Skifahren für Anfänger von Juju ================================================================================ Kapitel 2: Peinliche Gespräche ------------------------------ Nach einem knappen Frühstück packte Mimi am nächsten Morgen ihre restlichen Sachen zusammen und zog sich an. „Brauchst du wirklich so einen großen Koffer?“, fragte Keisuke Tachikawa und betrachtete skeptisch Mimis Koffer, der im Flur stand, bereit zum Auto gehievt zu werden. „Papa, ich brauche Wintersachen für zehn Tage“, erinnerte Mimi ihn. „Ist der Koffer nicht ein bisschen groß?“, wiederholte er nur. Mimi verdrehte die Augen und schüttelte verständnislos den Kopf. „Wir müssen langsam los. Um elf sollen wir bei Sora sein.“ „Ach, Mimi.“ Satoe tupfte sich mit einem Taschentuch die feuchten Augen ab. „Pass bloß auf dich auf. Fahr keine schwarzen Pisten.“ „Mama!“ Empört starrte Mimi ihre Mutter an. „Ich muss doch erst mal Skifahren lernen. Natürlich fahre ich keine schwarzen Pisten. Ich bin froh, wenn ich heil die blaue hinunter komme.“ Diese Worte ließen Satoe nur noch mehr schluchzen. Sie drückte ihre Tochter an sich, wobei Mimi ihre feuchte Wange an ihrer eigenen spürte. „Ist schon gut“, murmelte Mimi und tätschelte ihrer Mutter den Rücken. „Ruf unbedingt an, wenn du angekommen bist, hörst du?“, schniefte Satoe und sah Mimi nun wieder in die Augen. „Mach ich.“ Mimi nickte, um ihre Antwort zu bekräftigen. Plötzlich sah Satoe sich um und wandte sich an ihren Mann. „Willst du nicht schon mal das Auto holen und Mimis Koffer einladen?“ Verwundert sah Keisuke sie an. „Klar, mach ich.“ Mit diesen Worten verschwand er durch die Wohnungstür. Satoe musterte Mimi mit scharfem Blick. „Hast du die Kondome eingepackt, die ich dir gegeben habe?“ „Was?! Mama!“ Mimi starrte sie entgeistert an. „Ich bin siebzehn!“ „Eben. Ich möchte nicht, dass du zur Teeniemutter wirst! In so einem Urlaub kann viel passieren.“ Ungläubig betrachtete Mimi ihre Mutter. Hielt sie sie etwa für ein Flittchen? „Mach dir doch bitte um so etwas keine Sorgen“, sagte sie ein wenig gereizt. „Hast du sie nun eingepackt oder nicht?“, reif Satoe nun laut. „Ja! Zufrieden?“, zischte Mimi, schnappte ihre Umhängetasche und drehte sich um. Wütend und mit vor Scham geröteten Wangen stapfte sie zur Tür hinaus und ging die Treppe hinunter. „Vergiss nicht anzurufen“, rief Satoe ihr noch hinterher. Dann hörte Mimi, wie die Wohnungstür geschlossen wurde. Zum Glück hatte niemand dieses Gespräch mitbekommen. Nach einer halben Stunde Fahrt kamen sie bei Sora an, die mit ihrem Gepäck und Toshiko Takenouchi bereits unten vor der Haustür stand. Sie winkte Mimi, als sie den Wagen sich nähern sah. Mimi und Keisuke Tachikawa stiegen aus dem Auto aus, um Sora beim Einladen ihres Gepäcks zu helfen. Zumindest Keisuke stieg deswegen aus. Mimi wollte vorrangig ihre Freundin begrüßen. „Guten Morgen!“, quietschte sie und umarmte Sora herzlich. Anschließend begrüßte sie auch Toshiko. Sora griff nach ihrem Koffer, um ihn in den Kofferraum zu verfrachten, doch Mimis Vater nahm ihr das Gepäckstück hilfsbereit aus der Hand und übernahm diese Aufgabe selbst. „Danke“, sagte Sora lächelnd und drehte sich dann zu ihrer Mutter. Keisuke setzte sich wieder hinters Steuer, während Mimi neben Sora stand und auf sie wartete. Toshiko umarmte ihre Tochter fest. „Pass gut auf dich auf, Sora. Und grüß Matt von mir.