getan“, entgegnete Finnick leise. Obwohl er immer noch Alpträume von den Kindern hatte, die er mit seinem Dreizack aufgespießt hatte, konnte er nicht mit Gewissheit sagen, ob er nicht immer wieder so handeln würde. Der eigene Überlebenswille war ziemlich stark und er würde Johanna deswegen nicht böse sein. Spöttisch zog sie die Augenbrauen hoch. „Philosophieren wir jetzt über die Hungerspiele?“, wollte sie sichtlich genervt wissen und Finnick zuckte mit den Schultern. „Schlag ein anderes Thema vor“, bot er ihr an. „Wie wäre es, wenn du dich einfach verpisst?“ „Nein, dann philosophieren wir doch lieber weiter.“ Finnick konnte genau erkennen, dass bei Johanna langsam aber sicher der Geduldsfaden riss und trotzdem war es fast ein innerer Drang einfach weiter zu machen. Es amüsierte ihn. „Du hast echt einen Schaden. Stehst du auf so was?“, erkundigte sich Johanna. „Denkst du das denn?“, entgegnete Finnick grinsend und zog die Augenbrauen hoch. „Ich denke, du stehst auf so ziemlich alles“, ließ Johanna ihn wissen. „Und warum denkst du das? Weil ich es dir verraten habe, oder weil du eine begeistert Fernsehzuschauerin von Beiträge über mich bist?“, wollte Finnick wissen und ließ unerwähnt, dass er ganz sicher nicht auf alles Mögliche stand. Im Grunde war er da völlig normal, hoffte er zumindest. Denn es war ja nicht so, als hätte er besonders viel Erfahrung mit normalen Frauen unter normalen Umständen. Johanna wollte gerade zu einer Antwort ansetzten, als ein panische Mädchen aus einem niedrigen Distrikt gerade zu in das Mädchen aus Distrikt Sieben hineinlief. Jetzt galt Johannas ganze Aufmerksamkeit wieder dem Bildschirm und Finnick konnte ernsthafte Besorgnis auf ihrem Gesicht erkennen. Tatsächlich reagierten beide Mädchen äußerst panisch und stürzen sich sofort auf einander. „Hey, seht euch das an, die Catchen! Es wird interessant“, ertönte Brutus‘ Stimme, während Johanna sich weiter vorbeugte und sie ihre Unterlippe zerbiss. „Sie hat auf jeden Fall keine Waffe“, sagte Finnick zu ihrer Beruhigung und sah aus den Augenwinkeln, wie Feril aus Distrikt Zehn ebenfalls gebannt auf den Bildschirm starrte. Bloß hatte auch Johannas Mädchen keine Waffe. Es war schwer zu sagen, ob überhaupt eine von beiden Oberhand gewinnen würde. Doch nach schier endlosen Fünf Minuten des Herumrollens, Fluchtversuchen und Würgegriffen, schaffte es das Mädchen aus Distrikt Zehn einen Stein in die Hand zu bekommen und Finnick wollte die frischgebackenen Mentorin noch warnen nicht hinzusehen, als auch schon das eklige Geräusch ertönte. Der Stein krachte mehrfach unkontrolliert auf den Schädel des anderen Mädchens nieder und selbst Finnick wandte irgendwann den Blick ab, weil der Tribut von Feril völlig unkontrollierbar wurde. Sein Blick fiel stattdessen auf Johanna, die die Lippen aufeinander presste und deren Gesichtsfarbe immer blasser wurde. Laut und deutlich ertönte ein Kanonenschuss, doch das Mädchen schlug weiter auf Johannas Tribut ein. Es war fast eine Wohltat, dass der Bildschirm schwarz wurde. „Johanna…“, setzte Finnick leise an, als sie ein ersticktes Wimmern von sich gab und aufsprang. Der ganze Raum schien die Augen auf sie zuheften, während sie fluchtartig den Raum verließ. Und Brutus ein verächtliches „Oooh“, hören ließ. Finnick ließ noch kurz den Blick schweifen und erkannte, dass auf Ferils Bildschirm immer noch das gleiche schreckliche Bild zusehen war. Dann beschloss er Johanna zu folgen. Als in seinem ersten Mentoren Jahr sein Tribut von dem Jungen aus Distrikt Zwei mit einem Speer erstochen wurde, hatte er sich ebenfalls zurückgezogen, bis Mags ihn schließlich in seinem Schrank gefunden hatte und ihn trösten musste. Die Suche wollte sich Finnick gerne ersparen und lieber sofort wissen, wo Johanna hinging, damit er sie trösten konnte. Er holte sie vor dem Aufzug ein, wo sie pausenlos auf den Knopf einschlug und Finnick ihre Hand schließlich aufhielt, weil es ziemlich schmerzhaft aussah. „Hau ab!“, fauchte sie und er beschloss, dass das keine Erwiderung wert war. Als würde er sang und klanglos wieder verschwinden! Der Aufzug öffnete sich endlich und Johanna stieg ein. Er folgte ihr auf den Versen, was zu einem frustrierten Schnauben bei ihr führte. „Vierter Stock, dann?“, fragte sie und Finnick konnte deutlich sehen, dass ihre Augen schimmerten. Ihre Stimme klang gepresst und ihm dämmerte, dass sie nicht vor ihm in Tränen ausbrechen würde. „Wenn du da aussteigen willst“, entgegnete er und jetzt fluchte Johanna lauthals, sodass er es übernahm auf die Sieben zu drücken. „Ich will dich aber gar nicht bei mir haben! Ich will verdammt noch mal alleine sein!“ „Ja, ich weiß. Aber das macht es nicht einfacher. Alleine zu sein macht es nur schwerer“, erwiderte Finnick und wich überrascht zurück, als eine wütenden Johanna zu ihm herum wirbelte. „Verpiss dich, Odair!“, warnte sie ihn, als der Fahrstuhl sich öffnete und sie auf ihre Etage hinaus stürzte, wo er ihr wieder nachsetzte. Johanna schien nun endgültig der Geduldsfaden zu reißen und gleichzeitig quollen auch ihre Tränen über. Sie schnappte sich eine große, ziemlich hässliche Vase und Finnick sprang eilig zur Seite, als das Ding in vielen grünen Scherben neben ihm an der Wand zerschmettert. „Wow… das war sicher teuer“, bemerkte er und fing Johannas Faust ab, die auf sein Gesicht zielt. Wütend und tränenüberströmt funkelte sie zu ihm auf. „Oh.. Johanna.. das würde ich nicht tun. Nicht ins Gesicht“, belehrte er sie. Denn das kam sicher nicht besonders gut an bei seinem nächsten Arrangement. „Schön!“, kam es keuchend von einer weinend Johanna und Finnick krümmte sich fluchend, als ihr Fuß zurück schnellte, nachdem er äußert wirkungsvoll getroffen hatte. „Das war nicht dein Gesicht“, ließ sie ihn wissen, während er nach Luft schnappte und sie losließ. Als er wieder aufsah, stand sie vor ihm, als lauerte sie auf einen Gegenangriff. Doch als er keine Anstalten machte, kam sie selber wieder ein Stück näher, um auf seine Brust zu schlagen. Nicht besonders schmerzhaft, aber stark genug, dass er es deutlich merkte. „Warum verschwindest du nicht einfach?“, rief Johanna frustriert aus und ließ ihre Hände noch ein paar weitere Male auf seine Brust nieder sausen, bis sich schließlich den Kopf dagegen sinken ließ und zu schluchzen begann. „Weil du einen Freund gebrauchen könntest“, entgegnete Finnick und legte die Arme um Johanna, die schluchzte und nicht den Eindruck machte, bald damit aufzuhören. Sie standen eine ganze Weile einfach nur da und Johanna hob irgendwann den Kopf. Sie hatte schrecklich rote Augen und verzog das Gesicht. „Wenn du irgendjemanden, davon erzählst, Odair, bist du tot“, ließ sie ihn mit verschnupfter Stimme wissen und Finnick grinste. „Willkommen zurück.“ Und Johanna erwiderte sein Grinsen zögernd. „Warum?“, verlangte sie zu wissen und schob Finnick bestimmt von sich weg, um sich über die Augen zu fahren und die letzten Tränen wegzuwischen. Er zuckte mit den Schultern. „Weil ich ein gutes Gefühl bei dir habe.“ „Wirklich? Da bist du der Einzige“, gab sie wieder bissig zurück und Finnick musste schmunzeln, weil Johanna es ihm wirklich nicht einfach machte. „Weil du dir auch echte Mühe gibst, alle anderen zu vergraulen. Und ich mich auch ganz nebenbei frage, warum du das tust“, entgegnete Finnick. Johanna senkte den Blick. „Aus gutem Grund“, gab sie zu und er bemerkte, wie erneut Tränen überzulaufen drohten. „Das denke ich mir. Jeder hier hat einen gute Grund so zu sein, wie er ist.“ Jedenfalls galt das für alle Sieger. Die drei Jahre, die Finnick jetzt schon dabei war, hatten ihm deutlich gemacht, dass die meisten Sieger eine Maskerade spielten, um sich oder andere zu schützen. Es war nicht überraschend, dass es bei Johanna auch der Fall war. „Aber bei mir kannst du dir das gerne sparen. Ich bin erstens besonders hartnäckig und zweitens musst du dir um mich keine Sorgen machen. Ich bin Finnick Odair und damit unantastbar“, beruhigte Finnick die Siegerin mit einem Zwinkern. Johanna schnaubte daraufhin. „ich mach mir keine Sorgen um dich, du Snob“, korrigierte sie ihn sofort, konnte aber ein leichtes Grinsen nicht verstecken. „Aber gut zu wissen, Finnick Odair. Vielleicht könnte ich wirklich einen Freund gebrauchen“, gab sie zu und vermied es Finnick dabei anzusehen. „Gut, ich nämlich auch.“ ______ Das war es auch erst mal. Vielen Dank für's Lesen und wenn es euch gefallen habt und ihr noch mehr von den beiden lesen wollt, hinterlasst mir doch bitte ein Review :) Vielen Dank schon mal dafür ;-) Und wenn ihr Lust habt, schaut doch gerne in unserem Forum vorbei, wir würden uns freuen: http://happy-hunger-games.forumieren.com/ Eure Tinkerbell Kapitel 2: Daddy’s little girl and her birthday gift ---------------------------------------------------- Ich wollte ja eigentlich warten, bis ich Reviews habe... Aber dann habe ich doch irgendwie weiter geschrieben. Deswegen hier auch direkt das 2. Kapitel. Wie schon erwähnt, suchen wir noch Spieler für unser RPG http://happy-hunger-games.forumieren.com/ Und jetzt geht es endlich weiter: __________ 2. Kapitel: Daddy’s little girl and her birthday gift „Du siehst scheiße aus, Odair.“ Finnick drehte sich um, obwohl er schon jetzt erkannte, zu wem die provozierende Stimme gehörte. Und tatsachlich stand vor ihm eine breitgrinsende Johanna Mason auf dem Bürgersteig, die ihn unverhohlen musterte und dabei nicht verbarg, wie wenig sie sein Outfit mochte. „Wie kannst du das sagen? Du hast mich bisher nur von hinten gesehen“, beschwerte er sich lachend und Johanna musterte ihn weiter ungeniert von oben bis unten. „Stimmt. Ich revidiere meine Aussage. Du siehst absolut scheiße aus“, verbesserte sie sich und Finnick verzog das Gesicht und versuchte gleichzeitig die blaue Fliege zu lockern, die ein glitzerndes blaues Monstrum war, das ihn erwürgen wollte. „Ich hatte gehofft, dass meine bezaubernde Ausstrahlung dieses Outfit überspielen würde.“ Aber das war anscheinend nur Wunschdenken gewesen. Und je länger er an seiner Fliege herum zupfte, desto mehr hatte er das Gefühl, dass sie ihn erdrosselte. „Das Ding erwürgt mich“, beschwerte er sich und Johanna schnaubte belustigt. „Schön wär’s. Dann hätte ich meine Ruhe“, entgegnete sie ungerührt, stellte sich dann allerdings trotzdem auf die Zehenspitzen, um das Band zu lockern. „Du bist doch hergekommen!“, beschwerte sich Finnick lachend. „Ja, aber nur um dich zu beleidigen“, verriet Johanna. Ihre Laune schien äußert gut zu sein, obwohl sie beide auf einer Party eingeladen waren, die Johanna am Morgen noch „Scheiß Kapitol-Affen-Party“ genannt hatte. Das konnte aber vielleicht an ihrem Kleid liegen. „Du siehst auch richtig scheiße aus“, log Finnick und zupfte an dem grünen Stoff. Johanna war in hellgrünem Tüll gekleidet und zeigte ziemlich viel Ausschnitt. Ihre Haare sahen niedlich aus, solange die Haarreifen sie bändigten und Finnick musste zugeben, dass ihr Stylist gute Arbeit geleistet hatte. Anders als bei ihm zumindest. Er kam sich ein bisschen vor, wie eine blaue Discokugel. „Ich bin einfach nur froh, wenn ich dieses Jackett ausziehen kann“, stöhnte Finnick. Denn das glitzerte eben so blau wie seine Fliege. Darunter trug er wenigstens ein schlichtes Hellblaues Hemd. Das war okay, damit konnte man sich auf die Straße trauen. „Oh, warum nur?“, spottete Johann und hakte sich munter bei ihm ein, damit sie zusammen in die Bar gehen konnten, vor der sie ihn gerade abgefangen hatte. „Würdest du mich nicht beleidigen, würde ich ernsthaft denken, du wärst ausgetauscht wurden. Woher die gute Laune?“, wollte Finnick wissen, während Johanna ihn beinahe in die Bar schleifte, wo die Party stattfinden sollte. Es waren nicht gerade viele Gäste anwesend, die Finnick persönlich kannte. Cashmere und Gloss, die den errungenen Sieg feierten, während der neuste männliche Sieger immer noch in ärztlicher Behandlung zu sein schien. Ansonsten konnte Finnick keinen Sieger ausmachen. Aber das wunderte ihn weniger. Immerhin wurden oft die älteren Sieger nicht eingeladen. Und das hier war eine kleine Party. Die Musik war laut und das gesamte Publikum sehr jung. Jemand wie Mags oder sogar Cecilia würde hier sofort unangenehm auffallen. Auch Johanna sah sich um und ihr Gesicht verzog sich nur kurz, bevor sie gleichgültig mit den Schultern zuckte. „Darf ich mich nicht ausnahmsweise freuen, dass die Hungerspiele vorbei sind und ich morgen nach Hause kann?“, entgegnete Johanna. „Ich sehe das hier quasi als Abschiedsparty“, erklärte sie ihm und Finnick fand, dass das gar kein übler Gedanke war. Jedenfalls würde er versuchen sich ebenfalls daran zu halten. Zu Hause war es auf jeden Fall besser als im Kapitol. „Was trinken wir als Erstes?“, erkundigte sich Johanna bei ihm und Finnick hasste es, ihr absagen zu müssen, weil sie schließlich ebenfalls niemanden hier kannte und eine enorme Abneigung gegenüber den Kapitolern hegte. Sie würde sich ganz schön verlassen vorkommen. Aber er war nicht ohne Verpflichtung hergekommen und die konnte er nun mal nicht ignorieren. „Hör mal, ich kann nicht den ganzen Abend mit dir verbringen, Johanna“, gestand er ihr und sofort ließ Johanna ihn los. Kurz bemerkte er wie so etwas wie Panik in ihren Augen aufblitzte, bevor es von Wut verdrängt wurde. „Und warum nicht?“, fragte sie sichtlich wütend und war damit durch und durch mädchenhaft. Keine Frau wurde gerne versetzt und Johanna Mason bildete keine Ausnahme „Weil…“, setzte Finnick zu einer Erklärung an, als sich auch schon jemand zwischen sie drängte. „Finnick!“ Deswegen! Eine junge Frau, fast noch ein Mädchen, fiel ihm lachend in die Arme. Sie wirkte schon ziemlich betrunken und ihrer Schuhe waren sich nicht für so einen Zustand gemacht. Ihre langen blonden Locken hatte sie zu seltsamen Schnecken gedreht und goldene Tattoos rankten sich über ihre Haut. „Deswegen?“, fragte Johanna ungläubig nach und musterte das Mädchen voller Abscheu. „Ähm… Sina?“, erkundigte er sich bei dem Mädchen und sie nickte eifrig. „Mein Daddy hat das heute extra…“ Aber Finnick unterbrach sie und wandte sich an Johanna, die wirkte also wolle sie an Sinas Haarschnecken ziehen und ihr damit ordentlich Schmerzen zufügen. „Dann ja. Tut mir Leid, Johanna“, sagte er zu der Siegerin, die ihn wütend anfunkelte. „… weil heute meine Geburtstag ist“, redete Sina einfach weiter und Finnick bedachte Johanna mit einem entschuldigenden Lächeln. Johanna starrte ihn immer noch ungläubig an und schien sprachlos zu sein. Etwas, was Finnick nicht so schnell zu erleben gedacht hatte. „Wow… du bist, Johanna Mason!“, kreischte das Mädchen plötzlich los und Finnick zuckte zusammen, weil sie sich immer noch an ihn klammerte und ihr offenbar nicht in den Sinn gekommen war, dass sein Trommelfell es nicht gutheißen würde, wenn sie so nahe an seinem Ohr zu kreischen begann. „Ja, genau. Und du bist Finnicks nächster Onenightstand“, entgegnete Johanna giftig, während Finnick ihr warnenden Blicke zu warf. Sie konnte unmöglich ahnen, dass sie sich gerade auf dünnes Eis begab. „Ja!“, freute sich Sina sichtlich und beide, Johanna und Finnick, starrten sie kurz ungläubig an, bevor Johanna in Gelächter ausbrach. Und Finnick am liebsten losgeweint hätte. Das war nicht nur unglaublich peinlich, sondern auch extrem dumm von diesem Kapitol Mädchen. Langsam begann sich Finnick nach dem Verstand seiner Kundinnen zu fragen. „Dann viel Spaß, Odair“, lachte Johanna und verschwand kopfschüttelnd in der Menge, während Sina und er ihr nur nachschauen konnten. Finnick bekämpfte den Drang sich von dem Mädchen, das eine wahre Klette zu sein schien, loszumachen und Johanna zu folgen und sich einfach mit ihr zusammen zu betrinken. Denn das würde am Ende nur mehr Probleme einbringen, als gut für ihn war. „Also, was willst du trinken?“, erkundigte sich Finnick, als Johanna nicht mehr zu sehen war. Vielleicht konnte er sich ja trotzdem betrinken. Oder zumindest ein wenig an heitern. Besser wäre es zumindest. „Alles was du willst“, kam die sofortige Antwort des strahlenden Kapitol Mädchens und Finnick seufzte innerlich. Das würde ein anstrengender Abend werden. Trotzdem nahm er sie an der Hand und suchte sich einen der freien Tische aus, bevor tatsächlich jemand zu ihnen hinüber kam, und ihre Bestellung aufnahm. „Zwei Champagner bitte“, bestellte Finnick und hob überrascht die Augenbrauen, als Johanna plötzlich vor ihnen stand. „Die Bar ist scheiße. Mir ist langweilig“, ließ sie ihn wissen und rutschte auf die gepolsterte Bank ihnen gegenüber. „Stimmt nicht, die Bar gehört meinem Daddy!“, protestierte Sina sofort und Finnick nickte. „Genau, die Bar gehört ihrem Vater. Johanna, sei freundlich!“, ermahnte er sie und sah sie flehend über den Tisch hinweg an, als Johanna so tat als würde sie sich den Finger in den Hals stecken, weil Sina sich an ihn schmiegte. „Was trinkst du überhaupt?“, wollte Finnick wissen und nahm ihr das schwere Glas aus der Hand. Ein kleiner Schluck bestätigte, dass es sich um etwas Hochprozentiges handelte. „Gott, dass haut dich um, ich sag es dir“, prophezeite er ihr, kurz bevor seine Bestellung eintraf und er mit Sina anstoßen konnte. „Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag“, wandte sich Finnick an das Mädchen, das ihr Glas gutgelaunt in der Hand balancierte und er ein bisschen Angst hatte, dass sie dessen Inhalt versehentlich über seiner Hose verschütten würde. Er versuchte Johanna so gut es ging zu ignorieren, während sie sich zurück lehnte und ihn verächtlich musterte. Es war extrem unangenehm, dass sie ihn beobachtete. Dieses ganze Schauspiel musste einen vollkommen falschen Eindruck vermitteln und das wo sie gerade so gut miteinander auskamen und er endlich jemand normalen getroffen hatte. Wohlmöglich würde Johanna aber nicht länger an einer Freundschaft interessiert sein, wenn sie heute Abend miterlebte, dass er eben doch ein Weiberheld war. Gezwungener Maßen zwar, aber das konnte sie ja nicht wissen. „Ja, herzlichen Glückwunsch. Entschuldige, dass ich kein Geschenk habe. Sonja“, sagte Johanna sarkastisch und schwenkte ihr Glas, sodass sich Finnick fragte, ob es überhaupt ihr erstes war. „Sina“, flötete die Angesprochenen zurück und Finnick unterdrückte den Drang sich die Hand vor die Stirn zu schlagen. Dieses Mädchen war dermaßen naiv oder sturzbetrunken, aber vermutlich sogar beides, dass es beinahe körperlich wehtat. „Ist nicht schlimm“, fügte Sina außerdem hinzu und schenkte Johanna ein strahlendes Lächeln. „Hast du eins?“, erkundigte sie sich dafür mit großen Augen bei Finnick. Und er hatte natürlich auch keins. Er hatte ja nicht mal gewusst, dass das Mädchen Geburtstag hatte. Aber demnach war er ziemlich sicher, dass er selber das Geschenk war. „Natürlich. Ich würde dir nur raten, es später auszupacken“, entgegnete er mit einem verschwörerischen Zwinkern, während Johanna auf der anderen Tischseite eine Grimasse schnitt und Sina ihn verständnislos ansah. Sie blinzelte, wie ein scheues, unwissendes Tier und Finnick verging langsam wirklich die Lust an allem. Was nützte es, anzügliche Anspielungen zu machen, wenn dieses Mädchen sie nicht einmal verstand. „Warum?“ Jetzt prustete Johanna in ihren Drink und Finnick schoss ihr einen warnenden Blick zu. Doch den ignorierte sie gekonnt. „Ja, warum Finnick?“, äffte sie Sina ziemlich gut nach und Finnick versuchte sich ein Grinsen zu verkneifen. „Ich würde sagen, weil Finnick hier keinen Striptease hinlegen will“, erklärte Johanna und verdrehte die Augen, während sich Sinas Miene erhellte. „Wie alt bist du geworden?“, wechselte Finnick schnell das Thema, bevor Johanna noch weitere Gemeinheiten oder sarkastische Bemerkungen ablassen konnte. „Sechszehn!“ Also ein Jahr jünger als er selber und so alt wie Johanna. Das versteckte Sina wirklich gut. Auf ihn wirkte sie eher wie Zwölf. Aber das war keine Seltenheit. Kapitolbewohner waren naiv und einfach gestrickt. Anders als in den Distrikten waren sie an ein leichtes Leben gewöhnt und wurden nicht schneller erwachsen, weil es die Umstände erforderten. „Und warum feierst du mit Finnick und nicht mit deinen Freunden?“, erkundigte sich Johanna ein wenig interessierter. Denn auch ihr musste aufgefallen sein, dass sie sich nicht kannten. Und das musste mehr als seltsam wirken. „Oh, meine Freunde sind auch hier. Sie starren schon die ganze Zeit rüber“, antwortete Sina unbesonnen und winkte einer Gruppe Jugendlichen zu. „Sie sind alle ganz aufgeregt, weil noch niemand von uns Finnick Odair wirklich getroffen hat. Und dann bist du auch noch dabei. Seid ihr Freunde?“, erkundigte sich das Mädchen bei Johanna. „Ja“, antwortete Finnick an Johannas Stelle, die aussah, als würde sie Sina und ihren Freunden am liebsten die Fingernägel durchs Gesicht ziehen. „Ja, Überraschung. Zu deinem Geburtstag bin ich auch hier“, gab Johanna platt zurück und ehe Finnick, der bereits Böses ahnte eingreifen konnte, fragte Sina: „Hat mein Daddy dich auch gebucht?“ Finnick fühlte sich, als ab alles in Zeitlupe um ihn herum ablaufen würde. Johanna starrte Sina perplex an und war wieder sprachlos, während das Mädchen unbekümmert weiterplapperte und keine Ahnung hatte, was sie da gerade anrichtete. „Ich verstehe nur nicht wieso. Du bist ein Mädchen!“, sagte sie und musterte Johanna, als würde sich daran plötzlich etwas ändern „Das war wirklich Geldverschwendung. Aber ich könnte einen meiner Freunde…“ „Das war ein Missverständnis!“, ging Finnick nun doch dazwischen und vermied es Johanna anzusehen. Aber wenn er jetzt nicht eingriff könnte das verheerende Folgen für Johanna haben. „Johanna steht nicht zur Verfügung. Sie ist einfach so hier“, erklärte Finnick und konnte spüren, wie sich Johannas Blick fragend auf ihn heftete. „Dein Vater hat Geld bezahlt, damit Finnick dich heute Abend trifft?“, fragte sie und aus ihrer Stimme sprach pure Verachtung. Für wen genau war Finnick noch nicht klar. Und vielleicht wollte er es auch lieber nicht wissen. „Was denn sonst? Erst wollte er nicht recht, weil er meinte, es wäre zu teuer. Aber weil ich es mir so sehr gewünscht habe…“ „Das ist ja krank!“, ging Johanna dazwischen und Finnick sah von der Tischplatte auf, die er bis gerade intensiv gemustert hatte. Das erschien ihm besser, als das Gesicht hinter seinen Händen zu verstecken. Okay, eindeutig galt die Verachtung von Johanna ihm. „Johanna...“, setzte er an, wurde aber von ihr unterbrochen, weil sie ihm einen angewiderten Blick zu warf. „Das ist... abartig“, ließ sie ihn wissen und stand ruckartig auf. Und vermutlich war das noch das netteste Wort, was sie in der kurzen Zeit hatte finden können. „Ich verschwinde“, informierte sie die beiden und marschierte aus der Bar. Wie betäubt schaute Finnick ihr hinterher und bekämpfte den Drang ihr nach zu laufen. Er wusste, dass er Sina nicht einfach hier sitzen lassen konnte. Aber Johanna mit diesem falschen Bild von ihm herum laufen zu lassen war auch keine angenehme Option. Langsam streckte er die Hand nach Johannas Glas aus, das sie zurück gelassen hatte und nahm einen großen Schluck. „Was hat sie?“, erkundige sich Sina mit großen Augen. „Ich weiß nicht“, sagte Finnick, weil er dem Mädchen unmöglich die Wahrheit sagen konnte. „Ist sie eifersüchtig?“ „Wohl kaum“, entgegnete Finnick. Denn beim besten Willen konnte er sich nicht vorstellen, dass Johanna ihn gut fand. Vor allem jetzt nicht mehr. „Hör mal, Sina. Warum bestellen wir uns nicht noch etwas und verschwinden dann?“, schlug er vor und winkte den Kellner heran. Er hob Johannas nun leeres Glas hoch. „Davon noch eins und eine Flasche Champagner“, orderte er. Denn es war definitiv in Ordnung sich jetzt zu betrinken und dem Abend am besten im Rausch und ohne Erinnerungen daran hinter sich zu bringen. _____________ So, das war dsa zweite Kapitel und wenn ihr möchtet, dass es weiter geht, schreibt mir doch bitte ein Review, damit ich mich ein wenig freue ;-) Oder schaut auf http://happy-hunger-games.forumieren.com/ vorbei ;-) Liebe Grüße, eure Tinkerbell- Kapitel 3: Pillow talk ---------------------- Und noch mal die Werbung für unser Forum, das langsam voller wird, aber noch dringend eine Rebellen und Kapitolbewohner sucht (Wo sind die Sonjas dieser Welt :P) http://happy-hunger-games.forumieren.com/ Aber jetzt geht's weiter mit der FF: _____ 3. Kapitel: Pillow talk „War das gut?“, wollte Sina von ihm wissen, als er wieder neben ihr auf dem weichen Kissen lag. Das gesamte Hotelzimmer wirkte ziemlich teuer und verdammt kitschig auf Finnick. Fast ein bisschen altmodisch, denn die moderne Linie des Kapitols zog sich hier nicht besonders gut durch. „Fantastisch“, versicherte Finnick ihr und war eigentlich ganz vor darüber, dass er wieder auf dem Rücken liegen konnte. Irgendwie hatte es ihm wenig bekommen, auf sich über Sina zu beugen, ganz zu schweigen von dem ganzen Geschaukel. Vielleicht war es doch eine blöde Idee betrunken zu Arrangements zu gehen. Jedenfalls für ihn, wo doch die Arbeit bei ihm lag und jeder Fehler eine Beschwerde mit sich zog, die Finnick sich nicht leisten konnte. Er sah hinüber zu dem Mädchen, das so eben ihr erstes Mal mit ihm erlebt hatte und fragte sich, ob das besonders Romantisch war. Wollte man mit jemanden sein erstes Mal verbringen, dem man Geld dafür bezahlen musste, dass man überhaupt mit ihm schlief? Also Finnick würde das nicht wollen. Aber dafür war es ohnehin schon lange zu spät bei ihm. „Finnick Odair sagt, ich wäre fantastisch“, freute sich das Mädchen und gähnte. „Und ich muss es wissen“, versicherte er ihr mit einem verführerischen Schnurren. Finnick hoffte nur, dass sie nicht erkannte, dass er log. Es war ja nicht wirklich schlecht gewesen. Aber sie hatte einfach nur dagelegen und ihn angestarrte, als könne sie nicht glauben, dass er gerade wirklich mit ihr schlief. Zwischen durch hatte sie immer wieder schmerzhaft das Gesicht verzogen, weil sie wohl Schmerzen hatte, was Finnick sogar ein bisschen leid getan hatte, aber daran konnte er beim besten Willen nichts ändern. Das war schließlich normal und dafür würde er nicht die Schuld auf sich nehmen. Das Herumgeknutsche vorher war viel schlimmer gewesen, als der eigentliche Akt. Denn Sina hatte sich förmlich an seinen Lippen festgesaugt. Sie war eben wirklich sehr anhänglich. Aber es gab ja auch weit aus Schlimmeres, wie Finnick wusste. Jetzt lag sie einfach nur in seinen Armen und wirkte erschöpft. Eine nette Abwechslung. Sie hatte außerdem aufgehört zu reden und begnügte sich damit über seine Brust zu streichen. Damit konnte er leben. „Sehen wir uns wieder?“, fragte sie leise und hoffnungsvoll, während Finnick innerlich das Gesicht verzog. Eine ziemlich blöde Frage für seinen Geschmack. „Sina, du weißt doch bestimmt, dass ich niemanden zwei mal treffen“, seufzte Finnick und Sina sah ihn enttäuscht an. „Aber ich dachte, vielleicht…“ Mit einem Kopfschütteln unterbrach er sie. „Wir könnte ich so egoistisch sein und ein so hübsches Mädchen nur für mich beanspruchen“, entgegnete er und erhielt dafür ein Kichern. Sina ahnte vermutlich nicht mal, dass er unendlich froh darüber war, dass er nicht verpflichtet war seine Arrangements immer weiter zu treffen. Das machte es leichter sie zu verdrängen. Wieder verfielen sie ins Schweigen, während Finnick ihre blonden Haare mit den Fingern durchkämmte und dabei zusah, wie Sina immer schläfriger wurde. Er persönlich fand ja, dass diese offenen Haare viel netter aussahen, als die komischen Schnecken, die sie bisher in den Haaren gehabt hatte und die nicht lange Stand gehalten hatte. „Gehst du gleich?“, erkundigte sich Sina und bekam wieder diesen anhänglichen Ausdruck. „Ich denke schon. Dir fallen sowieso gleich die Augen zu“, bestätigte Finnick ihren Verdacht. „Oder gibt es noch was, was ich für dich tun kann?“, erkundigte er sich. Denn einmal hatte er sich selbst entlassen und das hatte Präsident Snow wirklich gar nicht gefallen. Lieber umging er diese Situation geschickt. Tatsächlich träge schüttelte die Blondine den Kopf. „Nein, alles wunderbar… Aber wirst du mich dann vergessen?“ „Wie könnte ich!“, sagte Finnick sofort und fügte lediglich in Gedanken hinzu ‚mir so viele Frauen jemals merken‘. Dieses Mädchen war so leichtgläubig, dass sie sich über seine Antwort freute und wieder entspannter drein blickte, bevor sie tatsächlich die Augen schloss. Finnick bemühte sich besonders leise zu sein, als er aus dem Fahrstuhl heraus kam und das Licht nicht einschaltete. Mags wurde so schnell davon wach und er wollte seine alte Mentorin nicht wecken. Sie machte sich ohnehin schon Sorgen um ihn und Finnick wusste auch, dass sie sich schuldig fühlte, weil er ihretwegen die Arrangements annahm. Gesagt hatte er es Mags zwar nie, aber sie war nicht dumm und jeder von ihnen wusste, wie Snow vorging. Er unterdrückte ein Fluchen, als er mit dem Knie schmerzhaft gegen einen Stuhl stieß. Wer ließ so was auch einfach im Weg stehen? Beinahe hatte er seine Flasche nämlich fallen lassen. Sina und er hatten den Champagner mitgenommen und da sie jetzt tief und friedlich schlief, würde sie ihn wohl nicht mehr benötigen. Er hingegen konnte einen Schlummertrunk durchaus gebrauchen. Endlich gelangte Finnick zu seinem Zimmer und öffnete die Tür. Die Flasche stellte er auf dem nächstgelegenen Tisch ab, bevor er das Jackett achtlos auf den Boden warf und das Hemd aufknöpfte. „Willst du, dass ich erblinde?“, kam es belustigt aus der dunklen Ecke des Zimmers wo sein Bett stand und Finnick machte einen Satz rückwärts. Er schaffte es einen erstickten Aufschrei zu unterdrücken, stieß dafür aber schmerzhaft gegen den Tisch. Ein Kichern ertönte. „Der große Finnick Odair ist so schreckhaft?“ Auch im Dämmerlicht konnte Finnick jetzt die schlanke Gestalt ausmachen, die da auf seinem Bett saß und ganz lässig zu ihm hinüberschaute. „Johanna!“, rief Finnick aus und kam doch etwas näher. „Was tust du hier? Ein komischer Ort sich zu verlaufen“, fügte er hinzu, während seine Gedanken rasten und versuchten eine Grund in ihrem nächtlichen Besuch zu erkennen. Das letzte Mal dass er Johanna Mason gesehen hatte, war sie mit einem verachtenden Blick angedampft und hatte ihn so eingeschätzt, dass er sich freiwillig dafür bezahlen ließ, dafür dass er mit sämtlichen Bürgern des Kapitols schlief. Sie konnte weder wissen, dass er das Geld was dafür floss, nie zu Gesicht bekam, noch dass er das alles nicht freiwillig tat. „Das könnte daran liegen, dass ich mich nicht verlaufen habe“, entgegnete Johanna und ihre Stimme klang seltsam schleppend. Je näher er kam, desto mehr konnte Finnick auch den eigenwilligen Geruch von Spirituosen ausmachen. „Welch Ehre. Ich dachte, ich wäre bei dir unten durch“, entgegnete Finnick, woraufhin Johanna kicherte. „Nicht dass ich wüsste, Odair. Bei mir sicher noch nicht. Ich gebe mein Geld nicht für so was aus“, ließ sie ihn wissen. „Oh ja.. sehr witzig“, fauchte Finnick und verfluchte sich über seine sau dämliche Wortwahl. „Verschwinde einfach. Ich hab keine Lust mir das von dir anzuhören“, sagte er müde und wollte eigentlich nur duschen und schlafen. Johannas Beleidigungen konnte er jetzt wirklich nicht gebrauchen. Obwohl er wusste, dass sie daneben lag, schmerzte es trotzdem. „Ich habe mit Haymitch geredet“, erklärte Johanna und das erklärte wohl auch den bekannten Geruch. Aber was war daran so besonders, dass sie mitten in der Nacht in seinem dunklen Zimmer auf ihn wartet, um es ihm zu erzählen? „Ich hab ihn unten in der Lobby getroffen. Er saß da mit Chaff und dieser Flasche hier“, fuhr Johanna fort und Finnick konnte hören, wie sie die Flasche hin und her schwenkte. „Sie haben mich zu sich eingeladen, weil sie fanden, ich hätte einen Drink nötig, so wie ich dreinschaue. Also hab ich ihnen erzählt, was mich angepisst hat.“ Und das war dann wohl er gewesen. Oder vielmehr das Bild, was sich Johanna von ihm zu Recht gereimt hatte. Wieder hörte Finnick, wie der Inhalt der Flasche gegen das Glas schwappte und wie das Bett ächzte, als Johanna aufstand. Sie wirkte nicht besonders sicher auf ihren Füßen, schaffte es aber bis zu ihm. „Ich hab total daneben gelegen, Finnick“, sagte Johanna leise und Finnick war überrascht, dass Haymitch und Chaff sie offenbar darüber aufgeklärt hatten, was wirklich hinter seinem Verhalten steckte. „Total. Ja“, sagte er düster und konnte er ihre Arme um ihn herumspüren. Das war vermutlich eine nette Geste und für Johanna nicht selbstverständlich, auch wenn sie ihm dabei die Flasche ins Kreuz presste. Und er war gelinde gesagt überrascht. „Es tut mir leid… ich dachte, es wäre so offensichtlich…“ „Schon okay“, beruhigte Finnick sie und legte locker die Arme um Johanna. „Du bist nicht die erste, die so einem Trugschluss unterliegt.“ Wenn er jedem böse sein wollte, der ihn falsch einschätzte, hätte Finnick extrem viel zu tun. Und trotzdem war er froh, dass Johanna sich entschuldigte. Immerhin waren sie vorher gut miteinander ausgekommen. „Haymitch und Chaff haben dir also gesagt, dass du daneben liegst?“, hakte Finnick noch einmal nach und spürte, wie Johanna nickte. „Nicht gerade freundlich, kann ich dir sagen“, ließ sie ihn wissen und Finnick grinste leicht. Freundlichkeit war auch keine von Haymitchs herausragenden Stärken. „Ich hatte wirklich keine Ahnung… wer denkt denn auch an so was?“, fuhr Johanna fort und ihre Stimme klang nicht nur langsam durch den Alkohol, sondern auch reumütig. „Schon okay…“, versicherte Finnick ihr wieder. Es war jedenfalls okay, dass Johanna etwas daneben gelegen hatte. Nicht okay war es, dass ihm so etwas überhaupt passierte. Aber darüber konnte er sich schließlich nicht auslassen. Vor allem nicht hier, wo sie vermutlich gerade gefilmt wurden. Und er hasste Selbstmitleid. Wenn er einmal damit anfing, kam er so schnell nicht mehr dort raus. Selbstmitleid zog ihn nur noch weiter runter und das konnte sich der Sieger einfach nicht leisten. Johanna löste sich von ihm und musterte sein Gesicht in dem Dämmerlicht, das in seinem Zimmer herrschte. Die bunten Leuchtreklamen waren so grell, dass es niemals richtig dunkel wurde. „Entschuldigung angenommen“, verkündete Finnick. „Deswegen bist du doch hier oder?“ Johanna hob die Flasche, anstelle einer Antwort. „Deswegen bin ich hier. Ich hab im Flur gewartet. Aber du warst lange weg. Also hab ich gedacht, kann ich genauso gut auch in deinem Zimmer warten. Ich bin fast gar nicht eingeschlafen“, sagte sie grinsend und Finnicks Mundwinkel hoben sich ebenfalls nach oben. „Tolle Idee, den Stuhl trotzdem einfach im Flur stehen zu lassen“, lobte er Johanna. „Ups“, war ihr einziger Kommentar und sie drückte ihm die Flasche in die Hand. „Trink einfach“, forderte sie ihn auf und wanderte im Halbdunkeln durch sein Zimmer. „Du bist kein ordentlicher Mensch“, stellte sie fest und kickte eine Hose beiseite. „Ich wusste nicht, dass ich Besuch bekommen würde“, entgegnete Finnick schulterzuckend. Es machte ihm wenig aus, dass Johanna sein persönliches Chaos betrachtete. Immerhin hatte sie sein schlimmstes Geheimnis schon herausgefunden. Finnick trank einen Schluck aus Johannas Flasche. Er verzog angewidert das Gesicht. Das Zeug schmeckte eklig und stark, was ihn eigentlich nicht wundern sollte, wo es doch von Chaff und Haymitch stammte. Triumphierend drehte sich Johanna wieder mit der angebrochenen Champagnerfalsche um. „Die hast du mitgehen lassen?“, erkundigte sie sich, sichtlich erfreut. „Ich hab sie schließlich auch bezahlt“, erinnerte Finnick die Siegerin daran und drückte ihr ihre Flasche zurück in die Hand. „Johanna, wenn du nichts dagegen hast, würd ich jetzt duschen“, begann er einen freundlichen Rausschmiss. Immerhin war es spät und er war viel zu müde, außerdem lockte die Dusche damit, sich gründlich zu waschen und sich danach nicht mehr so schmutzig zu fühlen. „Hab nichts dagegen“, verkündete Johanna und ließ sich wieder auf sein Bett plumpsen. Finnick hob die Augenbrauen. „Wer ist jetzt die Nervensäge?“, wollte er von ihr wissen und war sich nicht ganz sicher, was er davon halten sollte. Johanna war nett, er konnte sie gut leiden und normalerweise bedeutete ihre Gegenwart auch Spaß. Aber er war noch nie mitten in der Nacht in den Genuss ihrer Gegenwart gekommen und vielleicht war er auch nur eigen darin, weil er es gewohnt war, dass Leute die die Nacht mit ihm verbrachten selten etwas Gutes waren, aber er konnte nicht abstreiten, dass es ihm wenig passte, dass Johanna sich einquartierte. Das schien sie zu merken und seufzte theatralisch. „Schau, ich war ein Miststück“, gab sie offen zu. „Ich hätte schlauer sein sollen und weniger… oberflächlich. Und du hast gesagt, dass du einen Freund gebrauchen könntest. Ich kann mir vorstellen, dass du gerade jetzt einen brauchst“, erklärte sie und hob die Flasche erneut. Finnick hatte nicht mal eine Ahnung, wo Johanna den Champagner abgestellt hatte, aber er würde sicher im wahrsten Sinne des Wortes, früher oder später darüber stolpern. „Das hier ist dein Freund“, stellte Johanna den Alkohol vor. Finnick schüttelte den Kopf. „Das ist Haymitchs Freund“, erinnerte er das Mädchen. Doch Johanna winkte ab. „Hab’s geschenkt bekommen. Haymitch meinte, es gäbe sowieso mehr davon. Und er meinte, solange ich mit dir teile, wäre das okay.“ Der gute, alte Haymitch. Finnick konnte ihn recht gut leiden, bis auf die Tatsache, dass er eben oftmals zu viel trank und sein Geruch nicht immer angenehm war. Aber der Mentor von Distrikt Zwölf hatte ihn einmal nach seinem zweiten Arrangement unter seine Fittiche genommen und ihn in einer dunklen Seitengasse aufgegabelt, so getan, als hätte er seine Tränen nicht gesehen und ihn auf einen Drink eingeladen. Es war auch Haymitch gewesen, der ihm gesagt hatte, er soll sich nicht von Snow fertig machen lassen und sich nicht selber bedauern, dass ihn das um den Verstand bringen würde. Finnick hielt sich an seine Ratschläge, schließlich wollte er wirklich nicht den Verstand verlieren. „Wenn Haymitch das sagt…“, seufzte Finnick und zog willkürlich eine seiner Shorts aus dem Schrank. Zuhause trug er immer nur Shorts. Aber angesichts der Tatsache, dass Johanna in seinem Zimmer war, wählte er noch ein schlichtes, weißes Shirt aus. „Laufe ich Gefahr, dass du mich anspringst, während ich da drin dusche?“, fragte er Johanna und deutet auf das angrenzende Badezimmer. Beinahe entsetz schüttelte sie den Kopf. „Ich bitte dich! Ich habe im Gegensatz zu ganz Panem, einen guten Geschmack“, antwortete sie auf ihre altgewohnte charmante Art, während Finnick tatsächlich verschwand. Wie immer duschte er lange und ausgiebig, bevor er sich wieder sauber fühlte. Dieses naive Mädchen war zwar nicht besonders schlimm gewesen, aber es drehte sich alleine um die Tatsache. Er war benutzt wurden, das konnte man drehen und wenden wie man wollte. Auch wenn Finnick bezweifelte, dass Sina das überhaupt begriffen hatte. Mit nassen Haaren und der schlichten Kleidung, die ihm viel lieber war, als alles, was man ihm hier anzog, kehrte er in sein Zimmer zurück, wo Johanna Mason tatsächlich auf seinem Bett döste. Wenigstens hatte sie die Flasche zur Seite gestellt. Mit einem Kopfschütteln näherte sich Finnick ihr und nahm noch einen Schluck von Johannas ekligem Getränk. „Mason, wach auf“, rief er ihr belustigt zu und beobachtete sie interessiert dabei, wie sie aufschreckte und ihn dann wütend anfunkelte. „Weißt du eigentlich, dass jeder Sieger ein eigenes Zimmer hat?“, erkundigte er sich, während er sich neben sie auf sein Bett schob. „Und sein eigenes Bett? Du beschlagnahmst meines nämlich ganz schön“, beschwerte er sich und schob Johanna von sich weg, damit er mehr Platz ergattern konnte. „War mir neu, erklärt aber, warum die andere auch alle so komisch geguckt haben, wenn ich bei ihnen im Bett lag“, murmelte Johanna und gähnte. Sie entwand Finnick die Flasche und nahm selber wieder einen Schluck. Finnick wollte gar nicht wissen, wie viel sie schon getrunken hatte und fand Johanna dafür auch noch erstaunlich normal. „Also… warum tust du das?“, fragte Johanna, nach dem sie einige Zeit lang schweigend die Flasche an einander weiter gereicht hatten und das Brennen im Hals bei jedem Schluck weniger schlimm wurde. Finnick seufzte. „Jetzt willst du also darüber reden?“, erkundigte er sich. Er hatte nämlich schon angenommen, dass Johanna es dabei belassen würde. Was ihm mehr als recht gewesen wäre. „Ja. Haymitch meinte, weil du Angst vor den Konsequenzen hast“, fuhr Johanna ungerührt fort. „Stimmt auch“, gab Finnick zu und spürte den altbekannten Schmerz in seiner Brust. Seit einem Jahr war dieses unangenehm Zusammenziehen, ein ständiger Begleiter. „Hast du Familie?“, wollte Finnick wissen und Johanna musterte ihn verständnislos, bevor sie nickte. „Einen jüngeren Bruder, und meine Eltern. Holzfäller, die ganze Familie“, bestätigte sie. „Was hat das damit zu tun? Hast du keine Familie?“ Stumm schüttelte Finnick den Kopf. „Ich hab Mags“, erklärte er und lehnte den Kopf gegen die Wand hinter dem Kopfende seines Bettes. „Aber ihr seid nicht verwandt…“, wunderte sich Johanna. „Nein. Aber Mags ist die einzige Person von Zuhause, die ich hab.“ Immer noch irritiert musterte Johanna ihn, schien aber um Worte verlegen zu sein, was bei ihr nicht oft der Fall war. „Sie haben doch aber wen bei deinen Spielen gezeigt. Ich kann mich genau erinnern“, beharrte sie schließlich und dieses Mal war es Finnick, der lange schwieg. „Meinen Dad, ja. Meine Mom ist schon früh gestorben. Lange vor meinen Spielen. Aber ich hatte meinen Dad. Er hat Interviews gegeben, als ich in der Arena weit gekommen bin. Aber er ist letztes Jahr verstorben.“ Seine Stimme wurde immer leiser, während er sprach, als würden die Erinnerungen ihn überrollen. „Bootsunglück, hat man mir gesagt. Aber mein Dad konnte bei jedem Wetter fahren. Ich war nicht Zuhause, weil ich während der Hungerspiele herkommen sollte. Kurz nach dem ich Sechzehn geworden bin“, fuhr Finnick leise fort und zog die Knie an seinen Oberkörper, um seine Arme dann darum zu legen. „Da hat es dann angefangen. Bloß wollte ich nicht. Wer will das schon!“, stieß Finnick aus. „Ich wollte auf die Warnungen der anderen nicht hören und dachte, dass mich keiner dazu zwingen könnte. Dann kam ich nach Hause und…“ Johanna lehnte ihren Kopf an seine Schulter. Die Geste war tröstlich, fand Finnick. „Und dein Dad war tot. Ich verstehe“, sagte sie ebenfalls ganz leise. „Tut mir leid“, fügte sie hinzu und er schüttelte den Kopf, unfähig noch etwas zu sagen. Wenn er weitersprach würde er anfangen zu weinen und das wollte er nicht. Sie verfielen wieder in Schweigen. „Du bist beschissen im Aufmuntern, weißt du“, sagte Finnick dann um das Schweigen doch noch zu brechen, als er das Gefühl hatte, sich wieder im Griff zu haben, und Johanna lachte. „Hab nie behauptet, dass ich gut drin wäre.“ Kurz wandte Finnick den Kopf, um zu ihr nach unten zu blicken. „Aber du wolltest ja unbedingt einen Freundin wie mich. Selbst Schuld“, fügte Johanna hinzu und sah zu ihm auf. „Warum eigentlich wirklich?“ „Weil du kein Spiel spielst. Du bist ehrlich und natürlich. Du weißt ja nicht, wie anstrengend es ist, ständig mit diesen dummen, naiven Menschen zu tun zu haben“, seufzte Finnick. Manchmal hatte er das Gefühl selber zu verblöden. „Wie Sonja?“, wollte Johanna wissen und schnitt wieder eine Grimasse. Sie hatte das Mädchen tatsächlich gefressen. „Sina“, korrigierte Finnick sie grinsend. „Ich wollte aber nichts von dir wissen. Hat dich nicht abgeschreckt“, erinnerte sich Johanna. „Ich bekomme immer was ich will, früher oder später“, entgegnete Finnick in einer fürchterlich lächerlichen Tonlage, die er für seine Arrangements verwendete. Das war der Moment, in dem sich Johanna reckte und ihm einen Kuss gab. Überrascht blinzelte Finnick, als er ihre Lippen auf seinen spürte, bevor er sie am Nacken zu sich zog und den Kuss erwiderte. Doch schon nach kurzer Zeit trennten sie sich wieder von einander. Immer noch irritiert und nicht wissend, was er davon halten sollte, starrte Finnick sie an. Nicht, dass Johanna nicht hübsch war und er sie nicht leiden konnte. Aber… „Okay, nimm das nicht persönlich. Aber das war nichts“, verkündete Johanna mit ihrere direkten Art und wieder starrte Finnick sie verblüfft an. „Ich weiß, viele Frauen würden alles dafür tun. Aber mein Fall bist du leider nicht“, sagte sie und verzog kurz den Mund. „Momentmal… du hast angefangen“, beschwerte sich Finnick halbherzig, einfach nur weil er das so nicht auf sich sitzen lassen konnte, und merkte, wie seine Laune wieder etwas besser wurde, obwohl er gerade beleidigt wurde. „Ja… aus Neugierde… und, weil du so traurig ausgesehen hast“, gab sie zu und lehnte sich wieder weiter weg von ihm. Ganz deutlich konnte er sehen, dass Johanna grinste. „Ein Mitleidskuss? Sehe ich so aus, als hätte ich das nötig?“, erkundigte sich Finnick jetzt belustigt und legte sich ebenfalls wieder gemütlich auf die Polster, wandte den Kopf allerdings zu Johanna. „Wir beide wissen, dass das nicht der Fall ist, Jo“, fügte er hinzu. Ihre Hand schnellte vor und erwischte ihn tadelnd an der Schulter. „Jo ist ein schrecklicher Name“, sagte sie mürrisch und wenig begeistert. „Schon aber jetzt, wo wir uns geküsst haben, können wir auch zu intimen Spitznamen übergehen, findest du nicht?“, erwiderte Finnick lässig und grinsend. „Ich breche dir den Arm, wenn du mich noch mal so nennst“, fauchte Johanna und Finnick bezweifelte, dass sie das wirklich tun würde. Leise lachte Finnick. „Also? Nur Freunde?“, erkundigte er sich. Denn genau das war es, was er wollte. Johanna Mason als Kumpel. Das würde ihm gefallen. „Natürlich. Nichts weiter“, stimmte Johanna sofort zu und grinste. „Gott sei Dank. Du bist nämlich wirklich nicht mein Typ“, ärgerte Finnick sie und erntete dafür einen bösen Blick. „Halt den Mund, und rück dein Kissen raus“, befahl Johanna, bevor sie die Augen schloss. Dann blieb sie wohl hier. Stört Finnick aber nicht. Nicht mehr, seit sie geklärt hatte, dass sie ihm nicht verfallen war. Das hatte sie in seinem Ansehen noch steigen lassen. Und jetzt war ihre Gegenwart wirklich nur noch tröstlich. Trotzdem konnte er das diebische Grinsen auf ihrem Gesicht erkennen, als er zu ihr rüber sah, nach dem er bereitwillig das zweite Kissen zu ihr geschoben hatte. „Schlaf gut, Finn.“ ____ Nicht so lustig wie die Kapitel davor, aber dafür eben tiefgründig. Ich bin gespannt was ihr dazu sagt und auch, wie ihr es findet, dass die beiden sich geküsst haben :P Liebe Grüße und eine Bitte um gaaanz viele Reviews, eure Tinkerbell http://happy-hunger-games.forumieren.com Kapitel 4: Joining your fait ---------------------------- 4. Kapitel: Joining your fait „Mason! Lass mich rein!“, forderte Finnick schon zum dritten Mal und hämmerte gegen die verschlossene Tür von Johanna Mason. Seit Cashmere eine gehässige Bemerkung über Johanna gemacht hatte, wusste Finnick, dass auch die Siegerin aus Distrikt Sieben im Kapitol war und laut Cashmeres Äußerungen schien sie nicht glücklich zu sein. Es fiel Finnick schwer zu glauben, dass Johanna in Tränen ausgebrochen war und gerade zu panisch die Lobby verlassen hatte und das vor Cashmeres Augen. Die blonde Cashmere hatte keinen Hehl daraus gemacht und ihn wissen lassen, dass seine Freundin ebenfalls im Trainingscenter war. Ohne die Mentorin aus Distrikt Eins weiter zu beachten, hatte er sich also auf den Weg zu Johannas Etage gemacht und stand nun vor verschlossenen Türen. „Jo, ich weiß, dass du da bist“, seufzte Finnick. Seit sie einmal mit diesen Spitznamen angefangen hatten, benutzen sie sie ständig. Mittlerweile hatte er sich wieder daran gewöhnt. Es war lange her, dass ihn jemand Finn nannte. Und in seinen Ohren klang das ziemlich unmännlich. Aber damit könnte er leben, wo ihm doch so viele Frauen versicherten, dass er durch und durch männlich war. „Hau ab!“, kam es gedämpft durch die Tür und Finnick registrierte, dass sich Johanna wirklich verheult anhörte. Also hatte Cashmere nicht gelogen. Immer mehr beschlich ihn ein ungutes Gefühl. Warum war Johanna überhaupt hier? Immerhin waren weder Hungerspiele, noch besondere Events angesetzt. Es blieb eigentlich nur eine Möglichkeit und der junge Mann weigerte sich, diese zu akzeptieren. „Ich haue ganz bestimmt nicht ab. Ich hab Zeit und bleibe so lange hier sitzen, bis du mich rein lässt“, entgegnete Finnick und ließ sich an der Tür nieder. Denn wenn er mit seiner Vermutung richtig lag, konnte er Johanna doch nicht in ihrer Verzweiflung alleine lassen. Blöd nur, dass Johanna so wohl ein Bad, als auch Essenlieferungen in ihrem Zimmer hatte. Es könnte dauern, bis sie sich dazu entschied ihn reinzulassen. „Ich könnte auch anfangen, zu singen, bis du mir die Tür aufmachst“, drohte Finnick und begann die ersten Töne eines alten Fischerliedes zu singen, die schrecklich schief klangen. Von seinen vielen, zahlreichen Talenten war Singen jedenfalls keins. Die Tür ging auf und Finnick rappelte sich auf, um schnell die Möglichkeit wahrzunehmen, in Johannas Zimmer zu schlüpfen. „Das ist das Grausamste, was ich je gehört hab“, hörte er Johannas Stimme mit einer halbherzigen Beleidigung und öffnete die Tür weiter. Im Zimmer war es völlig dunkel und Finnick musste sich kurz orientieren, wo Johanna war. Er streckte die Hand zum Lichtschalter aus und bekam ein „Wage es dich“, zu hören. Ohne Rücksicht legte er den Schalter um und blinzelte in das helle Licht. Auch Johanna legte die Hand über die Augen und stöhnte auf. „Odair, du verdammtes…“ „Nett und höflich wie immer. Aber das Outfit ist neu“, unterbrach Finnick sie und deutet auf Johannas freizügigen Aufzug. Sie lungerte in Unterwäsche auf dem Bett und machte sich nicht mal die Mühe sich irgendwie zu verstecken. Naja, warum auch, sie konnte sich sehr sicher sein, dass er so etwas schon mal gesehen hatte. Ihre Augen waren stark gerötet, wie er erkannte, als sie endlich die Hand sinken ließ und in ihrem Gesicht war keine Spur von Make-up zu finden. Immer mehr bestätigte sich Finnicks Verdacht. Und selbst wenn er daneben lag, ging es Johanna alles andere als gut. „Ist doch eh egal“, murmelte Johanna und richtete ihren Blick auf ihn. Fragend hob Finnick die Augenbrauen, bevor er einige Schritte auf sie zu machte und sich neben sie auf das Bett sinken ließ. „Jo… was ist los?“, wollte er wissen und wie von selbst fand seinen Hand den Weg in ihre Haare. Die Strähnen standen wild und unbändig ab, waren aber überraschend weich, als Finnick hindurch strich. Johanna so zu sehen war befremdlich und beunruhigend. Sonst wirkte sie immer dickköpfig und unbeugsam. Jedenfalls hatte er sie erst einmal weinen sehen. Und dass sie zuließ, dass er ihr wie einem kleinen Kind über den Kopf streichen durfte, machte es nicht besser. „Ich gehöre ab jetzt auch deinen tollen Insiderclub an“, informierte sie ihn düster und starrte vor sich hin, während Finnick in der Bewegung verharrte. „Oh, Johanna…“, murmelte er leise und nahm sie dann in dem Arm, ungeachtet der Tatsache, dass sie halbnackt war. Also hatte er richtig gelegen. Warum sonst sollte sie mit ihm und Cashmere zusammen hier sein? „Seit wann weißt du es?“, erkundigte er sich leise. Denn während ihres letzten Telefonates, hatte sie nicht angedeutet, dass sie ebenfalls in der Hauptstadt sein würde. „Gestern. Ich habe eine Einladung bekommen und mir nichts dabei gedacht. Bis ich direkt nach meiner Ankunft diesen Brief bekommen habe“, erzählte Johanna und nickte hinüber zu einem Blattpapier, das auf dem Boden lag. Es schimmerte strahlend weiß und hob sich bestens von dem dunklen Boden ab. Es wäre tadellos, wenn Johanna es nicht wütend zerknüllt hätte. Finnick musste nicht näher hinsehen, um zu wissen, um was es sich handelte. Er bekam seit einem Jahr solche Briefe und würde sie überall wieder erkennen. Sofort stellten sich ihm die Nackenhaare aufrecht, als er Johannas Exemplar aus der Ferne musterte. „Ganz sicher deins?“, fragte er noch ein wenig hoffnungsvoll und wandte den Blick von dem Schreiben ab. „Kennst du eine andere Johanna Mason?“, entgegnete sie wenige freundlich und Finnick seufzte. „Tut mir leid, Jo“, sagte er, weil es das Einzige war, was er überhaupt sagen konnte. Obwohl ihr das auch nichts brachte. Ein Schweigen breitete sich aus und Finnick drückte Johanna enger an sich, was sie widerstandslos mit sich geschehen ließ. Trostsuchend lehnte sie den Kopf an seine Schulter. Er wusste wie schlimm dieser Moment für Johanna war. Immerhin hatte er ihn selbst durchlebt und alles andere als bereits überwunden. Mit ihm als Beispiel vor der Nase würde sich Johanna sogar sicher sein können, dass es nicht nur bei diesem einem Schreiben bleiben würde. „Was soll’s ich werde nicht hingehen“, sagte sie lapidar und Finnick zog stark die Luft ein. „Du tust was?“, hakte er entsetzt nach. Hatte sie ihm nicht zugehört, als er von sich erzählt hatte? Hatte sie nicht begriffen, was passieren würde, wenn sie sich weigern würde? Oder dachte sie, dass sie anders behandelt werden würde als er? Dann erlag sie aber einem bösen Trugschluss. „Johanna, hast du einen Moment lang darüber nachgedacht, was das für Konsequenzen bedeutet?“, fragte Finnick besorgt. Zwar verstand er den Drang des Mädchens, dem fern zu bleiben, was sie erwartet, kannte aber auch den Preis dafür. Finnick wusste, wie schlimm es war, sich die Schuld am Tod eines Familienmitglieds geben zu müssen. Er wollte Johanna davor bewahren. „Denk an deine Familie!“ Nur zu gut hatte er noch im Ohr, wie Johanna ihm von ihrer Familie erzählt hatte. Von ihrer Mutter, ihrem Vater und ihrem kleinen Bruder. So viele mögliche Ziele… „Das wird er nicht machen…“, entgegnete Johanna, aber Finnick konnte genau heraus hören, wie du junge Frau selber an ihren Worten zweifelte. „Doch, das wird er“, widersprach Finnick ihr. „Johanna, glaub mir, er wird genau das tun.“ Was nützte es ihr gut zu zureden, wenn man rein gar nichts Schön reden konnte? Finnick war realistisch. Sollte sich Johanna weigern, würde Snow jemanden ihrer nahestehenden Personen verletzen. Besser er machte ihr das klar, bevor sie später ihre Handlungen bereute. Denn obwohl Johanna oft kaltherzig erschien, wusste er, dass sie ihre Familie liebte. Wieder sammelten sich Johannas Augen mit Tränen und sie vergrub das Gesicht an seiner Halsbeuge. „Ich will aber nicht…“, wimmerte sie ganz leise und wieder zog sich Finnicks Magen zusammen, weil Johannas harte Schale bröckelte und er wieder einmal erkannte, dass hinter ihr doch nur ein verängstigtes Mädchen steckte. Das Schlimmste war, dass er ihr nicht mal helfen konnte. Er konnte ja nicht mal sich selbst helfen! „Niemand will das“, entgegnete Finnick und ließ zu, dass Johanna sich an seiner Schulter ausweinte. „Ich glaub nicht, dass ich das kann“, informierte Johanna ihn nach einer Weile, als ihr Körper nicht mehr von unterdrückten Schluchzern geschüttelt wurde. „Du kannst das. Es ist nicht mal besonders schwer. Theoretisch jedenfalls“, redete Finnick ihr gut zu. Das war immerhin das Einzige, was er tun konnte. Sie so weit aufbauen, dass sie das erledigen konnte, was von ihr erwartet wurde, damit ihrer Familie nichts passierte. Denn alles andere war entschiedene Sache. Er würde sie ganz sicher nicht aus der misslichen Lage retten können. „Theoretisch?“, schnaubte Johanna und Finnick verstand, weshalb sie so reagierte. „Und praktisch?“ Tja, sollte er ihr sagen, dass es praktisch die Hölle war? Das konnte er doch unmöglich tun, und ihr damit noch mehr Angst machen. Außerdem war Johanna clever genug, um auch so eine sehr gute Vorstellung davon zu haben. „Kommt drauf an…“, wich Finnick ihr deswegen aus. Für Johanna würde es zwar weit aus einfacher sein, sich zu verstellen, während bei ihm oftmals schon einiges an Vorstellungskraft oder kleinen Tabletten nötig war, damit er überhaupt dazu fähig war, seinen Auftrag auszuführen, aber das hieß nicht, dass es für sie leicht sein würde. Vermutlich war das Ganze sogar schmerzhaft. Ganz zu schweigen von den psychischen Schäden. „Du bist eine beschissene Hilfe“, entgegnete Johanna und Finnick zuckte hilflos mit den Achseln. "Was erwartest du denn von mir? Tipps und Tricks?“, wollte er müde wissen. „Es ist nicht vergleichbar. Falls es dir aufgefallen ist, ich bin kein Mädchen.“ Johannas Körper erbete, als sie leise lachte und Finnick war erleichtert, dass sie wenigstens ein wenig sie selbst war und sich noch nicht ganz der Verzweiflung hingegeben hatte. „Nicht? Verdammt, ich war mir so sicher“, brachte sie wieder eine kleine Gemeinheit an und sah dann zu ihm auf. Finnick verdrehte zwar die Augen, unterließ es aber ihr dafür die Meinung zu sagen. Immerhin war das die alte Johanna, die die ihm lieber war, als das weinende Mädchen. „Einfach an etwas anders denken, dir in Erinnerungen rufen, warum du das machst und dir vorstellen, wie du unter etwas anderen Umstände den Leuten den Hals umdrehen würdest“, wies Finnick sie an. „So mache ich es jedenfalls. Es ist ein reines Schauspiel. Sei besser gut darin, sonst bekommst du Ärger. Und Ärger willst du nicht“, prophezeite er Johanna düster und musterte sie. „Jo, du bist stark genug, um das hinzubekommen.“ Finnick dachte das wirklich. Es gab viel labilere Menschen im Kreis der Sieger. Johanna hingegen war clever und willensstark. Sie würde damit klar kommen. Nicht gut, aber sie würde damit klar kommen. „Klar, wenn du das kannst“, sagte Johanna und klang nicht halb so biestig, wie sie vermutlich beabsichtigte. „Wann musst du los?“, erkundigte sich Finnick. „Bald. Mein Vorbereitungsteam taucht bald auf“, antwortete Johanna unglücklich. Das war normal. Wenn man irgendwo hingeschickt wurde, wurde man zu Recht gemacht. Es wurde einem gesagt, was man anziehen sollte und man selber hatte im Grunde kein Mitspracherecht. In gewisser Weise fühlte man sich, als wäre man immer noch ein Tribut. War man ja eigentlich auch noch. „Sie sagen ich soll hübsch aussehen. Genau das, was ich nicht wollte.“ Verständlich, fand Finnick. Johanna wollte vermutlich eine kleine Rebellion dadurch zeigen. Nur würde man ihr das nicht erlauben. „Ach deswegen der Aufzug“, ärgerte Finnick sie, bemüht sie ein wenig aufzuheitern, und erhielt einen Rippenstoß dafür. „Ich hab gesehen, dass du auf meine Brüste gestarrt hast“, entgegnete Johanna vielsagend, während Finnick leise lachte. „Stimmt. Aber nur um mich zu versichern, dass wir tatsächlich die gleiche Körbchen Größe haben“, gab er zu und jaulte gespielt auf, als Johanna ihm wieder den Ellenbogen in die Rippen rammte. „Hör zu“, jappste Finnick und hielt ihren Arm fest, bevor sie noch einmal auf ihn losging. „Ich bin heute Abend auch gebucht. Aber ich komme hier hin, wenn ich zurück bin. Wie klingt das?“ Denn wenn er an seine erste Verabredung zurück dachte, erinnerte sich Finnick, wie dreckig es ihm danach gegangen war. Es wäre sicher tröstend, wenn Johanna nicht alleine wäre. Doch sie zuckte bloß mit den Schultern. „Der Abend kann ja ohnehin nicht schlimmer werden“, sagte sie. „Also schau ruhig vorbei.“ Während sie das sagte, konnte Finnick an ihrem dankbaren Blick jedoch erkennen, dass sie sein Angebot durchaus zu schätzen wusste. Als Finnick Johannas Zimmertür aufstieß und den ersten Schritt machte, knirschte es verdächtig unter seinen Schuhsohlen. Verwundert richtete er seinen Blick nach unten und erstarrte. Überall lagen Scherben verstreut. Der Farbe nach zu urteilen hatte Johanna wieder eine hässliche Vase zertrümmert. Sein Blick schweifte weiter über den Boden, auf dem sämtliche Kleidungsstücke herum lagen, die vor ein paar Stunden noch nicht dort gelegen hatten. Gleich vor dem Bett lagen wieder Scherben. Aber keine Johanna war zusehen, obwohl das Licht im Zimmer brannte. Sie war also auf jeden Fall hier gewesen und nach dem, was Finnick zu sehen bekam, war es nicht gut gelaufen. „Jo?“, rief er beunruhigt. Vielleicht steckte sie ja noch irgendwo. Immerhin wusste sie ja, dass er auftauchen würde, auch wenn es schon nach Vier Uhr war. Sein Arrangement hatte ihn erst jetzt entlassen und das auch nur, weil sie morgen in aller Frühe einen Termin im Beautysalon hatte. Finnick hatte sich so schnell wie möglich auf den Weg hierhin gemacht und gehofft, dass Johanna nicht schon stundenlang völlig am Boden zerstört auf ihn wartete. Finnick lauschte und hörte vor erst keine Antwort, dafür aber Wasserrauschen. Also steuerte er das angrenzende Badezimmer an und öffnete die Tür. Wieder vernahm er das bereits vertraute Knirschen von Scherben und seufzte, als er den kaputten Spiegel sah. „Weißt du, der Spiegel kann auch nichts dafür, dass du hässlich bist“, sagte Finnick zu den kleinen Häuflein Elend, das auf dem Duschboden kauerte und versuchte die Johanna, die er kannte, aus diesem traurigen Ding heraus zu kitzeln. „Leck mich, Odair!“, brachte Johanna hervor und es war offensichtlich, dass sie weinte. Wieder seufzte Finnick, das hatte nicht besonders gut geklappt und Johanna ging es noch mieser, als er angenommen hatte. Er suchte sich eines der Handtücher, die auf dem Boden lagen. Johanna hatte ganz schön gewütet in ihrem Reich. Er klopfte es sorgfältig aus, damit keine Scherben darin verfangen waren und stellte die Dusche ab. Das Wasser war ohnehin eiskalt und es war kein Wunder, dass die Siegerin zitterte. „Komm schon, stehe auf. Du erkältest dich“, befahl er Johanna und hielt das Handtuch auf. Doch Johanna regte sich nicht. Also setze sich der Sieger zu ihr auf die Kante der Dusche. „So schlimm?“, erkundigte er sich mitfühlend und Johannas Kopf nickte. Sie sah immer noch nicht zu ihm auf. „Du hast keine Ahnung“, schniefte sie. Wobei Finnick ihr da widersprechen wollte. Wenn einer eine Ahnung hatte, dann er. Aber er unterließ es in weiser Voraussicht. „Was ist passiert?“ Seine Stimme war leise, aber ernst und besorgt. Wenn Finnick ehrlich war, machte es ihm Angst Johanna so zu erleben. Während er mit ihr sprach legte er Johanna das Handtuch um die Schultern und hob sie dann kurzer Hand hoch, um sie in ihr Bett zutragen. Beinahe sofort schlang sie die Arme um seinen Hals und durchnässte damit auch sein Hemd, was Finnick jedoch wenig ausmachte. Johanna lockerte ihren Griff nicht, als er sie auf dem Bett absetze. Also streifte er seine Schuhe ab und ließ sich neben ihr nieder. Er zog die Decke hoch und bedeckte Johanna damit. Nicht nur, weil sie immer noch zitterte, sondern auch, weil es ihm wesentlich angenehmer war, wenn sie etwas anhatte und sei es nur eine Decke. „Der Typ war schrecklich. Hatte total spitze Fingernägel. Ganze lange“, begann Johanna plötzlich und hob ihren Arm, auf dem gut sichtbar Kratzspuren zu sehen waren. Finnick musterte kurz ihrem Arm und sein Blick verfinsterte sich. Es war Gang und Gebe, dass diese Menschen annahmen, sie könnte sich so etwas erlauben. „Und grässliches Makeup. Alles war rot.“ Das klang wirklich nach jemanden, vor dem man Angst haben könnte, fand auch Finnick. „Ich konnte nicht“, flüsterte Johanna und Finnicks Kopf ruckte erstaunt hoch. „Ich hab plötzlich Panik bekomme, ihm eins mit der Lampe übergezogen und bin abgehauen.“ Finnick erstarrte. Sie hatte was? Das war schlimmer, als er befürchtet hatte. Das würde sie teuer zu stehen bekommen. So etwas durfte niemals passieren. Einfach abhauen und vorher noch den Kunden verletzen, war das Schlimmste, was Johanna hatte tun können. Wenn sie ausfallend oder richtig schlecht gewesen wäre, hätte der Präsident vielleicht ein Auge zugedrückt. Aber bei so etwas… Er bemerkte, wie die Panik auch ihn überkam. Kein Wunder, dass Johanna so fertig war. „Johanna…“, setzte er an und sie schüttelte den Kopf. „Sag einfach nichts... bitte“, murmelte sie leise und Finnick nickte wortlos, bevor er sich zu ihr legte. Beinahe sofort schmiegte sie sich an ihn und er legte den Arm beschützend um sie. Arme Johanna. Ihr waren wohl die Nerven durchgegangen, was Finnick vollkommen verstehen konnte. Johanna war ein impulsiver Mensch. Für sie war es wohl unmöglich, so etwas einfach mit sich geschehen zu lassen, ohne sich zu wehren. Bestimmt hatte sie aus einem Affekt gehandelt, denn Finnick wusste, dass sie das eigentlich nicht vorgehabt hatte. „Ich warte die ganze Zeit darauf, dass jemand kommt und mich holt, damit er mich bestrafen kann…. Aber zu mir wird keiner kommen oder?“, fragte Johanna und wieder konnte er das Schluchzen in ihrer Stimme hören. „Nein, zu dir kommt keiner“, bestätigte Finnick düster, er genau wusste, dass Johannas Strafe nicht sie selber treffen würde. Das war Snow nicht effektiv genug. Und sie wusste es auch. Und jetzt gab es auch nichts mehr, was sie daran noch ändern konnten. Johannas Schluchzten begleitet ihn die ganze Nacht hindurch und mehr als sie im Arm halten, konnte er nicht. Das und mit ihr zusammen hoffen, dass Snow dieses Mal Gnade walten ließ. ------------ Das war ein relativ schweres Kapitel, weil mir eine weniger traurige Johanna besser liegt. Aber ich hoffe trotzdem, dass das Kapitel einige gefallen hat. Ich freue mich über Reviews dazu :) Eure Tinkerbell http://happy-hunger-games.forumieren.com/ Kapitel 5: Could you please do me a favor? ------------------------------------------ 5. Kapitel: Could you please do me a favor? “Okay, halt! Warte! Wohin gehen wir überhaupt?“, erkundigte sich Finnick, nachdem Johanna ihn durch die halbe Stadt gehetzt hatte und er sich ziemlich sicher war, dass er noch nie an diesem Ort gewesen war. Aber sie wollte einfach nicht mit der Sprache herausrücken, wohin sie ihn führte. „Dürfen wir überhaupt hier sein?“, fuhr Finnick weiter fort und versuchte nach Johannas Oberarm zu fassen, doch sie wich ihm geschickt aus. „Warum sollte es verboten sein?“, entgegnete sie mit einem Schulterzucken und ging zielstrebig weiter. Weil Vieles im Kapitol verboten war und das wusste Johanna ganz genau. Und sie konnte sich wirklich keinen Fehltritt mehr leisten. „Mags sagt, ich soll nicht mit fremden Frauen irgendwo hingehen“, versuchte Finnick es jetzt mit einem Witz, worauf Johanna nur schnaubte: „Tust du ständig, Odair.“ Finnick seufzte. Seit sie ihren Vater verloren hatte war Johanna noch mürrischer und schweigsamer als vorher. Natürlich hatte Präsident Snow es sich nicht gefallen lassen, dass sie ihm nicht so gehorsam folgte, wie er es gerne hätte. Dafür, dass sie ihrem Arrangements eine Nachttischlampe über den Kopf gezogen hatte und danach abgehauen war, hatte er bittere Rache geübt. In Distrikt Sieben hatte es einen kleinen, aber verheerenden Waldbrand gegeben. Ein ganzer Arbeitertrupp von Holzfällern war dabei ums Leben gekommen. Darunter auch Johannas Vater. Während alle den tragischen Unfall bedauert hatten, hatte sich Johanna ans Telefon gehangen und ihn angerufen. Finnick hatte schon auf ihren Anruf gewartet und als nach einigen Tagen keiner eintraf, hatte er gehofft, dass Johannas kleiner Fehltritt unbestraft geblieben war. Er hatte gehofft, dass sie mit einer Abmahnung davon gekommen war. Dem war nicht so gewesen. Es war so, wie er befürchtete hatte. Präsident Snow hatte sie nur in Sicherheit wiegen wollen. Denn Johanna und Finnick waren sich beiden einig gewesen, dass es sich bei dem Waldbrand nicht um einen Unfall gehandelt hatte. Und Finnick hatte seine liebe Not damit gehabt, Johanna am Telefon zu beruhigen. Es war schwer jemanden durchs Telefon zu trösten, wenn es doch gar keine tröstenden Worte gab. Es war auch schwer einer aufgelösten Johanna Mason voller Selbstvorwürfe und Hass auf die ganze Welt, unauffällig begreiflich zu machen, dass das Telefon kein sicherer Ort war. Doch jetzt, wo er sie endlich wiedersah und sie tröstend in den Arme hätte nehmen können oder offener mit ihr über alles sprechen können, blockte Johanna alles ab. Seitdem war sie stets unausgeschlafen und ihre Augen wirkten immer zu müde und rotgerändert. Finnick wusste, wie schwer es war, mit der Gewissheit zu leben, dass man seinen eigenen Vater auf dem Gewissen hatte. Er hatte versucht mit ihr darüber zu reden, aber sie hatte nur beharrlich geschwiegen und ihm damit zu verstehen gegeben, dass sie nicht reden wollte, bis er schließlich aufgegeben hatte. Dass Johanna jetzt wieder im Kapitol war, bedeutete, dass es für sie in die zweite Runde ging. Nach diesem kleinen Denkzettel wollte der Präsident, dass sie sich fügte. Abrupt drehte sich Johanna zu ihm um und blieb stehen. „Wir sind da!“, informierte sie ihn und Finnick sah sich um. Hier war er wirklich noch nie gewesen. Es wirkte gar nicht wie ein Ort im Kapitol. Eher ländlich. „Wo genau sind wir?“, erkundigte er sich und nickte zu der Landschaft hinüber. Vor ihnen lag ein See, der auch schon einmal bessere Tage gesehen hatte. Das Wasser war verdreckt und hatte keinen besonders schönen Geruch, während darum herum einige Bäume standen. „Das hier war einmal eine Parkanlage“, erklärte Johanna und steuerte eine Trauerweide an. Finnick fragte erst gar nicht woher sie das wusste oder woher sie den Ort kannte. „Eine Parkanlage?“, wiederholte Finnick ungläubig. „Ich hatte auf Mülldeponie getippt“, fügte er hinzu und rümpfte die Nase. Der Geruch war penetrant und es roch nach Lebensmittelabfällen und Chemie. Kein Wunder, dass hier niemand außer ihnen war. „Ist es ja auch jetzt. Oder besser gesagt, dort drüben ist die Mülldeponie“, erwiderte Johanna unbeeindruckt und verschwand zwischen den hängenden Ästen der Weide. Finnick sah sich noch einmal um. Das würde sowohl den üblen Geruch erklären als auch das verschmutzte Wasser. Das Kapitol war groß und sie mussten den Müll irgendwo lagern. Vermutlich wurde das Zeug hier auch irgendwo verbrannt. Ein Wunder, dass sie das nicht auch in einem der Distrikte machen ließen. Aber wenn es hier Orte gab, die nicht genutzt wurden, war das sicher auch so möglich. Kopfschüttelnd folgte er Johanna und fand sie gegen den Baumstamm gelehnt am Boden sitzend wieder. „Was machen wir hier?“, erkundigte er sich und setzte sich ihr gegenüber im Schneidersitz hin. „Einen Ausflug, ich dachte, du würdest gerne mal raus und entspannen“, sagte Johanna schulterzuckend und Finnick schnaubte ungläubig. „Zu einer Mülldeponie?“ „Ja, ich fand, dass das zu dir passt“, grinste Johanna und Finnick schlug scherzhaft nach ihrem Knie. Schön, dass die alte Johanna durchblitzte. Vielleicht erholte sie sich langsam. Weniger schön, dass sie sofort wieder verschwand und der mürrischen, traurigen Johanna wich. “Hör mal…“, begann sie und rupfte Grashalme aus, die sie in den Händen zerpflückte. „Ich muss mit dir reden. Deswegen wollte ich weg von Leuten, von Kameras“, gab sie zu und vermied es ihn dabei anzusehen. Wortlos nickte Finnick, während ihn ein ungutes Gefühl beschlich. Es musste wirklich ernst und vor allem auch lange sein, wenn sie dafür extra aus der Stadt rausgemusst hatten. Aber er hatte schon geahnt, dass sie reden wollte. „Ich habe schon wieder einen Brief bekommen“, sagte Johanna und bestätigte damit das, was sich Finnick ohnehin schon gedacht hatte. Allerdings hatte er angenommen, dass sie endlich über ihren Vater reden wollte. Doch das Thema schien Johanna nach wie vor zu meiden. „Und noch einmal werde ich nicht drum herum kommen. Ich will auch gar nicht drum herum kommen und noch jemanden aus meiner Familie gefährden.“ Finnick verstand das. Immerhin ging es ihm genauso. Auch wenn Mags ja genau genommen nicht seine Familie war. Aber sie war alles, was er zu Hause hatte. „Wann?“, wollte er wissen und sparte sich mitleidige Worte, denn die würde Johanna sowieso nicht hören wollen. „Morgen Abend, wir gehen auf diese Einweihungsfeier von dem neuen Club“, antwortete Johanna unglücklich und sah kurz fragend auf, als wollte sie sich nach seiner Abendplanung erkundigen. „Ich werd auch da sein“, beeilte sich Finnick zu sagen, dem klar war, dass sie das wissen wollte und sofort erschien ein kleines Lächeln auf ihrem Gesicht. „Gut, ich hatte schon Angst alleine hinzu gehen“, gestand sie und Finnick konnte das nachvollziehen. „Ob das so gut ist? Besser wäre, keiner von uns wäre da“, entgegnete er trotzdem düster und trommelte mit den Fingern auf den Boden. „Sieh es so, du kannst einiges trinken, bevor ihr die Veranstaltung verlasst. Danach ist es leichten“, sagte er, als Johannas Miene sich wieder verdüsterte. Sie zuckte mit den Schultern. „Ja, vermutlich… aber..“ Finnick horchte auf, als sie zögerte und wieder den Blick senkte. „Jo?“, hakte er nach. Da musste schließlich mehr dahinter stecken. Denn das alles hätte sie ihm auch im Trainingscenter sagen können. Verwundert runzelte Finnick die Stirn. „Was noch?“, verlangte er zu wissen. Johanna seufzte hörbar und sah dann wieder auf. „Es wäre mein erstes Mal“, sagte sie und es war deutlich, dass ihr dieses Gespräch unangenehm war. Und Finnick fühlte sich auch nicht besonders wohl in seiner Haut. Warum nur konnte Johanna nicht mit einem Mädchen darüber reden? Mädchen redeten immer über so was. Aber er wollte eigentlich lieber nichts über solche Sachen erfahren. Es kam ihm vor wie ein großer Eingriff in ihre Privatsphäre. Besonders verwunderlich es das nicht mal, dass Johanna noch Jungfrau war. Immerhin war sie erst sechzehn Jahre alt. Er hatte ja auch vor seinem Einsatz als Liebhaber keine Erfahrungen gehabt. Bevor er vierzehn gewesen war, hatte er nicht daran gedacht und nach seinem Arenaaufenthalt war er ohnehin zu beschäftigt damit gewesen das Erlebte zu vergessen, um an so etwas überhaupt zu denken. Und gerade, als die Wunden angefangen hatten zu heilen, er wenigstens nicht mehr täglich aus Albträume erwachte und ein halbwegs normales Leben hätte beginnen können, hatte Snow ihn eingespannt. Sein erstes Mal war also auch an eine Dame aus dem Kapitol gegangen. Johanna schien auf eine Reaktion zu warten und Finnick musterte seine Knie intensiv, um sie nicht anzusehen. „Das ist scheiße“, sagte er schließlich und zupfte an dem Stoff der Leinenhose herum, die er trug. „War bei mir auch so“, fuhr er fort, als Johanna immer noch stumm wie ein Fisch blieb. „So sollte es eigentlich nicht sein.