“ „Klar“, antwortete Sora, packte ihren Rucksack und ging gemeinsam mit Mimi zum Auto. Die beiden Mädchen setzten sich nebeneinander auf die Rückbank und als sie losfuhren, winkte Sora ihrer Mutter noch einmal zum Abschied. „Deine Mutter vermisst dich bestimmt furchtbar, wenn du nicht da bist, oder?“, mutmaßte Mimi. „Ich meine, sie ist ja ganz allein, wenn du mal nicht da bist.“ „Ja, bestimmt, aber sie wird sich daran gewöhnen müssen. Nächstes Jahr fange ich ja mit dem Studium an und da werde ich bestimmt nicht weiterhin zu Hause wohnen“, erklärte Sora nüchtern. „Hm“, machte Mimi und stellte sich vor, wie es wohl wäre, wenn sie plötzlich ausziehen würde. Ihre Eltern würden sie ganz schön vermissen, dessen war sie sich sicher. Aber eigentlich wollte sie gar nicht unbedingt von zu Hause ausziehen. Nach einer weiteren halben Stunde Fahrt kamen sie schließlich am Flughafen an. Keisuke Tachikawa half den Mädchen ihr Gepäck auszuladen und verabschiedete sich dann nicht ganz so überschwänglich von Mimi, wie es deren Mutter getan hatte. Voller Vorfreude betraten Sora und Mimi das große verglaste Gebäude. Bei Mimi mischte sich noch Angst vor dem Flug unter die Vorfreude. „Hast du die Reisetabletten mit?“, fragte sie Sora nervös. „Natürlich, alles im Rucksack“, antwortete die Angesprochene fröhlich. „Brauchst du jetzt schon eine?“ „Nein, ich wollte nur noch mal sichergehen.“ Sie zogen ihre Koffer hinter sich her durch den Eingangsbereich und hielten Ausschau nach ihren Freunden. „Da vorn sind sie“, sagte Sora und zeigte in eine Richtung. Der Erste, den Mimi erblickte, war Tai und zwar wegen seiner voluminösen Frisur. Sein Haar war zwar nicht mehr ganz so unbändig und wuschelig wie früher, aber immer noch durchaus auffällig. Bei ihm standen auch alle anderen, also waren die beiden Mädchen die letzten. „Da seid ihr ja endlich“, wurden sie in einem genervten Ton von Tai begrüßt. „Mach mal halblang, wir haben doch noch genügend Zeit“, knurrte Mimi. Sora hatte sich zu Matt gesellt, der ihr einen Kuss auf die Wange drückte. Mimi blieb widerwillig bei Tai stehen. Die Beziehung zu ihm war angespannt, weil sie wusste, dass er seit ihrem Jamaikaurlaub Gefühle für sie hatte, die sie nicht erwiderte. Auch Izzy war damals ein wenig in sie verliebt gewesen, weshalb es auch zwischen ihm und Tai schwierig war, doch die beiden hatten das irgendwie geklärt und Izzy war mittlerweile nicht mehr sonderlich an Mimi interessiert. Zum Glück, wie Mimi fand. Mit nach Österreich flogen nur die 'alten' acht Freunde. Die neuen konnten alle aus verschiedenen Gründen nicht mitkommen. Davis' Schulnoten waren zu schlecht und er durfte deshalb nicht mitkommen, sondern musste sich daheim in den Ferien mit der Schule beschäftigen. Ken wollte nicht mit und Weihnachten lieber mit seinen Eltern verbringen. Yolei konnte nicht mitkommen, da sie in dem Supermarkt ihrer Eltern aushelfen musste. In der Weihnachtszeit war dort immer besonders viel los und es wurden alle Helfer gebraucht. Cody durfte nicht mitkommen, da seine Mutter fand, er war noch zu jung, um über Weihnachten mit Freunden wegzufahren. „Lasst uns zum Check-in gehen, Leute“, schlug Joe vor und ging voran, um sich in eine der Schlangen einzureihen. Sie teilten sich beim Anstehen auf zwei Schlangen auf. Sie würden einen Zwischenstopp in Istanbul machen müssen. Der Check-in nahm eine ganze Weile in Anspruch, doch schließlich hatten sie alle ihre Koffer abgegeben und machten sich mit dem Handgepäck auf den Weg durch die Sicherheitskontrolle. Bei Mimi piepte es, weil sie einen Gürtel trug, doch wenigstens war ihr Handgepäck in Ordnung. Nach der Sicherheitskontrolle hatten sie noch knapp zwei Stunden Zeit bis zum Abflug. „Ich möchte etwas trinken, ich hole mir was“, verkündete Mimi und marschierte zum nächsten Café. „Warte, ich komme mit“, rief Sora und eilte ihr hinterher. Sie stellten sich gemeinsam an. „Was willst du denn trinken?“, fragte Mimi. „Ein Wasser.“ Mimi bestellte also ein Wasser und einen Apfelsaft, als sie an der Reihe war, und bezahlte. Die beiden Mädchen setzten sich mit ihren Gläsern an einen noch freien Tisch. „Sora, warum fliegen wir unbedingt nach Österreich? Hätte es nicht auch Hokkaido getan?“, fragte Mimi plötzlich und sah ihre Freundin verzweifelt an. Sora erwiderte ihren Blick überrascht. „Ähm... na weil es in Österreich die schönsten Berge zum Skifahren geben soll. Und weil dort das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt.“ „Und das stimmt auf Hokkaido nicht?“ Sora zuckte die Schultern. „Ich weiß nicht. Wir haben abgestimmt und die meisten waren für Österreich. Erinnerst du dich nicht mehr?“ „Doch, ich hab für einen Sommerurlaub gestimmt“, erinnerte sich Mimi. „Bestimmt ist Skifahren total schwer und der Schnee so kalt und die Berge so hoch.“ Mimi wurde ganz schlecht, wenn sie an all diese Umstände dachte. Und dann auch noch dieser weite Flug. Worauf hatte sie sich hier nur eingelassen? „Ach, das wird bestimmt toll!“, entgegnete Sora begeistert. „Ich freue mich auf den Urlaub und das solltest du auch tun.“ „Ich versuche es ja. Hauptsache ich muss nicht mit Tai in einem Zimmer schlafen.“ „Bitte versucht doch, euch zu vertragen. Was hast du überhaupt gegen Tai? Ich verstehe es immer noch nicht.“ „Er will unsere Freundschaft kaputt machen!“, behauptete Mimi. „Warum kann er nicht auf eine andere stehen? Ich kann mich überhaupt nicht mehr mit ihm unterhalten.“ Sora musterte Mimi mit gerunzelter Stirn. „Aber das stimmt doch überhaupt nicht. Du könntest dich so mit ihm unterhalten wie immer, aber du willst einfach nicht. Er ist immer noch der Alte, glaub mir.“ „Nein, es ist alles anders“, beharrte Mimi. „Warum stört es dich so, dass er dich toll findet?“, fragte Sora verständnislos. „Weil... ich will es einfach nicht!“, antwortete Mimi energisch und trank ihren Apfelsaft in einem Zug leer. Sora seufzte resignierend. „Wir bekommen das schon hin, dass ihr nicht im selben Zimmer schlaft.“ Sie trank ihr Wasser leer und die beiden Mädchen gingen wieder zurück zu den anderen. Sie verbrachten die restliche Zeit damit, das Prospekt für ihr Ferienhäuschen zu studieren und sich über ihre Erwartungen auszutauschen. Die Bilder des Ferienhäuschens versprachen viel. Es sollte ein Holzhäuschen sein mit drei Schlafzimmern, in denen jeweils drei Personen schlafen konnten. Das Häuschen besaß einen Balkon und einen kleinen Garten, den sie im Winter höchstwahrscheinlich nicht weiter nutzen konnten. Außerdem gab es einen Keller, der für die Skiausrüstung geeignet sein sollte. „Es geht los, wir können ins Flugzeug“, rief Izzy und deutete auf den Schalter, der soeben geöffnet worden war. Sofort kramten alle ihre Bordkarten hervor und gingen zur Kontrolle. Von dort aus kamen sie in den Tunnel, der das Terminal mit der Maschine verband. „Wo sitze ich denn?“, fragte Mimi, als sie im engen Passagierraum stand, und warf einen Blick auf ihre Bordkarte. Von hinten wurde sie schon ungeduldig nach vorn geschubst, weil sie stehen geblieben war, um auf ihrer Karte ihre Sitznummer zu suchen. „Hey!“ Schließlich fand sie dir richtige Sitzreihe und den Platz. „Sora, sitzen wir...