“ Mehr gab es dazu nicht zu sagen, fand Finnick und Johanna schnaubte wieder verächtlich. „Natürlich sollte es so nicht sein!“, stimmte sie ihm sofort zu. „Aber was willst du machen? Du kannst schlecht schon wieder nein sagen“, entgegnete Finnick und sah auf, als ihm ein schlimmer Gedanke kam. „Das hast du doch nicht vor, oder?“, informierte er sich mit einer gewissen Panik in der Stimme. Er war erst beruhigt als Johanna den Kopf schüttelte. „Nein“, murmelte sie leise und senkte den Kopf. „Das könnte ich nicht. Ich will nicht noch jemanden verlieren.“ Erleichtert atmete Finnick auf und tätschelte Johannas Knie. Er würde ungerne Zeuge davon werden, wie Johanna weiter Familienangehörige in Gefahr brachte. „Tut mir leid, Jo“, sagte er. Das arme Mädchen würde sich eben damit abfinden müssen, dass sie ihre Unschuld an einen Mann verlor, der dafür bezahlte. Keine schönen Aussichten und es bestand kaum die Chance darauf, dass Johanna das vergessen würde. „Ich hatte eine andere Idee“, gestand sie, den Blick immer noch auf das Gras gerichtet. „Welche?“, fragte Finnick und hob die Augenbrauen. Es konnte nichts Gutes dabei rauskommen. Wollte sie sich selbst etwas antun, um ihrem Schicksal zu entkommen? Hatte sie ihre Familie zur Flucht überredet? Je mehr Ideen ihm kamen, desto unguter wurde das Gefühl. „Jo, ich bin mir ziemlich sicher, dass es eine total beschissene Idee ist“, sagte er, als Johanna immer noch keine Antwort gab und damit das ungute Gefühl noch mehr steigerte. „Vermutlich. Aber das Einzige was mir eingefallen ist: Ich könnte vorher mit jemanden schlafen. Freiwillig. Damit sie mir nicht noch etwas wegnehmen können“, erklärte Johanna so leise, dass sich Finnick anstrengen musste, sie überhaupt zu verstehen. Und er musste zugeben, dass das kein so blöder Gedanke war. Der war ihm zumindest nicht gekommen. Aber er hätte auch niemanden gehabt, mit dem er hätte schlafen wollen. Anscheinend war das bei ihr ja anders. Blieb nur die Frage mit wem? „Jo, ich sag dir das nur ungern, aber so viel Zeit bleibt dir nicht. Du wirst so oder so mit einem der Kapitoler schlafen müssen. Du kannst jetzt nicht nach Distrikt Sieben“, erinnerte er sie und sprach absichtlich langsam, als wäre sie schwer von Begriff. Natürlich ruckte ihr Kopf hoch und sie schlug ihm halbherzig gegen die Stirn. „Das weiß ich auch, du Idiot“, informierte sie ihn, als er über ihren Tadel grinste. „Aber hier sind nicht nur Kapitoler.“ Finnick überschlug in Gedanken die Personen, die aus den Distrikten zu Gast in der Hauptstadt waren und die Johanna kennen könnte. Von den Siegern waren außer ihnen Gloss und Cashmere anwesend und Enobaria. „Gloss?“, fragte er daher irritiert und konnte nicht verbergen, dass er die Vorstellung irgendwie unschön fand. Er verzog das Gesicht. Er konnte Gloss nicht besonders gut leiden. „Jo, Gloss ist so… ihr würdet euch eher gegenseitig umbringen, als das…“ „Nicht Gloss! Odair, wie blöd bist du?“, unterbrach Johanna ihn ungehalten und starrte ihn ungläubig an, bis bei ihm der Groschen fiel und sich seine Augen weiteten. „Johanna!“, rief er entsetzt aus und lehnte sich von ihr zurück, während Johanna Mason doch tatsächlich rot wurde. Etwas, was Finnick niemals erwartet hätte. „Ich?“ Das war nicht ihr Ernst! Die Vorstellung alleine war noch ekelhafter als sie sich mit Gloss vorzustellen. Er schüttelte heftig den Kopf. „Das ist eine bescheuerte Idee! Dann geh lieber zu Gloss“, entschied Finnick und verschränkte die Arme vor der Brust, während Johannas Blick von wütend zu flehend wechselte. „Glaubst du, ich finde das besonders toll?“, entgegnete sie jetzt wieder niedergeschlagen. „Anscheinend! Du schlägst es ja vor!“ Finnick schüttelte wieder den Kopf. Das war einfach eine zu abgedrehte Situation. Sie hatte doch geklärt, dass sie nur Freunde waren. Weder er noch Johanna fanden den jeweils anderen auf einer mehr als platonischen Ebene anziehend und das sollte bitte auch so bleiben. Er wollte seine Freundin schließlich nicht verlieren, nur weil sie ganz plötzlich auch mit ihm schlafen wollte, wenn auch aus etwas anderen Gründe als der Rest der Welt. „Überschätz dich mal nicht, Odair. Ich finde dich so attraktiv wie ein blindes Eichhörnchen. Aber du bist mein einziger Freund hier. Der Einzige, dem ich vertraue. Ich könnte gar keinen anderen fragen… Finnick… ich will nicht, dass das Kapitol alles von mir bekommt. Ich drehe hier durch“, schlug Johanna eine ganz andere Richtung ein. Ihre Stimme klang flehend und Finnick seufzte nachgebend, weil er durchaus die Intention verstand. „Das versteh ich ja. Ich versteh das sogar ziemlich gut. Aber deswegen kannst du doch nicht einfach mich fragen! Du hättest einen Jungen bei dir zuhause fragen sollen. Da sind doch bestimmt Typen, die du magst“, versuchte sich Finnick herauszureden. Immerhin lag ihm nichts ferner als mit Johanna Mason zu schlafen. Er genoss ihre Gesellschaft, gerade weil sie nichts mit Sex zu tun hatte. Doch Johanna verdrehte die Augen. „Oh ja, weil ich so viele Freunde habe. Ich bin nicht gerade der herzliche Typ, Finnick. Und selbst wenn ich es wäre, wie viele Freunde hast du denn zu Hause?“, wiedersprach sie ihm wieder genervter. „Ne Menge! Mags! Und… Jemba und…“ „Das sind Sieger“, unterbrach Johanna ihn sofort. „Wie viele normale Freunde hast du?“ Jetzt war es an Finnick, die Lippen auf einander zu pressen und zu schweigen. Das war ein guter Einwand und Johanna wusste so gut wie er, dass er keinen Namen mehr nennen konnte. Früher hatte er viele Freunde gehabt. Doch seit er die Hungerspiele gewonnen hatte, wirkte es manchmal als würden die anderen Kinder ihn absichtlich übersehen. Mags hatte einmal gesagt, dass sie ein wenig Angst hätten, nachdem sie ihn bei seinen Spielen gesehen hatten. Und als er vor einem Jahr anfing sich mit allen möglichen Frauen einzulassen, hatte er auch den letzten Rest seiner Freunde verloren. „Siehst du!“, triumphierte Johanna. „Wir haben aber nicht so viele Sieger und schon gar keine in meinem Alter.“ Finnick hob beschwichtigend die Hände. „Okay, du hast Recht. Aber das ist doch wirklich… Jo, das kann ich nicht“, lehnte er trotzdem ab und zuckte überrascht zusammen, als Johanna nach seinen Händen fasste. „Bitte, Finn…“ „Wir sind doch nur Freunde, haben wir gesagt. Ich will nicht mit dir schlafen, Jo“, entgegnete Finnick jetzt fast schon verzweifelt. Verstand sie das denn nicht? Wenn sie weiter so traurig und verzweifelt aussah, würde ihn das noch völlig fertig machen. „Du bist nicht hässlich oder so. Aber wir sind nur Freunde…“, fuhr Finnick unbeholfen fort. Johanna verdrehte die Augen, als sich Finnick abmühte ihr einen äußert netten Korb zu geben. „Du schläfst mit all diesen Frauen, die du verabscheust…Warum dann nicht mit mir?“ Finnick wollte ihr am liebsten seine Hände entziehen, hatte allerdings auch Angst, dass Johanna dann wütend werden würde. Denn kränken wollte er sie auch nicht, obwohl ihm das alles schrecklich unangenehm war und er sich in die Enge gedrängt fühlte. „Das ist doch Erpressung“, sagte er leise. „Nein, nur eine Bitte!“, entgegnete Johanna sofort und ihre Augen wurden größer. „Finn, es war eine Frage. Weil mir nichts anderes eingefallen ist. Ich bin…“ Sie suchte nach Worten und wirkte zum ersten Mal nicht flehend oder wütend, sondern entsetzt. „…wirklich verzweifelt“, beendete Finnick ihren Satz, als Johanna nach Worten suchte. Sofort hoben sich ihre Mundwinkel ein wenig. „Anscheinend. Wenn ich schont mit dir schlafen will“, stimmte sie zu und Finnick musste ebenfalls ein wenig grinsen. Eine Johanna, die ihn beleidigte war ihm viel lieber, als eine Johanna, die mit ihm schlafen wollte. „Du musst das nicht tun. Wirklich nicht. Aber fragen kostet nichts“, versicherte Johanna ihm. „Dich würde auch der Rest nichts kosten, wo du doch nicht den formellen Weg gegangen bist“, entgegnete Finnick und wieder zuckten ihre Mundwinkel. Es war immer besser eine ernste Situation mit Witzen zu umspielen. Finnick war ein großer Fan davon. „Hör zu, ich überleg es mir“, schlug er vor, weil sie ihm wirklich Leid tat. Und er war sich nicht sicher, ob er nicht auch gefragt hätte, wenn er die Möglichkeit dazu gehabt hätte. Immerhin war das eine legale Methode dem Kapitol eins auszuwischen und ihm etwas vorzuenthalten. Eine Möglichkeit der kleinen Rebellion um zu beweisen, dass man immer noch sein eigener Herr war. Kein Wunder, dass ausgerechnet Johanna der Gedanke gekommen war. Außerdem konnte er Johanna auch nicht im Stich lassen. Sie hatte ja Recht damit, wenn sie sagte, dass er mit so vielen Frauen schlief, die er nicht mal leiden konnte und dass er dann auch mit ihr schlafen könne. Sie konnte er ja durchaus leiden. Man sollte meinen, dass gerade für ihn diese Bitte nicht groß war. Johanna nickte. „Ich weiß, es ist viel verlangt…“ „Das stimmt“, sagte Finnick sofort und drückte ihre Hände aufmunternd, während sich seine Gedanken und Gefühle überschlugen. Er verstand die Beweggründe durchaus. Und er verstand auch, wieso Johanna auf ihn gekommen war. Er war der einzige Sieger, dem sie soweit vertraute und sie waren tatsächlich gute Freunde geworden. Finnick war sich ziemlich sicher, dass Johanna nicht auf ihn stand, was beruhigend war. Aber er hatte trotzdem Angst, dass sich dadurch ihre Freundschaft veränderte. Und er wusste absolut nicht, wie er sich richtig entscheiden sollte. ________ http://happy-hunger-games.forumieren.com/ Kapitel 6: It’s getting hot in here ----------------------------------- 6. Kapitel: It’s getting hot in here Unsicher klopfte Finnick an Johannas Tür. Wieder mal war sie die Einzige, die das siebte Stockwerk bewohnte. Die wenigen anderen Sieger aus ihrem Distrikt wurden nie zwischen den Spielen ins Kapitol gerufen. Wie glücklich die sich schätzen konnten! „Was?“, ertönte ihre genervte Stimme von drinnen und Finnick öffnete die Tür. Er hatte seitdem er von ihrem Ausflug zurückgekehrt war über Johannas Bitte nachgedacht, und war endlich zu einer Entscheidung gekommen. Nur wie sollte er das Johanna beibringen? Johanna sah von einer Zeitschrift auf und warf sie schließlich achtlos fort. Was Ordnung anging war sie schlicht und ergreifend ebenso penibel, wie er selber. Nämlich gar nicht. „Finn“, stellte sie verwundert fest, als hätte sie nicht mit ihm gerechnet. Dabei musste sie das getan haben. Immerhin war er ihr eine Antwort schuldig. Und sie würde doch nicht so wenig von ihm halten, dass er sie einfach hinhalten würde, bis es ohnehin zu spät war? Sie setzte sich aufrecht hin und musterte ihn fragend. Sie wartete nur all zu offensichtlich auf die Antwort, jetzt wo er auf einmal relativ unsicher mitten im Zimmer stand. Noch unsicherer ging er zum Bett, auf dem Johanna sich bereit gemacht hatte, und setzte sich ihr gegenüber auf die Matratze, weil er es leid war wie ein schüchterner Schuljunge in der Mitte des Raumes zu stehen. Er war immerhin Finnick Odair und wenn er eins konnte, dann mit Frauen umgehen! „Ich hab mich entschieden“, informierte er sie und Johanna nickte. Das war mit Abstand die peinlichste Situation, in der er je gesteckt hatte. Und das wollte etwas heißen! „Und?“, fragte Johanna, die in diesem Moment ebenfalls nicht besonders selbstsicher wirkte. Sie wirkte neugierig, hoffnungsvoll und ängstlich zugleich. Und vielleicht auch ein wenig verlegen. Vielsagend hielt Finnick erst eine Flasche mit grüner Flüssigkeit hoch, die er eben erstanden hatte. „Alkohol“, sagte Johanna trocken und zog die Augenbrauen hoch. „Ich bin nicht klüger als vorher. Deswegen noch mal: Und?“, fügte sie hinzu und er konnte die Ungeduld aus ihrer Stimme heraus hören. Deswegen hob er die andere Hand hoch, in der er zwischen seinen Fingern ein Kondom in die Höhe hielt. Ein peinliches Schweigen entstand, in dem Johanna erst das Kondom anstarrte und dann ihn. Ganz automatisch wurde Finnick rot und wünschte sich, er hätte doch einfach abgelehnt. Was für eine blöde Idee von ihr! Das konnte doch alles nur furchtbar peinlich enden! Jetzt kam er allerdings nicht mehr aus der Nummer raus. Aber er hatte auch keine andere Wahl gehabt. Finnick konnte sich vage vorstellen, was es Johanna an Überwindung gekostet haben musste, ihn zu fragen, ob er ihr diesen Gefallen tun könnte. Und wie konnte er sie da einfach sitzen lassen? Immerhin war er wirklich der Einzige, der ihr gerade weiterhelfen konnte. Deswegen hatte sich Finnick auch dazu entschlossen, ihrer Bitte nach zu kommen, auch wenn er immer noch nervös deswegen war. Mit fremden, ihm verhassten Frauen zu schlafen, war etwas ganz anderes, als mit einer Person zu schlafen, die er zwar gern hatte, aber eben nicht auf diese Art und Weise. Ihm war bewusst, dass das zwischen ihnen stehen könnte. „Danke, ich weiß, das ist wirklich…“, begann Johanna und zupfte an der Bettdecke herum. Das war auf keinen Fall das freche Mädchen, das ihm andauernd Beleidigungen an den Kopf warf, und auch nicht seine engste Vertraute, sondern eine unsichere, schüchternen Johanna Mason. Und das konnte Finnick gar nicht ertragen. Er wollte nicht, dass sich irgendetwas zwischen ihnen änderte. „Viel verlangt. Deswegen ja auch der Alkohol“, unterbrach Finnick sie und Johannas Gesichtsmimik wechselte von verlegen zu amüsiert, was wesentlich besser war. Wenn sie alles mit Humor nahmen konnten sie ihre Freundschaft vielleicht doch retten. „Gut, den brauche ich eindeutig, wenn ich mit dir schlafen werde.“ Jetzt grinste auch Finnick wieder und hantierte an dem Schraubverschluss der Flasche, bevor er Johanna zu prostete und einen großen Schluck nahm. Noch während er hustend nach Luft rang, nahm ihm Johanna die Flasche ab und nahm ebenfalls einen großzügigen Schluck. Selbst sie schüttelte sich angewidert und dabei schien sie im Allgemeinen viel mehr Alkohol zu trinken als er. Sie war auch weniger zimperlich. Während bei Finnick alles besonders süß schmecken musste, war es Johanna normalerweise egal, ob etwas bitter war oder nicht. „Was ist das?“, fragte sie mit vor Ekel verzogenem Gesicht. „Das Stärkste, was sie da hatten“, informierte Finnick sie, bevor er wieder die Flasche an den Mund setzte. Nach ein paar Schlucken wurde es zwar angenehmer das Zeug zu trinken, aber er wusste auch, dass er nicht zu viel davon zu sich nehmen sollte. Er griff da auf einiges an Erfahrung in diesem Gebiet zurück. Deswegen nahm er auch Johanna die Flasche weg, bevor sie sich ernsthaft betrank. Ein Schwipszustand war genau das Richtige. Auf jeden Fall wollte er vermeiden, dass ihnen beiden schlecht wurde, wenn sie weiter tranken. „Wir lassen das Licht besser aus“, fand Finnick, der das Ganze nicht weiter rauszögern wollte, und sah sich nach dem Lichtschalter um, während Johanna ihn spöttisch musterte. „Irgendwas zu verstecken?“, fragte sie in ihrem altgewohnten Tonfall. „Ja, dich“, entgegnete Finnick mit einem übertriebenen Lächeln. Einfach weiter Witze machen, auch wenn die Situation schrecklich peinlich war. Das war gar nicht so verkehrt. Und wenn er das richtig sah, war Johanna ziemlich nervös. Da war es auch nicht verkehrt sie abzulenken. „Gar nicht mal schlecht, Odair“, lobte Johanna ihn für diesen Gegenschlag. „Dabei habe ich nicht mal angefangen“, entgegnete Finnick und wackelte selbstgefällig mit den Augenbrauen. Wieder lachte Johanna und zog sich ihr Shirt über den Kopf und gab damit die Blick auf ihren BH und viel nackte Haut frei, womit Finnick nicht gerechnet hatte. Jedenfalls noch nicht. Nur kurz musterte Finnick sie. Gesehen hatte er Johanna sowieso schon in Unterwäsche. Trotzdem waren die Umstände damals anders gewesen. Schnell wandte er den Blick wieder ab und entledigte sich auch seines weißen Shirts, während Johanna verstohlen zu ihm hinüber sah, was sie beide wieder verlegen auflachen ließ. Ohne sich weitere Blicke zuzuwerfen und völlig auf sich konzentriert zogen sie sich beide aus und Finnick wünschte sich wirklich, dass sie einfach das Licht ausgemacht hätten. Aber nach Johannas provozierenden Worten wollte er auch nicht klein beigeben. Aber er wollte lieber keine Bilder vor Augen haben. Wie Johanna nackt aussah, war etwas, das er wieder verdrängen wollte. Um ihrer Freundschaft Willen… Auch wenn das gar nicht so übel war, was er da zu sehen bekam. Ein kurzer Seitenblick genügte, um fest zu stellen, dass die kleine Siegerin durchaus weibliche Kurven hatte. Sie musste ihr Bestes tun, um das zu verstecken. Denn bisher hatte Finnick selten richtig weibliche Züge an Johanna gesehen. Ihr Blick schien ebenfalls auf ihm zu ruhen, wie Finnick feststellte, als seine Augen endlich ihr Gesicht erreichten. Ein verlegenes Grinsen schlich sich auf sein Gesicht und der Ausdruck spiegelte sich in Johannas Miene wieder. Es war eben doch peinlich, wenn sich zwei wirklich gute Freunde vor einander auszogen und sich dann auch noch recht attraktiv fanden. Und wieder überkam ihn der Gedanke, dass das Ganze eine sehr, sehr dumme Idee gewesen war. „Odair, das ist wirklich nicht so abstoßend, wie ich dachte“, gab Johanna zu und lockerte damit die Stimmung, wofür Finnick ihr dankbar war und sofort auf den Zug aufsprang, während er nicht recht wusste, wohin mit einen Händen. In die Seiten stemmten würde ziemlich dämlich aussehen, sich zu bedecken schied auch sofort aus. Also hingen seine Arme einfach nur schlaff herab, während Johanna ihre lässig vor der Brust verschränkte. „Danke, ein großes Kompliment aus deinem Mund also“, fand Finnick und versuchte angestrengt nicht rot zu werden. Er wurde zwar eigentlich nicht mehr rot, wenn er sich vor anderen nackt präsentierte. Aber immerhin war das Johanna. Eine ganze andere Sachlage also. „So groß nun auch wieder nicht“, entgegnete Johanna sofort in einem provozierenden Tonfall und Finnick verdrehte die Augen, froh darüber, dass sie die peinliche Situation mit ihrem typischen Humor beendet hatte. Dann schloss er die Augen. „Hey? Was machst du? So sehr kann dich das nicht getroffen haben“, hörte er Johannas Stimme, die doch wieder unsicher klang. „Unsinn, ich versuche mir nur etwas Anziehendes vorzustellen, damit das hier überhaupt funktioniert“, gab Finnick zurück und lachte auf, als ihn ein Kissen im Gesicht traf. „Arschloch“, kommentierte Johanna, während Finnick das Kissen zurück warf und die Decke beiseite schob, um sich ins Bett zu legen. Wenn sie weiterhin wie Salzsäulen herum standen, würde es nicht besser werden. Sondern eher immer peinlicher. „Folgende Regeln“, begann Finnick, als er sich in Johannas Bett legte, während sie doch zum Lichtschalter huschte und er dabei die Decke anstarrte, obwohl er Johanna ohnehin schon ganz gesehen hatte und gleich auch spüren würde. Aber wenigstens würde dabei das Licht aus sein. „Keine Spuren hinterlassen.“ Er deckte sich zu, bevor das Licht ausging und Johanna sich auf den Rückweg machte. „Pfui“, kommentierte sie diese Regel. Das war zumindest wichtig. Denn Finnick wusste nicht wie der Präsident darauf reagieren würde, wenn einer von ihnen irgendwelche Spuren aufweisen würde, die nicht von einem Arrangement kommen konnten. „Du verliebst dich nicht in mich und verlangst nicht, dass wir das noch mal tun“, fuhr Finnick ungerührt fort. Er glaubte zwar nicht, dass Johanna sich in ihn verlieben würde, aber sicher war sicher. Sie war ihm zu wichtig, als dass eine blöde Romanze die Freundschaft zerstören sollte. „Doppelt Pfui“, hörte er Johanna und er spürte, wie sich die Matratze senkte, als sie sich zu ihm legte. Noch wahrten sie einen sicheren Abstand und berührten sich nicht. „Wir fangen nicht an rumzuknutschen“, schlug sie dann vor und Finnick fand die Idee sogar verdammt gut. „Okay“, stimmte er ihr zu. Keine Küsse, keine richtige Zuneigung. Jedenfalls redete er sich das ein. Das klang ziemlich perfekt. „Dann also…“, murmelte Johanna und die Unsicherheit in ihrer Stimme ließ sich nicht verbergen, während sie sich zu ihm hinüber lehnte. „Dann also“, gab Finnick zurück und drehte sich Johanna zu. Ihre nackten Brüste berührten seine Brust und auch ohne Licht konnte Finnick den unsicheren Ausdruck in ihrem Gesicht sehen. Jetzt bekam er fast wieder ein wenig Mitleid mit Johanna. Denn egal, wie selbstsicher sie oft tat, wusste Finnick ja immerhin, dass es ihr erstes Mal werden würde. Und es war nur normal, dass man davor aufgeregt war. „Keine Panik. Ich kenn mich aus“, versicherte er ihr, in einem Versuch sie zu beruhigen und Johanna lachte tatsächlich. „Was du nichts sagst“, gab sie in ihrem saloppen Tonfall zurück, der Finnick grinsen ließ. „Wird es wehtun?“, erkundigte sich Johanna und schlang gleichzeitig ihr Bein um seine Hüfte, womit Finnick nicht gerechnet hatte. Überrascht zog er die Luft ein. Er hatte eher damit gerechnet, dass sie noch ein Gespräch führen würden. Aber vielleicht wollte Johanna das Ganze nicht länger hinauszögern und vor allem keine Unsicherheit zeigen. „Vermutlich“, antwortete er, als Johanna leise lachte, weil sie ihn überrascht hatte. „Vermutlich?“, hakte sie nach. Und jetzt lachte Finnick auf und legte die Hand an ihre Taille. Johannas Haut war weicher als er angenommen hatte. Er fuhr ihre Kurven mit der Hand nach. „Mir nicht, also woher soll ich das wissen?“, entgegnete er, als durch Johannas Körper ein Ruck ging und sie ihn mit ihrem angewinkelte Beine näher zog. Ihre Unterkörper schmiegten sich an einander und Finnick senkte den Blick, um Johanna nicht in die Augen sehen zu müssen, während er wieder ein Keuchen von sich gab. Johanna hin oder her, sie war attraktiv und es war erregend, wenn sich Finnick nicht darauf konzentrierte wie peinlich alles war, sondern lediglich auf ihren Körper. „Klingt ziemlich egoistisch. Ich sag dir was: Wenn du mir wehtust, tu ich dir weh, Odair“, prophezeite sie selbstbewusst und keuchte dann auf, als Finnick seine Hand zu ihrem Busen führte. „Sicher doch“, gab er wenig beeindruckt zurück. Erstens glaubte er nicht an diese Prophezeiung und Zweitens wäre das nicht mal etwas Neues für ihn, dass ihm jemand weht tat. Es war erstaunlich, wie still Johanna Mason werden konnte. Nur ganz vorsichtig ließ Finnick seine Finger über die weiblichen Runden gleiten. Er wollte nichts überstürzen, denn dann hätte Johanna ebenso gut jemand anderen fragen können. Nicht nur, dass Finnick einen Ruf zu verteidigen hatte, er wollte auch nicht, dass es unangenehm für Johanna war. Während sie die Lippen auf einander presste, drängte sich ihr Körper seinem immer mehr entgegen, bis sie plötzlich die Nase voll zu haben schien und sich gegen ihn warf. Perplex ließ Finnick sich auf den Rücken rollen und sah amüsiert zu ihr auf, als sie sich über ihn beugte. Im Grunde schien das eine vorhersehbare Reaktion zu sein. Johanna war jemand der selber bestimmen wollte wo es lang ging. Und nach kurzer Orientierungsphase schien sie sich dessen auch wieder bewusst zu werden. Deswegen auch der triumphierenden Gesichtsausdruck in ihrem Gesicht, der ein Grinsen bei Finnick hervorrief. „Wirklich beein…“, setzte Finnick gespielt gelangweilt an, um Johanna zu ärgern, brach dann in einem Keuchen ab. „Beeindruckend?“, half Johanna ihm auf die Sprünge, als sie ihr Becken noch einmal provokativ bewegte und Finnick sich an ihren Ellenbogen festhielt, während seine Becken sich ihrem entgegen drängte. Er konnte den Blick von Johanna nur zu deutlich spüren. Mit einer Mischung aus Genugtuung und Neugierde verfolgte sie seine Reaktionen und er musste ihre Arme fest packen, als sie ihr Becken kreisen ließ, weil sie anscheinend ganz richtig vermutete, dass ihm das gefallen würde. Weil Johannas Arme aber bei weitem nicht so interessant waren, wie ihre Brüste, ließ er schnell von ihren Armen ab und richtete sich auf. Kein Problem für Finnick, der über erstaunliche Bauchmuskeln verfügte. Überrascht klammerte sich Johanna an seinem Nacken fest, um nicht wieder auf dem Rücken zu landen. „Ein bisschen beeindruckend vielleicht“, gab Finnick grinsend zurück und gab dabei nicht zu, dass er nichts dergleichen erwartet hatte, sondern eine eher passive Johanna. Er brachte Johanna dazu aufzustöhnen, als er mit der Zunge über die empfindliche Haut ihrer Brüste leckte. Nicht gerade sanft zerrte Johanna an seinen Haaren und Finnick sah sich gezwungen aufzuschauen. „Mhm?“, machte er verwirrt, bevor er Johannas Hand in seiner Taille spürte. Aufreizend langsam bahnte sie sich einen Weg nach unten und Johannas Mundwinkel bogen sich zu einem Lächeln nach oben, als es dieses Mal Finnick war, der aufstöhnte, als ihre Hand ihr Ziel erreicht hatte. Nicht, dass es ihm nicht gefiel, was Johanna da tat, aber seine Gesichtsmimik musste sie dabei wirklich nicht beobachten. Auch wenn sie ihn allem Anschein nach als Forschungsobjekt betrachtete. Ungeduldig riss Finnick seine Haare wieder frei und kehrte zu seiner ursprünglichen Beschäftigung zurück, bis sie beide immerhin wieder unterdrückt aufstöhnten und atemlos wurden. Finnick drückte sie an der Schulter herum, bis sie schließlich von ihm abließ und er die Gelegenheit nutzte, sie wieder auf den Rücken zu befördern. Johannas Augen funkelten angriffslustig, vermutlich weil sie sich das nicht gefallen lassen wollte. Die Hände immer noch auf ihren Schultern presste Finnick sie fester ins Laken und fuhr mit der Zunge wieder über ihre nackte Brust, bevor er sich einen Weg weiter abwärts bahnte und Johanna wieder aufkeuchte. „Warte“, kam es eher wimmernd von ihr und Finnick hob fragend den Kopf. „Was?“, wollte er irritiert wissen. Denn das hatte er tatsächlich in dieser Situation noch nie von einer Frau gehört. „Tu das nicht… das ist… doch seltsam“, murmelte Johanna und Finnick konnte nicht mal verhindern, dass er belustigt grinste. Schnell versuchte es seine Mimik unter Kontrolle zu bringen, als er Johannas wütendes Gesicht sah. Er durfte eben nicht vergessen, dass sie keinerlei Erfahrungen hatte. „Du meinst hoffentlich nicht meine Fähigkeiten“, entgegnete er und lachte, als Johanna ihr Knie gegen seine Rippen stieß. „Okay, okay… es ist nicht seltsam. Es ist eher Routine“, gab Finnick zu und wieder traf Johannas Knie ihn. „Ich bin keine Routine, Odair“, beschwerte sich Johanna und schnappte dann nach Luft, als er die Zunge wieder auf ihren Oberschenkel senkte und zu dessen Innenseite wanderte. „Wenn es dir allerdings so unangenehm ist… ich könnte aufhören, Jo“, ließ Finnick sie wissen, als er mit der Zunge kurz über ihren Schambereich strich und Johanna laut aufstöhnte. Grinsend sah er zu Johanna auf, wurde jedoch sofort wieder hinunter gedrückt. „Halt einfach den Mund, Odair“, fluchte sie keuchend und erschauderte, als Finnicks Lachen sie kitzelte. Denn er hatte nicht wirklich damit gerechnet, dass sie noch Bedenken äußern würde. So gut kannte er sich inzwischen dann doch mit Frauen aus und war sich seines Könnens durchaus bewusst. Schmerzhaft krallte sich Johanna in seine Schultern und Finnick verdrehte die Augen, unterließ es aber, sie darauf hinzuweißen, dass sie so eben eine der Regel brach und Spuren auf ihm hinterließ. Allerdings schien sie das nicht ganz wahr zu nehmen, weshalb er ihr verzieh. Immerhin konnte er das wieder als kleines Kompliment verbuchen. „Finnick“, jappste Johanna und zerrte wieder an seinen Haaren. Sie hatte eine unmissverständliche Art ihn dazu zu zwingen, den Kopf zu heben. Ein Glück, dass er keine Probleme mit Haarausfall hatte. Kaum gab Finnick dem Drängen nach und rutschte ein Stück weiter nach oben, wie Johanna forderte, versuchte sie wieder die Oberhand zu gewinnen. So wie Finnick die Sachlage einschätzte hatte Johannas Dickschädel wieder die Führung übernommen und für sich entschieden, dass sie lange genug einfach nur dagelegen hatte. Sicher konnte sie das nicht mit ihrem herrischen Wesen vereinbaren. Denn sie versuchte wieder ihn auf den Rücken zu drehen. „Warte! Jo! Da ist das…“ Doch seine Warnung konnte er nicht einmal ganz aussprechen, da schob sie ihn bereits über die Bettkante. Fluchend rieb sich Finnick die Schulter. „Bett zu Ende. Da war das Bett zu Ende, wollte ich dir sagen“, beschwerte er sich und sah zu Johanna auf, die ihren irritierten Gesichtsausdruck abgelegt hatte und jetzt amüsiert auf ihn hinunter starrte. „Tut mir leid“, erwiderte sie und Finnick konnte deutlich hören, dass sie nicht zu lachen versuchte, was ganz und gar nicht danach klang, als würde es ihr wirklich leid tun. „Du hast mich von der Bettkante gestoßen!“, empörte sich Finnick immer noch ungläubig, während Johanna jetzt wirklich in Gelächter ausbrach und die Hand auffordernd ausstreckte, um in wieder auf das Bett zu ziehen. „Passiert dir nicht so oft, wie?“, erkundigte sie sich. Immer noch etwas genervt nahm Finnick die Hand an und setzte sich auf die Bettkante, während Johanna das Kinn auf seine Schulter legte. „Dafür verlangen sie dann bald Geld? Die armen Menschen sollten Schadensersatz verlangen“, brummte er, während Johanna immer noch amüsiert war und er ihr Kichern an seinem Ohr hörte. Finnick musste zugeben, dass auch er die Situation wenigstens ein bisschen komisch fand. „Ich hab dir ja gesagt, dass ich dir wehtue, wenn du mir weh tust“, erinnerte sie ihn und ganz kurz fragte sich Finnick, ob sich Johanna schon vollkommen an die Situation gewöhnt hatte und weniger verlegen war, wo sich doch scheinbar ganz sie selbst war und dumme Sprüche von sich gab. Auch die Verlegenheit war inzwischen verschwunden. „Ich hab dir nicht wehgetan. Im Gegensatz zu dir. Du bist brutal“, beklagte sich Finnick und lachte auf, als Johanna ihm einen leichten Schlag auf den Hinterkopf gab. „Du bist eine Memme, Odair“, informierte sie ihn, strich dann allerdings erstaunlich sanft über die Kratzspuren auf seiner rechten Schulter. „Und du bist ein furchtbarer Mensch“, entgegnete Finnick und seufzte resigniert, als Johanna ihn auf die Matratze drückte und mit den Schultern zuckte. „Ich weiß“, stimmte sie zu und ihre Hand, die eigentlich sogar viel zierlicher war, als Finnick immer gedacht hatte, wanderte über seine Brust und hinterließ ein Kribbeln an jeder Stelle, die sie berührte. Mit einem zufriedenen Seufzen gab er Johanna zu verstehen, dass sie das Ganze gar nicht mal so schlecht machte, wenn sie nicht gerade versuchte ihm Schaden zuzufügen. Lässig auf der Seite liegend, stütze Johanna ihren Kopf mit der linken Hand ab und Finnick wandte den Kopf, nur um in ihr selbstzufriedenes Gesicht zu schauen. „So schwer ist das alles nicht“, bemerkte sie, während ihre Finger Kreise um seine Burstwarze zogen. Finnick beschloss es zu unterlassen sie darauf hinzuweisen, dass sie bisher auch nicht so viel getan hatte. Jedenfalls nichts besonders Schwieriges. Aber das klang selbst in seinen Ohren zu gemein und überheblich. Und der Sinn und Zweck dieser Sache war auch, das nächste Mal für Johanna so erträglich wie möglich zu machen. Mit Leistungsdruck würde es nicht besser werden. Und wenn er sich vor Augen führte, dass die Situation äußerst peinlich war und außerdem vollkommen neu für Johanna, machte sie das wirklich gut. Kurz fragte sich Finnick ob Johanna auch irgendwelche Tipps erwartete. Denn da war er ihr schon ein volles, langes Jahr voraus und er hatte die unterschiedlichsten Vorlieben kennengelernt. Aber andererseits wollte er vor ihr nicht den Lehrer spielen. Das würde alles noch peinlicher und irgendwie auch perverser machen, als es sowieso schon war. Gerade, als Finnick die Angst beschlich, dass ihre Freundschaft durch diese Sache doch Schaden nehmen würde, verbannte Johanna alle Gedanken aus seinem Kopf, in dem sie ihren Hand tiefer wandern ließ. Seine Bauchmuskeln zuckten, als Johanna darüber strich und er stöhnte auf, als sie dort nicht Halt machte, sondern ihre Hand erneut um ihn schloss. Finnick wandte das Gesicht wieder von ihr ab, während Johanna mit ihrer Auf- und Abbewegung fortfuhr. Ganz plötzlich unterbrach sie sich und richtete sich auf. So dass auch Finnicks Augen wieder aufflogen und er sie fragend musterte. Für sie war das alles Neuland, aber trotzdem irritierte es Finnick, dass sie so plötzlich aufhörte. Vor allem, weil er Johannas Gedanken nicht ergründen konnte. „Jo?“, fragte er und musterte sie. Doch anstatt auf ihn zu reagieren, stieg Johanna vom Bett. Jetzt war Finnick wirklich beunruhigt und richtete sich auf. „Johanna, alles in Ordnung?“, erkundigte er sich. Immerhin war ja alles möglich. Und Finnick wollte wirklich nicht Schuld daran sein, dass es ihr nicht gut ging. Auch wenn er genau genommen nichts getan hatte. Aber wer wusste schon, was in Johanna Mason vorging. „Klar“, entgegnete sie augenrollend und ging vor ihm in die Knie. Sprachlos beobachtete Finnick sie dabei, wie sie erneut über seine Oberschenkel strich und dann wieder über seinen Intimbereich streichelte. „Ich will nur was ausprobieren“, informierte sie ihn und starrte ziemlich lange auf seine Lenden, sodass es ihm schon unangenehm wurde. Nicht, dass er etwas zu verstecken hatte, aber so wie Johanna darauf starrte, hatte er eher das Gefühl sie würde ein ekliges Tier anstarren. Und dann begriff Finnick, was in Johannas Kopf vorgehen musste. „Jo, lass gut sein“, bemerkte Finnick und hob ihr Gesicht mit der Hand an. „Das ist doch Blödsinn. Komm wieder her“, forderte er und schüttelte ungläubig den Kopf, weil Johanna überhaupt darüber nachdachte, so etwas zu tun. Jetzt verstand er ihre Bedenken, die sie vorhin geäußert hatte. Miteinander zu schlafen war eine Sache, aber das war noch einmal etwas anderes. „Nein, besser zuerst du, als irgendein ekliger Kerl aus dem Kapitol“, widersprach Johanna, schien aber mit sich zu ringen, ob sie sich wirklich überwinden konnte. Nicht gerade viele Frauen, mit denen Finnick es zu tun hatte, taten so etwas. Aber es ging ja auch darum, dass er Gefallen bereitete und nicht andersherum. „Ehrlich gesagt, machst du mir aber Angst. Du siehst aus, als würdest du planen mit einem Schuh draufzuschlagen, wie Frauen das mit Insekten tun“, sagte Finnick und wollte sie wieder zu sich auf das Bett ziehen, als Johannas Zunge erschien. Er hielt in der Bewegung inne und erschauderte, als er ihre nasse Zunge auf der Haut spürte. Als Johanna noch einmal, langsamer über das erhitzte Fleisch leckte, stöhnte Finnick auf. Seine Hände sanken rechts und links von ihr auf die Bettkante, wo er sich festhielt, als Johanna das neu Erlernte noch ein paar Mal wiederholte, bevor sie den Mund öffnete und Finnicks Hände zu ihren kurzen Haaren schnellten. Seine Beine schienen nur noch aus Wachs zu bestehen und er warf den Kopf in Ekstase zurück. Wie durch lautes Rauschen konnte er ein selbstzufriedenes Brummen von Johanna hören und ihre Lippen vibrierten. Froh, darüber dass niemand außer ihnen auf der Etage war, musste Finnick nicht versuchen sein Stöhnen zu unterdrücken und ließ sich wieder auf die Matratze sinken. „Jo…“, keuchte er und zog nun seinerseits an ihren Haaren. Nur im Gegensatz zu ihm, hörte sie deswegen nicht auf. „Johanna“, wiederholte er deswegen eindringlicher und zog heftiger an den Haaren, während sein Becken schon verdächtig zuckte. Und so verlockend der egoistische Gedanke auch war, würde Finnick sich danach schrecklich mies fühlen, wenn er Johanna nicht vorwarnen würde. „Hör auf!“ Endlich sah sie auf und war jetzt ihrerseits verwirrt. „Warum?“, fragte sie, während Finnick zu Atem kam. Ihr Atem ging gegen die nun feuchte Haut und Finnick keuchte erneut leise auf. „Kurze Pause…“, forderte er mit rauer Stimme. Eines stand jedenfalls fest, so konnten sie nicht weiter machen. Denn das war wirklich zu viel verlangt in einer Freundschaft, fürchtete er und zog Johanna neben sich wieder auf das Bett. „Pause?“, wiederholte sie ungläubig. „Nur kurz“, versicherte Finnick ihr und wandte sich zum Nachttisch um, wo immer noch die Kondompackung lag. Mit geübten Fingern öffnete er die Packung und Johanna sah ihm dabei interessiert zu. Kaum dass er sich das Kondom übergezogen hatte, klopfte er einladend neben sich auf die Kissen und Johanna folgte dem Wink. Sobald sie dort lag, erschien der unsichere Ausdruck wieder auf ihrem Gesicht und Finnick seufzte. „Keine Panik. Ich bin vorsichtig“, versprach er ihr und war beinahe verwundert, dass sie einfach nur wortlos nickte. Mit der rechten Hand strich er über ihr Becken, bevor er zwischen ihre Beine fasste und Johanna wieder zum Stöhnen brachte. Erst nach einer Weile kniete sich Finnick über sie, bevor er sich auf Johanna legte, seine Erektion dabei gegen ihren Schambereich pressend. „Okay?“, fragte er. „Okay“, bestätigte Johanna leise und nicht ganz überzeugend. Aber richtig überzeugt davon würde sie wohl nie sein, dachte Finnick und bewegte ganz langsam sein Becken nach vorne. Johanna presste die Lippen auf einander, dieses Mal jedoch sicher vor Schmerz. Auch Finnick verzog das Gesicht, weil ihm es nicht besonders gefiel. Natürlich wollte er Johanna nicht wehtun. „Geht’s? Wir können auch...“, wollte er vorschlagen, doch Johanna schüttelte den Kopf. „Natürlich geht das. So groß ist das Ding jetzt auch nicht. Ehrlich gesagt, merke ich kaum was“, erwiderte sie, allerdings mit gepresster Stimme. Sie klammerte sich an seine Schultern und Finnick hielt inne, als er vollständig in ihr war. Er sah auch davon ab, etwas zu erwidern. Sollte Johanna ruhig beleidigend werden, wenn es ihr irgendwie half. Er wartete kurz, während Johanna die Augen öffnete und zu ihm aufsah. Eher zögerlich legte sie ihre Beine um seine Hüfte und bewegte dann ihr Becken ruckartig nach vorne. Damit hatte er noch nicht gerechnet und stöhnte leise auf, während sie ihn mit ihren Beinen enger an sich presste. Das gepresste Stöhnen verriet, dass es für Johanna nicht ganz so angenehm war, wie für ihn. Doch noch einen vielsagenden Ruck und einen auffordernden Blick später, entschied sich Finnick dazu lange genug gewartet zu haben. In einem langsamen Rhythmus bewegte er sein Becken vor und zurück und Johannas anfängliche Anspannung ließ mehr und mehr nach. Und dank ihrer mehr als guten Vorarbeit dauerte es nicht mal lange, bis Finnick keuchend auf ihren Körper sank und die Hitzewellen seinen Körper durchfluteten, bis er wieder Luft bekam. Überraschender Weise strich Johanna ihm durch den verschwitzen Nacken und die Geste hatte fast etwas Liebevolles. „Das ging schnell“, fand sie, während sie durch seine Haare fuhr und Finnick leise und immer noch etwas atemlos lachte. Bevor Johanna allerdings noch etwas sagen konnte, kniete er schon wieder vor ihr und beugte sich zwischen ihre Beine, um sie ebenfalls nicht unbefriedigt zu lassen. Denn er war praktisch darauf trainiert jede Dame glücklich zu machen. Es gerade bei Johanna zu unterlassen, wo es doch ihr erstes Mal war, erschien Finnick nicht richtig. Wieder zog sie fast verzweifelt an seinen Haare, nur dieses Mal gab Finnick erst nach, als ihr Körper verräterisch zuckte und sie seinen Namen stöhnte. Er ließ sich neben eine schweratmende Johanna fallen und starrte an die Decke. Ihre Atmung war das einzige Geräusch, was Finnick bewusst wahrnahm. „Das war… das war gar nicht mal übel“, fand Johanna schließlich und Finnick lachte über ihre Aussage, die so typisch für Johanna war. „Fand ich auch. Allerdings will ich das nie, nie wieder machen“, stimmte er zu und Johanna lachte ebenfalls, immer noch etwas kurzatmig. „Na, so gut, war es auch wieder nicht, dass ich eine Wiederholung wollen würde.“ Finnick grinste belustigt und erleichtert. Immerhin war das genau das, was auch er wollte. Keine Wiederholung. Obwohl der Sex gut gewesen war. Überraschender Weise. Finnick hatte ja befürchte, dass das Ganze schrecklich peinlich werden würde. Aber es war erstaunlich heiß gewesen. Nur wollte er dieses eine Mal lieber als schöne Erfahrung verbuchen und es nicht auf ein weiteres Mal ankommen lassen. Gut, dass Johanna ebenso dachte. Und Finnick war sich auch sicher, dass sie es so meinte. So ehrlich und direkt schätzte er Johanna schon ein. Er hatte aber nichts dagegen, dass Johanna den Kopf auf seine Brust legte und zuckte dann aber zusammen als sie ihm leicht in den Magen schlug. „Du hast mir weh getan“, informierte sie ihn grinsend und ihre Haare kitzelten an seiner Haut als sie versuchte eine bequeme Position zu finden. Stumm schüttelte Finnick den Kopf, während er den Arm und Johanna legte, als sie endlich still liegen blieb. „Du Memme“, ärgerte er sie und tätschelte ihren Rücken, während Johanna leise lachte. „Danke, Finn“, murmelte sie kaum hörbar und Finnick strich ihr durch die Haare. „War ja nicht so übel“, nutzte er ihre Wortwahl und griff nach der Decke, die an den äußersten Rand des Bettes gerutscht war, während sie miteinander gerungen hatten. „Du bist wirklich…“, begann Johanna. „Ein Naturtalent? Unglaublich sexy?“, half er ihr auf die Sprünge und Johanna lachte schläfrig. „Nein. Mein bester Freund“, entgegnete sie und Finnick wandte überrascht den Kopf zu ihr um. „Du bist so müde, dass du Unsinn redest, Mason“, sagte er und deckte sie zu. Allerdings war er schon geschmeichelt von ihren Worten. Sie konnte noch so oft sagen oder zeigen, dass er gut im Bett war. Das gerade war Finnick viel wichtiger. Denn genau das war es doch, was er wollte. „Das würde nicht jeder machen. Es war unverschämt zu fragen. Und du hast es trotzdem gemacht“, widersprach Johanna und Finnick lachte. „Du bist ein unverschämter Mensch, ich hätte nicht überrascht sein dürfen“, fand er und legte den Arm um ihre Schultern. „Schlaf jetzt ein, damit morgen wieder alles ganz normal ist.“ Tatsächlich schloss Johanna gehorsam die Augen. „Bleibst du hier?“ „Was denkst du denn!“, entgegnete Finnick. Er war nicht nur müde, es wäre auch komisch sich aus dem Zimmer zu schleichen. Auf Johannas Gesicht erschien ein Lächeln. „Ich dachte, du verschwindest nachts immer.“ Finnick neigte leicht den Kopf, um ihr einen Kuss auf die Haare zugeben. „Bei meinen Arrangements. Nicht bei meiner beste Freundin.“ Kapitel 7: Others sorrows ------------------------- Ich möchte mich bei UsakoChan bedanken, die die Kapitel vorher durchliest. Vielen Dank! :) (Die im Übrigen auch die liebesnwerte Cecelia und Haymitch auf unserem Board spielt und ganz ganz dringend einen Mann für die arme Cecelia braucht. Und Haymitch benötigt dringend seinen besten Freund Chaff. Habt ein Herz Leute ;-)) http://happy-hunger-games.forumieren.com/ _____________ 7. Kapitel: Others sorrows “Weißt du, dass du Rechtschreibfehler in deiner Notiz an mich hattest?”, erkundigte sich Johanna bösartig lächelnd bei Finnick, als sie zu ihm in einen beengten Raum schlüpfte, in dem sich sämtliche Tischdenken und Deckzeugs stapelte. Finnick verdrehte die Augen. „Und ich hatte mich auf dich gefreut“, stöhnte er. Er lehnte gegen ein Stückchen Wand, das nicht zugestellt war von lauter Zeug, das die Betreiber des Veranstaltungssaals irgendwann einmal brauchten. „‘Ich weiß‘ schreibt man trotzdem nicht mit s sondern mit ß“, belehrte Johanna ihn und ließ sich auf einen umgedrehten Putzeimer sinken. „Aber ich mach dir keinen Vorwurf. Du armer, armer Junge, musstest schließlich die Schule verlassen, als du Vierzehn warst. Es muss dir deswegen nicht peinlich sein, dass deine Rechtschreibung so mies ist“, zog sie ihn auf, während Finnick nach dem Eimer trat. Bevor sie damit umfallen konnte sprang Johanna jedoch lachend auf. „Das hat überhaupt nichts damit zu tun. Ich musste mich beeilen“, entgegnete Finnick peinlich berührt und schnappte sich die Serviette, mit der Johanna vor seiner Nase herum wedelte und auf die er seine Nachricht gekritzelt hatte, die sie als Beweisstück verwendete. Hastig ließ er das Ding in der Tasche seines Anzugs verschwinden. Sie waren jetzt schon fast vier Stunden in diesem Gebäude und hatte noch keine Gelegenheit gehabt miteinander zu reden, weil ihre Abendbegleitungen so besitzergreifend waren. Doch die Dame, die Finnick herbegleitet hatte, redete gerade mit einer ihrer Freundinnen und Johanna hatte sich anscheinend auch loseisen können, nachdem er ihr die Serviette zugeschoben hatte. Er wusste natürlich, dass Johanna die abgelegene Kammer kannte. Immerhin waren sie seit ein paar Monaten andauernd hier drin, wenn sich die Gelegenheit ergab. Denn es war extrem tröstlich sich mit jemanden zu unterhalten, den kein grapschender Kapitoler war. Und wer würde sich da besser eignen, als die beste Freundin? Denn obwohl Finnick und Johanna einmal notgedrungen miteinander geschlafen hatten und seitdem ein noch engeres Verhältnis hatten, war ihre Freundschaft ansonsten rein platonisch. Finnick wollte allerdings trotzdem nicht zugeben, dass er möglicher Weise einen Schreibfehler gemacht hatte, weil er tatsächlich so früh von der Schule hatte abgehen müssen. Die Genugtuung würde er Johanna nicht geben. „Du musst ja nicht bleiben. Ich kann das auch alleine trinken“, fand er und zog einen Flachmann aus der Innentasche seines Anzugs. Finnick wusste, dass er Johanna damit ködern konnte. Denn im Normalfall war es so, dass ihre Arrangements es nicht besonders gut fanden, wenn sie Alkohol tranken, was Finnick sogar nachvollziehen konnte. Deswegen hatten sie ihre Vorgehensweise extrem perfektioniert und besorgten sich die meiste Zeit über irgendetwas, was man nicht riechen konnte. Tatsächlich zeigte sich Johanna versöhnlicher. „Es war nur Spaß“, beteuerte sie und kam näher. „Du kannst das nicht für dich alleine haben. Du verträgst das sowieso nicht“, fügte sie hinzu und hatte damit vermutlich sogar Recht. Johanna war zwar zierlicher, aber dafür stand sie den wenigsten Männern, die Finnick kannte, etwas im Trinken nach. Der Nachteil bei diesen geruchsneutralen Getränken war außerdem meistens, dass sie ekelhaft schmeckten. Finnick selber mochte die süßen, bunten Drinks lieber. Deswegen kaufte er ohnehin meistens etwas für Johanna, und probierte eher, als dass er selber trank. „Wie geht’s Melo?“, erkundigte sich Finnick, während er Johanna den Flachmann reichte und ihre Miene verdunkelte sich augenblicklich. „Nicht gut. Aber ich musste ja herkommen. Ich weiß nicht, was gerade zu Hause passiert“, sagte sie leise und nahm sofort einen großen Schluck. Die Sorge um ihren kleinen Bruder stand Johanna deutlich ins Gesicht geschrieben und mitfühlend rieb Finnick ihr über den Rücken. Denn anscheinend hatte es das immer eine beruhigende Wirkung auf Johanna, sobald er den Punkt zwischen ihren Schulterblättern rieb. „Tut mir leid, Jo“, meinte Finnick leise und Johanna zuckte mit den Achseln. „Du kannst ja nichts für diesen verdammten Virus.“ Stumm sah Finnick seiner besten Freundin dabei zu, wie sie weiter trank. Er hatte nie Geschwister gehabt, fand es aber trotzdem schlimm, wenn er sich vorstellte, dass er einen Bruder hätte, dessen Gesundheit auf Messerschneide stand. Das musste schrecklich sein. „Hast du hier schon nach Medikamenten suchen können?“, fragte Finnick, als Johanna ihm den Flachmann zurückgab. „Klar. Ich habe auch schon einiges, was helfen könnte. Ich hoffe, nur dass ich rechtzeitig zurückkomme. Wenn ich Pech habe, behält er mich länger hier“, sagte Johanna düster und Finnick konnte ihre Angst verstehen. Obwohl Präsident Snow nichts mit dem Fiebervirus zu tun hatte, der den kleinen Melo überfallen hatte, musste das nicht heißen, dass er Johanna entgegenkam und sie eher gehen ließ. Im Grunde war diesem Mann alles egal und Johanna war so realistisch, das auch richtig einzuschätzen. Finnick setzte die immer noch offene Flasche an die Lippen und nahm selber einen kleinen Schluck. Wie erwartet schmeckte ihm das Getränk nicht und er würde es Johanna überlassen. In ihrer Verfassung konnte sie es wohl auch dringender gebrauchen. „Abwarten. Ich habe gehört, dass wir morgen Abend nur kurz beim Geburtstag des Spielemachers auftauchen sollen und am nächsten Tag abhauen können. Ich habe nicht mal ein Arrangement“, sagte Finnick. Und das kam selten genug vor. Denn wann immer er in der Hauptstadt war, hatte er kaum freie Zeit, weil die Menschen anscheinend Schlange standen, damit er Zeit mit ihnen verbrachte. Gerne hätte Finnick einmal gewusst, wie viel der Präsident durch ihn eigentlich einnahm. „Ich auch nicht. Aber das macht es nicht besser, sondern schlimmer“, fand Johanna und nahm ihm den Flachmann wieder ab. Sie schaute immer noch düster drein. „Oh, gib schon her, wenn es dir nicht schmeckt! Dir ist klar, warum wir alleine auftauchen sollten?“, erkundigte sich Johanna wenig begeistert. Schulterzuckend sah Finnick auf sie herab. „Natürlich. Damit alle etwas von uns haben. Mein Vorschlag: Ich rette dich, wenn du mich rettest“, sagte er. Das hatte er nämlich schon oft bei Cashmere und Gloss beobachtet. Sobald beide keine festen Verpflichtungen hatten, zogen sie sich gegenseitig von Interessenten weg. Eine hervorragende Ausrede, fand Finnick. Nur hatte er bisher niemanden gehabt, der ihn hatte wegziehen können. „Klar, du bist zwar ätzend, aber nicht so ätzend wie diese Kapitoler“, willigte Johanna sofort ein. Finnick grinste. Er war es mittlerweile mehr als gewöhnt, dass seine beste Freundin ihn beleidigte. Und deswegen nahm er ihr kein Wort übel. „Pass auf, ich muss wieder los. Wir verschwinden gleich nämlich“, teilte er Johanna wenig erfreut mit. „Tu nichts, was ich nicht auch tun würde“, verabschiedete Johanna ihn, bevor er aus dem kleinen Raum verschwand und ihr zum Abschied eine Grimasse schnitt. Nichts, was sie nicht auch tun würde? Da war das Spektrum an Möglichkeiten wohl ziemlich groß für ihn. Johanna würde gleich nachkommen. Sie hatten eine gute Routine darin entwickelt, damit es nicht allzu auffällig wurde. Denn Finnick war sich nicht sicher, ob das so gut geheißen werden würde. Und er für seinen Teil wollte lieber nichts riskieren. Snow wütend zu machen war eine Sache, die Finnick nicht mehr so schnell tun würde. Und Johanna, die zwar viel leichtsinniger oder mutiger oder beides war, schien sich aber lieber zurückzuhalten, ihrer Familie zu Liebe. Wie gewohnt schlenderte Finnick durch die Gänge zurück in den Veranstaltungssaal und gesellte sich zu seinem Arrangement, das immer noch in ein Gespräch vertieft war und entzückt auf quietschte, als er den Arm um ihre Taille legte. „Ich langweile mich. Diese Party ist schrecklich“, gestand er. Gepaart mit einem charmanten Lächeln und kleinen Streicheleinheiten an ihrer Taille war das aber nicht weiter schlimm. „Ich würde lieber mit Ihnen verschwinden. Ich glaube, dass das sehr viel spannender ist“, fuhr Finnick in einem schnurrenden Tonfall fort, während er ihr ins Ohr flüsterte. Aus den Augenwinkeln konnte er sehen, wie auch Johanna wieder den Raum betrat. Ihre Blicke kreuzten sich und sie zog kurz eine Grimasse, bevor sie wegsah und dann ganz brav und gesittet zu einem Herrn spazierte, der sie mit offenen Armen empfing. Wieder mal musste Finnick über Johannas schauspielerisches Talent staunen. Wenn möglich war sie sogar noch besser darin sich zu verstellen, als er. Aber angesichts ihrer Taktik während der Hungerspiele sollte ihn das wohl nicht weiter überraschen. „Ja, gehen wir“, fand die junge Frau in seinem Arm und schmiegte sich an ihn. Noch einmal glitt Finnicks Blick hinüber zu Johanna, die einen dieser netten, bunten Drinks bekam und Finnick damit neidisch machte. Wenigstens konnte er jetzt verschwinden. Und mit etwas Glück würde er dann auch schnell in sein eigenes Bett kommen, wenn er seine Sache gut machte. Immer noch müde wurde Finnick durch rücksichtsloses Verhalten in seinem Hotelzimmer geweckt. Ein Föhn dröhnte laut durch die offene Badezimmertür und es half nichts, sich einfach auf die andere Seite zu drehen. Also öffnete er die Augen und richtete sich auf. Jetzt, wo er einmal wach war, war an Schlaf ohnehin nicht mehr zu denken. Es war laut und hell im Zimmer und das Bett roch nach starkem, süßlichen Parfüm, Schweiß und Sex. Also seufzte Finnick und fuhr sich durch die Haare. Die Nacht war viel zu kurz gewesen. Jedes Mal, wenn er gerade angenommen hatte, seine Kundin hätte genug gehabt und würde endlich einschlafen, hatte sie ihn aufgefordert wieder von vorne anzufangen. Ganz sicher, damit sich das viele Geld, das sie für ihn ausgab, auch lohnte. Jetzt fühlte sich Finnick ausgelaugt und müde. Er hatte seine Sache wohl zu gut gemacht. Denn eine schnelle Heimkehr war in weite Ferne gerückt. „Ich habe Frühstück bestellt“, ließ ihn die Kapitoldame wissen, als sie bemerkte, dass er wach war und stellte den Föhn aus. Sie trug einen Hoteleigenen, rosa Bademantel und setzte sich zu ihm auf die Bettkante, den Blick auf seine nackte Brust geheftet. „Großartig“, freute sich Finnick wirklich. Denn er hatte tatsächlich Hunger. Ihm war sogar egal, wer dafür zahlen musste. Hauptsache er bekam etwas zu essen. „Sie könnten meine Traumfrau sein“, fügte er hinzu und schenkte der Kapitolfrau ein breites Lächeln. Natürlich war das eine glatte Lüge, doch das war es schließlich, was der Präsident von Finnick erwartete. Den Leuten schmeicheln. Und die Angesprochene freute sich sichtlich. Unter ihrem violetten Teint, der Finnick nicht sehr gefiel, errötet sie leicht und ließ ihre Finger spielerisch über seine Brust wandern. „Wegen des Essens?“, erkundigte sie sich jedoch scheinbar neugierig. Sie hatte Finnick nicht das Du angeboten, obwohl das viele taten, weil es einfacher war. Also hatte es sich Finnick auch nicht heraus genommen sie zu duzen, während sie das trotzdem tat. Aber immerhin war er deutlich jünger, da war die Etikette wohl eigen. „Das Frühstück ist nur die Krönung eines sehr guten Gesamteindrucks“, versicherte Finnick, als es klopfte. „Ich sehe furchtbar aus“, klagte die Violetthäutige sofort und fasste sich mit lilanen Fingernägeln in die Frisur, die obwohl sie feucht war, immer noch bombenfest zu sitzen schien. „Können Sie das überhaupt?“, entgegnet Finnick und stand auf, während sie zufrieden lächelnd wieder im Badezimmer verschwand und den Föhn erneut einstellte. Mit dem Betttuch um die Hüften öffnete Finnick die Tür und schreckte zurück, als ihm der Servierwagen fast über die Füße gerollt wurde. „Zimmerservice!“, ertönte es laut und erst jetzt schenkte Finnick dem Mädchen Beachtung, das das Frühstück heranbrächte. Normalerweise sprachen die Diener nämlich nicht, sondern waren stumme Avoxe. „Jo?!“ Das war selbst für Johanna ein seltsames Verhalten. Und Finnick musterte sie irritiert, während Johanna belustigt schien. Hinter ihr stand ein verzweifelt aussehender Avox, der Finnick wirklich Leid tat. Der Sieger warf dem armen Kerl einen mitleidigen Blick zu, bevor Johanna wieder in seinem Sichtfeld auftauchte, weil sie sich vor ihn stellte, um seine Aufmerksamkeit zu erhalten. „Ich hab mitbekommen, dass dieser Wagen zu dir kommt. Und ich war gerade fertig und wollte mich erkundigen, wie lange du hier noch brauchst… Aber.. du bist nicht mal angezogen“, seufzte Johanna und ihr Blick glitt an Finnick herab, der sie immer noch ungläubig anstarrte. „Du bringst dem armen Avox in Schwierigkeiten, Jo. Entschuldigung, sie ist unmöglich. Ich versuche ihr Manieren beizubringen. Aber zwecklos“, sagte Finnick leise an den Avox gewandt, der hastig wegschaute, als ob er etwas Verbotenes getan hatte, nachdem er den Kopf geschüttelt hatte. „Wir sollen nicht mit denen reden. Dadurch bekommen sie nämlich Ärger“, tadelte Johanna ihn und schlug gegen seinen Oberarm. Finnicks Aufmerksamkeit wanderte wieder zu ihr über. „Ich kann noch nicht verschwinden. Bin noch nicht entlassen worden“, sagte Finnick schnell und verzog das Gesicht. Johanna hatte es also eindeutig besser gehabt. „Und es gibt Frühstück!“, fügte er hinzu, während seine Augen über den Wagen huschten. Leider konnte er nicht erkennen was sein Arrangement bestellt hatte, weil alles durch edle Hauben verdeckt war. „Ja, Erdbeeren mit Schlagsahne“, informierte sie ihn und verdrehte die auseinander stehenden Augen. „Wirklich lecker, aber ich glaube kaum, dass du unter den Umständen schnell hier weg sein wirst.“ Finnick verdrehte jetzt ebenfalls die Augen. Einmal wegen des klischeehaften Essens und einmal wegen der Tatsache, dass Johanna von dem Wagen genascht haben musste. „Jo, was ist los? Warum platzt du hier rein? Das ist nicht mal ungefährlich“, sagte Finnick noch leiser, aber resigniert. Denn er hatte es tatsächlich aufgegeben ihr Manieren bei zu bringen. Johanna hörte selten auf ihn. Sie hörte in den wenigsten Fällen auf überhaupt jemand anderen als sich selbst. Und anscheinend hatte sie nichts dabei gefunden, einfach so zu ihm zu spazieren, während er beschäftigt war. Es war gut, dass sein Arrangement im Bad war. Denn Finnick wusste nicht, wie sie Johannas Auftauchen gefunden hätte. Schätzungsweise nicht sonderlich gut. Und der Präsident hätte es auch nicht besonders gut gefunden. Wollte sie ihre Chance verspielen schnell nach Hause zu kommen? Johanna spähte zum Badezimmer und seufzte. „Es ist so, dass ich zu Hause anrufen wollte“, gab sie zu und Finnick seufzte ebenfalls. Deswegen war sie also hergekommen. Er hätte sich denken können, dass sie nicht einfach so auftauchte. „Du hast Angst vor schlechten Nachrichten“, sagte er sanft und legte ihr die Hand auf die Schulter. Johanna rief seit Beginn ihres kurzen Aufenthalts hier ständig bei sich zu Hause an, um sich nach dem Befinden ihres kleinen Bruders zu erkundigen. Doch es schien immer schlechter zu werden. Kein Wunder, dass sie jeden Tag mehr Angst vor den Anrufen hatte. Jedenfalls würde es Finnick so gehen. Johanna gab ihm gegenüber ja nicht offen zu, dass sie Angst hatte. „Ich kann nicht weg, Jo. Tut mir wirklich leid. Ich versuche so schnell wie möglich nach zu kommen, okay?“, redete Finnick weiter und Johanna nickte, während ein spöttischen Lächeln ihre Lippen zierte. „Ich bin ein großes Mädchen, ich kann auch alleine anrufen. Ich wollte eigentlich dich retten“, stellte sie richtig, wobei Finnick deutlich hörte, dass sie log oder zumindest versuchte sich das einzureden. Johanna gab nämlich nur äußert ungerne zu, wenn sie Hilfe benötigte. Sie war immer noch darauf bedacht, keine Schwäche zu zeigen. „Weiß ich doch, Jo.“ Johanna lächelte schwach und knuffte ihn in die Seite. „Ich bin weg, bevor du wirklich noch Probleme bekommst. Oder noch schlimmer: Ich. Im Übrigen: Du siehst schlimm aus. Als hättest du einen Ausschlag oder so was“, informierte sie ihn und tippte kurz gegen seinen Hals, bevor sie tatsächlich aus dem Zimmer verschwand, ohne dass Finnick etwas dazu sagen konnte. Es war jetzt ihm überlassen, sich im Wandspiegel zu betrachten. Finnick stöhnte leise und genervt auf. Da würde sein Stylist einiges an Schminkarbeit leisten müssen, wenn er diese roten Flecken wegbekommen wollte. Gerade erinnerte ihn sein Arrangement eher an eine Fischart, die sich hartnäckig festsaugte. Geriet man nämlich im Meer an die, sah man genauso aus. Der Föhn verstummte und Finnick wich vom Spiegel zurück. „Das Essen ist da“, freute sich die Kapitoldame und ging auf den Wagen zu, wo sie einen der Deckel anhob und erfreut die Erdbeeren musterte. „Was für eine nette Überraschung“, fand sie und Finnick schüttelte innerlich den Kopf. „Oh, Erdbeeren“, tat er gespielt überrascht und folgte dem Fingerwink, mit dem sie ihn zu sich lockte, damit sie ihm die süße Frucht vor die Lippen halten konnte, während ihre Hand das Betttuch von seinen Hüften löste. Innerlich seufzte Finnick auf. Ohja, er würde nicht so schnell hier wegkommen. Kapitel 8: Our lives will never be easy --------------------------------------- 8. Kapitel: Our lives will never be easy „Sag mal, sind das noch mehr geworden?“, erkundigte sich Johanna und zerrte nicht besonders sanft an seinem Hemdkragen, um einen Blick auf seinen Hals zu werfen. Finnick fasste nach ihren Händen um Johanna wegzuschieben. Denn es waren tatsächlich mehr rote Flecken dazu gekommen, die er ihr nicht unbedingt zeigen. Johanna musste ja keinen Grund geliefert bekommen, sich über ihn lustig zu machen. „Ich würde lieber das Thema wechseln“, bat Finnick, als er an den Saugerfisch dachte, der ihn endlich entlassen hatte. Doch Johanna lachte nur amüsiert oder zumindest tat sie so. „Es ist schon nach Mittag. Ich dachte, sie lässt dich nie gehen“, fuhr sie einfach weiter fort und ignorierte sein warnendes ‚Johanna‘. „Dass sie dich mit Erdbeeren totfüttert, hab ich gedacht“, redete sie ungerührt weiter und Finnick verdrehte die Augen. Hatte diese Frau ja auch fast getan. Aber es gab gerade schließlich Wichtigeres, worüber sie reden sollten, fand Finnick. „Johanna, möchtest du mir sagen, wie der Anruf war?“, wechselte er das Thema und Johanna drehte ihm den Rücken zu, um herumliegenden Kleidungsstücke einzusammeln, was sie sonst nie tat. Sie war unordentlich, genau wie er. Und wenn sie jemals aufräumen würde, dann sicher nicht seine Klamotten. Aber da sie in seinem Zimmer gewartet hatte, konnte sie gerade nur seine Sachen herum räumen und würde damit auch für lange Zeit eine Beschäftigung haben. Ein geschicktes Manöver also, das nichts Gutes bedeuten konnte. Finnick wurde mit jedem Teil, das sie wortlos aufhob, nervöser. „Jo, rede mit mir“, forderte er leise und überbrückte den Abstand zwischen ihnen schnell. Seine Hände ruhten auf Johannas Schultern, zwangen sie so innezuhalten und Johanna richtete sich gerade auf. „Nicht besonders gut. Melo geht es schlechter“, erklärte sie leise und an der Art wie sie sprach konnte Finnick erkennen, dass sie versuchte die Tränen zurückzuhalten. „Das ist einfach nicht fair. Melo ist acht, Finn. Ach! Und meine Mom ist gerade über Dads Unfall hinweg gekommen.“ Das Wort Unfall betonte Johanna besonders giftig und Finnick war sich sicher, dass sie jetzt wirklich weinte. Wortlos massierte er Johannas Schultern, denn egal, was er sagen würde, es wäre etwas Belangloses, was sie doch nicht aufheitern würde. Er lehnte die Stirn an ihren Hinterkopf, während Johanne seine Hemden an ihre Brust drückte und leicht zitterte, weil sie nicht laut weinen würde und versuchte das Schluchzen zu unterdrücken. „Nur noch einen Tag, Jo. Morgen Abend bist zurück in Distrikt Sieben. Vielleicht schaffst du es rechtzeitig“, sagte Finnick und Johanna lachte verschnupft auf. „Vielleicht? Odair, du bist der miesteste Aufmunterer aller Zeiten“, ließ sie ihn wissen und auch Finnick musste ein wenig lachen. „Willst du was anderes hören?“, erkundigte er sich dann wieder ernst. Denn er konnte ihr auch gut zureden, irgendwelche Lügen erzählen oder unrealistische Aufmunterungsversuche starten. Aber Johanna war zu realistisch oder auch zu pessimistisch, als dass sie ihm Glauben schenken würde. „Nein, nichts Unrealistisches“, entgegnete Johanna und bestätigte damit seinen Verdacht. „Ich wusste, dass du das sagen würdest. Aber du kannst wirklich gerade nichts tun. Du machst dich vor Sorge verrückt und ich kann das nicht mit ansehen. Morgen Abend bist du zurück und kannst wieder helfen. Mit den Medikamenten kommt er auch sicher durch“, sagte Finnick leise und Johanna zuckte mit den Schultern. Jedenfalls war es das, was Finnick hoffte. Wenn der kleine Melo weiter durchhalten würde bis Johanna zurück war, könnte er wieder gesund werden. Leider hatte Finnick nicht einmal eine Ahnung, wie der Junge aussah. Johanna meinte er wäre kräftiger geworden, seit sie die Hungerspiele gewonnen hatte und dass ihre Familie mehr Geld für Nahrung hatte. Aber anscheinend war der Junge immer schon kleiner und zierlicher gewesen. Finnick stellte ihn sich wie eine Miniversion von Johanna vor, nur eben männlich. Johanna war immerhin auch ziemlich klein, aber zäh. Und wenn ihr Bruder nach ihr kam, gab es ja vielleicht doch Hoffnung. „Meine Mom versteht nicht, warum ich hier bin, und warum ich nicht eher zurückkommen kann. Sie findet, ich sollte mit den Medikamenten sofort nach Hause kommen. War ein hässlicher Streit.“ Johanna Stimme verlor sich und Finnick umarmte sie mitfühlend, während Johanna immer noch keine Anstalten machte sich umzudrehen. Deswegen zwang er sie nicht dazu. Es war ihr sicher lieber so. „Du kannst es ihr immer noch erzählen, Jo“, erwiderte er leise und jetzt schüttelte Johanna so heftig den Kopf, dass sie unsanft gegen seine Nase stieß. Doch dazu sagte Finnick nichts. Johanna hatte immerhin genug andere Probleme. „Das geht nicht! Dann weiß sie, dass ich Schuld daran bin, dass Dad…“ Johanna brach ab und warf seine Sachen wütend auf die Erde. Manchmal neigte sie dazu Dinge zu zerstören, wenn sie wütend oder frustriert war. Und Finnick war fast froh darüber, dass er keine Prozellangegenstände in seinem Zimmer hatte. „Du musst aufhören, dir die Schuld daran zu geben“, sagte Finnick eindringlich und Johanna fuhr zu ihm herum, sodass Finnick ein wenig vor ihr zurückzuckte. Ihre geröteten Augen hefteten sich spöttisch auf sein Gesicht. „Sagt der Richtige. Ich weiß ganz genau, dass du es dir auch nicht verzeihen kannst, dass dein Vater ermordet wurde.“ Finnick wich einen Schritt zurück, als hätte Johanna ihn geschlagen. „Also gib mir keine dummen Ratschläge, an die du dich selbst nicht hältst!“ Er musste ihr Recht geben. Dass sein Vater seine Sturheit hatte ausbaden müssen, konnte sich Finnick nicht verzeihen. Und deswegen war er wohl wirklich der Falsche, um Johanna solche Ratschläge zu geben. Aber ihm genau das an den Kopf zu werfen war auch nicht das Netteste gewesen, was Johanna hatte tun können. Und Finnick musste zugeben, dass er aufrichtig verletzt war. Erinnerungen strömten auf ihn ein, die er lieber verdrängte. Er presste die Lippen fest zusammen, um nicht auch etwas Unüberlegtes zu sagen. Denn wenn sie auf einander losgingen, würde das kaum weiterhelfen. „Tut mir leid, okay?“, sagte Johanna leise, als Finnick sich in Schweigen übte und kam auf ihn zu, um ihn beschwichtigend an der Schulter zu berühren. „Mags sagt, es ist nicht meine Schuld“, gab Finnick leise zu Bedenken. „Es ist seine.“ Jedenfalls sagte Mags das immer und Finnick glaubte ihr nur zu gerne. Präsident Snow war Schuld an allem, was ihm Schlimmes widerfuhr. Wegen ihm hatte Finnick keine normale Kindheit gehabt, sondern war darauf gedrillt worden, ein möglichst guter Kämpfer zu sein. Nach den Hungerspielen, von denen er dachte, dass sie das Schlimmste waren, was ihm wiederfahren konnte, hatte es nur nicht aufgehört. Ja, vermutlich hatte Mags Recht. Ohne Präsident Snow würde das meiste Unheil nicht über ihn hinein brechen. Johanna lachte leise und irgendwie seltsam auf. „Alles was hier passiert, ist seine Schuld, Finn. Wir sind nur Spielfiguren. Aber das macht es nicht gerade leichter zu akzeptieren. Wenn ich könnte, würde ich…“ „Du kannst aber nicht!“, ging Finnick schnell dazwischen und fasste jetzt seinerseits nach Johannas Arm und packte eindringlich zu. Was immer sie sagen wollte, blieb besser unausgesprochen. Johanna war leichtsinniger als er. Sehr viel leichtsinniger und Finnick tat sein Bestes sie und sich selbst vor dieser Leichtsinnigkeit zu beschützen. „Johanna, lass es. Ich hab keine Lust dabei zuzusehen, wie du dich in Schwierigkeiten bringst oder mich gleich mit“, warnte er sie und Johanna riss sich los. Ihre Augen funkelten wütend zu ihm auf. „Wir sind schon in Schwierigkeiten, Finnick!“, entgegnete sie, allerdings weniger feurig, als ihre kleine Hasstirade auf den Präsidenten. „Wenn Melo das nicht überlebt…“ Finnick fasste Johanna an den Schultern, als ihr Blick sich verfinsterte und schüttelte sie leicht. „Johanna Mason, egal was passiert, du wirst nichts Blödes anstellen, hast du kapiert? Deine Mom braucht dich. Du kannst ihr nicht noch mehr Sorgen bereiten. Egal, was du dir da zusammenspinnst, du wirst nur dir und ihr damit schaden. Ihm ist es nämlich egal“, sagte Finnick scharf. Denn Johanna hatte bereits einige Male geäußert, wie gerne sie dem Präsidenten die Meinung sagen würde, oder dass er wohl nicht mehr so allmächtig wäre, wenn sie mit einer Axt auf ihn losgehen würde. Und manchmal fragte sich Finnick, ob sie solche Äußerungen ernst meinte. Denn das konnte sehr gefährlich werden. Johanna müsste übergeschnappt sein, wenn sie glaubte, etwas gegen Snow ausrichten zu können. „Ich brauch dich nebenbei bemerkt auch. Also stell nichts Dummes an, das verzeih ich dir nie, Jo“, fügte Finnick hinzu und Johanna seufzte. „Du bist so ein Weichei, Odair. Wissen die Leute, was für ein Sensibelchen du bist?“, fragte sie und ihre Arme fanden den Weg um seine Taille. Wenigstens waren ihr Taten versöhnlich und auch Finnicks Griff lockerte sich ein wenig, während Johanna den Kopf an ihn lehnte. „Nein, ich bin ziemlich gut darin, meine Verlustängste zu überspielen“, entgegnete Finnick genervt. Johanna war zwar oftmals eine Nervensäge. Aber jetzt wo sie einmal da war, wollte Finnick nicht, dass sie wieder verschwand. Immerhin hing er an ihr. Wann immer er im Kapitol war, war Johanna seine Bezugsperson. Und er hatte schon fast vergessen, wie es war ein gewöhnlicher Teenager zu sein. Alle anderen Sieger waren so alt und ernst. Sodass sich Finnick selber schon alt und ernst vorkam. Dass er genauso verbittert war wie alle anderen, wusste er auch. Es tat gut, eine gleichaltrige Freundin zu haben, die es schaffte, dass man sich manchmal wirklich wie ein Kind aufführte. Johanna lachte leise gegen seine Halsbeuge. „Scheint so. Keine Sorge, was soll ein kleines, hilfloses Mädchen aus Distrikt Sieben schon anrichten?“, beruhigte sie ihn, wobei ihre Worte nicht den gewünschten Effekt hatten. „Du bist nicht hilflos, Jo“, entgegnete Finnick schnaubend. Jeder erinnerte sich nur zu gut an ihre Hungerspiele. Keiner würde Johanna Mason als hilflos betiteln. „Nein, aber auch nicht lebensmüde. Ich hänge zufällig an meinem Leben.“ „Behalte das im Hinterkopf. Das vergisst du nämlich manchmal“, seufzte Finnick und dachte an alle die gewagten Aktionen von Johanna, die ihr mächtig Ärger einbringen konnten. Doch bevor Johanna antworten konnte, klopfte es an der Tür und Finnicks Vorbereitungsteam stürmte herein. „Finnick, wir sind etwas früher dran, aber… oh!“, unterbrach sich die Munterste der Truppe, die für seine Haare zuständig war und musterte Johanna argwöhnisch. Die junge Frau war meistens sehr gesprächig und gutgelaunt und zeichnete sich vor allem durch ihre farbigen Kontaktlinsen aus, die ständig variierten. Sie war recht hübsch, aber hatte zu lange Fingernägel, die Finnick manchmal unheimlich waren. Fenja, so hieß sie, war ein wenig älter als Finnick, was allerdings kaum auffiel, weil sie viel kleiner war als er. Dass sie einen Narren an ihm gefressen hatte, wusste er, seit sie in seinem Vorbereitungsteam angefangen hatte. Und der Blick, den sie Johanna zuwarf, war nicht gerade freundschaftlich. „Wir stören“, kommentierte das einzige männliche Mitglied seines Vorbereitungsteams nicht ohne Neugierde. Denn tatsächlich begutachteten er und die Make-up Frau die Szene äußert neugierig und Finnick war sich sicher, dass hier gerade ein neuer Skandal geboren wurde. „Oh nein, wir waren gerade fertig“, entgegnete Johanna und Finnick verdrehte die Augen, als sie ihn gleich noch etwas enger an sich drückte, ihre Hand lag dabei gut sichtbar für sein Vorbereitungsteam auf seinem Hintern. „Du Miststück“, murmelte Finnick belustigt, als er den entsetzten Blick von der jungen Haarstylistin bemerkte. Nicht, dass es unbedingt das Netteste war, was Johanna tat, aber er konnte einfach nicht umhin es komisch zu finden. Außerdem tat es Johanna ja gut, wenn sie sich ablenkte und Spaß hatte. Sei es also drum, wenn es auf Kosten der armen Fenja ging. Johanna kicherte leise und deutlich amüsiert, bevor sie sich auf die Zehenspitzen stellte und Finnick einen kurzen Kuss gab. „Holst du mich ab, wenn du hübsch gemacht wurdest?“, erkundigte sie sich und Finnick schob sie lachend weg. Wenn er nicht genau gewusst hätte, dass Johanna eine Show abzog, wäre er ihr vermutlich selber auf den Leim gegangen. „Ich bin immer hübsch“, verbesserte er Johanna, während das Kapitolmädchen fast in Tränen ausbrach, als Johanna an ihr vorbei ging. Kaum war die Tür zu, empörte sie sich auch schon über Johanna. „Ich finde auch, dass du immer gut aussiehst“, sagte sie und ihre Stimme hatte einen so tröstenden Tonfall, dass Finnick ihr fast sagen wollte, dass Johanna nur Spaß gemacht hatte. Immerhin hatte er nichts gegen sein Vorbereitungsteam. Sie waren okay, für Kapitolbewohner. Vor allem Fenja war natürlich immer sehr aufmerksam und sie brachte nicht selten Süßigkeiten mit. Das hatte sie in Finnicks Ansehen steigen lassen. „Danke, wenigstens eine Frau, die nett zu mir ist“, sagte Finnick stattdessen und sofort erschien ein Strahlen auf ihrem Gesicht. Das Mädchen war immer so leicht glücklich zu machen. Ein nettes Wort und sie strahlte vor sich hin. „Ist es okay, wenn ich noch dusche?