“ Mimi hielt inne, als sie sah, dass Sora bereits in der Reihe dahinter am Fenster und neben Matt saß. Sie sah sie fragend an. „Schon gut“, grummelte Mimi und ließ sich auf ihren Platz fallen. Sora schob ihren Kopf zwischen zwei Sitzen hervor. „Tut mir Leid, Mimi.“ „Schon gut“, murmelte Mimi. „So, wo ist denn mein Platz?“, fragte eine Stimme neben ihr. „Ah, hier, da muss ich wohl oder übel neben dir sitzen.“ Mimi blickte auf und sah direkt in Tais grinsendes Gesicht. „Hau bloß ab“, zischte sie. „Mimi, hier ist aber mein Platz. Ich kann mich nirgendwo anders hinsetzen“, klärte Tai sie fröhlich auf. „Dann tausch doch mit einem der anderen“, erwiderte Mimi bissig. Auf keinen Fall wollte sie sechzehn Stunden lang neben Tai sitzen. Oder zumindest bis Istanbul. „Die sitzen aber alle schon“, sagte Tai nun ernst. Er ließ sich einfach auf den Platz neben ihr fallen. Mimi stöhnte genervt auf und sah ihn missbilligend an. „Sag mal, spinnst du? Du tust ja so, als hätte ich eine ansteckende Krankheit“, meinte Tai und wirkte ein wenig gekränkt. Na und? Dann war er halt gekränkt. Immerhin wollte er ja ihre Freundschaft zerstören. Mimi verschränkte die Arme vor der Brust und wandte sich ab. Die Stewardess führte die Anweisungen zu den Sicherheitsvorkehrungen durch, während das Flugzeug bereits auf die Startbahn rollte. Wenige Minuten später wurde die Maschine schneller und schneller und Mimi wurde immer nervöser. Das Flugzeug hob ab und Mimi wurde schlecht. Panisch griff sie nach der Spucktüte, die im Sitz vor ihr steckte, und hielt sie bereit. „Mimi!“, rief Tai erschrocken. „Du kannst doch nicht jetzt schon anfangen zu kotzen.“ Mimi atmete zu schnell und bekam das Gefühl, gleich zu kollabieren. Ihr Herz raste, sie versuchte sich zu beruhigen, doch bekam ihren Atem einfach nicht regelmäßiger. „Hier, gib ihr das“, sagte Sora von hinten und reichte Tai etwas. Dieser packte es aus und hielt es Mimi hin. „Nimm das“, sagte er beruhigend. Mimi nahm die Tablette in die Hand. „Wasser“, keuchte sie. „Es gibt jetzt kein Wasser, erst nachher. Versuch sie so zu schlucken“, erwiderte Tai und sah Mimi auffordernd an. Diese sah auf die Tablette und stellte fest, dass sie daran eher ersticken würde, als sie herunter zu schlucken. Tai bemerkte ihr Zögern und nahm ihr die Tablette aus der Hand. Mit geschickten Fingern brach er sie in der Mitte durch und stopfte ihr eine Hälfte in den Mund. Mimi versuchte, Speichel in ihrem Mund zusammen und schluckte sie herunter. Das gleiche wiederholte sie mit der zweiten Hälfte und lehnte sich zurück. „Mach die Augen zu und versuch ruhig zu atmen“, meinte Tai. Mimi gehorchte. Es dauerte eine Weile, doch schließlich wurde Mimi tatsächlich ruhiger und ein wenig müde. „Danke, Tai“, seufzte sie. „Mir brauchst du nicht zu danken. Es war Soras Tablette.“ „Danke, Sora“, murmelte Mimi. „Keine Ursache“, kam es von hinten. „Hauptsache dir geht es wieder gut.“ „Hast du eigentlich deine Skisocken noch gefunden?“, fragte Mimi, die Augen noch immer geschlossen. Sora kicherte. „Ja, meine Mutter hatte sie in die Wäsche getan und es vergessen.“ „Mütter“, sagte Tai und schüttelte den Kopf. „Misch dich nicht ein!“, knurrte Mimi. „Sei nicht so eine Zicke!“, knurrte Tai zurück. „Ich bin keine Zicke“, erwiderte Mimi energisch. „Dann benimm dich auch nicht wie eine.“ „Du bist ätzend, Tai.“ „Das Kompliment kann ich nur zurückgeben.