“, erkundigte sich Finnick. Denn dazu war er nicht mehr gekommen, weil Johanna bereits in seinem Zimmer gesessen hatte, als er von seinem Arrangement heimgekommen war. Und er wollte endlich diesen ekelhaften Parfümgeruch loswerden. Er konnte bereits sehen, wie sein Team protestieren wollte. Immerhin würde sich dadurch alles etwas verzögern. Aber bevor sie zu Wort kamen, zog er sich das Hemd über den Kopf und ließ es zu dem Klamottenberg fallen, den Johanna verursacht hatte. „Ich beeile mich auch. Großes Ehrenwort“, versicherte Finnick zwinkernd und war sich der Tatsache bewusste, dass drei Augenpaare auf ihn gerichtete waren. „Okay“, brachte Fenja schließlich zustande und Finnick verließ sein Zimmer nicht ohne Grinsen im Gesicht. Manchmal war es zu leicht, Dinge zu bekommen, wenn man Finnick Odair war. Kapitel 9: More Rumours ----------------------- 9. Kapitel: More Rumours “Und dann hat sie einfach das gleiche Kleid getragen! Auf meiner Geburtstagsparty!“, beschwerte sich das Mädchen mit der grünen Perücke aufgebracht und sah ihn Mitleid suchend an, sodass Finnick sich gezwungen sah, verstehend zu nicken. „Unverschämt“, sagte er, weil sie das wohl von ihm erwartete und das Mädchen nickte bekräftigend. „Aber ich bin sicher, dass du trotzdem hübscher ausgesehen hast“, sagte Finnick mit einem charmanten Lächeln und die Grünhaarige seufzte doch tatsächlich entzückt auf. „Leila, ich weiß, er ist Finnick Odair, aber kannst du dich jetzt trotzdem um die Nägel kümmern?“, wurde das Mädchen zurecht gewiesen. Betroffen wandte sie sich um und ihr Blick fiel auf Johanna, die immer noch im Bademantel auf einem Stuhl saß und darauf wartete, dass sie fertig wurde, damit sie endlich zu der Party gehen konnten. Finnick grinste entschuldigend. „Aber es war ja meine Schuld. Leila kann gar nichts dafür“, sagte er zu der Verteidigung der jungen Frau, während diese zu Johanna zurück eilte. Sie schnappte sich Johannas Hand und begann rosanen Lack aufzutragen weswegen Johanna das Gesicht verzog. „Rosa? Oh bitte… das ist so… mädchenhaft!“, beschwerte sie sich deutlich angewidert, während ihr Vorbereitungsteam sie teils wütend, teils gekränkt ansah. Finnick hingegen lachte auf. „Jo, du bekommst so was, weil du eben auch ein Mädchen bist“, belehrte er sie und lehnte sich in seinem Stuhl zurück, um dann die Beine zu überschlagen. In der letzten Stunde hatte er mehrere Positionen durchprobiert. Erst hatte er an der Wand gelehnt, dann hatte er auf dem Bett herum gelegen und jetzt saß er Johanna gegenüber. Niemals hätte er gedacht, dass sie so lange brauchen würde. Er war ja auch schon lange fertig. Nach dem Duschen hatte Fenja ihm die Haare geföhnt und entschieden, dass sie strubbelig einfach am besten aussahen. Vielleicht hatte sie das auch nur gesagt, damit sie eine Entschuldigung gehabt hatte, um sie mit der Hand weiter zu zerstrubbeln, was irgendwie eher einem Streicheln geglichen hatte. Abgesehen von dem Make-up, was sie auf die hässlichen roten Flecken an seinem Hals hatten auftragen müssen, hatten sie nichts weiter tun müssen. Und die enge schwarze Hose und das meergrüne Hemd, waren sogar ziemlich schlicht, wenn man davon absah, dass es perfekt zu seinen Augen passte. Aber abgesehen davon, kam sich Finnick noch recht normal vor. Johanna hingegen würde wohl etwas Rosanes tragen, was sie niedlich und unschuldig wirken lassen sollte. Das war vielleicht nicht so verkehrt, wo sie doch einen durchaus blutrünstigen Eindruck in den Spielen vermittelt hatte und Finnick vermutete, dass die Perverslinge, die auf so etwas standen, langsam mau wurden und Johanna jetzt durch ihre feminine Seite glänzen sollte, die sie aber gut verstecken konnte, wenn sie wollte. „Dann wundert mich, dass du nichts Rosanes trägst, Odair. Du bist mehr Mädchen als ich“, fauchte Johanna ihn an und erhielt dafür einen böse Blick von Leila. Sie war loyal und stand eindeutig auf ihn, fand Finnick. Er lachte allerdings nur über Johannas bissige Bemerkung. „Du wirst dich nicht besser fühlen, wenn du mich beleidigst“, entgegnete Finnick und zwinkerte Leila verschwörerisch zu, woraufhin diese prompt auf die Haut von Johannas Finger malte. „Odair! Halte an dich, oder ich lass dich raus werfen!“, rief Johanna ihm zu und schaffte es tatsächlich ihren Schuh nach ihm zu kicken. Immer noch lachend wich Finnick aus. „Du sollst mein Vorbereitungsteam nicht ablenken!“ Mit hochrotem Kopf machte sich Leila daran, den Schaden wieder zu beheben. „Du wolltest doch, dass ich sofort vorbei komme“, entgegnete er. Immerhin hatte sie ihm das gesagt und er war sofort aufgetaucht, sobald er fertig gewesen war. Und obwohl das Vorbereitungsteam seine Ruhe hatte haben wollen, hatte sein Lächeln es zustande gebracht, dass er bleiben durfte. Und er glaubte auch, dass Johanna das gut fand. Sie brauchte einfach jemanden im Moment. Und da war es ganz sicher nicht mit ihrem Vorbereitungsteam getan. Und er lenkte sie anscheinend auch noch gut ab. Jedenfalls war sie beschäftigt damit, ihn zu beleidigen. „Da hast du dich auch noch benommen“, grummelte Johanna, während ihre Haare endgültig glatt und seidig aussahen, nachdem ein schriller junger Mann mit roten Tattoos ihr sämtliche Dinge in die Haare geschmiert hatte. Nicht, dass es Johanna interessieren würde, aber Finnick fand diesen Look sogar schöner, als ihren normalen stacheligen Look. Er mochte eben deutlich feminine Mädchen lieber. Das würde er Johanna allerdings besser nicht sagen. „Ich benehme mich immer. Du hast keine Manieren. Hör auf mir die Zunge raus zu strecken. Die wollen dich schminken“, ärgerte Finnick sie und erhielt einen dankbaren Blick von dem dritten Mitglied des Vorbereitungsteams, das seit geraumer Zeit versuchte, Johannas Lippen blass rosa anzumalen. Leila setzte sich geradezu schüchtern auf die Armlehne seines Stuhls. „Nicht die Finger bewegen. Sonst müssen wir wieder von vorne anfangen, Johanna“, rief sie dem Mädchen zu, ohne sie anzusehen. „Ich habe gehört, dass du heute alleine zu der Party gehst“, begann sie ein Gespräch, dessen Ausgang für Finnick schon ersichtlich war. Aber weil sie so loyal war, würde er freundlich bleiben. Das und die Tatsache, dass er schlecht unfreundlich zu einem Kapitolbewohner sein konnte, ohne eine Beschwerde zu riskieren. „Nein, ich gehe mit Johanna. Sonst würde ich ja nicht hier warten“, widersprach er und lächelte zu Leila auf. „Aber ich meinte, du hast keine richtige Begleitung“, sagte sie unbeirrbar und errötete, hielt aber trotzdem seinem Blick stand. Und Finnick lachte wieder leise. „Sie kann dich hören. Und sie wird nicht glücklich darüber sein, dass du sie nicht als richtige Begleitung ansiehst. Ich weiß, sie ist ein wenig seltsam. Aber tatsächlich gehe ich heute mit ihr dahin“, flüsterte Finnick übertrieben laut und jappste auf, als Johannas zweiter Schuhe ihn an der Schulter traf. Wütend funkelte sie zu ihnen hinüber. „Johanna, keinen Stirnfalten!“, beschwerte sich die Visagistin bei ihr und Finnick streckte nun seinerseits die Zunge raus, während Johanne sich hilflos anmalen lassen musste. Er wollte um keinen Preis mit ihr tauschen. Es war eben doch gut, ein Mann zu sein. „Ihr geht zusammen dahin? Zusammen… wie… ihr bleibt zusammen dort und kommt zusammen wieder?“, fragte Leila überrascht und sah von ihm zu Johanna hin und her. Finnick zuckte mit den Schultern. Sie hatten ja bereits seinem Vorbereitungsteam einen Bären aufgebunden. Warum also nicht weiter machen? Immerhin war das auch der Plan für den heutigen Abend. Sich gegenseitig retten. Und dann konnte er auch gleich damit anfangen, fand er. „Genau hierher, ja“, bestätigte er zwinkernd und Leilas Augen wurden größer. Was sie dachte, konnte sich Finnick nur zu gut vorstellen. Doch bevor sie etwas dazu sagen konnte, wurde verkündet, dass Johanna fertig war. „Ich hole das Kleid. Es liegt schon bereit“, bot der einzige Mann im Team an und verschwand, während Johanna aufstand und sich im Spiegel betrachtete. Sie sah eindeutig nicht zufrieden aus. „So brav? Ich glaube, dein Äußeres stellt einen großen Widerspruch zu deiner Persönlichkeit da“, fand Finnick. „Ich zeig dir gleich wie groß, wenn du nicht den Mund hältst“, rief Johanna ihm zu. Und Leila runzelte die Stirn. „Unfassbar“, fand sie und schüttelte den Kopf. „Tja, ich weiß. Aber ich steh drauf“, seufzte Finnick, zuckte mit den Schultern und hörte deutlich ein unterdrücktes Lachen von Johanna. Solange sie wusste, dass er Spaß machte, war alles andere egal. Lange achtete Finnick jedoch nicht auf die nun schrecklich verwirrte Leila, sondern begutachtete das Kleid, was hereingebracht wurde, während Johanna genervt aufstöhnte. „Ein Traum in Rosa, wie niedlich“, fand Finnick und lachte über Johannas Beschimpfungen. Doch egal, wie wenig ihr das Kleid gefallen würde, sie musste es wohl oder übel anziehen. „Hey, ich finde es wirklich süß. Schau mal. Es hat kleine Blüten auf…“ „Odair! Halt die Klappe!“, fauchte Johanna und wieder lachte Finnick. Es bot sich ihm nicht so oft Gelegenheit Johanna zu ärgern und diese hier ließ er sich sicher nicht entgehen. Und wenn er sie auf die Stickereien auf ihrem Kleid aufmerksam machen konnte, die so gar nicht zu ihrem Wesen passten, würde er das auch auf jeden Fall tun. „Gib schon her!“, wandte sich Johanna an den armen, verunsicherten Mann, bevor sie ihren Bademantel achtlos von den Schultern gleiten ließ, was nicht weiter schlimm war, weil sie ohnehin bereits die passende Unterwäsche trug. Außerdem kannte er sowieso bereits alles an der Siegerin. Trotzdem warf ihr Vorbereitungsteam Finnick seltsame Blicke zu, während Johanna ihn ignorierte. Lustlos streifte sie das Kleid über und Finnick verkniff sich einen weiteren Kommentar, wobei er das rosa Kleid wirklich hübsch fand. Sehr mädchenhaft, nicht gerade passend, aber doch hübsch. Es war nun knielang und tailliert und hatte unzählige Blumenmustert auf dem oberen Teil des Kleides, während der untere durch Tüll weit aufgebauscht wurde. „Ich finde es schön“, fand die Frau, die für das Make-up zuständig war trotzig und legte Johanne eine Kette mit einer Blüte um. Die Blüte verschwand beinahe im Dekolleté der jungen Siegerin und war ein äußert guter Blickfang. Aber auch das würde Finnick ihr nicht sagen. Nachher fasste Johanna es noch als seltsames Kompliment auf. „Gut, jetzt wo du auch endlich hübsch aussiehst, können wir ja los“, fand Finnick, stand auf und wich Johanna aus, die ihm mit ihren neuen hochhackigen Schuhen auf die Füße treten wollte. „Ich hasse dich manchmal wirklich, Odair“, fand sie und schnappte sich eine kleine rosane Tasche. „Nein, das kannst du gar nicht. Keine Frau kann das“, entgegnete Finnick und zwinkerte wieder Leila zu, die trotz allem noch rot wurde, bevor Johanna ihn unsanft aus dem Raum schob. „Benimm dich, sonst lasse ich dich nie wieder zu meinem Vorbereitungsteam. Lilo kann sich nicht konzentrieren, wenn du dabei bist! Und dein dämliches Geflirte macht es nur noch schlimmer. Ich dachte, sie bekommt jeden Moment einen Herzkasper“, begann sich Johanna aufzuregen, während sie zum Fahrstuhl gingen. „Leila“, berichtigte Finnick die schimpfende Johanna. „Was?“, hakte sie irritiert nach, als er ihre Tirade unterbrach. „Das Mädchen heißt Leila. Du kennst sie jetzt ein Jahr lang und weißt nicht ihren Namen?“, fragte Finnick ungläubig und drückte auf die Aufzugstaste. „Ich merke mir nur die Namen der wirklich wichtigen Leute, Fintin“, entgegnete Johanna und Finnick fasste sich gespielt an die Brust. „Das tat weh, Jo“, informierte er sie lachend und ließ Johanna den Vortritt in den Fahrstuhl. „Sollte es auch. Aber im Ernst. Lass das Mädchen in Ruhe. Ich versteh den Sinn dahinter nicht“, beharrte Johanna und lehnte sich an die Wand des Aufzugs. „Eifersüchtig, Liebling?“, erkundigte sich Finnick amüsiert und legte den Arm um Johanna, die ihn schmerzhaft in die Brust kniff. „Halte Abstand“, knurrte sie und wieder lachte Finnick. Auch Johannas Mund zuckte verdächtig, obwohl sie beharrlich versuchte weiter wütend zu bleiben. Aber er kannte Johanna inzwischen so gut, dass er wusste, dass sie spätestens wenn sie die Geburtstagsfeier betreten würden, wieder mit ihm reden würde. Alleine schon, weil er der einzig andere normale Mensch sein würde. Kaum dass sie auf der Straße angekommen waren, winkte Finnick ein Taxi heran und hielt Johanna die Tür auf. „Ladies first“, bot er ihr an und Johanna schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. „Deswegen warte ich ja, bis du einsteigst, Finn“, erklärte sie ihm zuckersüß, woraufhin Finnick die Augen verdrehte und zuerst einstieg. Wenn sie nicht wollte. Es war ja nicht so, als wäre er sich seiner Männlichkeit nicht voll und ganz bewusst. Und es gab genug Frauen die ihm das bestätigen würden. „Ich glaube, sie hat gesagt, dass sie zu Fuß laufen will“, erklärte er dem Fahrer, bevor Johanna protestierte und ebenfalls in den Wangen kroch. „Denkst du, dass wir lange bleiben müssen?“, erkundigte sich Johanna beklommen, sobald das Auto sich in Bewegung gesetzt hatte. Jetzt war wieder keine Spur von dem gehässigen Mädchen und ihr Schutzwall war für kurze Zeit unten. Finnick musterte sie. So normal wie sie sich auch gab, wusste er, dass sie nach wie vor in tiefer Sorge war. Und keiner konnte ihr das verdenken. Dass sie überhaupt noch versuchte, sich normal zu geben war ein Wunder. Finnick wusste nicht, ob er dazu in der Lage gewesen wäre. „Ich weiß nicht. Aber das Beste ist: du kannst nach der Party direkt in dein eigenes Bett“, sagte Finnick aufmunternd und griff nach ihrer Hand. Er wollte ihr zeigen, dass sie nicht alleine war. Und prompt erwiderte Johanna den Druck haltsuchend. „Koffer schon gepackt?“, fügte er hinzu. Johanna drückte seine Hand fester. Sie sah stur auf den Boden. „Gar nicht ausgepackt“, gestand sie und für kurze Zeit schwiegen sie einvernehmlich, bis eine Menschentraube auf der Straße sichtbar wurde. Finnick seufzte. „Okay, dann wollen wir das Ganze mal hinter uns bringen.“ Er stieg zuerst aus und hielt Johanna die Hand hin, um ihr aufzuhelfen. Wegen der Schuhe, oder aus irgendeinem anderen Grund ließ sie sich sogar helfen. „Ganz schnell“, fügte Johanna leise hinzu und straffte die Schultern, als sie entdeckt wurden. Auch Finnick richtete sich noch gerade auf und rief sein typisches Kapitollächeln hervor. Sofort setzte das Blitzlichtgewitter ein und zusammen bahnten sie sich einen Weg durch die Menge. „Johanna! Was für ein niedliches Kleid!“, rief jemand und nur Finnick hörte Johannas leises Knurren darauf, weswegen er leise vor sich hin kicherte. „Meine Rede“, raunte er ihr zu und zur Strafe drückte sie seine Finger fester. „Bitte, einmal hier her sehen!“ „Lächeln!“ „Finnick, bitte schau hier rüber!“ „Leg doch mal den Arm richtig um sie!“ „Warum erscheint ihr zusammen? Ist das eine offizielle Ankündigung?“ Finnicks Kopf schwirrte von den ganzen Fragen und Anweisungen und dem Blitzlicht. „Ähm…“, machte er äußert intelligent, was aber nicht weiter schlimm war, schließlich war er hier ja nicht für sein Köpfchen beliebt. Oder besser gesagt, nicht wegen dem, was darin war. „Wir haben auch eine Privatsphäre“, murmelte Johanna ausweichend und ihre Augen blitzen verärgert auf, sodass Finnick ihre Hand beruhigend drückte. Besser sie würde nicht die Presseleute anfauchen… Das würde nicht gut ankommen. Also zog er sie schnell weiter und entkam so der aufgeregten Meute. Schnaufend sah zu Johanna zu ihm auf. „Kaum zu fassen! Sie sind so dreist und fragen sofort“, beschwerte sie sich, als sie durch den Flur des Gebäudes gingen. „Naja, wir haben es auch provoziert“, entgegnete Finnick und hob ihre immer noch verschränkten Hände in die Höhe. Und genau das war doch die Abmachung gewesen. Zusammen auftauchen, damit kein anderer sie belästigte. Auf Johannas Miene erschien ein Lächeln. „Vielleicht“, stimmte sie zu. „Aber mach dir bloß keine Hoffnungen, Odair. Ich will dich trotzdem immer noch nicht“, fügte sie hinzu und ließ seine Hand los, woraufhin Finnick sich übertrieben ans Herz fasste. „Wie kannst du nur so mit mir spielen, Jo?“, tat er schockiert. „Mein Herz ist auf ewig gebrochen!“ Johanna hob die Augenbrauen. „So was hast du überhaupt?“, fragte sie spöttisch und knuffte ihn in die Seite, was Finnick lachend über sich ergehen ließ. Wie immer ließ er zu, dass Johanna ihn ärgerte. So war sie nun einmal und er kam gut damit klar. Immerhin wusste er, dass sie spaßte. Außerdem war es besser, wenn sie dadurch abgelenkt war und nicht in Sorge um ihren kleinen Bruder ertrank. „Tatsache, so was habe ich. Aber ob Platz für dich darin ist…“, grinste er auf Johanna hinab, die jetzt ihrerseits schockiert tat. „Wenn nicht für mich, für wen dann?“, fragte sie belustigt. „Gute Frage, wo du doch die charmanteste, lieblichste Frau bist, die ich je getroffen haben“, stimmte Finnick ihr sarkastisch zu und fing sich wieder einen Ellenbogenstoß von ihr ein. Gemeinsam traten sie über die Schwelle des Veranstaltungssaals und Finnick sah sich um. Es war viel los. Wie immer herrschte ein buntes Treiben. Wie auf jeder Kapitolparty. Das war aber auch kein Wunder bei den seltsamen Outfits, die alle hier trugen. Finnick und Johanna wirkten dagegen fast schon langweilig normal. Und beide waren schlagartig wieder ernst geworden. Das hier war eine offizielle Veranstaltung. Der Geburtstag des Spielmachers. Seneca Crane. Nicht, dass Finnick ihn persönlich kannte. Aber natürlich war er eingeladen. Die jungen, attraktiven Sieger waren immer eingeladen. Sicher waren auch Gloss und Cashmere irgendwo zu finden. Aber er war nicht scharf darauf die beiden zu suchen. Finnick seufzte noch einmal. „Na los, lächeln und hoffen, dass es schnell vorbei ist“, sagte er und führte Johanna am Arm in den Raum, was erneut einige Blicke auf sich zog. „Wir lösen gerade einen Skandal aus“, murmelte Johanna amüsiert. „Und wenn schon. Was soll schon passieren?“, entgegnete Finnick vielleicht eine Spur zu leichtsinnig. Denn im Kapitol konnte alles Mögliche passieren. Kapitel 10: He is always watching --------------------------------- 10. Kapitel: He is always watching Die Frau in dem engen Schlangenhautkleid und den gruseligen, neongrünen Augen warf Johanna einen bitterbösen Blick zu und Finnick hatte sich immer noch nicht von seiner Gänsehaut erholt. Seit diese Schlangendame zu ihnen getreten war, fasste sie ihn ständig an und es kostete ihn all seine Beherrschung nicht schreiend vor ihren Händen wegzulaufen. Denn die wirkten, wie die glatten Schuppen einer Schlange. Er hoffte nur, dass das Handschuhe waren! „Oh bitte, heute Abend ist Finny mit mir hier. Und ich will ihn nicht teilen“, fuhr Johanna fort und zerrte an Finnicks Arm, während die Schlangenlady an seiner anderen Seite hing. Ein bisschen fühlte er sich, wie ein heiß begehrtes Spielzeug, das von zwei Kindern beinahe zerrissen wurde. Hoffentlich gewann Johanna. „So leid es mir tut, aber Johanna hat Recht. Ich hatte ihr gesagt, ich würde heute Abend nur Augen für sie haben“, stimmte Finnick Johanna schnell zu und schenkte der Kapitolerin ein entschuldigendes Lächeln. Bisher klappte es ziemlich gut mit ihrer Abmachung sich gegenseitig Interessenten vom Leib zu halten. Und auch dieses Mal schien es zu funktionieren. „Oh! Na schön! Ich habe ohnehin schon den Präsidenten gebeten, ein Treffen zu arrangieren“, ließ die Dame verlauten und ihre Augen wanderten lüsternd über Finnick, der ein Schaudern unterdrückte. Das würde ein ganz und gar schrecklicher Abend werden! Zum Glück konnte er ihn noch etwas vor sich herschieben. „Und dann hab ich dich für mich alleine, Finnick“, hauchte sie ihm ins Ohr, während Finnick eine Gänsehaut der unangenehmen Art bekam. Ein wirklich schrecklicher Abend! Johannas Augen weiteten sich und Finnick war heilfroh, dass sie keine angewiderte Grimasse zog, sondern sich benahm. Das konnte man bei Johanna ja leider nicht immer voraussetzen. „Ich freue mich darauf“, versicherte er der Kapitolerin strahlend und winkte ihr lächelnd nach, als sie erhobenen Hauptes in der Menge verschwand. „Das war mit Abstand das Ekligste, was ich je erlebt habe“, kommentierte Johanna leise und Finnick schüttelte den Kopf. „Kann ich leider nicht behaupten“, entgegnete er und hielt die Hand hoch, als Johanna den Mund öffnete. „Und mehr werde ich dazu nicht sagen“, stellte er klar. Immerhin musste er ja nicht jedes ekelhafte, verstörende Abenteuer vor Johanna ausbreiten. Es reichte schon, wenn er sich ekelte und es war obendrein peinlich, darüber zu sprechen. „Oh, lieber nicht. Ich bin gerade meine Alpträume losgeworden“, kicherte Johanna und schrak zusammen, als jemand sie unvermittelt am Rücken berührte. Es war reichlich untypisch für sie, dass sie so schreckhaft war. Finnick schob das auf die nervliche Anspannung seiner besten Freundin und musterte den jungen Mann, der an sie beide heran getreten war. „Caius, mein Name“, stellte er sich vor und entblößte eine Reihe strahlend weißer Zähne, so dass Finnick fast das Gefühl hatte, geblendet zu werden. Natürlich war jedenfalls anders! Caius steckte in einem goldenen Outfit, das aussah wie ein Kleid und es irritierte Finnick, dass er keine Augenbrauen hatte. „Hallo, freut mich“, erwiderte eine ganz und gar reizende Johanna und lächelte den Fremden kokett an, während Finnick sich in Schweigen hüllte. Dass dieser Mann nicht wegen ihm hier war, war ihm wohl bewusst. Trotzdem beobachtete er die Situation genau, um Johanna im richtigen Zeitpunkt zu retten. „Darf ich um den nächsten Tanz bitten?“, erkundigte sich Caius und Finnick zog Johanna wie auf Kommando besitzergreifend an sich. „Tut mir leid, da sind Sie gerade zu spät gekommen. Der Tanz gehört schon mir“, erklärte er mit einem eingeübten Lächeln. Die Miene des Kapitolers war jedoch entspannt. „Ich nehme auch den Übernächsten“, ließ er Johanna wissen und Finnick fand, dass das noch reichlich nett war. Der Mann war wirklich ruhig und bisher noch kein bisschen verärgert. Dabei zählte Geduld nicht unbedingt zu den Stärken von Kapitolbewohnern. Wenn sie etwas wollten, musste sie es für gewöhnlich auch sofort bekommen. „Der gehört mir auch“, antwortete er an Johannas Stelle, während sie nun diejenige war, die entschuldigend lächelte, was gespielt war, wie Finnick sehr genau wusste. „Ja, ich hatte Finnick alle Tänze versprochen“, hauchte sie gespielt verlegen und enttäuscht. Was für eine gute Schauspielerin dieses sonst so sarkastische, burschikose Mädchen doch war! Jetzt zeigte sich doch ein weniger Ärger auf dem glatten, blassen Gesicht des Mannes. Und er musterte Finnick feindselig, während er versuchte möglichst unschuldig und verlegen drein zu blicken. „Ich werde warten. Irgendwann wird Mr. Odair schließlich auch einmal eine Pause machen“, verkündete Caius zuversichtlich und erdolchte Finnick mit Blicken, so dass dieser es eilig hatte, Johanna von Caius fortzuziehen und die Tanzfläche anzusteuern. Von wegen, ruhig und gelassen oder gar freundlich. Dieser Caius wirkte jetzt, als hätte er es persönlich auf Finnick abgesehen. Anscheinend war er doch nicht der Geduldigste… „Wenn der mich heute Nacht umbringt, bist du Schuld“, seufzte Finnick und zog Johanna in seine Arme, als sie auf der Tanzfläche angekommen waren. Johanna lachte leise. „Hast du gesehen, wie schmächtig der war? Den kann sogar ein Mädchen wie du fertig machen, Finn“, ärgerte sie ihn und legte das Kinn auf seine Schulter. „Außerdem glaube ich, würde die Schlangenlady dich rächen“, fügte sie hinzu und machte wieder ein angewidertes Geräusch. „Wenigstens hatte die Augenbrauen“, brummte Finnick. „Ja, grüne!“, schnaubte Johanna und schmiegte sich enger an ihn, als ihr Blick auf den interessierten Caius fiel. Besser sie trieben ihre Maskerade so glaubwürdig wie möglich. „Ich hoffe, du hast viel Ausdauer, Odair. Ich werde den ganzen Abend mit dir tanzen müssen, wenn ich Callus entgehen will“, informierte sie Finnick, der lachend den Kopf schüttelte. „Jo, der Mann hieß Caius“, verbesserte er sie belustigt, weil sie sich einfach äußerst selten Namen merken konnte oder aber, was Finnick eher vermutete, einfach absichtlich die falschen nannte. Es sah ihr ähnlich, sich daraus einen Spaß zu machen. Natürlich schafften sie es nicht den ganzen Abend auf der Tanzfläche zu sein, sondern waren regelrecht davon geflohen, als eine Frau mit Tigerkrallen ständig versucht hatte, Finnicks Allerwertesten zu betasten. Johanna stand immer noch lachend neben dem länglichen Tisch, der sich unter der Fülle des angebotenen Essens beinahe bog. „Hör auf“, verlangte Finnick genervt und belud sich seinen Teller mit Nachtisch. Kleine, klebrige Törchten häuften sich bereits auf seinem Teller und er lud noch zuckrige Tierfiguren auf. „Es tut mir leid“, erwiderte Johanna ohne eine Spur Mitgefühl, was Finnick aufseufzen ließ. „Ich glaube dir nicht, Jo“, schnaubte er und inspizierte ein zuckriges Hündchen, das er dann mit einem Schulterzucken auf seinen Teller legte. „Du könntest ruhig mehr Mitgefühl zeigen! Es hat wirklich wehgetan“, fügte er verärgert hinzu und schlenderte weiter den Tisch entlang, während Johanna wieder in Gelächter ausbrach und Finnick versuchte so normal wie möglich drein zuschauen, angesichts der Tatsache, dass sie gerade über die Blessuren an seinem Hintern redeten, die die Tigerdame dort sicher hinterlassen hatten. „Fairer Weise… das waren wirklich monströse Krallen“, lenkte Johanna ein, jedoch immer noch mit einen amüsierten Grinsen. „Jetzt, wo du nicht mehr tanzt, solltest du dringend Caius suchen“, brummte Finnick und begutachtete etwas, von dem er glaubte, dass es blaue Schokolade war. Dann würde ihn wenigstens niemand mehr ärgern…. Wobei das natürlich nicht ernst gemeint war. So nervig Johanna manchmal auch war, hatte er sie trotzdem gerne um sich und würde sie nicht einfach zu einem Kapitoler abschieben. „Gibt es Blaubeerschokolade?“, fragte er an Johanna gewandte, die ihm auf die Finger schlug, als er die Hand nach der bläulichen Süßigkeit ausstreckte. „Iss das nicht! Du wirst dick und deine Zähne werden faulen“, belehrte sie ihn und stahl sich eines der Törtchen von seinem Teller, in das sie sofort herzhaft hinein biss. „Ich bitte dich! Ich werde nicht dick!“, empörte sich Finnick und überlegte bereits, wie er das fehlende Törtchen ersetzen könnte? Durch diese kleine Schale mit rosanem Pudding? „Außerdem putze ich mir wirklich sehr gründlich die Zähne. Drei Mal am Tag“, fügte er verteidigend hinzu. Das musste er wohl auch, angesichts des Zuckerschocks, den er seinen Zähnen immer wieder antat. Johanna war ja schon fast so schlimm wie Mags. Die fand nämlich auch, dass er unvernünftig war und zu viel Zucker zu sich nahm. Auch heute Abend war das seine erste Mahlzeit. Aber was konnte Finnick schon dafür, dass Süßigkeiten einfach besser schmeckten? Und vierzehn lange Jahre hatte er nicht einmal geahnt, dass es so viele leckere Sachen gab. Er hatte also eigentlich etwas aufzuholen. Und da würde er sich auch von niemanden reinreden lassen. „So leid es mir tut, aber Miss Mason hat nicht ganz Unrecht“, ertönte eine Stimme hinter ihnen und Finnicks Blick huschte sofort zu Johanna, die gänzlich erstarrt war, das Minitörtchen immer noch halb angegessen in der Hand. Und auch ihm stellten sich alle Nackenhaare auf. Alleine diese Stimme genügte, um ihn in pure Anspannung zu versetzen. Ganz langsam drehte sich Finnick um und blickte in das Gesicht des Präsidenten von Panem. Der Mann war näher, als Finnick lieb war und er fragte sich, warum er nicht vorher den penetranten Geruch der künstlichen Rose am Revier von Snow wahrgenommen hatte. Die weiße Rose blitzte auf und hatte die gleiche Farbe wie Snows Haare und sein Bart. Gepaart mit den schon zu vollen Lippen, wirkte er alles andere als gefährlich. Doch jeder wusste, dass das ein Irrtum war. Johanna und Finnick hatten beide schon früh gelernt, dass dieser Mann eiskalt und skrupellos war und dass jeder ihn fürchten sollte. Und genau das taten sie. Wann immer der Präsident Finnick zu sich rief, was nicht besonders oft vorkam, bekam dieser es mit der Angst zu tun. Denn normalerweise regelte das Staatsoberhaupt das Meiste über Briefe, die genauso widerlich rochen, wie er selbst. Finnick bildete sich dann immer ein, dass sein ganzes Zimmer nach Rosen stank. Traf er aber jemanden persönlich war das immer ein Grund zu Sorge. Schon immer hatte Finnick gefunden, dass es besser war äußerst gelassen zu wirken und sehr entgegenkommend zu sein. Dann würde nichts Schlimmes passieren, hoffte er. Oder er könnte zumindest einiges abmindern. Je aufmüpfiger man wurde, desto mehr zog man Snows Wut auf sich. Finnick hatte das einmal aus Unwissenheit riskiert, als er sich geweigert hatte, weitere Arrangements anzunehmen, genauso wie Johanna und dieser Fehler hatte ihre Väter das Leben gekostet. Seitdem gaben sie sich die größte Mühe, Snow nicht zu missfallen. Doch anscheinend hatte es nicht funktioniert. Denn warum sonst war Präsident Snow wohl hier? Zum Plaudern sicher nicht. Der Mann plauderte nie! „Guten Abend, Sir“, begrüßte Finnick den Präsidenten, weil er sich als Erster wieder gefangen hatte. Und er wusste ganz genau, dass es den Präsidenten freute, dass er sie beide nicht nur überrascht hatte, sondern auch von ihnen gefürchtet wurde. Er sog das förmlich in sich auf, hatte Finnick das Gefühl. „Ich bin ganz gerührt, dass sich hier alle um mein Wohl sorgen. Aber mir macht süßes Essen nichts aus“, fuhr er so normal wie möglich fort. Es war besser, einfach erst einmal Smalltalk zu führen, um die genaue Stimmungslage des bedrohlichen Mannes heraus zu finden. Nur leider wollte Finnick einfach nichts mehr einfallen und Johanna schwieg ebenfalls beharrlich. Finnick konnte nur vage erahnen, was in ihr vorging. Ihr Verlust und ihre Zwangsprostitution lagen ja auch noch nicht so weit zurück wie seine und Johanna war insgesamt ein wütenderer Mensch als er. Da war es vielleicht gar nicht so schlecht, wenn sie den Mund hielt, bevor etwas Böses herauskam. Gutmütig klopfte Snow ihm auf die Schulter und Finnick bekämpfte den Drang die Hand einfach weg zuschieben. Denn natürlich war das absolut nicht möglich und würde dem anderen Mann ganz und gar nicht gefallen. „Das freut mich zu hören.“ Natürlich freute ihn das. Immerhin würde ein unansehnlicher Finnick Odair kein Geld bringen, dachte sich Finnick bitter, versuchte jedoch weiterhin höflich zu lächeln. „Weshalb ich hier bin, sind allerdings nicht Ihre Essengewohnheiten, obwohl Sie die wirklich überdenken sollten. Aber warum gehen wir nicht an die frische Luft?“, verlangte Snow und die beiden Sieger tauschten unangenehme Blicke. Keiner von ihnen wollte mit Snow diesen Saal verlassen. Aber sie konnten auch unmöglich ablehnen. „Natürlich“, murmelte Johanna dann, während Finnick seinen unberührten Teller auf einen der Tische stellte und sie gemeinsam den Saal verließen. Deutlich konnte Finnick die Blicke der anderen Gäste in seinem Rücken spüren und wusste, dass sie sich fragten, was um alles in der Welt, sie mit dem Präsidenten zu tun hatten. Soweit er wusste, war dieser Mann nämlich nicht nur unter den Distriktbewohnern gefürchtet, sondern auch unter den Kapitolern selbst. Wenigstens einmal schienen sie genug Verstand zu besitzen! In Johannas Augen sah er die gleiche Panik, die auch sein Inneres erfasst hatte, als sie ihm den Kopf zu wandte, während sie dem alten Mann durch die Gänge folgten und schließlich eine Türschwelle zum Garten passierten. Finnick hielt beiden die Glastür auf und hielt Johanna für die kleine Stufe die Hand hin. Er war sich nicht sicher, welche Hand zitterte. Seine, ihre oder beide? Vorsichtshalber schob er beide Hände in die Hosentaschen und bemerkte, wie auch Johanna ihre rosa Handtasche fester umklammerte, während sie dem Präsidenten in den Garten folgten, der selbst im Dämmerlicht der vielen kleinen Lichter, die in den Büschen steckten und an Brunnen angebracht waren, beinahe zu grell strahlte. Die Blumen hatten durch und durch unnatürliche Farben und überströmten sie alle mit starken Gerüchen. Ein Mal war Finnick schon hier draußen gewesen. Und damals hatte er es sich mit einen seiner Arrangements auf mehreren Bänken und an Bäumen vergnügt. Das war ihm damals widerlich vorgekommen und er hatte sich weit weg gewünscht. Aber jetzt wünschte er sich die unersättliche Frau zurück, wenn er dafür nur den Präsidenten loswerden konnte. Denn mit jedem Schritt wuchs Finnicks Unbehagen. Brachte er sie so weit raus, um ihnen etwas anzutun? Machte man das nicht so, wenn es keine Zeugen geben sollte? Aber das war Blödsinn… alle hatten gesehen, wie er und Johanna mit Snow verschwunden waren… nur wer würde es wagen, sich gegen diesen Mann zu stellen? „Sir…“, brachte Johanna schließlich heraus. Ihre Geduld war also schneller zu Ende gewesen, als seine. „Sir… entschuldigen Sie, aber wohin gehen wir?“, fragte Johanna und sah sich um. Während sie den Blick schweifen ließ, bemerkte Finnick neben ihrer Nervosität etwas anderes, weitaus Gefährlicheres. Wägte sie die Situation ab? Den Blick kannte Finnick. Johanna hatte in ihren Hungerspielen so ausgesehen, oder wenn sie sich mit anderen Siegern anlegte, und auch wenn sie ihn spielerisch angriff, weil er sie geärgert hatte. Finnick erstarrte, während er Johannas Miene analysierte. Sie konnte unmöglich so dumm sein und abwägen, ob sie einen Angriff riskieren konnte. Hastig griff er nach Johannas Hand und packte sie so fest, dass ihm ihre Aufmerksamkeit gewiss war. Warnend hob Finnick die Augenbrauen. Es mochte so wirken, als wären sie nur zu dritt. Aber Snow war so lange an der Macht, dass er nicht den Fehler begehen würde, sich alleine mit zwei Siegern in völlige Abgeschiedenheit zu begeben. Er war sich ihrer Stärke durchaus bewusst. Niemals würde er einen solchen Anfängerfehler begehen. Nicht nach all seiner Erfahrung. Und wenn Johanna dumm genug war, einen Angriff zu versuchen brachte sie sich nur selbst in Gefahr. Und Finnick vielleicht sogar gleich mit. „Sehr romantisch so ein Spaziergang im Mondlicht. Aber vergessen Sie nicht meine Anwesenheit“, ertönte die Stimme des Staatsoberhaupts neben ihnen und sie wandten beide überrascht den Kopf um. Während Finnick nun derjenige war, der kurz sprachlos war, schaffte es Johanna ein Lächeln zustande zu bringen. „Sir, wir würden Sie niemals vergessen. Aber es macht Ihnen doch nichts aus…“, begann sie und unterbrach sich selber, als sie Snows Blick bemerkte. Zum zweiten Mal an diesem Abend bekam Finnick eine Gänsehaut der üblen Art und bekämpfte den Impuls einfach davon zu laufen. Denn was würde das schon bringen? „Leider, Miss Mason… leider macht es mir etwas aus“, entgegnete der ältere Mann leise und Finnick war erstaunt, wie er es noch darstellen konnte, dass es ihm wirklich leid tat. Denn dem Präsidenten tat nie etwas leid. So etwas wie ein Gewissen besaß dieser Mann nicht. Dafür war er ein hervorragender Schauspieler. „Sir, Sie meinen…?“, erkundigte sich nun Finnick. Denn ihm war noch nicht ganz klar, worauf dieses Gespräch hinauslaufen sollte. „Mr. Odair, Miss Mason, ersparen wir uns die Umschreibungen. Wir wissen alle drei, was Sie beide für mich tun und wir wissen auch, dass ich kein Interesse daran habe, Ihnen diese Pflicht abzunehmen“, sagte der Präsident nun um einiges schärfer. Obwohl seine Stimme weniger nett klang, war es fast angenehmer, so mit ihm zu sprechen. Es war echter. Jetzt konnte man die Stimmung besser einschätzen. Finnick zog es vor, wenn Menschen nicht spielten, sondern ihr wahres Wesen zeigten. „Das wissen wir. Was wollen Sie dann von uns?“, entgegnete Johanna, die sich von dem drohenden Tonfall anstecken ließ und deren Stimme nun ebenfalls weniger freundlich klang. „Jo…“, murmelte Finnick warnend, während seine beste Freundin nun ihm einen finsteren Blick zu warf. „Es ist doch so. Er hätte nicht mal mit uns raus gehen müssen. Eine Erinnerung daran, wäre auch vor allen anderen möglich gewesen!“ Wütend funkelte sie nun zu dem weißhaarigen Mann auf und Finnick war sprachlos vor Entsetzen. Das lief gar nicht gut. Was immer den Präsidenten grämte, würde nun noch schlimmer werden. „Da haben Sie Recht, Miss Mason. Aber ich dachte mir Sie würden dieses Gespräch lieber ohne Publikum bevorzugen. Ich habe nämlich eine Anweisung. Dieses alberne Spiel zwischen Ihnen. Das hört auf. Augenblicklich“, forderte Snow und betrachtete ihre verschränkten Finger, als wären sie das Ekligste, was er je gesehen hätte. „Spiel? Sir, woher wollen Sie wissen, dass es ein Spiel ist?“, entgegnete Johanne gelassen. „Ich bitte Sie, Miss Mason. Halten Sie mich nicht für dumm“, seufzte Snow und nun wurde auch Finnick wütend. Natürlich hatte der Präsident Recht. Aber das konnte er unmöglich so genau wissen. Was wäre, wenn er Johanna tatsächlich lieben würde? Könnte er ihm das verbieten? Mit Sicherheit nicht! „Bei allem Respekt, Sir. Aber ich glaube nicht, dass es Sie etwas angeht, was wir in unserem Privatleben tun“, sagte Finnick bestimmt und bereute diese Aussage sofort, als nun er von dem wütenden Blick ins Visier genommen wurde. „Mr. Odair, Ihr Privatleben hat aber Konsequenzen für unsere Vereinbarung. Sehen Sie, sobald jemand erfährt, dass Sie glücklich verliebt sind und in einer Beziehung mit der reizenden Miss Mason, habe ich Schwierigkeiten damit Sie zu vermarkten“, erklärte Snow nun wieder äußerst ruhig und in einem so lapidaren Ton, als würde er mit ihnen über das Wetter plaudern. Nur, dass er das nicht tat. Seine Worte waren von äußerst großer Bedeutung für Finnick. Es war, als hätte man ihm einen harten Schlag verpasst und er realisierte die Worte nur allmählich. „Das heißt, Sie wollen nicht… Sir, wissen Sie, was Sie da verlangen?“, fragte Finnick entsetzt nach. Vollkommen egal, dass er nicht mehr so tun durfte, als ob er in Johanna verliebt war. Er durfte anscheinend nicht mal wirklich verliebt sein. Und dabei hatte sein Vater ihm immer beigebracht auf die Richtige zu warten. Das hatte er zugegeben sowieso nicht getan –tun können- aber trotzdem war da immer noch die Wunschvorstellung gewesen. Und die hatte Snow äußerst unsanft zum Platzen gebracht. „Sie erlauben uns keine Beziehung. Zu niemanden?“, hakte nun auch Johanna nach. Ihre Stimme klang schriller, viel aufgeregter, als Finnick sie sonst kannte. Dabei war ihm nicht einmal bewusste gewesen, dass Johanna solche romantischen Zukunftsträume hatte. „Ich sehe, wir verstehen uns.“ Präsident Snow wirkte zufrieden, während sie beide am Boden zerstört waren. Wie immer. Er weidete sich noch am Unglück anderer, das selbstverständlich er verursacht hatte. „Finnick hat Recht, das können Sie nicht verlangen!“, entschied Johanna resolut. „Natürlich nicht. Sie haben vollkommen Recht, ich kann Ihnen nur sagen, was ich von Ihnen erwarte. So wie Sie im Gegenzug von mir erwarten, dass Ihren Familien nichts passiert.“ Wieder waren sie alle in tiefes Schweigen gehüllt. Finnicks Hauptanliegen war es im Moment die weißen Marmorplatten unter seinen Füßen zu mustern, während es in seinen Ohren rauschte und ihm schier schwindelig wurde, während Snows Blick schwer auf ihnen lastete. Snow war deutlich gewesen. Mags oder eine potentielle Freundin. Natürlich wählte er dabei Mags! Er könnte nicht damit leben, sie auf dem Gewissen zu haben. Er hatte schon seinen Vater umgebracht. Wie konnte er das Gleiche wissentlich bei der Frau tun, die sein Leben gerettet hatte? Mags war alles an Familie, was er noch hatte. Und Finnick wusste, dass Johanna niemals das Leben ihres Bruder und ihrer Mutter gefährden würde. Auch sie war merklich still. Denn dass sie jemanden kennenlernen würde war zwar noch ungewiss, aber durchaus möglich. Eine normale, glückliche Zukunft hätte es geben können. Die jedoch plötzlich weg gewischt wurde. Nun waren sie beide desillusioniert. „Nehmen Sie es nicht so schwer. Wie lange kann es wohl noch dauern? Sobald ich Sie nicht mehr benötige, gehört Ihr Leben ganz Ihnen“, ertönte die freundschaftliche Stimme an Finnicks Ohr und er schob beide Hände wieder tief in die Hosentaschen, damit er nichts tat, was alles noch schlimmer machen würde. Denn eine tiefe, rasende Wut nahm von Finnick Besitz und er wusste, dass es Irrsinn wäre, ihr jetzt nach zugeben. „Außerdem wollen Sie doch sicher niemandem zumuten, das alles mitanzusehen. Niemand teilt gerne, müssen Sie wissen. Nun dann, ich denke ich lasse Ihnen etwas Privatsphäre für Ihre… Trennung“, ließ der Präsident sie spöttisch wissen und machte Anstalten sie alleine zu lassen. Finnick war erleichtert. Er brauchte Zeit für sich. Zeit, um alles zu realisieren. Zeit, um damit klar zu kommen. Das alles war nicht möglich, solange diese schreckliche Person vor ihm stand, die sein Leben kontinuierlich verpfuschte. Solange der Präsident noch nicht fort war, hielt Finnick den Kopf weiter gesenkt. Hätte er das nicht getan, hätte er vielleicht Johannas Aktion verhindern können. Dann hätte er sie vielleicht aufhalten können, als sie plötzlich einen Satz machte und einen Angriff auf Snow versuchte. Seine beste Freundin musste völlig neben sich stehen, wenn sie einen solchen Blackout hatte und nun tatsächlich ihre leisen Drohungen wahrmachte, die sie manchmal vor ihm aussprach. Doch wie Finnick schon vermutet hatte, waren sofort Friedenswächter zur Stelle und pflückten Johanna von dem Staatsoberhaupt hinunter, das sie zu Boden gerissen hatte, noch bevor sie ihn verletzen konnte. Wild um sich schlagend versuchte Johanna sich zu wehren und es wirkte eher so, als hätte sie eine Art Aussetzer. Finnick glaubte nicht, dass sie darüber nachdachte, was sie tat. Denn das hier war selbst für Johanna zu riskant. „Ich glaube, es ist das Beste, wir unterhalten uns morgen. Beruhigen Sie sich bis morgen Abend, dann setzen wir unser Gespräch fort“, schlug der Präsident vor und seine Stimme klang so eisig, wie die Botschaft in seinen Worten. Denn natürlich war das keine nette Geste, sondern eine Art Arrest, unter den er Johanna stellte. Das bedeutete, dass sie vorerst länger hier bleiben musste und genau das hatte sie nicht gewollt. An ihrem entsetzten Gesicht konnte Finnick sofort erkennen, wem ihr erster Gedanke galt. Melo. Johannas kleiner Bruder, der immer noch krank in Distrikt Sieben auf die Rückkehr seiner Schwester mit den lebensrettenden Medikamenten wartete. Finnick fügte schnell die Gedanken zusammen. Es war unmöglich, dass Snow nicht davon wusste. Dieser Mann wusste alles, was in Panem passierte. Und er hatte die härteste Strafe gewählt, die er sich in so kurzer Zeit für Johannas Angriff hätte ausdenken können. „Sir, nein!“, begann Johanna viel zu spät und das pure Grauen stand ihr ins Gesicht geschrieben. Nun hatte sie sich selber die Heimfahrt am Morgen versaut. Kein Wunder, dass sie sofort Reue zeigte und versuchte Schadensbegrenzung zu betreiben. Doch Finnick wusste bereits, dass ihr Flehen sinnlos sein würde. Der Präsident änderte seine Meinung nicht. Trotzdem sprang er ihr bei. Er könnte es sich schließlich nicht verzeihen, wenn er es nicht wenigstens versuchen würde. „Präsident Snow, gibt es keine andere Möglichkeit? Johanna muss nach Hause. Ich bin sicher, sie hat ihren Fehler erkannt und es wird kein zweites Mal dazu kommen“, bat er ihren gemeinsamen Feind. „Das hätte sich Miss Mason früher überlegen können. Im Übrigen, glaube ich kaum, dass es dort noch etwas gibt, was Sie tun kann.“ Während Johannas Widerstand nun ganz abnahm und ihre Unterlippe gefährlich zitterte, stand Finnick da und betrachtete den Mann voller Abscheu, der seiner besten Freundin gerade auf die unschonendste Art und Weise beigebracht hatte, dass ihr Bruder verstorben war oder zumindest kurz davor war, die man sich denken konnte. Nun war es ein Kinderspiel Johanna von hier weg zu schaffen, denn sie schien lediglich noch auf ihren Füßen zu stehen, weil sie von zwei Friedenswächter festgehalten wurde. Und Finnick starrte ihr ungläubig nach. Sie jetzt alleine einzusperren war die Krönung des Ganzen. Nur zu gut konnte sich Finnick vorstellen, wie Johanna in dieser Nacht leiden würde und er biss sich auf die Unterlippe, um den Schmerz zu verdrängen, den dieser Gedanke in ihm herauf beschwor. Ein Räuspern schreckte ihn aus dem wirren Gewühl von Trauer und Wut. „Mr. Odair, nun da Sie wieder voll verfügbar sind, wie wäre es, wenn Sie Mrs. Anconi Gesellschaft leisten? Ich habe gesehen, wie sie ein wenig Beachtung von Ihnen erhaschen wollte. Die reizende Dame mit den Schlagenakzenten. Ich seh Sie dort in fünf Minuten!“, wies Snow ihn an, als wäre nichts weiter vorgefallen. Noch bevor Finnick irgendetwas zu seiner neuen Aufgabe sagen konnte, war der Präsident verschwunden und ließ ihn in einem Meer voller greller, künstlicher Blumen zurück, wo er nun sich und seinen Gedanken überlassen war, während ihn die Frage quälte, wie ein einzelner Mann in so kurzer Zeit so viel Unglück bescheren konnte, ohne dabei mit der Wimper zu zucken. Kapitel 11: Water is the best distraction ----------------------------------------- 11. Kapitel: Water is the best distraction “Rede mit mir…”, bat Finnick seine beste Freundin nun schon zum zehnten Mal und rüttelte an Johannas Schulter, um zu erreichen, dass sie sich zu ihm umdrehte. Doch sie rührte sich kein Stückchen, sondern blieb auf dem Bauch liegen, das Gesicht in ihrem Armen vergraben und strafte ihn mit Nichtbeachtung. Sie war sauer. Immer noch. Finnick hatte sie seit ihrer kurzen Inhaftierung nur einmal gesehen. Und das war gewesen, als sie beide am Bahnhof angekommen waren. Er vom Trainingscenter, Johanna von ihrer Zelle aus. Sie hatten beide nach Hause gedurft, auch wenn es in Johannas Fall viel zu spät gewesen war. Ihr kleiner Bruder war bereits verstorben, ohne dass sie ihm die Medikamente hatte bringen können. Sie war nicht einmal anwesend gewesen, weil sie im Kapitol festgehalten worden war. Und sie hatte keinen Hehl daraus gemacht, wie sauer sie auf Finnick war, weil er vorgeschlagen hatte, dass sie beide so tun könnten als würden sie zusammen auf einer Kapitolparty aufkreuzen, um sich damit die lästigen Kapitolbewohner vom Hals zu schaffen. Nur leider hatten sie dafür ordentlich Ärger kassiert und das Ganze war damit geendet, dass Johanna auf Präsident Snow losgegangen war. Und das wiederum hatte ihr einen Tag Arrest eingebracht und ihre Abreise verzögert. Doch für diese Verkettung unglücklicher Ereignisse konnte Finnick doch nichts… Er hatte versucht ihr das klar zu machen, als sie ganz und gar undamenhaft im Bahnhof auf ihn losgegangen war und schließlich von Gloss zurückgehalten werden musste, der irgendwann eingegriffen hatte. Er und seine Schwester hatten das Treiben nämlich beobachtet, wobei Letztere eher amüsiert, als besorgt gewesen war. Seitdem hatte Johanna Finnick ignoriert. Sie hatte wortlos aufgelegt, wenn er sie angerufen hatte und hatte ihm nichts auszurichten, wenn Mags sie anrief. Es war schier schrecklich. Keinen Kontakt zu Johanna zu haben, war viel schlimmer, als Finnick es sich je vorgestellt hatte. Dabei traf ihn maximal eine Teilschuld. Johanna hatte immerhin mitgespielt und er konnte weder etwas für Snow noch für ihren eigenen Aussetzer. Trotzdem fühlte sich Finnick schrecklich. „Jo…, bitte. Es tut mir leid. Ich hab dir am Telefon schon immer wieder gesagt, wie leid es mir tut. Mags hat es dir auch ausgerichtet… was kann ich noch tun?“, fragte er und rüttelte an dem Mädchen. „Nichts… du kannst gar nichts tun, Odair…“, kam es gedämpft von Johanna, die mit ihm sprach ohne aufzusehen. „Oder kannst du Melo zurückholen? Oder kannst du meiner Mutter sagen, dass ich nicht aus Spaß länger geblieben bin? Das denkt sie nämlich. Ich hätte mich vergnügt, anstatt Melo die Medikamente zu bringen.“ Johannas Stimme klang tonlos und beinahe unberührt. Aber Finnick wusste, dass das genaue Gegenteil der Fall war. Und sofort bekam er ein noch schlechteres Gewissen, denn der Part über ihre Mutter war ihm bisher noch unbekannt gewesen. „Oh, Jo… das tut mir leid… hast du ihr nicht die Wahrheit gesagt?“, fragte Finnick bestürzt. Denn natürlich war Johannas Mutter so sehr auf dem Holzweg, wie kaum möglich. Niemals hätte Johanna ihren kleinen Bruder im Stich gelassen. „Natürlich, du Idiot! Ich habe es die ganze Zeit versucht. Sie glaubt mir nicht… und ich kann ihr nicht die ganze Wahrheit sagen. Ich will ihr nicht sagen, dass ich… du weißt schon…“ Finnick seufzte und klopfte Johanna mitfühlend auf die Schulter. Sie wollte ihrer Mutter partout nicht erzählen, dass sie rein gar nichts dafür konnte, dass sie immer mit anderen Männern gezeigt wurde. Sie wollte ihrer Mutter ersparen sich selbst Vorwürfe zu machen, weil das alles nur passierte, weil Johanna ihre Familie schützen wollte. Diese Selbstvorwürfe kannte Finnick wegen Mags. Und schön war das tatsächlich nicht. Aber sich stattdessen anhören zu müssen, dass das eigene Verhalten absolut schrecklich war, war auch nicht gerade angenehm. „Ich weiß…“, seufzte er und legte sich schließlich neben Johanna. Er starrte an die Decke ihres Zimmers, während er auf weitere Lebenszeichen seiner besten Freundin wartete. „Du wirst nicht verschwinden oder?“, erkundigte sich Johanna nach einiger Zeit. „Nein“, stimmte Finnick ihr zu und von Johanna kam so etwas wie ein ersticktes Lachen. „Ich bin gar nicht böse auf dich, Finn…“, räumte sie schließlich ein. „Jedenfalls nicht mehr. Wir konnten ja nicht wissen, dass so etwas passiert. Beide nicht. Und ich hätte nicht mal auf dich hören müssen. Und wenn ich nicht ausgerastet wäre…“ Johanna brach ab und Finnick glaubte sie leise schluchzen zu hören. „Es war meine Schuld, nicht deine…“ Nun wandte er den Kopf auf dem Kissen um, um das Knäuel aus Haaren und Armen anzusehen, hinter dem Johannas Kopf versteckt war. „Du bist nicht Schuld, Jo. Du weißt, wer schuld ist!“, sagte er nachdrücklich und legte vorsichtig den Arm um ihre Schultern, während er den Kopf gegen ihren lehnte. Es war schmerzhaft Johanna so zu erleben. Dabei kam ihm die Situation vage bekannt vor. Ähnlich hatte sie auch auf den Tod ihres Vaters reagiert und damals hatte Finnick gehofft, dass sie nicht wieder so etwas erleben musste. Und nun waren nur einige Monate vergangen. „Hey… bekommen wir nicht Ärger deswegen, Exfreund?“, wehrte sich Johanna kraftlos ohne auf seine Worte einzugehen und Finnick erkannte den Versuch das Thema zu wechseln. „Oh… nein, ich glaube nicht. Mags hat mir erzählt, dass sie deinen kleinen Angriff auf mich als… naja Trennungsszene im Fernsehen ausgestrahlt haben. Wir sind offiziell getrennt und nur noch Freunde“, gab er den Bericht wieder, von dem Mags ihm erzählt hatte und den er einfach lächerlich gefunden hatte. Richtig lächerlich! Aber so hatte der Präsident jedes noch so kleine Gerücht sehr gut aus dem Weg geräumt. Niemand ihrer Interessenten würde jetzt noch an eine Beziehung der beiden denken. Und eigentlich war Finnick Snow ein wenig dankbar, dass er sich nicht vollkommen von Johanna fern halten musste. Johanna schnaubte. „Trennungsszene? Was sollst du getan haben?“, wollte sie wissen und er meinte in ihrer schwachen Stimme ein wenig Belustigung heraus zu hören. „Ich wäre nicht auf die Idee gekommen, meinem Exfreund die Nase zu brechen“, fügte sie hinzu und Finnick verzog das Gesicht, als er sich an die unschönen Schmerzen erinnerte. Er hatte im Zug die gesamte Zeit kühlende Salbe auftragen müssen, damit seine Nase nicht unschön blau wurde. „Sie war nicht gebrochen. Hat nur geblutet wie sonst was…“, berichtigte er Johanna, die nun wirklich leise lachte. „Ich habe dich mit Natti betrogen“, fügte er erklärend hinzu, um die Geschichte zu vervollständigen „Sollte ich die kennen?“, erkundigte sich Johanna. „Ja, die Schlangenlady von der Party. Du hast es rausgefunden und bist ein wenig wütend geworden. Mittlerweile sind wir wieder Freunde. Habe ich alles durchs Fernsehen erfahren“, sagte Finnick belustigt. Hin und wieder erfuhr er nämlich Dinge über das Fernsehen oder den Tratsch der Menschen, die er selber noch nicht über sich wusste. Aber mittlerweile war ihm selbst das herzlich egal. Denn bis auf wenige Eingeweihte hatte sich ganz Panem ohnehin ein Bild von ihm gemacht, das der Realität nicht besonders nahe kam. Irgendwann lernte man darüber zu stehen. Wirklich zählten doch nur diejenigen, die ihm nahe standen und die wussten es wirklich besser. „Und dann kam ein laaaanger Beitrag darüber, dass ich bei so vielen Schönheiten einfach nicht treu bleiben könnte und ein Aufruf, dass sich alle gefälligst Mühe geben sollten, dich jetzt aufzumuntern“, beendete Finnick die Geschichte und nun schnaubte Johanna wieder verächtlich. So dummen Berichten konnten nur Kapitoler Glauben schenken. „Interessant. Und beim nächsten Mal sollte ich richtig zu schlagen… halbe Sachen mag ich nämlich nicht“, ärgerte Johanna ihn, wie Finnick überrascht feststellte. Erleichterung durchflutete ihn. Wenn Johanna schon wieder Witze riss, dann war sie auf dem Weg der Besserung. Schließlich lugte sie sogar unter ihrem Arm hervor und schenkte ihm ein schwaches Lächeln. „Schlag mich nicht noch mal. Ich bekomme Angst vor dir“, bat er sie und Johanna rollte sich auf die Seite um ihn besser ansehen zu können. „Solltest du auch.“ Spielerisch knuffte sie ihn in die Seite. Lachend erwiderte Finnick den leichten Schlag, bis sie in einen regelrechten Schlagabtausch verwickelt waren. Johanna war zwar nicht so stark wie er, aber flink und wendig. Und er ließ sie ganz klar gewinnen. Sollte sie sich ruhig darüber freuen. Aber Finnick musste zugeben, dass es selbst für ihn etwas anstrengend geworden wäre, hätte er wirklich ernsthaft versucht die Oberhand zu gewinnen. Er hob die Arme über den Kopf um zu signalisieren, dass er aufgab, als Johanna ihn auf ihrem Bett nieder gewrestelt hatte. Denn das konnte sie erstaunlich gut. „Okay, ich ergebe mich. Tu mir nichts“, lachte Finnick, während sich Johanna ein Grinsen nicht verkneifen konnte. Dann jedoch wurde sie wieder ernst. „Lenk mich ab, Finn… ich brauche dringend Ablenkung von zu Hause“, bat sie ihn und Finnick verstand sofort. Es war nie gut sich seinen eigenen Gedanken überlassen zu werden, wenn die einen derart quälten. „Okay“, willigte er ein und wackelte mit den Augenbrauen. „Ich bin verdammt gut im Ablenken!“, raunte er ihr mit seiner verführerischsten Stimmlage zu, woraufhin Johanna entsetzt die Augen aufriss und ihn einen Schlag versetzte. „Ihhh! Du Idiot! Nicht so!“, protestierte sie lachend und sprang vom Bett um sich in Sicherheit zu bringen. Nun war es an Finnick zu lachen und sich aufzurichten. „Danke, das tue ich mir auch kein zweites Mal an“, ließ er sie wissen und stand auf, während Johanna ihm noch einmal einen leichten Schlag verpasste. „Zieh dir Schuhe an, wir gehen“, informierte er Johanna und schlüpfte in seinen eigenen Schuhe. „Wohin, ich hab keine Lust auf eine Party…“, entgegnete Johanna wenig begeistert. „Das beunruhigt mich… wenn du nicht einmal Lust aufs Betrinken hast… aber das wollte ich nicht vorschlagen. Es wird eher eine Privatparty“, erklärte Finnick und schob sie zu ihren Schuhen. Seufzend gehorchte Johanna und ließ sich von Finnick aus dem Trainingscenter scheuchen, damit sie in die kühle Herbstnacht des Kapitols entschwinden konnten. „Bei uns zu Hause sind die Laubbäume viel schöner… sie haben bunte Blätter“, seufzte Johanna, als sie an den Bäumen des Kapitols vorbei gingen, deren Blätter immer noch saftig Grün aussahen. „Hier ist alles nicht echt…“, gab Finnick zu bedenken und sah dann Johanna an. „Obwohl ich bunte Bäume auch nicht gerade… normal finde...“, gab er zu bedenken und Johanna lachte. „Ist es aber. Im Herbst werden die Blätter bunt… jedenfalls rot oder gelb oder braun“, belehrte sie ihn und Finnick zuckte mit den Achseln. Mit Bäumen kannte er sich nicht aus. Es gab kaum welche in seinem eigenen Distrikt und er konnte einfach das Gefühl nicht abschütteln, in dem er Bäume mit etwas Negativen assoziierte. Bäume konnten Schutz bieten, aber auch als Hinterhalt dienen. Finnick war sich nicht sicher, was er von Bäumen in großer Anzahl halten sollte. Johanna hingegen war gerne im Park. Sie mochte es hier. Ein Ort, der sie an zu Hause erinnerte. Und so schlecht war der Park wirklich nicht. Denn die meisten Kapitoler schienen gar nicht so angetan davon zu sein. Natur passte ihnen nur auf Bildern, nicht in der Realität, obwohl die wenigen Grünflächen in der Hauptstadt nicht ganz natürlich waren. Aber kühl war es trotzdem, vor allem, sobald die Sonne unterging. Um diese Zeit war der Park verlassen und nicht gerade hell beleuchtet. Noch eine schöner Nebeneffekt. Es war viel angenehmer, den grellen Lichtern zu entfliehen, als durch sie hindurch zu wandern. Und die Bewohner der Stadt hatten nun allesamt Besseres zu tun. Es gab unzählige Partys und wichtige Ereignisse bei denen sie dabei sein mussten. Ein Parkspaziergang war die reine Zeitverschwendung. Zielstrebig steuerte Finnick einen See an, der im Park gelegen war und an dem er einmal an nettes Picknick gehabt hatte, bevor die Dame in der Öffentlichkeit über ihn hergefallen war und er sie nur mit Mühe und Not in ein Hotelzimmer hatte lotsen können. Trotzdem mochte Finnick den See, denn der wiederum erinnerte ihn an seine Heimat. Im Kapitol gab es wenig Gewässer. Da war der kleine See schon fast etwas Besonderes. Und genau den steuerten sie gerade an. „Wir sind da“, ließ Finnick seine Begleitung wissen und wandte sich zu Johanna um, die wenig begeistert wirkte. Skeptisch zog sie die Augenbrauen hoch und schien nicht recht zu wissen, was sie hier sollte. „Nett gemeint, aber ich hatte weniger daran gedacht, mich zu ertränken“, sagte Johanna und verschränkte die Arme vor der Brust, während Finnick lachend die Augen verdrehte. „Gut, denn genau das Gegenteil habe ich auch vor“, fand er und zog sich den dünnen, hellgrünen Pullover aus, den er heute erst aus seinem Kapitolkleiderschrank gefischt hatte und der nun achtlos auf dem Parkboden landete. Überrascht musterte Johanna ihn. „Sicher? Es macht eher den Eindruck, als würdest du mich geradezu in den Selbstmord treiben wollen“, fand sie und ihr Blick streifte kurz seine nackte Brust, bevor sie die Augen wieder auf den See richtete. Zwar wusste sie, wie er nackt aussah, aber anscheinend versuchte Johanna das zu vergessen. Eigentlich war ihre einzige gemeinsame Nacht immer noch ein wenig peinlich, weil Finnick Johanna wirklich nicht derart gut kennen wollte. Aber andererseits kam diese Nacht auch unter die Top Ten seiner persönlichen Bestenliste, weil es eben Johanna war, die ihm tatsächlich viel bedeutete. Aber gerade weil Johanna wusste, wie er gebaut war, war es mittlerweile auch vollkommen egal für Finnick, ob sie ihn spärlich bekleidet sah. Vor allem, weil anscheinend ganz Panem zu wissen schien, wie er aussah. Mit der Zeit machte sich Finnick immer weniger Gedanken darum, was sicher auch besser so war, bevor er deswegen durchdrehte. Er musste sich schließlich mit dem abfinden, was er nicht ändern konnte. Finnick zog sich die helle Stoffhose aus ohne sich darüber Gedanken zu machen und beobachtete, wie Johanna zwischen ihm und dem See hin und her schaute. Sie wirkte unschlüssig, was sie sich lieber ansehen wollte. „Du machst mir Angst“, fauchte sie und wedelte mit der Hand vor ihm herum. „Wenn du dich weiter ausziehst, breche ich dir wirklich die Nase“, drohte sie und gab ein leises, erschrockenes Quietschen von sich, als Finnick ihr die Hände auf die Schultern legte. „Mach schon, mit Kleidung ist das Ganze eher hinderlich“, drängte er Johanna, die ihm den Ellenbogen in die Rippen rammte. „Was glaubst du, warum ich noch angezogen bin. Ich will das auch verhindern!“, erklärte sie und zog wieder die Augenbrauen hoch, als Finnick leise auflachte. „Jo, ich will nicht mit dir schlafen!“, beruhigte er sie und nickte dann zum See hinüber. „Ich will dir schwimmen beibringen. Mein Dad und ich sind immer mit dem Boot rausgefahren, wenn ich traurig war. Oder viel mehr: Ich durfte mit, wenn er arbeiten musste. Was aber eigentlich das Gleiche ist“, erklärte Finnick und zuckte mit den Schultern. „Unser Boot ist aber nicht hier und das Naheliegenste, was mir eingefallen ist, war der See. Schwimmen macht Spaß, komm schon, Jo“, ermutigte er seine beste Freundin, die nun noch weniger Begeisterung zeigte. Sie fokussierte nun Finnick, weil sie sich vom See abgewendet hatte. „Ach weißt du, wenn ich es mir recht überlege, würde ich es lieber mit dir tun“, entgegnete sie in einem Versuch cool zu bleiben, der scheiterte. Johanna hatte keinerlei Erfahrungen mit tiefem Gewässer. Sie kannte bestenfalls Badewannen. Kaum ein anderer Bewohner außerhalb von Distrikt Vier konnte schwimmen. Und das war mehr als schade. „Willst du nicht. Aber danke, dass ich das kleinere Übel wäre“, grinste Finnick und kam auf Johanna zu. Denn ein ‚Nein‘ ließ er nicht gelten. „Kleiner? In der Tat.. Au!“, beschwerte sich Johanna, als er ihr an den kurzen Haaren zog, um ihre Beleidigung zu stoppen. „Komm schon, es kann nichts passieren. Ich bin dabei. Und man weiß nie, wozu es gut ist“, überredete Finnick sie weiter, bis Johanna schließlich seufzend aufgab und ihr rotes Kleid über den Kopf zog. „Genau, weil ich ja unbedingt schwimmen lernen muss, weil ich sonst in meinem Distrikt niemals überleben würde“, murmelte sie sarkastisch vor sich hin, was Finnick großzügig ignorierte. Er reichte ihr lieber die Hand, als sie sich ebenfalls bis auf die Unterwäsche ausgezogen hatte. Bloß nahm Johanna seine Hand nicht an, sondern schälte sich auch aus ihrem BH und dem Slip, was nun bei Finnick für Verwirrung sorgte. „Du weißt schon, dass du mich nicht durch Sex von meinem Ursprungsplan ablenken kannst?“, erinnerte er sie daran, während Johanna die Augen verdrehte. „Ich will das nicht nass machen!“, fauchte sie und machte die ersten unsicheren Schritte in den See hinein, bevor sie erschauderte. „Es ist kalt! Scheiße“, fluchte Johanna zu Finnicks Amüsiertheit und ihn kurz von der Beschämtheit ablenkte, die ihre Nacktheit mit sich zog. Kaum merklich schüttelte Finnick den Kopf. Es war schließlich auch nicht so, als ob er nicht ständig nackte Frauen zu Gesicht bekam. Und außerdem wollte er vor Johanna nicht kleinbeigeben und zog sich die Boxershorts so beiläufig wie möglich von den Hüften, was Johanna netter Weise – abgesehen von einem kurzen Blick- ignorierte, während sie sich leise fluchend weiter in den See vorarbeitete. „Ich hoffe nur, es kommt keiner vorbei!“, fand Finnick, während er Johanna überholte und nur kurz den Kälteschock zu überwinden hatte. In seinem Distrikt ging man schließlich andauernd ins Meer und vor allem die Fischer hatten gar keine andere Wahl als zu jeder Jahreszeit mit dem kalten Meerwasser in Berührung zu kommen. „Wenn ich so aussehen würde, würde ich das auch hoffen“, bibberte Johanna und blieb stehen, als das kalte Wasser ihren Bauch erreichte. Das war der schlimmste Part, wie Finnick wusste und brachte diesen schneller hinter sich, in dem er sich einfach nach vorne fallen ließ und in gleichmäßiges Schwimmen verfiel, während Johanna bereits wieder fluchte. „Pass auf, wen du nass machst!“, rief sie ihm zu, während Finnick lachend auf sie zu schwamm. „Der Sinn von Wasser ist, dass man nass wird, Jo“, erklärter er ihr gespielt geduldig, bevor er die kleinere Siegerin packte und das strampelnde Wesen mit sich zog. Im Wasser war das gar kein Problem mehr, immerhin wog Johanna hier beinahe gar nichts. Außerdem kam es ihm zu Gute, dass sie sich haltsuchend an ihn klammerte, wie eine Schlingpflanze. „Ich hab meine Meinung geändert, bring mich zurück! Finn, bring mich zurück!“, fuhr sie ihn an und Finnick hielt tatsächlich inne, um Johanna auf den Boden zu stellen. Es hätte fast etwas Lustiges gehabt, wie sie dort auf und hab hüpfte, um an der Wasseroberfläche zu bleiben. Allerdings hatte sie offensichtlich wirklich ein wenig Angst. Finnick erinnerte sich noch gut daran, dass er ebenfalls Angst gehabt hatte, als sein Vater ihm das Schwimmen beigebracht hatte. Und dann hatte es sich als einfacher als erwartet herausgestellt. „Keine Panik, ich bin hier. Dir kann gar nichts passierte“, beschwichtigte er Johanna, die nach seinem Arm griff und so leichter an der Wasseroberfläche blieb. „Ja, aber bist du auch vertrauenswürdig?“, entgegnete sie und Finnick griff sich beleidigt an die Brust. „Autsch!“, kommentierte er Johannas Beleidigung und fasste nach ihrer anderen Hand. „Obwohl du das nicht verdient hast…“, sagte Finnick und wies Johanna an die Schwimmbewegungen nach zu machen, die sie eben noch bei ihm gesehen hatte. Und nach anfänglichen unkoordinierten herum Paddeln schaffte sie sogar die Beinbewegungen. Zufrieden nickte Finnick. „Für eine jämmerliche Landratte gar nicht schlecht“, zog er Johanna auf, die wütend zu ihm auf funkelte. „Hast du mich mit einem Nagetier verglichen, Odair?“, erkundigte sie sich genervt und schien doch erleichtert, als er ihre Hände vorsichtig losließ und sie sich wieder mit den Füßen auf den sicheren Grund stellen konnte. „Arme?“, erkundigte sich Finnick und erhielt ein resigniertes Seufzen. „Warum noch mal, machen wir das?“, fragte Johanna, während sie Finnicks Bewegungsabläufen mit den Augen folgte. „Weil es Spaß macht!“ „Sagt wer?“ Johanna kreischte leise auf, als das kalte Wasser ihr Gesicht und ihre Haare traf. „Du Kind!“, lachte sie und reckte den Kopf, als Zeichen, dass sie reifer war als Finnick, was diesen noch mehr amüsierte. „Sei nett zu mir, sonst lasse ich dich untergehen“, drohte Finnick, bevor er die Hände unter Johannas Bauch legte und sie tatsächlich gehorsam und konzentriert vor sich hin paddelte. Finnick unterließ es auch, ihr zu sagen, dass das Ganze noch unbeholfen aussah. Aber was erwartete man auch von jemanden, der gerade anfing schwimmen zu lernen? Und wann würde Johanna jemals wirklich in den Genuss kommen, ihr Können einzusetzen? Das hier war wirklich nur reiner Spaß und Finnick freute sich, dass seine Ablenkungstaktik funktionierte. Wenigstens schien Johanna mehr und mehr Gefallen daran zu finden, herum zu schwimmen und so schaffte sie ziemlich schnell etwas, das vielleicht schwimmen sein sollte, aber ohne Hilfe. Zufrieden beobachtete Finnick sie dabei. Es wirkte fast so, als hätte er ihre trüben Gedanken in eine andere Richtung gelenkt. Er war fast versucht, sich selbst dafür auf die Schulter zu klopfen. Aber vor allem, war er unglaublich erleichtert, dass Johanna überhaupt wieder mit ihm sprach. Ohne sie wäre es verdammt einsam hier gewesen. „Hey! Träum nicht! Du sollst auf mich aufpassen!“, rief Johanna ihm zu und bespritzte ihn mit Wasser, während Finnick die Augen verdrehte. „Du kannst doch jetzt schwimmen“, entgegnete er und erwiderte den kleinen Wasserangriff. „Gott, du bist echt ein Kind“, lachte Johanna und schien sich nicht um die Tatsache zu kümmern, dass sie ebenfalls mit Wasser spritze. Ein wenig schwelgte Finnick im Glück, weil es ihm gelungen war, Johanna wieder zu bekommen und sie dazu zu bringen, wieder mit ihm zu sprechen. Doch leider wurde ihr kurzer Rumtollen schnell beendet, als sie laute Stimmen hörten. Feierwütige Kapitoler, die eine Party verließen und sicher zur nächsten zogen und dabei die Abkürzung durch den Park wählten, schätze Finnick, wobei es an sich schon überraschend war, dass sie kein Auto nahmen. Und trotzdem stürzten er und Johanna beinahe gleichzeitig aus dem Wasser, um unerkannt und immer noch leise kichernd ihre Sachen wieder anzuziehen. Nicht auszudenken, was das wieder für einen Fernsehbeitrag geben würde, sollte man sie hier wirklich so vorfinden. Vermutlich war es völlig kindisch, dass sich Finnick darüber amüsierte, und Johanna hatte schon Recht, aber etwas in Finnick schaffte es einfach nicht, ernst zu bleiben. Auch nicht, als sie endlich mit nassen Haaren und am Körper klebender Kleidung auf die Straße vor dem Park traten und ein Auto heran winkten. „Sie sind nass“, stellte der Fahrer unzufrieden fest, bevor sie beide wie auf Kommando ein Lächeln heraufbeschworen. „Ist das ein großes Problem?“, fragte Johanna zuckersüß, so dass Finnick den nächsten Lachanfall unterdrücken musste, als sich die Miene des Fahrers aufhellte. Da war also auch schon jemand, der versucht war Johanna ebenfalls aufzuheitern und das sicher auf Grund des Fernsehbeitrags. „Miss Mason! Natürlich nicht, steigen Sie ein, bevor Sie sich erkälten! Ich habe die neuste Technik im Auto. Extra für Regentage“, begann der Mann hinter dem Steuer begeistert zu sprechen, während Johanna und Finnick sich verschwörerische Blicke zu warfen und Finnick das Gefühl hatte, das alte Gleichgewicht wieder hergestellt zu haben. Mit Johanna schien alles gleich halb so schlimm und sogar das Kapitol konnte unter Umständen Spaß machen. Kapitel 12: Another year past by -------------------------------- Another year past by Finnick zuckte ein wenig zusammen, als unmittelbar in seinem Blickfeld eine Tasse mit dampfendem, aromatischem Kaffee auftauchte und somit den Blick auf seinen Bildschirm für kurze Zeit versperrte. „Nicht schlafen!“, ermahnte ihn eine wohlbekannte Stimme und Finnick legte die Finger um die ihm angebotene Tasse, bevor er sich umwandte und Johanna ein müdes Lächeln schenkte, das sie erwiderte. „Gute Laune? Am zweiten Tag der Hungerspiele und so früh am Morgen?“, wollte Finnick überrascht wissen und lehnte sich etwas in seinem Stuhl zurück. Mit der freien Hand rieb er sich über die schmerzenden Augen, die dringend um Schlaf bettelten. Denn den hatte er länger nicht mehr gehabt. Es war schrecklich anstrengend im Kapitol als Mentor und Betthäschen reicher Leute tätig zu sein und er dachte sehnsüchtig an die Nacht im Zug, die die letzte gewesen war, in der er richtig durchgeschlafen hatte. Johanna müsste es eigentlich ähnlich gehen, da war sich Finnick sicher, aber aus irgendeinem Grund hatte sie gute Laune, was an sich ja schon ein Phänomen war. „Kein Arrangement gehabt?“, mutmaßte er daher und Johanna nickte. „Hat in letzter Sekunde abgesagt. Angeblich eine schlimme Krankheit. Snow selber hat mir die Absage geschickt. Mir egal. Soll der Kerl krepieren“, fand Johanna und setzte sich auf die Tischkante. Sie wirkte kein bisschen bekümmert. Aber warum auch, wenn ihr das eine freie Nacht einbrachte? „Wie immer, sehr freundlich“, grinste Finnick und sah sich suchend um. Bevor er den Kaffee trank musste er dafür sorgen, dass ihm das Zeug auch schmeckte. Immer noch hatte er eine Vorliebe für süße Speisen und Getränke. Und Kaffee war ihm im Allgemeinen zu bitter. „Ist schon gesüßt“, klärte Johanna ihn auf, als habe sie seine Gedanken erraten. Wie gut sie ihn doch kannte! Manchmal war Finnick selbst davon überrascht, dass Johanna freundliche Wesenszüge hatte. Allerdings wusste er auch, dass hinter ihrer schroffen Fassade ein verletzliches Mädchen hockte. Nur war es leicht, das manchmal zu vergessen und sehr schwer, es überhaupt zu bemerken. „Wie lange bist du schon hier?“, wollte sie wissen. „Denn du siehst mittlerweile gar nicht mehr gut aus, Odair. Dein Stylist muss ein Meister sein, wenn er dich immer wieder herrichten kann.“ „Und da ist sie wieder“, begrüßte Finnick die flapsige Version von Johanna und nahm dann einen Schluck seines wirklich bereits gesüßten Kaffees. Aber wo sie Recht hatte… er fühlte sich auch nicht besonders. Es würde ihn eher wundern, wenn er noch munter aussehen würde. Kurz überlegte er. „Ich bin mitten in der Nacht her gekommen und habe Mags ins Bett geschickt“, erzählte Finnick. Die arme, alte Frau sah schon reichlich mitgenommen aus, was daran lag, dass sie andauernd für ihn einspringen musste, wenn er beschäftigt war. Und Snow sorgte dafür, dass Finnick jeder Zeit beschäftigt war. Johanna verzog das Gesicht. „Es ist nett, dass du auf Mags Acht gibst, aber vergiss dich selber nicht, Finn. Wenn du wegen Erschöpfung vom Stuhl kippst, bekommt sie einen Herzinfarkt und dann hast du nichts gewonnen“, teilte Johanna ihm mit und Finnick verdrehte die Augen. Solche Äußerungen hörte er gar nicht gerne. Dass Mags etwas passieren könnte, war eine seiner Horrorvorstellungen. Sie war alles an Familie, was er noch hatte. „Was habt ihr gemacht? Du und… welche reizende, stinkreiche Lady auch immer“, erkundigte sich Johanna, als Finnick ihr keine Antwort gab und stur auf seinen Bildschirm starrte, obwohl ein Teil von ihm wusste, dass Johanna nicht ganz Unrecht hatte. Auch er brauchte etwas Ruhe und Schlaf. Schätzungsweise hatte sie aber eingesehen, dass es nicht besonders nett gewesen war, was sie da von sich gegeben hatte. Finnick zuckte mit den Schultern. „Willst du nicht wissen“, antwortete er Johanna, ohne sie anzusehen und versuchte nicht an die vergangene Nacht zu denken, in der er sämtliche, schrägen Dinge mit einer Frau angestellt hatte, deren Körper voller rotleuchtender Tattoos gewesen war und die eindeutig einen Hang zur Brutalität gehabt hatte. Vorsichtig berührte Johanna mit den Fingern seinen Nacken, der immer noch brannte, weil die Frau mörderische Krallen gehabt hatte. „Okay. Ich will es nicht wissen“, stimmte sie Finnick leise zu und stupste aufmunternd gegen seine Schulter. Finnick vermied es, Johanna anzusehen. Denn Mitleid von Johanna war schrecklich. Wenn selbst sie Mitleid verspürte, musste es übel sein. „Was ist passiert, während Blight hier aufgepasst hat? Unser Junge schlägt sich ganz gut, meinte Blight. Versteckt sich irgendwo im Sumpfgebiet und kommt zurecht. Das Mädchen macht mir mehr Sorgen. Blight sagt, dass sie die letzte Nacht fast erfroren wäre. Hatte ja auch keinen Rucksack oder sonst was bekommen“, wechselte Johanna das Thema erneut und blickte nun auch auf den Bildschirm um das Treiben von Finnicks Tributen zu beobachten. Finnick nickte und war froh über den Themenumschwung. „Stimmt, ich dachte schon, sie macht ein Feuer an. Aber wenigstens war sie schlau genug, das nicht zu tun.