“ Mimi warf ihm einen genervten Seitenblick zu und schloss dann wieder die Augen. Nur wenige Zeit später war sie eingeschlafen und wurde erst wieder geweckt, als es Essen gab. Es wurden Sandwiches mit Käse oder Putenbrust serviert. Mimi nahm eins mit Käse. „Von dem Ding soll ich satt werden?“, fragte Tai spöttisch und betrachtete das Sandwich von allen Seiten. „Sei nicht so ein Vielfraß“, sagte Mimi und biss in ihr Sandwich. Tai hatte seines im Nu verspeist, während Mimi ihres noch nicht einmal zur Hälfte geschafft hatte. „Willst du den Rest von meinem noch?“, fragte sie an Tai gewandt. Sie sah ihn dabei jedoch nicht an. „Willst du es denn nicht mehr?“ „Würde ich sonst fragen?“ Tai zuckte die Schultern und nahm Mimi das angebissene Sandwich aus der Hand. Es dauerte nicht lange, bis er auch dieses verschlungen hatte. Mimi starrte ihn entgeistert an. „Was?“, fragte Tai, während er noch auf dem letzten Bissen herumkaute. „Wie kannst du nur so viel essen?“ „So ein Adoniskörper braucht halt auch viel Nahrung“, antwortete er grinsend. Mimi verdrehte die Augen, während von Sora und Matt, die diesen Kommentar anscheinend mitbekommen hatten, ein amüsiertes Lachen kam. „Ich weiß gar nicht, was es da zu lachen gibt“, rief Tai ihnen zu. Die nächsten drei Stunden verschlief Mimi ebenfalls. Die Reisetablette wirkte gut. Den Rest der Flugzeit bis Istanbul verbrachten sie redend und mit Blicken aus dem Fenster. Trotz ihrer Flugangst musste Mimi zugeben, dass dieser Ausblick schön war. Aber sie war froh, als sie einige Stunden später wohlbehalten in Istanbul landeten. Dort war es fast ein bisschen schade, dass sie nur eine Stunde Aufenthalt hatten. Gerne hätte sich Mimi noch ein wenig die Stadt angeschaut. Hier sah alles so anders aus als in Japan. Der Flug nach Wien verlief ereignislos und war auch nicht besonders lang. Mit einem Kleinbus fuhren sie dann in das kleine Örtchen, das für die nächsten zehn Tage ihr Quartier sein würde. Die Umgebung war wirklich imposant. Die Berge waren hoch und schienen überall zu sein. Wo man auch hinsah, waren Berge über Berge. Man konnte sogar viele Skilifte und einzelne kleine Berghütten erkennen. Mimi konnte den Blick kaum vom Fenster abwenden. Überall war Schnee zu sehen und es war kalt. Der Kleinbus brachte sie zu ihrem kleinen Holzhäuschen. Joe bezahlte den Fahrer und sie luden alle ihr Gepäck aus. „Joe, kannst du vielleicht meinen Koffer zur Hütte ziehen? Ich bin so müde von dem langen Flug“, bettelte Mimi und sah den jungen Mann liebreizend an. „Okay. Aber dann nimm den Schlüssel und schließ schon mal die Tür auf.“ Er hielt ihr den Schlüssel entgegen. Mimi nickte, nahm den Schlüssel und hüpfte allen voran zur Haustür. „Manipulatives Weib“, hörte sie Tai zischen, kümmerte sich aber ausnahmsweise nicht weiter darum. Aufgeregt schloss sie die Tür auf und fand sich in einem großen Wohnbereich wieder. Staunend blieb sie stehen und betrachtete alles. „Geh doch mal weiter! Das Gepäck ist schwer“, stöhnte Izzy hinter ihr. „Entschuldige“, murmelte Mimi und trat zur Seite, um ihre Freunde eintreten zu lassen. Alle ließen ihre Koffer los und sahen sich um. „Wow“, hauchte Sora und sah sich um. „Das ist... so schön.