“ Denn ansonsten hätten sich seine Tribute zusammen mit den anderen Karrieros sicher schon auf den Weg zu dem Mädchen gemacht. Aber ohne Ausrüstung würde die Kleine ohnehin nicht mehr weit kommen. In der Arena gab es wenig, was man verwenden konnte. Eine dreckige Sumpflandschaft und auf der anderen Seite ein spärlicher Nadelbaumwald. Nicht gerade tributfreundlich das Ganze. Seine Tribute waren natürlich wie immer im Vorteil. Sie hatten beide genügend Ausrüstung ergattern können und wachten zusammen mit den anderen Karrieros. In dieser Gruppe waren die Hungerspiele am Anfang noch recht bequem, weil man nicht auf sich gestellt war. Aber jedes Mal machte sich Finnick über den Punkt Gedanken, an dem das Bündnis berechnen würde. Eine Allianz mit anderen Karrieros war auch immer ein gefährliches Spiel. Denn man konnte nie mit Sicherheit sagen, ab wann diese vorüber war. Doch gerade wirkte es, als würden die Tribute aus Distrikt eins, zwei und vier sich gemütlich sonnen. Einer der Mentoren hatte dafür gesorgt, dass ein Fallschirm mit Insektenschutzmittel vom Himmel gesegelt war. Das war eine gute Entscheidung gewesen, denn ganz offensichtlich übertrugen die Mistviecher Krankheiten. Bereits am ersten Tag hatte es den Tribut aus Elf erwischt und Finnick wollte nicht mit Chaff tauschen, der seinem Schützling nun beim langsamen Dahinsiechen zuschauen musste. „Gott sei Dank. Sie wäre komplett bescheuert, wenn sie ein Feuer gemacht hätte. Ich hab ihr dringend davon abgeraten“, sagte Johanna finster. „Aber wenn die Karrieros sie nicht umbringen tut es die Kälte in der nächsten Nacht… Und Sponsoren habe ich auch kaum welche bekommen“, beschwerte sich Johanna weiter und Finnick kannte sie gut genug um zu wissen, dass sich Sorge hinter ihren Worten verbarg. Johanna wollte genauso wenig einen Tribut verlieren wie jeder andere hier auch. Finnick konnte allerdings über fehlende Sponsorengelder selten klagen. Als Mentor eines Karrieredistrikts bekam er oft Gelder für die Tribute. Deswegen zuckte er müde mit den Achseln, hatte aber durchaus Mitleid mit Johanna. Ein Mentor zu sein war schon hart, aber seine Tribute hatten immerhin noch die besseren Chancen. Mentor in einem äußeren Distrikt zu sein war sicher noch schlimmer. Sah man das nicht an Haymitch? Er hatte die Hoffnung bereits vor Jahren aufgegeben und Finnick zweifelte stark daran, dass es irgendwann noch einmal einen Sieger aus Distrikt Zwölf geben würde. Haymitch war sowieso kurz nach dem Startschuss verschwunden, weil es keine Arbeit mehr für ihn gab. Bestimmt ertränkte er irgendwo die Erinnerung an das Gesehene in Alkohol. „Komm schon, verschwinde. Deine Tribute lassen es sich gut gehen. Solange nichts passiert, kann ich auf sie aufpassen“, bot Johanna an und Finnick zögerte. Er vertraute Johanna zwar, aber die beiden Kindern unbeaufsichtigt zu lassen kam ihm nicht richtig vor. Was wenn wirklich etwas passierte? Bis Johanna ihm Bescheid gesagt hatte konnte so viel passieren. „Stell dich nicht so an, Odair. Du bist ein Mensch und keine Maschine. Du brauchst Schlaf. Ich wette niemand lässt dich nachts richtig schlafen“, schnaubte Johanna. „Oder ist deine Taktik durch Schlafmangel so abstoßend auszusehen, dass dich keiner mehr will? Sie funktioniert schon ein wenig“, ärgerte sie ihn und Finnick seufzte. „Als ob das passieren würde. Belüg dich nur selber“, entgegnete Finnick und stand dann tatsächlich auf. Johanna hatte ja Recht. Es sah nicht so aus, als würde irgendetwas passieren. Dann konnte er sich wirklich eine Weile aufs Ohr hauen. Denn ein übermüdeter Mentor brachte die Kinder auch nicht weiter. „Blight kommt in ein paar Stunden wieder, dann wecke ich dich. Und wenn bis dahin etwas passiert, rufe ich in deinem Stockwerk an“, versprach Johanna, während Finnick sich streckte und seinen schmerzenden Rückend dehnte. „Tu das. Jo, tu das unbedingt“, sagte er leise und stellte die Tasse neben Johanna ab. „Wenn etwas passiert, während ich…“ „Wird es nicht! Und jetzt verschwinde, Finn. Du kannst mir vertrauen“, unterbrach Johanna ihn und scheuchte ihn dann mit der Hand fort, als wäre er ein lästiges Insekt. Tatsächlich schlurfte Finnick müde zum Fahrstuhl und ließ sich nach oben befördern, wo er erst einmal eine ausgiebige heiße Dusche nahm, die die verspannten Muskeln langsam lockerte und er sich nicht mehr so schmutzig fühlte, wie er es nach jeder Nacht in einem fremden Bett tat. Dann zog er eine seiner bequemen, eigenen Shorts aus seinem Distrikt an und legte sich in sein Bett. Johanna hatte Recht gehabt, denn beinahe sofort fielen ihm die Augen zu und das obwohl er noch Kaffee getrunken hatte. Trotzdem erfasste ihn eine bleierne Müdigkeit, der er endlich nachgeben konnte. Finnick wurde wach, als sich die Matratze unter ihm bog und fragte sich im ersten Augenblick wo er war und wer bei ihm war, bis ihm wieder einfiel, dass er sich im Tainingscenter aufhielt. Deswegen riss er die Augen auf, um zu erkennen, wer sich zu ihm schlich. „Ich bin’s“, kam es beruhigend von Johanna und Finnick rückte automatisch zur Seite, als seine beste Freundin sich zu ihm legte. „Was ist los? Wieso bist du hier und nicht im Kontrollraum?“, wollte er etwas alarmiert wissen und starrte Johanna an, die sich seelenruhig an ihn kuschelte, während er die gesamte Müdigkeit abschüttelte und nun ganz panisch wurde. Es war doch etwas passiert! „Da war ich gerade. Blight hat mich abgelöst und ich wollte hoch zu dir, um dich wach zu machen. Aber Mags hat mir verboten das zu tun. Sie ist selber runter gegangen. Meinte, sie hätte genug geschlafen“, erklärte Johanna und Finnicks Anspannung ließ etwas nach. Gut. Sie war nicht hergekommen, um ihm einen Notfall zu präsentieren. Allerdings hatte sie ihn dann ja doch geweckt. Doch deswegen schien Johanna kein schlechtes Gewissen zu haben. „Mags sollte aber nicht schon wieder die Arbeit machen“, beschwerte er sich bei Johanna und sah sie tadelnd an, während sie unbeteiligt gähnte und die Dreistigkeit besaß sein Kopfkissen unter ihm wegzuziehen. „Reg dich ab, Odair. Sie sagte, dass du Schlaf brauchst. Und der Meinung bin ich auch. Wir alle wissen, dass du diese Nacht wieder keinen bekommen wirst. Also schlaf jetzt ein bisschen, damit du nicht wirklich irgendwann vor Erschöpfung zusammen brichst“, befahl Johanna und Finnick starrte seufzend an die Decke. Wie er es hasste, wenn Mags für ihn einsprang, weil sie ihn bemutterte. Nicht, weil Finnick es nicht mochte, dass sie sich um ihn kümmerte… nein, das genoss Finnick oft sogar. Immerhin fühlte er sich dann ein wenig, als wären sie eine Familie. Aber er konnte nicht damit umgehen, dass Mags vieles aus Schuldgefühlen heraus tat. Sie wusste genau, dass sie der Grund war, weshalb Finnick sich nicht dagegen wehrte, dass er hier missbraucht wurde. Und er hasste es Mags dabei zuzusehen, wie sie ihm deswegen immer mehr Zugeständnisse machte und sich selber vernachlässigte, „Manchmal beneide ich dich“, hörte er Johanna leise sagen und er runzelte die Stirn. „Warum? Weil ich attraktiv bin?“, wollte Finnick wissen und lachte leise, als sie ihn einen Stoß in die Rippen versetzte. „Wegen Mags“, sprach Johanna weiter, als hätte er nie etwas gesagt. Finnick zog die Augenbrauen in die Höhe. „Wegen Mags?“, wiederholte er ein wenig dümmlich. „Was ist mit Mags?“, erkundigte er sich. Mags war klasse, das stand außer Frage! Aber Johanna machte hin und wieder Witze über seine alte Mentorin und hatte ansonsten eigentlich kaum je mit ihr gesprochen. „Sie ist für dich da. Und sie macht dir keine Vorwürfe, so wie meine Mum“, erklärte Johanna schulterzuckend und Finnick seufzte. Es schien an Johanna zu nagen, dass ihre Mutter keine Ahnung hatte, was wirklich hinter alle dem steckte. Und ihm würde es ähnlich gehen. Aber wenn Johanna schon einmal etwas zugab, konnte Finnick das Ausmaß nur erahnen, aber es musste gigantisch sein. „Weil Mags eine Siegerin ist. Sie weiß doch, wie das hier läuft“, murmelte Finnick nun ein wenig unbeholfen. Es war schwer sich vorstellen, Mags wäre so unwissend wie Johannas Mutter. Immerhin war Mags sein Leitfaden. Die Frau wusste so vieles und hatte mehr Ahnung als viele ihr zutrauten. „Außerdem dachte ich, wäre es dir lieber, wenn deine Mutter nicht wüsste, was hier vor sich geht…“ Zumindest für das Gewissen der Frau war das angenehmer. „Ist es auch! Meistens!“, sagte Johanna sofort. „Ich würde mich schämen ihr die Wahrheit zusagen. Ich will sie nicht belasten… ich…“ Offensichtlich suchte Johanna nach Worten. „Deswegen belastest du dich selbst. Verstehe“, gab Finnick sarkastisch zurück. Wer war Johanna denn, dass sie ihm Ratschläge geben könnte, wie er besser auf sich achten sollte, während sie das nicht tat? „Aber wenn ich sehe, wie Mags damit umgeht… und wie viel einfacher es das für dich macht…“ Finnick verkniff sich den Kommentar seine beste Freundin darauf hinzuweisen, dass es das nicht zwangsläufig einfacher machte. Aber wozu Johanna jetzt widersprechen? Vor allem, wo sie doch gerade in Redelaune war. Denn dass sie über ihre Gefühle sprach war nicht gerade der Normalfall. „Überlegst du, deine Mutter die Wahrheit zusagen?“, fragte Finnick stattdessen und erhielt ein Schulterzucken dafür. „Vielleicht. Ich weiß nicht…. was würdest du tun?“, erkundigte sich Johanna leise und nagte an ihrer Unterlippe. „Ich? Keine Ahnung. Meine Familie ist tot. Ich habe nie drüber nachgedacht und Mags… die wusste es bestimmt schon, bevor ich es wusste. Ich weiß es nicht, Jo…“, antwortete Finnick leise und verdrängte das Bedauern, das sich ihm aufzuzwängen versuchte. Finnick überlegte kurz. Denn als sein Vater noch am Leben gewesen war, hatte er ihm nichts gesagt. Aber damals war er auch noch davon ausgegangen, dass es eine einmalige Sache gewesen war und sein Vater hatte davon nichts im Fernsehen erfahren. Bei Johanna lag der Fall also anders. „Ich würde nicht wollen, dass meine Familie schlecht von mir denkt“, fand Finnick schließlich. Es war schlimm genug, dass die meisten Menschen so über ihn dachten. Aber wollte man nicht gerade von der eigenen Familie Akzeptanz? „Ich würde nicht wollen, dass sie mich für ein…“ „Eine Schlampe?", half Johanna aus und Finnick gab ein gequältes Seufzen von sich. „Ja, dafür halten. Aber ich habe keine Ahnung, was für dich das Beste ist. Ich denke, dass musst du selber entscheiden“, fügte er hinzu. „Aber sei froh, dass du noch eine Mum hast. Ich würde nicht wollen, dass das hier die Beziehung kaputt macht.“ „Meine Mom ist alles, was ich hab, Finn…“, stimmte Johanna leise zu und ließ sich ohne Gegenwehr in seine Arme ziehen. „Blödsinn Jo, du hast mich. Ob du willst oder nicht.“ Johanna gab ein ersticktes Schnauben von sich, schmiegte aber den Kopf enger an ihn heran. Also hatte es ihr doch gefallen, so etwas zu hören. „Vielleicht sage ich es ihr, wenn ich zu Hause bin“, murmelte sie und Finnick nickte. „Vielleicht ist das gut so, Jo.“ „Ich will, dass meine Mom mich wieder gern hat“, ließ Johanna noch leiser verlauten und Finnick strich ihr beruhigend über die kurzen Haare. „Das wird sie auch. Jo, jeder der dich kennt, muss dich gern haben… wo du doch so ein Sonnenschein bist“, fügte Finnick schelmisch hinzu und fluchte dann leise, als Johanna ihn äußert schmerzhaft in die nackte Brust zwickte. „Sag das noch einmal, Odair und…“ „Nichts und Mason. Das ist ja das Gute daran“, entgegnete Finnick und bettete notgedrungen den Kopf auf Johannas Schulter, weil diese nach wie vor sein Kissen in Beschlag nahm. „Und jetzt halt den Mund und lass mich schlafen, wie Mags es gesagt hat“, forderte er seine beste Freundin auf, die seufzend ebenfalls eine Schlafposition einnahm. „Aber nur, weil du dringend deinen Schönheitsschlaf brauchst, Finn“, murmelte sie um wie immer das letzte Wort zu haben. Kapitel 13: New freedom ----------------------- 13. Kapitel: New freedom Finnick hatte gerade einmal die Tür erreicht des Trainingscenters erreicht, als er angefallen wurde. Sein erster Gedanke war, dass die Fans allmählich zu aufdringlich wurden und er versuchte sich den weiblichen Körper vom Leib zu halten, was sich als derart schwierig erwies, weil er sich regelrecht festklammerte und Finnick ja auch nicht unhöflich wirken durfte. Dann vernahm Finnick das Schluchzen und sofort hielt er in der Bewegung inne. „Jo?“, hakte er besorgt nach. Wie konnte sie ihn so erschrecken und aus dem Nichts auftauchen, um dann einfach zu weinen anfangen? In der Öffentlichkeit? Nun gut, beinahe Öffentlichkeit. Denn im Center selber waren wenig Journalisten. Finnick löste sich aus seiner Schockstarre und umfasste Johannas Taille, während die andere Hand durch ihre kurzen Haare strich und versuchte sie zu beruhigen. „Jo? Was ist denn?“, versuchte er herauszubekommen und sah sich hilflos um. Niemand in der Nähe, der ihm Auskünfte erteilen konnte… Ein paar Wochen waren seit dem Ende der 69. Hungerspiele vergangen und Finnick war bereits wieder ins Kapitol zitiert wurden. Johanna war anscheinend auch wieder mit von der Partie, allerdings war sie aufgelöst. Bereits jetzt, wo sie doch gerade erst angekommen sein konnte. Und das machte ihm Sorgen. „Johanna! Was ist los?“, verlangte Finnick zu wissen und schob sie schlussendlich doch von sich weg, um sie leicht zu schütteln. „Sprich mit mir!“ Seine Augen flackerten hin und her zwischen ihren, in denen er Panik erkennen konnte. War sie schon länger an diesem Ort? War ihr etwas zugestoßen? Welche schlechte Nachricht erwartete ihn? Angst schnürte Finnick fast die Kehle zu. Johanna war seine beste Freundin. Sobald sie litt, litt auch er. Und gerade jagte sie ihm einen gehörigen Schrecken ein. Wortlos hob Johanna ein weißes Blatt Papier, das reichlich zerknittert aussah. Die blühtenreine Oberfläche und der Duft ließen Finnick stark die Luft einziehen und er nahm den Brief aus Johannas Hand. Was auch immer in dem Schreiben an sie stehen mochte, konnte nichts Gutes bedeuten und war damit sicher kein normales Arrangement. Aber er hatte bereits zu viele solcher Schreiben erhalten, als dass er nicht genau wusste, von wem der Brief stammte. „Jo… was hast du angestellt?“, wollte er beklommen wissen und fingerte an dem Brief herum. Noch war Finnick unschlüssig, ob er ihn überhaupt öffnen sollte. Was, wenn er damit nicht umgehen konnte? Aber es hatte ja keinen Zweck, irgendwann und vor allem irgendwie musste er ja erfahren, was seine beste Freundin so aus der Bahn warf. Johanna schüttelte ihrerseits den Kopf. „Nichts“, schluchzte sie und rieb sich mit dem Handrücken sehr undamenhaft über die Nase. „Gar nichts, das ist es ja. Lies einfach.“ Und deswegen folgte Finnick ihrem Hinweis und faltete den knitterigen Brief auseinander. Miss Mason, sobald Sie dieses Schreiben erhalten, machen Sie sich unverzüglich auf den Weg zu mir. Ich erwarte Sie in einer dringlichen Angelegenheit. Richten Sie sich nicht häuslich ein. Ihr Aufenthalt wird nicht von langer Dauer sein. Führen Sie Ihr Gepäck sofort mit und suchen Sie den Fahrer auf, der vor dem Training Center auf Sie wartet. Verbindlichst Präsident Snow Finnick sah entsetzt zu Johanna auf, nachdem er die kurzen Zeilen zweimal gelesen hatte. Johanna wartete auf seine Reaktion und ihre rotgeränderten Augen starrten ihn unaufhörlich an. „Ist das schlimm?“, fragte sie mit unverkennbarer Panik in der Stimme und Finnick fehlten die Worte. Natürlich war das schlimm! Sie hatte ein Schreiben vom Präsidenten bekommen. Und zwar eines, in dem er sie sofort zu sich zitierte. Finnick hatte zwar keine Ahnung, was die Siegerin erwarten würde, aber es beunruhigte ihn. Nur wollte er Johanna seine Sorge nicht zeigen. Sie war ohnehin schon zu aufgewühlt. Also zog er sie wieder in seine Arme und zuckte hilflos mit den Schultern. „Ich weiß nicht, Jo. Sag du es mir“, bat er seine beste Freundin. „Warum bekommst du so ein Schreiben? Denk nach, was du getan hast. Dann können wir rausfinden, wie du dich verteidigen kannst.“ Aber wenn Finnick ehrlich zu sich war, wusste er auch, dass eine Verteidigung vor dem Präsidenten so viel brachte wie vor einem ausgehungerten Löwen. Johanna schob ihn von sich weg und unter ihre Furcht mischte sich nun auch noch Wut. „Nichts! Hab ich doch gesagt! Ich habe nichts getan!“, fuhr sie Finnick an und wirkte dann wieder ausschließlich verzweifelt. „Wenn nicht mal du mir glaubst…“ „Nein, nein, warte, das hab ich so nicht gesagt. Ich glaube dir ja“, beschwichtigte er Johanna und hob dann vielsagend den Brief hoch. „Aber warum bekommst du dann so was hier?“ Grundlos passierte in Panem nichts. Und dass Finnick den Grund nicht kannte, machte ihn nervös. „Ich weiß es nicht! Das ist es ja! Seit Melo… Finnick, ich war wirklich brav“, beteuerte Johanna und Finnick nickte. Abgesehen von ihrem nächtlichen Schwimmausflug war Johanna wirklich zahm gewesen. Unglaublich zahm. Fast erschreckend zahm. Sie war immer noch traumatisiert wegen Melo, ihrem kleinen Bruder. Und Finnick glaubte ihr aufs Wort, dass sie sich nicht daneben benommen hatte. Und falls es um ihren Ausflug zum See ging, hätte er doch auch einen Brief erhalten. Also schloss Finnick das aus. „Ich hab Angst, Finn“, brachte Johanna so leise heraus, dass sogar Finnick, der unmittelbar vor ihr stand, sie fast überhört hätte. „Musst du nicht. Vielleicht ist es harmlos. Du musst jetzt nur hinfahren. Je länger du auf dich warten lässt, desto schlimmer wird es“, sagte er leise und fasste mitfühlend nach Johannas Hand. Sofort schlossen sich ihre Finger schmerzhaft fest um seine. „Ich kann nicht.“ Finnick seufzte innerlich. Johanna Mason konnte alles. Sie hatte keine Angst vor irgendetwas. Umso schlimmer, sie jetzt so zu sehen. „Du musst, Jo!“, flehte er sie fast an. Jede Sekunde , die verstrich, wurde der Präsident sicher wütender und wütender. Doch anstatt die Schultern zu straffen, presste Johanna die Lippen fest aufeinander. Es schmerzte regelrecht sie so zu sehen. „Okay, ich komme mit“, entschloss sich Finnick und sofort ruckte Johannas Kopf hoch, damit sie ihm in die Augen sehen konnte. „Nein! Finn, nein! Das kann ich nicht verlangen“, entgegnete sie sofort und auf Finnicks Lippen schlich sich ein schwaches Lächeln. „Hast du auch nicht, ich habe es angeboten. Und ich bleibe dabei. Ich habe noch reichlich Zeit. Also komm jetzt“, bat er sie und zog Johanna einfach hinter sich her, um nach dem besagten Fahrer Ausschau zu halten. Alles in Finnick sträubte sich dagegen zum Präsidenten zu fahren. Er verabscheute und fürchtete diesen Mann. Aber Johanna alleine gehen zu lassen, kam ihm grausam vor. Er würde sich ohnehin Sorgen machen und fast verrückt werden deswegen. Außerdem, was konnte schon passieren, wenn er sie begleitete? Es hatte ja auch kein Verbot auf der Einladung gestanden… Während der Fahrt umklammerte Johanna seine Hand so schmerzhaft, dass Finnick dachte, dass sie jeden Moment abfallen musste. Aber er ließ das unkommentiert. Johannas Gesicht war angstverzerrt und er konnte ihr das nicht verdenken. Als sie das letzte Mal Ärger vom Präsidenten bekommen hatte, hatte sie die einzige Chance verspielt ihrem Bruder zu helfen. Wer wusste schon genau, was jetzt für Konsequenzen auf die Siegerin warteten? Dabei gab sie vor nichts getan zu haben. Und das machte Finnick nur noch stutziger. Allerdings waren Vorwürfe hier fehl am Platz und seine beste Freundin würde auch dann nicht mit der Sprache rausrücken, wenn er sie drängte. Erst mal war es sowieso wichtiger, für sie da zu sein. Denn egal, was passiert war und egal, was Johanna verschuldet hatte, wusste Finnick auch, dass die Grundschuld einzig und alleine bei Snow zu suchen war. Dieser Mann war Gift für das Land und Ursprung allen Übels. Der Wagen fuhr gemächlich, aber zielsicher durch die Stadt und Johannas Tränen hörten gar nicht mehr auf zu fließen. Es war extrem befremdlich für Finnick. Und sicher nicht so ratsam, so bei Snow aufzukreuzen. Deswegen beugte sich Finnick schließlich zu ihr hinüber, um ihr die Tränen abzuwischen und nach ihrer Tasche zu fassen. Johanna war zwar kein typisches Mädchen, aber ihr Stylist bestand darauf, dass sie eine Art Notfallset bei sich trug. Finnick wusste das, weil er schon gesehen hatte, wie es angewendet wurde und selber gar nicht so selten Make-up daraus verwendete um unschöne Flecken an seinem Hals zu verdecken. „Hör auf zu weinen, Jo. Sonst kann ich nicht arbeiten“, murmelte er und erhielt ein schwaches Schmunzeln dafür. Wenigstens ein kleiner Erfolg. „Das kannst du sowieso nicht“, hauchte Johanna und ließ zu, dass er einen Fleck Make-up auf ihre Nase tupfte. Finnick gab es ja nur ungerne zu, aber so oft wie er schon miterlebt hatte, wie Make-up verwendet wurde, kannte er sich tatsächlich aus und schaffte es wenigstens ein bisschen die roten Flecken auf Johannas Wangen zu beseitigen. „Besser?“, fragte Johanna schwach und Finnick schüttelte den Kopf. „Ich bin kein Meister, du hast immer noch dein Gesicht“, entgegnete er und fing sich einen halbherzigen Schlag ein. „Halt das mal auf deine Auge“, riet er Johanna und reichte ihr den Spiegel mit seiner kalten Oberfläche und seine Armbanduhr, deren Glas ebenfalls kühler war. „Du siehst aus, als hättest du Zwiebel reingelegt“, fand er und das sah gar nicht schön aus. Etwas kühlen konnte schließlich nicht schaden. „Du machst mir Angst. Langsam glaube ich, dass du schwul bist“, fand Johanna und gehorchte, was sie ein wenig lächerlich aussehen ließ. Finnick lachte auf. „Soweit ich weiß… nein, bin ich nicht. Sonst würde ich dich schließlich anziehender finden. Ich hab nur zu viel mit Frauen zu tun. Es färbt ab“, seufzte er und lehnte sich wieder in die Sitze zurück, während sie ihrem Ziel immer näher kamen. Als das Auto stoppte, reichte Johanna ihm den Spiegel und die Uhr zurück und bekam sofort wieder einen panischen Ausdruck und kaum, dass sich Finnick versah, lag sie wieder in seinem Armen. Immer noch überfordert tatschälte er den Kopf. Johanna Mason war nicht anhänglich. Niemals. Also ging es ihr wohl wirklich schlecht… „Nicht weinen, nur nicht weinen, Jo“, murmelte er und schob sie von sich fort. „Komm, wenn du dich verspätest, machst du es nicht besser“, forderte er, küsste Johannas Stirn und stieg als Erster aus dem Auto um ihr herauszuhelfen. Dann ließ er Johannas Hand artig wieder los, bevor noch jemand wieder das Gerücht in die Welt setzten konnte, dass sie ein Paar waren. Das würde in dieser Situation sicher nicht weiterhelfen, sondern Johanna nur noch mehr Ärger einbrocken. Trotzdem schlenderte Finnick mit den Händen in den Taschen neben ihr her und hielt ihr schließlich höflich die Tür auf, als sie auch schon von zwei Friedenswächtern in Empfang genommen wurde, kaum dass sie das Gebäude betreten hatten. „Miss Mason, wir erwarten Sie schon“, wandte sich einer der beiden Männer an Johanna, bevor er Finnick musterte. „Uns war nicht klar, dass Sie in Begleitung kommen würden. Mr. Odair, würden Sie bitte hier warten?“, wurde Finnick angewiesen und bekam mit, wie sich das Gesicht der Empfangsdame, die sicher nichts zu sagen hatte, weil das die Friedenswächter übernahmen, aufhellte und sie vielsagend auf die Sitzgruppe neben ihrem Tresen deutete. „Sir, wäre es möglich, dass ich mitkommen könnte. Der Präsident kann mich selbstverständlich jeder Zeit rauswerfen. Ich kann vor der Tür warten“, bat Finnick mit seinem üblichen Lächeln, das sicher bei der Empfangsdame mit den bläulichen Haaren besser geklappt hätte. Doch wenigstens zuckte der Friedenswächter mit den Schultern, um vom Schreibtisch der jungen Frau aus das Telefon zu benutzen und sie beide schließlich durchwinkte. Finnick nahm sich die Zeit der enttäuschten Dame zuzuzwinkern. Wer wusste schon, wofür es gut war? Die beiden Friedenswächter führten sie durch endlose Gänge, bis Finnick schließlich mit einem unsanften Hieb gegen die Brust gestoppt wurde. Was nun kam, wusste der Teenager. Er war immerhin auch schon einige Male in diesem Gebäude gewesen und hatte auch ein paar persönliche Gespräche mit Präsident Snow gehabt. Er kannte die Prozedur und war wenig überrascht, dass er abgetastet wurde. Mitleidig warf er Johanna einen Blick zu, bei der das Abtasten deutlich länger dauerte und sich Finnick fragte, was die Ausrede dafür war, solange ihre Brüste zu betasten. Immerhin war dort wohl kaum eine Schusswaffe oder ein Klappmesser versteckt, ganz zu schweigen von einer Axt. Aber er hielt wohlweißlich den Mund, bis man sie weiter winkte. Immer noch schweigend gelangten sie zu der Tür, hinter der sich der mächtigste Mann ganz Panems befand. „Ladys first“, wies der Friedenswächter sie an, nachdem er angeklopft hatte. Finnick konnte deutlich die Furcht in Johannas Augen sehen, als sie die Klinke sehr zaghaft herunter drückte und sich die Tür öffnete. Schnell folgte er ihr, damit sie nicht zu lange alleine in dem Raum bleiben musste und setzte ein entschuldigendes Lächeln auf. „Miss Mason. Mr. Odair“, grüßte der weißhaarige Mann hinter dem Schreibtisch sie beide und Finnick nickte ihm höflich zu. Immerhin war er hier gar nicht erwünscht, worauf der Mann auch sofort zu sprechen kam. „Ich hatte nur mit Miss Mason gerechnet“, ließ Snow ihn wissen und zog die Augenbrauen hoch. „Ja, Sir. Entschuldigen Sie. Aber Johanna…“, begann Finnick, während Johanna fast zeitgleich beteuerte, dass es ihre Schuld war. Was so natürlich nicht ganz stimmte. Er konnte sich zwar schöneres vorstellen, als ein Besuch beim Präsidenten, aber es war doch Ehrensache, dass er Johanna nicht alleine ließ. Nach so einer Nachricht. „Nun, ich heiße es nicht gut, wenn sich jemand meinen Anordnungen widersetzt“, erklärte Snow und Finnick nickte artig. „Natürlich, Sir. Aber sehen Sie, nirgendwo stand etwas davon, ob sie alleine kommen soll oder nicht. Ich kann draußen warten“, bot Finnick beschwichtigend an. Denn noch mehr Ärger wollte er Johanna nicht einhandeln. Er wusste auch nicht, ob er erleichtert sein sollte oder nicht, als Snow abwinkte und ihnen beiden bedeutete sich hinzusetzen. Natürlich folgten sie stumm seiner Aufforderung und warteten dann darauf, dass er zur Sache kam. „Im Grunde ist es vielleicht sogar hilfreich, wenn Sie anwesend sind, Mr. Odair. Denn ich habe eine schlechte Nachricht zu übermitteln, Miss Mason“, begann das Staatsoberhaupt nach quälend langen Momenten endlich weiter zu sprechen. Finnick warf Johanna einen fragenden, besorgten Blick zu. Was hatte sie angestellt? Wenn der Präsident selber schon sagte, dass es sich um schlechte Nachrichten handelte, wie würden sie sie dann erst einstufen? Und wieso war er hilfreich? Der Mann hinter dem Schreibtisch schüttelte traurig den Kopf und Finnick fragte sich unwillkürlich, was diese Show sollte. Egal welche Nachricht er übermitteln würde, jemand der jährlich Schuld am Tod von 23 Kindern trug, konnte nicht so leicht bekümmert sein. „Miss Mason, es tut mir Leid, Ihnen die traurige Nachricht übermitteln zu müssen. Heute Morgen, kurz nach Ihrer Abfahrt, wurde Ihre Mutter tot aufgefunden. Die Nachricht hat mich vor wenigen Stunden ereilt, damit ich sie an Sie weiterleiten kann. Natürlich sind Sie Ihren Pflichten vorerst entbunden. Reisen Sie ab und kümmern Sie sich um das Begräbnis.“ Der Tonfall war leise und ruhig und Finnick fühlte sich in die Vergangenheit zurückversetzt. Damals hatte der Präsident genauso mit ihm gesprochen, als er von dem Schiffsunglück seines Vaters berichtet hatte. Er wagte kaum zu atmen, weil ihm selbst das in der Stille zu laut vorkam, während er den Blick senkte und das schwarze Holz des Schreibtisches anstarrte. Gedanken wirbelten in Finnicks Kopf umher. Er wusste nicht, was er sagen konnte oder sollte. Was er überhaupt tun durfte. Aber jetzt verstand er, warum er hilfreich sein könnte. Er konnte Johanna immerhin trösten. „Jo“, setzte er an, doch weit kam er mit seinem Bedauern nicht, da Johanna schon aufgesprungen war, und sich das nächstbeste Utensil des Schreibtisches schnappte, um damit auf den Präsidenten loszugehen. Entsetzt sprang nun auch Finnick auf und fasste nach Johannas Taille um sie wegzuzerren, was ihm einen schmerzhaften Schlag mit dem Ellenbogen einbrachte. „Lass mich los, Odair!“, schrie sie ihn wie von Sinnen an, während sie immer noch versuchte, den Schreibtisch zu erklimmen. Der Präsident war wohlweislich etwas weiter nach hinten gerückt, um dem Stift zu entkommen, den Johanna als Waffe einsetzen wollte. Allerdings wagte Finnick zu bezweifeln, dass sie den brauchte. Sie würde vermutlich auch mit ihren Händen genügend Schaden anrichten oder in Enobarias Fußstapfen treten und den Mann beißen. „Reiß dich doch zusammen!“, zischte Finnick, als ihn jemand an der Schulter packte und von Johanna wegzog, nur damit zwei Friedenswächter auf sie zu stürmen konnten und sie weit genug von dem Präsidenten fortzerren konnten. Johanna schrie wütend und schmerzerfüllt auf, als einer von ihnen ihr Handgelenk verdrehte, damit sie den Stift fallen ließ. „Das ist doch wirklich nicht nötig!“, wollte Finnick dazwischen gehen. „Es ist ein Stift, kein Messer!“ Allerdings schätzte man Johanna hier relativ gut ein. Denn auf seine Einwände hörte keiner, als sie gegen die nächste Wand gepresst wurde. Allerdings leistete sie nun keine Gegenwehr mehr, so dass Finnick einen Schritt nach vorne machte, dann aber inne hielt, als jemand eine Waffe auf ihn richtete. Instinktiv hob er die Hände. „Ruhig Blut, ich bin harmlos“, beteuerte er und warf dem Präsidenten einen Blick zu. Der Mann wusste ja schließlich ganz genau, dass er harmlos war. Nie hatte Finnick sich daneben benommen. „Ich will sie nur beruhigen. Nach dem Schock“, erklärte Finnick und war selber erstaunt, dass ihm sein Wunsch gewährt wurde. Er ließ es sich jedoch nicht zweimal bestätigen, sondern kniete schon neben Johanna nieder, die sich in einen menschlichen Ball verwandelt hatte, der auf dem Boden des Büros von Präsident Snow kauerte. „Jo… es tut mir so leid“, murmelte Finnick und legte die Arme um Johanna, was misstrauisch verfolgt wurde. „Ich hasse diesen Satz! Es ist nicht deine Schuld! Sondern seine!“, fauchte Johanna und sah zu Snow auf, der immer noch wie ein freundlicher alter Opa auf seinem Schreibtischstuhl saß und nicht mal die Miene verzog. „Jo… lass das… bitte“, warnte Finnick sie, weil er Angst hatte, dass sie sich gerade so sehr daneben benahm, dass Konsequenzen auf sie warteten. Niemand kritisierte den Präsidenten ungestraft. „Miss Mason, ich verstehe, dass Sie aufgewühlt sind, allerdings verbitte ich mir solche Bemerkungen. Mit dem Tod Ihrer Mutter hat niemand anders etwas zu tun, als sie selbst.“ Obwohl Snows Stimme immer noch ruhig klang, konnte Finnick den Unterschied heraus hören. Nun wurde er drohender. „Sir, was ist denn genau passiert?“, versuchte Finnick nun Klarheit in die Sache zu bringen, weil Johanna anscheinend die Fähigkeit zu sprechen verlernt hatte. Wer konnte es ihr nach so einer Nachricht verdenken? „Miss Masons Mutter wurde tot in ihrem Badezimmer aufgefunden. Zufällig, wie mir gesagt wurde. Von einem Nachbarn. Weil niemand auf sein Rufen geantwortet hatte, fand er sie schließlich in einer Blutlache im Badezimmer. Sie muss sich selbst die Pulsadern aufgeschnitten haben“, beantwortete Snow Finnicks Fragen, was Johanna einen erstickten Entsetzenslaut entlockte. Finnick selber zweifelte an der Aussage. Wieso sollte sich jemand die Pulsadern aufschneiden? Während er hilflos Johannas Rücken tätschelte, überlegte er, was sie angestellt haben mochte, um den Mord an ihrer Mutter provoziert zu haben. Stur schüttelte Johanna den Kopf. „Wieso? Wieso sollte sie das tun?“, fragte nun auch Johanna mit brüchiger Stimme und spähte wieder zum Präsidenten auf. „Sie können mir nicht länger etwas vormachen. Diese Unfälle… passieren nicht zufällig! Sie müssen uns für verdammt dämlich halten! Aber dieses Mal… wieso? Ich habe nichts Verwerfliches getan!“, beschwerte sich Johanna und Finnick seufzte. „Jo, nicht.“ Sie war auf dem besten Wege, alles nur noch schlimmer zu machen und Finnick wollte sie davor bewahren, sich selbst zu schaden. „Doch!“, widersprach sie ihm trotzig und Finnick konnte nur annehmen, dass Johanna an einem Punkt angelangt war, an dem es ihr egal geworden war. Immerhin… was hatte sie jetzt schon noch? „Sobald Sie zu Hause angekommen sind, finden Sie dort den Abschiedsbrief. Natürlich wurde er bereits von den ortsansässigen Friedenswächtern geöffnet. Aus Aufklärungsgründen. Das Motiv ist daraus klar ersichtlich. Ich denke, die Motivation Ihrer Mutter ist ausreichend erklärt“, fuhr Snow eisig fort und Finnick runzelte die Stirn. Der Mann schien nun doch wütend zu sein. Und Finnick konnte sich keinen Reim daraus machen. „Miss Mason, angesichts der schweren Lage sehe ich davon ab, Ihnen eine Strafe aufzuerlegen, dafür, dass Sie unsere Schweigepflicht verletzt haben. Aber sollte es noch einmal…“ „Oh nein“, wimmerte Johanna und unterbrach damit den Präsidenten, während sie sich unweigerlich fester an Finnick schmiegte und ihr Gesicht an seiner Brust vergab. „Was? Was?“, hakte er bestürzt nach. Anscheinend wussten alle Anwesenden mehr damit anzufangen als er… Nun, von den Friedenswächtern einmal abgesehen. „Ich hab’s ihr gesagt…“, brachte Johanna hervor und mehr musste Finnick nicht einmal hören. Es war klar, was genau Johanna ihrer Mutter endlich offenbart hatte. Sie hätte sicher auch nicht länger mit der Last leben können, dass ihre Mutter annahm, sie würde freiwillig im Kapitol von Bett zu Bett springen. Er selbst hatte noch Argumente dafür gefunden, dass Johannas Mutter von der Wahrheit in Kenntnis gesetzt wurde. Sofort übermannte ihn ein schlechtes Gewissen. „Es tut mir so leid“, murmelte Finnick wieder und Johanna schüttelte erneut den Kopf. „Ich weiß, warum…“, entgegnete sie gebrochen und schmiegte sich enger in seinem Umarmung, was ihn überraschte. War sie gar nicht böse auf ihn? Hätte er ihr doch bloß davon abgeraten! Finnick jedenfalls fühlte sich schrecklich schuldig. „Miss Mason, fahren Sie nach Hause und kümmern Sie sich um alles. Es ist unnötig zu sagen, dass Sie sie nicht begleiten werden, nicht wahr, Mr. Odair?“, ertönte Snows Stimme wieder und Finnick nickte mechanisch. Abgesehen von seiner Siegertour war es ihm noch nie erlaubt gewesen, andere Distrikte zu besuchen. Er war nicht davon ausgegangen, dass nun eine Ausnahme gemacht wurde. „Natürlich wird Ihnen Zeit zur Trauer gelassen. Wenn Sie irgendetwas brauchen, Miss Mason, lassen Sie es mich wissen. Das Kapitol steht in dieser schweren Zeit hinter Ihnen. Ich erwarte Sie vorerst nicht zu schnell zurück. Allerdings erwarte ich Ihren Besuch bei der Siegesfeier im Winter. Ich denke, die Zeitspanne bis dahin ist angemessen, um Sie wieder professionell arbeiten zu lassen.“ Obwohl Finnick versuchte, nicht zu genau zuzuhören, biss er die Zähne fester zusammen, als er Snows Worte vernahm. Johanna hatte gerade ihre Mutter verloren und er scherte sich darum, dass sie bald wieder verfügbar war? Der Sieger presste die Lippen aufeinander, damit ihm keinen Kommentar dazu herausrutschte. Doch die Rechnung hatte er ohne Johanna gemacht, die schon wieder aufsprang und ihm deswegen schmerzhaft mit der Schulter gegen das Kinn stieß. „Professionell arbeiten?“, äffte sie das Staatsoberhaupt nach und schritt auf den Schreibtisch zu. Sie blieb jedoch stehen, als die Friedenswächter sich ebenfalls bewegten. Mit großzügigem Sicherheitsabstand, stemmte sie die Hände in die Hüften. „Sie glauben ernsthaft, dass ich weiter für Sie arbeite? Meine gesamte Familie ist tot! Wegen Ihnen! Wie können Sie davon ausgehen, dass ich noch einen Finger für Sie krumm machen werde?“, fragte Johanna und reckte das Kinn. Obwohl sie wieder rote Augen bekommen hatte und Tränen über ihre Wangen liefen, konnte Finnick nicht umher, festzustellen, dass sie reichlich entschlossen wirkte. „Drohen Sie mir ruhig. Sie können mir nichts mehr anhaben. Was wollen Sie mir denn noch wegnehmen?“, fauchte Johanna. Perplex kam Finnick auf die Füße und starrte seine beste Freundin an. Das war sicherlich der mutigste und dümmste Auftritt, den sie je hingelegt hatte. „Miss Mason, nun werden Sie vernünftig…“, beschwichtigte Snow sie, doch Johanna stieß ein hohnvolles Lachen aus, das Finnick die Nackenhaare aufstellte. Sie wirkte unheimlich, fast ein wenig übergeschnappt. Aber er traute sich auch nicht, sie jetzt anzusprechen. „Sie können mir nichts mehr anhaben, verstehen Sie nicht“, wiederholte sie noch einmal. Sofort, als der Blick des Präsidenten zu Finnick flackerte, drehte sich diesem der Magen um. Er wollte hier nicht in den Fokus geraten. Gerade jetzt nicht. Doch auch das ließ Johanna reichlich kalt. „Ich bitte Sie, wir wissen beide, dass Sie das niemals tun würden. Finnick ist Gold wert für Sie. Und Sie brauchen ihn.“ Dem hatte Snow offensichtlich nichts entgegen zu setzen und Finnick konnte nicht abstreiten, dass er deswegen erleichtert war. Seine eigene Sicherheit wollte er nur ungerne auf’s Spiel setzen. „Also, war ich die längste Zeit Ihre Marionette. Ich bin raus!“, verkündete Johanna und machte auf dem Absatz kehrt um den Raum zu verlassen und alle Anwesenden sprachlos zurück zulassen. Während alle anderen sicher entsetzt waren, verspürte Finnick fast so etwas wie Neid. Hatte Johanna Mason sich gerade wirklich ihre Freiheit erkämpft? Kapitel 14: Secrets ------------------- 13. Kapitel: Secrets Äußert träge und erledigt langte Finnick nach dem Glas, das irgendeinen sprudeligen, süßen Saft enthielt und eigentlich nicht ihm gehörte, sondern der Frau, die sich schläfrig neben ihm räkelte und schließlich auf seiner nackten Brust zum Erliegen kam. Wunderbar. Sie war müde. Endlich. Vorsichtig und mit dem Versuch sich so wenig wie möglich zu bewegen, stellte Finnick das Glas wieder ab und starrte an die Decke des Himmelbetts, in dem sie lagen. Seine Position war nicht gerade gemütlich und er befürchtete, dass sein Arm einschlafen würde, wenn sie länger darauf lag, aber Hauptsache sie schlief erst einmal ein. Denn mittlerweile zeigten die leuchtenden Ziffern des Weckers drei Uhr nachts an. Und es wunderte Finnick wenig, dass er müde war. Seit acht Uhr befand er sich bei der Dame, die er Mrs. Wealth nennen sollte und mit der der Abend ganz nett angefangen hatte, obwohl sie wirklich schon verdammt alt war. Über Vierzig auf jeden Fall, schätze Finnick und kam sich mit seinen siebzehn Jahren blutjung vor. Mrs. Wealth, deren Mann offensichtlich nicht zu Hause war und hoffentlich auch so schnell nicht auftauchen würde, hatte ihn erst stolz durch das Haus geführt und ihm schließlich angeboten etwas zu essen. Finnick war positiv überrascht gewesen und natürlich hatte er einfach von dieser Torte essen müssen, die sie ihm präsentiert hatte, weil es ein offenes Geheimnis war, dass er Süßspeisen liebte. Dazu hatte es ein alkoholhaltiges Getränk gegeben, dem sie jedoch mehr zugesagt hatte, als er. Es war sicher gut gewesen, dass er nicht so viel getrunken hatte, denn schließlich hatte Mrs. Wealth ihn doch in das Gästezimmer des Hauses gescheucht und Finnick hatte den Verzehr der Torte bereut. Sollte man nach dem Essen nicht große Anstrengung vermeiden? Wenigstens hatte er die Torte nicht wieder zu Tage gefördert, obwohl ihm danach gewesen war. Allerdings hätte Mrs. Wealth das wohl nicht gerade anregend gefunden. Finnicks Nackenhaare stellten sich auf, als ihre Hand mit auffällig roten Fingernägeln seinen Bauch kraulte und er sich unwillkürlich fragte, ob er alle Viere nach oben strecken und wie ein Hund hecheln sollte. „Ich hatte meine Zweifel, ob das Geld gut angelegt sei“, seufzte sie und Finnick verzog die Lippen zu einem Schmunzeln. „Die ich hoffentlich alle beseitigt habe“, entgegnete er säuselnd und zwängt seinen Arm unter ihr hervor um ihn um ihren Körper zu legen. Er wollte doch stark hoffen, dass sie zufrieden war. Wozu waren sonst die letzten Stunden gut gewesen? „Natürlich!“, antwortete sie prompt, wenn auch schläfrig. „Wie alt warst du doch gleich?“ Im Halbdunkeln verdrehte er die Augen. Ich könnte dein Sohn sein, dachte er sich erbost. Dass sie die Vorstellung nicht abstoßend fand. „Siebzehn“, murmelte er jedoch brav. „Siebzehn!“, echote sein Arrangement überrascht und richtete sich auf, um ihn ansehen zu können. „Du wirkst viel älter“, wunderte sie sich und ihre Finger fuhren die Muskeln an seinem Bauch entlang. „So sagt man, ja“, lächelte Finnick und fand daran rein gar nichts gut. Er wollte gar nicht älter wirken. Er wollte auch nicht reifer wirken. Er wollte ein ganz normaler Teenager sein. Aber die Chance hatte man ihm ja genommen. „Ich hab etwas für dich“, informierte die Dame ihn und Finnick wollte sich zusammenrollen, weil er nichts Gutes ahnte. „Für mich?“, schnurrte er jedoch tapfer zurück. „Ohja, es liegt gleich dort drüber. Auf der Kommode“, stimmte sie zu und bedeutet Finnick aufzustehen, der ihrem Wunsch widerwillig nachkam. Obwohl er soeben Sex mit dieser Frau gehabt hatte, wollte er nicht nackt vor ihr herum laufen. Andererseits, welche Wahl hatte er schon? Er tapste über den flauschigen Teppich zur Kommode und suchte nach etwas, was er mit zurücknehmen konnte. „Was?“, erkundigte er sich und betrachtete die Gegenstände darauf. Was wollte sie ihm geben? Mit einer leichten Gänsehaut schweifte sein Blick über ein Halstuch und über etwas, was er eigentlich für Schminke hielt, sich aber bei dem länglichen Objekt auch täuschen könnte. „Liegt da kein Armband? Es ist aus Koralle!“, wunderte sich Mrs. Wealth und richtete sich nun auch auf. „Doch“, beschwichtigte Finnick sie. Da lag das Armband. Nachher bezichtigte sie ihn noch, das scheußliche Ding gestohlen zu haben. Allerdings rasten seine Gedanken. Was wollte sie mit dem Ding? „Es ist ein Geschenk“, erklärte sie vielsagend, als von ihm keinen Reaktion kam, außer, dass er das Armband anstarrte. Oh, arme Person, die das bekam! „Sehr hübsch“, log Finnick stattdessen. „Wer bekommt so großzügige Geschenke?“, erkundigte er sich und setzte ein Lächeln auf, während er nackt vor einer Kommode mitten im Raum stand und das hässlichste Schmuckstück bewunderte, dass er je gesehen hatte. „Du, Dummerchen!“, lachte sein Arrangement und Finnick entgleisten die Gesichtszüge. „Das kann ich doch nicht annehmen“, wehrte er ab und betrachtete das Ding skeptisch. Das sollte er tragen? Das war hässlich! Und eigentlich meinte er mit seiner Aussage auch eher ‚Das will ich nicht annehmen!‘ Aber das würde nicht so gut ankommen, fürchtete er. „Oh, ich weiß. Es war teuer. Aber ich fand, dass es zu dir passt“, entgegnete sie und winkte ihn wieder zu sich heran. Finnick fand, dass das nicht gerade ein Kompliment war. Hieß das, sie fand ihn scheußlich? Trotzdem trat er lächelnd wieder an das Bett heran, sein neues Armband in der Hand. Begeistert setzte sich die Dame auf und nahm ihm das Armband ab, um es ihm anzuziehen. „Sehr hübsch!“ „Ja… danke“, sagte Finnick artig und betrachtete seinen Arm. „Gefällt mir sehr gut. Vielen Dank“, fügte er begeistert hinzu, während Mrs. Wealth Hand an seiner Seite entlang glitt. „Du darfst dich gerne überschwänglicher bedanken“, fand sie und lehnte sich vor, um seine nackte Brust zu küssen. Finnick erschauderte. Kein Schlaf… Das war alles, woran er gerade dachte. Dabei war er so müde! „Wie könnte ich mir das entgehen lassen?“, raunte er und gab ein zufriedenes Keuchen von sich, als ihre Lippen seine linke Brustwarze berührten. Vielleicht durfte er danach ja schlafen… „Mein Mann arbeitet für unseren Präsidenten, weißt du?“, ließ sie verlauten und Finnick unterdrücke den Impuls sich mit irgendetwas zu bedecken. Wieso musste sie ihm von ihrem Mann erzählen, wenn er nackt neben ihr lag und ihre Hände über seinen Körper wanderten. Finnicks Muskeln zogen sich unter jeder Berührung zusammen. Eigentlich war er müde und erschöpft und alles in ihm drängte nach Schlaf. Aber sein doch sehr jugendlicher und daher hormongebeutelter Körper ließ sich immer viel zu leicht austricksen. Während sein Arrangement die Finger über seine Bauchmuskeln gleiten ließ, regte sich zwischen seinen Beinen bereits wieder etwas, obwohl Finnick noch vor wenigen Minuten befürchtet hatte, dass gerade dieses Körperteil nun eine Schonfrist von Tagen brauchen würde. Gehirn und tiefere Regionen arbeiteten allerdings nicht zusammen, wie er feststellte. „Das ist sicher eine große Ehre. Sie müssen sehr stolz auf ihn sein“, antwortete Finnick und fragte sich, wieso sie eigentlich über den armen Kerl sprachen, der hier gerade betrogen wurde. Doch die Dame schüttelte lediglich den Kopf. „Es ist eine Ehre. Allerdings langweilt man sich auch sehr schnell, wenn der eigene Mann ständig arbeitet. Natürlich kann er nicht absagen. Das würde Schande über uns bringen.“ Finnick nickte verstehend. Vermutlich nicht nur Schande, sondern auch Schlimmeres. Wer Snow etwas verweigerte, bekam Ärger. „Und da komme ich wohl ins Spiel. Gegen die Langeweile, hm?“, erkundigte sich Finnick und brachte sein Arrangement zum Kichern. „Mein Mann hat eine wichtige Stellung. Er kann um viele Dinge bitten, Finnick“, erklärte sie und Finnick seufzte innerlich. So wurde er also herum gereicht. Wie demütigend. Und welcher Ehemann besorgte seiner Frau schon einen Callboy? „Ich verstehe. Daher auch das überragende Anwesen. Dieses Haus ist wunderbar. Sehr exquisit“, lobte er und zuckte unmerklich zusammen, als ihre Hand tiefer wanderte. Ein leises Keuchen entfloh ihm, was sehr zu gefallen schien. „Vielleicht sollte ich auch für die Regierung arbeiten, wenn man sich dann ein solches Haus leisten kann“, scherzte er. „Ich denke nicht, dass du besonders arm bist“, entgegnete Mrs. Wealth. Und dem konnte er nicht wiedersprechen. Seit seinem Sieg waren Geldsorgen so ziemlich das letzte was er hatte. „Stimmt. Geld interessiert mich wenig“, gab der Sieger daher zu und versuchte das Becken nicht anfordernd anzuheben, weil er ja eigentlich immer noch lieber schlafen wollte und so ein Gespräch sie vielleicht ablenkte. „Ich liebe meinen Mann“, murmelte Mrs. Wealth. Und Finnick verbiss sich jeglichen Kommentar. Wenn sie ihn liebte, warum strich ihre Hand dann so fordernd über seine Erektion? „Aber es kann sehr einsam werden. Und manchmal, frage ich mich, ob alles seine Richtigkeit hat“, fügte sie noch leiser hinzu und nun war Finnick ganz Ohr. Sie schaute lediglich kurz schuldbewusst, während Finnick sich auf die Ellenbogen stützte und sie interessiert musterte. „Ich dachte alles, was unser Präsident fordert, hat seine Richtigkeit“, erwiderte er eben so leise und erhielt ein leises Lachen. Sie küsste ihn flüchtig und wanderte mit dem Mund über seine Wange bis zu seinem Ohr. „Du bist sehr jung und naiv“, stellte sie leise fest. „Mein Mann ist Direktor der Nervenklinik hier“, hauchte sie in Finnicks Ohr und umfasste gleichzeitig sein Glied, so dass Finnick erneute aufstöhnte. Er hatte Mühe sich auf ihre Worte zu konzentrieren, die sie ihm in rascher Folge ins Ohr wisperte. Ihm schwirrte der Kopf. Ihr Mann ließ Menschen einweisen und mit Medikamenten ruhig stellen, wenn sie es wagten, dem Präsidenten zu widersprechen? Das konnte Mrs. Wealth ihm gerade unmöglich anvertraut haben. „Es ist schlimm. Letzte Woche musste er den Mann meiner Nichte einweisen, weil der sich geweigert hatte einen Bericht über Distrikt Elf vorzulesen. Ich weiß nicht einmal warum. Er war Nachrichtensprecher. Jetzt gilt er als unzurechnungsfähig und bekommt Medikamente, die ihn erst dazu machen. Meine Nichte ist am Boden zerstört.“ Finnick wandte dem Kopf um. Obwohl Mrs. Wealth nicht in ihren Bewegungen inne hielt, starrte sie nicht ihn an, wie die ganze Zeit schon, sondern begutachtete einen Punkt auf der Wand. Nun ignorierte Finnick die verheißungsvollen Bewegungen und war schier zu überrumpelt und geschockt von dieser Nachricht. Ihm war zwar immer klar gewesen, dass der Präsident keineswegs ein so netter Mann war, wie das Kapitol annahm, aber so etwas war Finnick gänzlich neu. Allerdings sollte er nicht zu verwundert sein, immerhin erfuhr er am eigenen Leib, zu was Snow fähig war. „Warten Sie! Das ist…“ Allerdings würgte das Arrangement seine Worte mit einem Kuss ab und Finnick fühlte sich schäbig, weil er trotz der schockierende Nachricht kam, als sie unbeeindruckt weiter fortfuhr, als hätte es das Gespräch nie gegeben. Schwer atmend ließ er sich gegen ihre Schulter sinken. „Es ist bemerkenswert. Du bist so jung und ausdauernd“, seufzte sie, während Finnick innerlich die Augen verdrehte. Er war sich sicher, dass geil der bessere Begriff war. Himmel, er war 17! Es war normal, dass sein Körper darauf ansprang. Allerdings fühlte er sich dadurch nur umso schlimmer. Jetzt schon freute sich Finnick auf die Dusche, die er am Ende dieses Arrangements nehmen würde. „Wieso erzählen Sie mir all das?“, erkundigte er sich, als er wieder zu Atem kam. Er war nicht gewillt, sich so einfach damit geschlagen zu geben. So etwas erzählte man doch nicht einfach so! „Ich weiß nicht. Jemanden von hier kann ich es wohl kaum erzählen“, fand sie und küsste ihn noch einmal. Und da gab Finnick ihr Recht. Jemandem aus dem Kapitol so etwas zu offenbaren war wohl glatter Selbstmord. „Es war ein Geheimnis, Finnick. Du wirst es doch nicht weitersagen? Mein Mann würde vom Direktor direkt zum Patienten werden. Oder Schlimmeres!“, wisperte sie eindringlich und Finnick schüttelte sofort den Kopf. Natürlich würde es so kommen. Und ihm selbst würde das auch nicht gerade weiterhelfen. Immerhin konnten viele falschen Handlungen von ihm schlimme Ereignisse mit sich bringen. „Wem sollte ich es erzählen?“, erkundigte er sich arglos und küsste sie, als sich ihre Miene vor Erleichterung aufhellte. „Dein Geheimnis ist bei mir sicher. Ich verspreche es.“ „Warte, ich fasse zusammen“, murmelte Johanna, während sie sich Seifenschaum aus den Augen rieb. Finnick lehnte an ihrer Duschkabine und verdrehte die Augen. „Wie oft willst du es noch zusammenfassen, Jo? Es ist wirklich eine simple Erklärung.“ Finnick war genervt davon ihr hier alles doppelt erklären musste, obwohl er fand, dass alles ganz simpel war. „Du freust dich darüber, dass diese Frau dir ein Geheimnis anvertraut hat. Weißt du was, ich glaube bei dir im Hirn richtet das alles langsam Schäden an. Männer haben ja sowieso nicht so viele Gehirnzellen und durch diese ganze Vögelei wird es bei dir bestimmt nicht besser“, ließ Johanna ihn wenig charmant wissen und Finnick schnaubte verächtlich. „Wenn du fertig damit bist, mich zu beleidigen, könntest du dann versuchen, mich zu verstehen?“, entgegnete er und wandte sich dem Waschbecken zu. Allein die Tatsache, dass er in Johannas Bad herumlungerte, zeigte doch, dass es ihm wichtig war darüber zu reden. Hier gab es nämlich keine Kameras. Ein Wunder eigentlich. Und sollte es welche geben, würden der Wasserdampf und das laute Prasseln gepaart mit diesem wasserfesten Musikchip schon dafür sorgen, dass niemand etwas verstand. Ohne um Erlaubnis zu fragen schnappte sich Finnick Johannas Zahnbürste und putze sich seelenruhig die Zähne. „Ich mag das nicht, wenn du das tust. Gib mir mal ein Handtuch“, forderte Johanna missbilligend und Finnick zuckte mit den Schultern. Johanna mochte so vieles nicht. Jedenfalls sagte sie das. Angeblich mochte sie auch keine Anrufe von ihm, aber sie nahm trotzdem jedes Mal ab. Also hatte Finnick schon lange beschlossen, nicht auf sie zu hören. „Isch weisch“, nuschelte er und warf ein Handtuch in Richtung Duschkabine. Einen Blick in den Spiegel konnte er sich allerdings nicht verkneifen, als Johanna aus der Dusche trat und sich übertrieben lasziv abtrocknete. Man musste ihr eben doch lassen, dass sie einen attraktiven Körper hatte, den er zwar schon kannte, aber trotzdem ganz gerne musterte. Und Johanna war wirklich niemand, der in Sachen Freizügigkeit prüde war. Eigentlich hatte Finnick sogar das Gefühl, dass er Johanna, seit sie einmal mit einander geschlafen hatten, ständig nackt sah. „Du musst aufpassen, dass dir nicht die Augen rausfallen, Finni“, säuselte sie und Finnick spuckte den Zahnpastaschaum unbeeindruckt aus. Nur weil er sie vom Körperbau attraktiv fand, hieß das nämlich noch lange nicht, dass er das auch zugeben würde. „Wegen dir? Träum weiter, Mason.“ Selbst wenn er jemals ein Mädchen gut finden würde, würde sie wohl kaum so sein wie seine beste Freundin. Johanna war super, aber er wollte partout nicht mit ihr zusammen sein. Sie würden sich gegenseitig umbringen. Besagte Freundin trat neben ihn an das Waschbecken. „Also Finnick, du findest es gut, wenn dir jemand schockierende Geheimnisse erzählt? Warum?“, brachte Johanna das Thema wieder auf den Punkt und lehnte sich neben ihn an das Waschbecken. Finnick starrte auf die kunstvolle Waschbeckengarnitur und zuckte mit den Schultern. „Vielleicht weil ich dann etwas im Austausch bekomme…“ Mit spitzen Fingern fuhr Johanna über sein neues Korallenarmband, das er noch nicht abgelegt hatte. Das würde er auch so schnell nicht können. In ein, zwei Tage vielleicht, wenn er das nächste hässliche Geschenk erhalten hatte. „Aber das bekommst du doch auch so schon. Sie überhäufen dich mit Geschenken“, gab sie zu bedenken und wieder zuckte Finnick mit den Schultern. „Die ich nicht will. Es ist hässlich“, beschwerte er sich und fing Johannas gehässigen Blick auf. „Stimmt!“, flötete sie schadenfroh und erhielt einen Knuff mit dem Ellenbogen dafür. Sie musste nun gar nicht so schadenfroh tun. Diese Halskette, die aus einem Strasssteinchenherz bestand, das auch noch pink leuchtete, sollte ihr eigentlich Scherze dieser Art ausgetrieben haben. „Ernsthaft Jo, das war nicht das erste Mal. Erst letztens hat mir jemand über eine skandalöse Affäre erzählt. Und ich hab auch erfahren, wie dieser Nachrichtensprecher Maximus seinen Sendeplatz bekommen hat.“ Johanna musterte ihn immer noch zweifelnd und Finnick gefiel nicht, wie sie ihm über die Haare strich. Hatte sie gerade ernsthaft Mitleid? Moment mal, fing sie an ihn für komisch zu halten? „Finn… ich weiß, dir geht es schlecht. Ich weiß das. Aber glaubst du nicht, du suchst nur nach etwas, woran du dich festklammern kannst? Etwas, was dir das Gefühl gibt, dass es nicht umsonst ist?“, hakte sie nach und fing sich einen bösen Blick von Finnick ein. Allerdings hielt Johanna seinen bösen Blicken immer stand. Deswegen gab Finnick auch dieses Mal als Erster nach. Trotzdem war er verstimmt darüber. „Kann sein. Und selbst wenn es so ist. Lass mir das!“, erwiderte er trotzig und konnte Johannas kurze, nasse Haare an seiner Schulter spüren. „Ich lass dir alles, was es erträglich macht, Finnick. Und jetzt komm schlafen.“ Widerwillig seufzte Finnick, beschloss aber seiner besten Freundin nicht zu lange böse zu sein. Er ließ sich von Johanna zu ihrem Bett ziehen, das ihm derart vertraut war, weil er so viele Nächte darin verbrachte. Johanna war die einzige Frau, die ihn durchschlafen ließ, wenn man davon absah, dass sie auf ziemlich resolute Art und Weise Decken und Kissen stahl. Und ihre Anwesenheit war tröstlich. Johanna hatte eine Hälfe des Bettes und er die andere, wenn auch ohne Kissen und Decke. Aber ihm gefiel es ganz gut, nicht alleine zu sein. Während er sich sein Kissen wenigstens zum Einschlafen sicherte, überlegte Finnick, dass er seiner besten Freundin wohl kaum anvertrauen konnte, dass sie vielleicht Recht hatte. Wenn jemand ihm etwas anvertraute, freute sich Finnick insgeheim. Noch mochten ja alle denken, dass er zu dumm war um mit dem Wissen etwas anzufangen, was ihm auch gewaltig auf die Nerven ging. Aber irgendwann würde er sich trauen alles Preis zugeben. Sie alle erreichten irgendwann einen Punkt, an dem es nicht mehr ging. Und wenn Mags nicht mehr war… was blieb ihm dann noch, was er aktiv schützen musste? Abgesehen von Johanna, die auf sich selbst aufpasste? Die Gesichter derer, deren Geheimnisse er ausplaudern könnte… Finnick stellte sie sich zu gerne vor. Dann konnten sie mal sehen, wie es war, auf sein Wohlwollen aus zu sein. Dann wäre er am längeren Hebel. Ein netter Gedanke, der ihm half durchzuhalten. Obwohl er bezweifelte, dass er jemals irgendetwas davon preisgeben würde. Denn das würde ja auch bedeuten, dass er erklären müsste, wie er an das Wissen gekommen war. Und das erzählte er niemanden, der es nicht ohnehin schon wusste, einfach weil er sich zu sehr dafür schämte. Da war es ihm lieber, alle würden davon ausgehen, er würde freiwillig so handeln. Trotzdem allein die Vorstellung, er könnte, wenn er wollte, war ihm bereits genug. „Finn… wann willst du davon profitieren?“, murmelte Johanna, die sich schon auf ihre Seite gerollt hatte, schläfrig, während die ersten Sonnenstrahlen durch das Fenster fielen. Finnick tat es ihr gleich und rollte sich in eine bequeme Schlafposition. „Ich weiß nicht. Irgendwann.“ Kapitel 15: Private Party ------------------------- Ich widme dieses Kapitel meine lieben Freundin UsakoChan, die auch meine Betaleserin ist. Ich hoffe, ich habe ihren Haymitch ganz gut dargestellt :D Wer sehen möchte, wie sie ihn darstellt, kann gerne bei uns vorbei schauen: http://happy-hunger-games.forumieren.com/ Wir freuen uns immer über neue Mitspieler in unserem RPG :) 15. Private Party „Woher hast du das?“, erkundigte sich Finnick, als er auf Johannas Anruf hin auf die Dachterrasse trat und sie dort mit einem Flasche klarer Flüssigkeit vorfand, die sie vor ihm hin und herschwenkte und dabei breit grinste. Dieses Bild ließ Finnick schon nichts Gutes ahnen und am liebsten wollte er umkehren und sich in sein Bett legen. „Von Haymitch“, erklärte Johanna und winkte Finnick zu sich ran. Sie thronte auf einer Decke und klopfte auffordernd neben sich „Wieder ein Geschenk?“, erkundigte sich Finnick seufzend und ließ sich neben Johanna nieder. „Eher ein unfreiwilliges“, gab Johanna grinsend zu und schwenkte die Flasche abermals. „Und das hab ich auch besorgt“, fügte sie triumphierend hinzu und hielt eine durchsichtige Tüte hoch, in der Zigaretten lagen. „Ich rauche nicht“, entgegnete Finnick stirnrunzelnd. Das hatte er noch nie getan. Das hieß, doch in Distrikt Vier drehten manche selber Zigaretten und die waren schier ekelhaft und brachten einen zum Husten, so dass er damit nichts mehr am Hut haben wollte, nachdem sie es alle einmal ausprobiert hatten, weil sie es als cool empfunden hatten. Finnick mochte auch niemanden der rauchte. Die Arrangements, die Raucher waren, waren schrecklich ekelhaft was das Küssen anging. „Das hier schon“, widersprach Johanna resolut und drückte ihm eine der Zigarette in die Hand, an der er nachdenklich schnüffelte. „Was genau ist das?“, wollte Finnick wissen. „Jo, ich glaub das ist keine gute Idee. Das alles hier“, fügte er hinzu und erhielt dafür ein genervtes Augenrollen. „Du findest meine Ideen nie gut!“, beschwerte sich Johanna beleidigt. Finnick warf entnervt die Hände in die Luft. „Weil sie es nicht sind! Ich muss morgen fit sein…“, erklärte er und dachte mit Grauen an den bevorstehenden Tag. Morgen würde er 18 werden. Wäre er ein normaler Junge aus Distrikt Vier wäre das sogar wirklich ein Grund zu feiern. Dann wäre er erwachsen. Er müsste nicht mehr zur Schule und könnte auch nicht mehr für die Hungerspiele ausgelost werden. Aber er war nicht normal. Zur Schule ging er nicht mehr seit er vierzehn war und er wurde seit er sechzehn war wie ein Erwachsener behandelt. Insgeheim hatte Finnick Angst, dass es nun schlimmer werden würde. Wenn er jetzt wirklich erwachsen war, würde er dann mehr Arrangements bekommen? Oder noch krankeres Zeug machen müssen? „Ich weiß, für deine super tolle Geburtstagsparty. Wir sind alle nur deswegen her zitiert worden, Finny. Aber wir beide wissen, dass du gar keine Lust darauf hast.“ Als Antwort gab Finnick ab Schnauben von sich, das seine Motivation sehr gut widerspiegelte, wie er fand. „Ich wette, keine der Frauen, die morgen anwesend sind, wird dir die Hand schütteln, sondern ihre Griffel woanders hinwandern lassen.“ „Jo!“, beschwerte sich Finnick und zog automatisch die Knie an die Brust, wie um sich vor etwaigen Fummeleien zu schützen. „Mach mir nicht im Vorfeld schon Angst!“ Ganz im Gegensatz zu ihrem sonstigen Wesen, betrachtete Johanna ihn mitleidig und wuschelte Finnick dann durch die Haare. „Weil das morgen eine beschissene Feier wird, hab ich mir gedacht, feiern du und ich richtig in deinen Geburtstag rein.“ Während er sich die Haare wieder richtete, sah Finnick sie überrascht an. „Jo, das ist… unerwartet lieb von dir. So aufmerksam.. Fühlst du dich nicht wohl?“, hakte er gespielt besorgt nach. „Ach Halt die Klappe. Ich dachte, du freust dich!“ Johanna sah nun wirklich etwas pikiert aus und deswegen lenkte Finnick auch ein, denn der Grundgedanke war immerhin nett gewesen. „Tue ich ja auch! Wirklich! Aber…“ „Kein Aber, Odair. Morgen haben wir sicher keinen Spaß. Weil du nämlich keinen Schritt gehen kannst, ohne, dass man dich anfällt und ich nicht in deine Nähe kann“, erklärte Johanna und Finnick verzog das Gesicht. „Du willst, dass ich mir das schön trinke, ja?“, beschwerte er sich und nahm die geöffnete Flasche von Johanna entgegen. Wie zu erwarten, schmeckte der Inhalt ihm kein bisschen und brannte in der Kehle, aber Johannas aufmunterndes Grinsen, ließ ihn die angesetzte Flasche vorerst nicht absetzen. „Herzlichen Glückwunsch, Finn“, murmelte sie und gab ihm einen Kuss auf die Wange, bevor sie ihm ein Feuerzeug hinhielt, damit er seine Zigarette, von der er stark annahm, dass es gar keine war, anzünden konnte. Kaum eine Stunde später waren Finnicks Bedenken gegenüber den Zigaretten vollkommen weggefegt. Wieso hatte er diese Dinger nicht rauchen wollen? Die waren super! Wirklich super. Völlig entspannt starrte Finnick in den dunklen Himmel hinauf, während er Johannas Seite an seiner spürte. Ab und an kam ein Lichtkegel in sein Sichtfeld, der dann dafür sorgte, dass ihm ganz diesig wurde und kleine Sternchen am Himmel zusehen war, wo sonst nie welche waren, weil die Leuchtreklamen vom Kapitol sie schier unsichtbar machten. Johanna kicherte leise vor sich hin, als erneut die Lichtreklame eines Clubs den Himmel erhellte, während Finnick ihr lieber fasziniert mit den Augen folgte. „Jetzt bist du froh, dass du mit mir deinen Geburtstag feierst, hm?“, fragte Johanna. „Jepp, der beste Geburtstag aller Zeiten“, stimmte Finnick prompt zu und drehte den Kopf langsam um, um nach der Alkoholflasche zu suchen. Seine vergangenen Geburtstage waren hart gewesen. Seit seine Mutter nicht mehr am Leben war, hatte sein Vater zwar versucht, ihm einen schönen Tag zu bescheren, aber erstens hatte er nicht backen können und zweitens hatte Finnick seine Mutter schmerzlich vermisst. An seinem letzten Geburtstag, der auch ohne seinen Vater stattfand, hatte Finnick sich nur vor die Tür gewagt, weil er auf eine Party im Kapitol musste. Es war schrecklich gewesen! Aber das hier? Das hier war entspannend. Ächzend richtete sich Finnick auf und krabbelte auf die Flasche zu, die ein Stück weiter weggerollt war. Trotz einigen Koordinationsproblemen schaffte er es dann doch die Flasche zu öffnen und nahm einen guten Schluck draus, bis Johanna ihm gegen das Knie schlug. „Lass mir auch was!“, forderte sie und streckte verlangend die Hand aus, bevor sie sich mit der Eleganz eines auf den Rücken gefallenen Käfers aufrichtete. „Wooowww, Mason. Nicht so schnell“, beschwerte sich Finnick, dem die Bewegungen seiner Freundin Kopfschmerzen bereiteten. Auch das Anreichen der Flaschen klappte nicht ganz so wie geplant und sie landete auf der Decke zwischen ihnen. Sie durchnässte Johannas Hose an den Knien, was diese mit ungläubigem Blick registrierte, während Finnick zu kichern begann. Es war lustig, fand er und Johanna stimmte kurze Zeit später ein. Schmerzhaft donnerte jemand ihre Köpfe aneinander, so dass Finnick aufstöhnte und seine Sicht noch trüber und nur hier und da von bunten Sternen erleuchtet wurde, die sicher nicht normal waren. „Auuuuuuuuuuuuuu“, kam es leise und kläglich von Johanna neben ihm. Aber auch sie nahm Finnick nicht mehr besonders gut war. Eigentlich schon länger nicht mehr. Er hatte fasziniert die bunten Muster der Decke unter ihm und die verschwommen eigentlich schon zu einem schönen Farbenstrudel. Jetzt aber schien sich alles zu drehen und Finnick schloss die Augen, in der Hoffnung, das würde es besser machen. Tat es nur leider nicht! „Oh Gott“, brachte er hervor, als ihm schlecht wurde und er eine genervte Stimme neben sich hörte. Sein Angreifer, der auf keinen Fall so glimpflich davon kommen durfte. Aber im Moment konnte Finnick kaum geradeaus gucken, wie sollte er sich dann wehren. „Wir bringen die Kids zu mir, ist am nächsten.“ Finnick versuchte erst gar nicht herauszufinden, wer da sprach, sondern konzentrierte sich darauf, sich nicht zu übergeben, während Johanna das offen sichtlich schon getan hatte, denn ihm stieg ein unangenehmer Geruch in die Nase, gefolgt von einem Fluch einer männlichen Stimme. „Zu dir ist gut. Das Mädchen kommt nicht auf meine Etage.“ Irgendjemand zog ihn auf die Beine, was seinem Mageninhalt gar nicht gefiel. Er öffnete die Augen wieder und starrte auf die bunte Decke, die nun gar nicht mehr nett anzusehen war sondern wie ein Farbtornado wirkte. „Wow… langsam“, beschwerte sich Finnick und versuchte seinen Blick zu schärfen, was ihm misslang, während Johanna lediglich leise vor sich hin jammerte. Er wurde mehr mitgeschliffen, als dass er selber ging und schließlich gegen eine kühle Wand gelehnt. Als wäre er einen Marathon gerannt, lehnte er den Kopf dagegen, so dass seine Wange die kühle Fassade berührte. „Schön hier bleiben!“, wurde ihm eingeschärft und Finnick fragte sich, wo er denn sonst hin sollte. Die Wand war so schön stabil, dass er nicht weg von ihr wollte. Da würde er auch gar nicht weit kommen, fürchtete Finnick. „Drück die Zwölf, Chaff“, ertönte die andere Stimme wieder und langsam dämmerte es ihm. Chaff und Haymitch. Vermutlich waren die auf der Suche nach ihrer Flasche Selbstgebranntem gewesen. Naja, der war jetzt leider weg. Auf Johannas Hose und in ihren Mägen. Was Finnick wieder würgen ließ. Allerdings presste er sich die Hand vor dem Mund und krümmte sich lediglich, während ihn jemand fluchend festhielt und er den Würgereflex in den Griff bekam. Kurz bevor der Aufzug sich öffnete, erbrach sich Johanna allerdings noch einmal und wieder fluchten die beiden Männer, während sich Finnick wieder die Hand vor den Mund schlug. Bloß nicht in den Fahrstuhl kotzen! „Schaff den Jungen ins Bad!“, fluchte Haymitch, der anscheinend auf Johanna aufpasste, die gar nichts mehr sagte. Finnick würde das beunruhigen, wenn es nicht seine volle Konzentration erforderte, sich nicht ebenfalls im Fahrstuhl zu übergeben. Wieder wurde er am Arm gepackt und Einrichtungsgegenstände schienen an ihm vorbei zu fliegen, während Chaff ihn in das nächste Badezimmer brachte. Gut, dass der ihn so fest hielt, sonst wäre Finnick sicher nicht so weit gekommen. Er stolperte nämlich mehr, als dass er selber lief. Kaum dass er in dem undeutlichen Wirrwarr, das seine Sicht war, die Kloschüssel ausmachen konnte und Chaff ihn davor los ließ, übergab sich auch Finnick. Ermattet legte er die Hände auf die Klobrille um dann sein Gesicht darauf zu legen. Noch nie war ihm derart übel gewesen. Und noch nie hatte er so einen engen Kontakt zu einer Toilette gehabt. „Okay, überlass den mal sich selbst. Und hilf mir mit der Dusche.“ Ohne aufzusehen, wusste Finnick schon, dass er gemeint war, der sich selbst überlassen werden sollte. Und er hatte ohnehin wenig Ambitionen weg zu gehen. Ihm war nämlich immer noch schrecklich schlecht. Neben ihm wurde die Dusche angestellt, das Wasserprasseln war dicht gefolgt von einem Aufschrei von Johanna. Allerdings beschloss Finnick das nicht weiter zu beachten und sich lieber noch einmal zu übergeben. Sollte sie selber klar kommen. Sie war schließlich auch Schuld an allem. „Ich nehme nicht an, dass das nur von meinem Schnaps war?“ Ein klägliches Wimmern war von Johanna zu hören und Finnick hob den Kopf. Wie durch einen starken Schleier sah er Johanna in der Ecke der Dusche sitzen und sich den Magen haltend, während Haymitch unerbittlich den Duschkopf auf sie richtete. „Lass sie doch“, forderte Finnick äußerst kläglich und tauchte wieder ab, als ihm erneut schlecht wurde. Wenigstens hatte er versucht zu helfen. „Ich sorge dafür, dass sie wieder klar im Kopf wird“, entgegnete Haymitch ungerührt und Finnick beschloss ihm zu glauben. Der Mann kannte sich sicher mit so was aus. „Was habt ihr denn genommen?“, erkundigte sich jetzt nun auch Chaff und zwang ihn wieder aufzusehen. Ungefragt klammerte sich Finnick an den älteren Mentor und warf der Kloschüssel einen sehnsüchtigen Blick zu. „Die haben Augen wie Untertassen“, ließ er Haymitch wissen. „Nicht von meinem Schnaps“, kam die Antwort. „Nein“, kam es patzig von Johanna, jedenfalls vermutete Finnick, dass sie patzig sein wollte. „Davon nicht!“ „Und wovon dann?“, hakte Haymitch unerbittlich nach. „Irgendwas zu rauchen“, steuerte Finnick bei, weil Johanna schwieg und bekam dafür einen Schlag auf den Hinterkopf, der ihn wieder aufstöhnen ließ. „Idioten, alle beide!“ „Sagt der Richtige…“, beschwerte sich Johanna und versuchte wohl so normal wie möglich zu klingen, während ihre Stimme eher erbärmlich klang. Finnick konnte ihr eigentlich nur beipflichten, hielt sich jedoch lieber geschlossen, bevor er noch einmal geschlagen wurde. „Wir tauschen, gib du ihr mal ein Handtuch“, forderte Haymitch und schon zog er Finnick auf zu sich heran. „Komm schon, Odair. Das müssen wir bis morgen wieder hinbekommen. Morgen findet deine Geburtstagsparty statt“, rief der Mentor aus Zwölf ihm in Erinnerung. Ein eher peinliches Wimmern entkam Finnicks Mund, als er gegen die Kacheln der Duschwand befördert wurde, und sofort, wie Johanna, auf den Boden sank. Seine Geburtstagsparty! Die hatte er tatsächlich verdrängt und nun erkannte er auch, wieso sich hier so hingebungsvoll um ihn gekümmert wurde. „So jedenfalls kannst du nirgends auftreten. Das würde dir den Ruf ziemlich versauen“, fuhr Haymitch ungerührt fort, während Finnick den Kopf zwischen den Knien vergrub. Ihm war ziemlich egal, ob sein Ruf versaut werden würde. Jedenfalls gerade in diesem Moment. Entsetzt jaulte er auf, als das eiskalte Wasser ihn traf, während Chaff und Haymitch lachten und ein „nicht lustig“ von Johanna zu hören war. Sie war loyal, das gefiel Finnick. Nach einer halben Ewigkeit, wie es Finnick vorkam, wurde das Wasser abgestellt und ihm ein Handtuch zu geworfen, dass er mit klappernden Zähnen dazu verwendete, sich abzutrocknen. Als er den Blick hob, stellte er fest, dass sich seine Sicht auch gebessert hatte. Nur die Übelkeit blieb bestehen. Das flaue Gefühl im Magen blieb hartnäckig bestehen und er wollte sich einfach nur irgendwo zusammen rollen und schlafen, damit es vorbei ging. „Schlaft das aus und versucht nicht auf den Boden zu kotzen“, warnte Chaff sie, als die beiden Älteren sie in eines der Zimmer brachten. Finnick betrachtete das Bett, als wäre es das Schönste, was er je gesehen hatte. Schlafen! Gott sei Dank! „Mülleimer“, sagte Haymitch und stellte den Eimer demonstrativ neben das Bett. Sein Tonfall klang, als würde er mit Idioten sprechen. Trotzdem nickte Finnick langsam, als Zeichen, dass er verstanden hatte. „Klamotten“, fügte Chaff hinzu und ließ einen Stapel Sachen auf einen Tisch fallen. Sicher aus dem Zimmer einer der gefallenen Tribute von Distrikt Zwölf. Aber selbst das war Finnick egal. Er wollte nur, dass sie das grelle Zimmerlicht ausmachten und er schlafen konnte. Johanna, die bereits auf der Bettkante saß, zog sich das nasse, klebende Shirt aus und streifte die Hose ab, die sie getragen hatte, nur um ihre Unterwäsche folgen zu lassen und sich dann in das einladenden Bett zu legen. Kurz wartete Finnick, bevor er es ihr gleich tat. Seine Sachen klebten an ihm und das Bett sah so warm und weich aus, dass ihm alles andere egal war. „Sollten wir hier bleiben und das beaufsichtigen?“, erkundigte sich Chaff und wenn sich Finnick nicht täuschte, klang er belustigt. War ihm allerdings auch egal. Sollten die beiden tun, was sie wollten. Er jedenfalls würde schlafen. Ohne Rücksicht krabbelte Finnick auf das Bett und über Johanna drüber, die sich quer darauf ausgestreckt hatte und jetzt schmerzhaft aufstöhnte, als er ihr das Knie in den Magen rammte. „Ups… tschuldige“, murmelte Finnick und ließ sich in die Kissen fallen, während Johanna nach dem Mülleimer griff. „Nein, ich denke nicht, dass da heute irgendwas passiert“, entgegnete Haymitch genauso belustigt, bevor er endlich das Licht ausschaltete und sich wohltuende Dunkelheit über sie ausbreitete. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)