“ Die ganze untere Etage schien aus einem Wohnbereich mit offener Küche zu bestehen. Die Küche war gefliest und nahm den hinteren linken Teil des Wohnbereichs ein. Es gab eine große Arbeitsfläche und einen Herd mit fünf Platten. Es gab ebenfalls einen Tresen mit vier Stühlen. Geradezu befand sich ein uriger offener Kamin. Davor standen zwei einladende rote Sofas und zwei Sessel. Auch ein kuschelweich aussehendes Schaffell lag auf dem Boden vor dem Kamin. Im vorderen rechten Teil des Wohnbereichs befand sich ein großer Esstisch aus hellem Holz mit zehn Stühlen. Auf der linken Seite neben der Küche befanden sich zwei Holztüren und ganz vorn gab es zwei Treppen, von denen eine nach unten und eine nach oben führte. Ganz hinten auf der rechten Seite befand sich ein Fernseher. Die Wände waren mit Gemälden und Fotografien von Berglandschaften verziert. Außerdem gab es noch ein paar kleinere Regale an den Wänden und einige grüne Pflanzen. „Lasst uns mal sehen, was hinter den Türen ist“, rief Izzy aufgeregt und lief zuerst zu den Türen. Er öffnete die erste. Dahinter befand sich eine Art winzige Abstellkammer, wo sich Eimer, Lappen, Wischmopps, allerlei Putzmittel und ein Staubsauger befanden. „Wie langweilig“, fand Mimi und öffnete die zweite Tür. Dahinter befand sich ein Badezimmer mit Fenster, Dusche und Eckbadewanne. Die Bodenfliesen waren azurblau, während die Wandfliesen weiß waren, verziert mit blauem Mosaikmuster. „Oh, das sieht schön aus“, stellte Kari mit leuchtenden Augen fest. Die Handtuchhalter hingen voller schneeweißer Handtücher. Alles sah sauber und ordentlich aus. Gemeinsam gingen alle nach oben und öffneten dort nacheinander alle Türen. Zwei befanden sich auf der linken und zwei weitere auf der rechten Seite des kleinen Flures. Links gab es zwei kleine Schlafzimmer, die beide mit jeweils einem großen Doppelbett, einem Einzelbett, einem Kleiderschrank, einem Tisch, zwei Stühlen und einem kleinen Fernseher ausgestattet waren. Von beiden Zimmern aus hatte man einen fantastischen Blick auf die kleine Stadt und die Berge. Auf der rechten Seite gab es ein weiteres Badezimmer mit Fenster und Dusche und ebenfalls ein Schlafzimmer, das genauso ausgestattet war wie die anderen beiden. „Los, Sora, wir nehmen das hier“, sagte Mimi und zog Sora hinter sich her in das Zimmer hinten links. Sora stellte ihren Rucksack ab und ließ sich auf eine Seite des Doppelbetts fallen. Es war mit weißer Bettwäsche bezogen. Die Kissen und Decken waren sehr dick und warm. Sora seufzte zufrieden. „Ich glaube, ich bleibe gleich liegen bis morgen Früh.“ „Nichts da, wir müssen noch einkaufen“, erwiderte Mimi, stellte ebenfalls ihre Tasche ab und stellte sich vor den Spiegel am Kleiderschrank, um den Sitz ihrer Haare zu überprüfen. Sie stellte fest, dass sie unordentlich aussahen, und band sie zu einem Zopf zusammen. Plötzlich steckte Kari den Kopf in ihr Zimmer. „Kann ich zu euch kommen?“, fragte sie lächelnd. „Klar, komm rein“, forderte Sora sie ebenfalls lächelnd auf. „Willst du lieber hier aufs Doppelbett oder auf das Einzelbett dort?“ Sie stand auf, um ihre in Beschlag genommene Bettseite anzubieten. „Schon gut, ich nehme das Einzelbett“, sagte Kari und stellte ihre Tasche darauf ab. „Willst du denn gar nicht mit T.K. In ein Zimmer?“, fragte Mimi verwundert. „Nein.“ Kari kicherte. „Seine Freundin ist doch so eifersüchtig, das würde ihr gar nicht gefallen.“ Nun fiel es Mimi wieder ein. T.K. hatte seit wenigen Wochen seine erste Freundin – sie ging in seine Parallelklasse – und diese war ganz schön eifersüchtig auf Kari, weil sie T.K.s beste Freundin war. Sie hatte schon geäußert, wie blöd sie es fand, dass T.K. und Kari überhaupt zusammen in den Urlaub fuhren. „Von der würde ich mir an deiner Stelle gar nichts sagen lassen“, meinte Mimi schnippisch. „Mimi!“, rief Sora. „Von der natürlich nicht, aber wenn T.K. es deswegen nicht will, kann ich Kari schon verstehen.“ „Ach, das macht doch nichts“, sagte Kari unbekümmert. „So ein Mädchenzimmer hat doch auch was.“ „Allerdings“, stimmte Mimi ihr lachend zu. „Mach dich auf Pyjamapartys und viele Gespräche gefasst.“ Sie musste dabei an ihren Jamaikaurlaub denken, in welchem zwischen Sora und ihr allerhand Gerede über Probleme mit Jungen und Beziehungen stattgefunden hatte. Ein paar Mal waren die Freundinnen auch nicht derselben Meinung gewesen, was zu Streit geführt hatte. „Das wird bestimmt toll“, sagte Kari grinsend. „Mädels?“ Matt hatte an die offene Tür geklopft und kam ins Zimmer. „Wir müssen noch einkaufen gehen, bevor die Läden zumachen.“ „Dann lasst uns lieber schnell losgehen, sonst müssen wir morgen Früh hungern“, sagte Sora und kramte ihre Geldbörse aus ihrem Rucksack hervor. Die drei Mädchen gingen nach unten, wo auch schon die Jungen warteten. „Sollen wir alle einkaufen gehen?“, fragte Joe in die Runde und sah vom einen zum anderen. „Nein, es reicht eigentlich, wenn wir Mädchen gehen, wir vergessen wenigstens nichts“, antwortete Kari. „Ja, okay. Dann nehmt Tai mit, der trägt die Einkaufstüten“, sagte Joe. „Was, wieso ich?“, fragte Tai verdutzt. „Weil wir einen starken Mann brauchen“, antwortete Sora und zwinkerte ihm zu. „Ja ja, als ob“, spottete Tai. „Nun geht schon. Wir können ja in der Zeit die Koffer nach oben schleppen“, meinte T.K. und griff schon nach dem ersten Koffer. Die Mädchen und Tai zogen ihre Schuhe und Jacken an und verließen das Ferienhäuschen. Sie schlenderten die Straßen der kleinen Stadt entlang und hielten Ausschau nach dem nächsten Supermarkt. Angeblich gab es in nur zweihundert Metern Entfernung eine Einkaufsmöglichkeit. „Hoffentlich finden wir diesen Spermarkt bald. Es ist ganz schön kalt“, stellte Mimi fröstelnd fest. Sie hatte keine Handschuhe angezogen und rieb ihre Hände gegeneinander. Solche Temperaturen war sie von Tokio nicht mehr gewöhnt. Sora und Kari hingegen schienen nicht zu frieren, zumindest beklagten sie sich nicht. „Da vorn ist er doch schon“, sagte Tai und wies mit dem Finger in eine Richtung. Sie beeilten sich und betraten den Supermarkt endlich. Über eine halbe Stunde liefen sie herum und sammelten Nahrungsmittel zusammen, die hier alle irgendwie ein wenig anders aussahen als in Japan. „Ich bin dafür, wir bereiten morgen ein europäisches Frühstück zu“, meinte Sora, die zweifelnd vor dem Kühlregal stand. „Was sollen wir auch sonst machen, du Schlaumeier?“, entgegnete Tai, der sich neben sie stellte. „Hier gibt es doch ganz andere Sachen als bei uns.“ „Aber was isst man in Europa zum Frühstück?“, fragte Kari. „Also, ich habe da ein bisschen was gelesen“, antwortete Sora langsam und ging den anderen voran durch die Regale. Sie kauften Joghurt, Obst, Gemüse, Wurst, Käse, Marmelade, Nuss-Nougat-Aufstrich, Honig, Eier, Milch, Müsli, Kakaopulver, Tee, Getränke, geräucherten Fisch, Reis und Tiefkühlkräuter. Das sollte reichen. Alles andere konnten sie auch noch am nächsten Tag besorgen. Sie machten sich auf den Weg zurück zum Ferienhäuschen. Tai schleppte zwei große Tüten, die dritte hatte ihm Sora abgenommen. „Nicht, dass du es noch in der Bandscheibe kriegst“, hatte sie gekichert. „Da seid ihr ja endlich wieder“, wurden sie von Izzy begrüßt, als sie durch die Haustür herein marschierten. „Habt ihr euch zwischendurch verlaufen, oder was?“ „Ein bisschen“, gestand Mimi seufzend. „Wir müssen uns übrigens noch Skier ausleihen gehen“, erinnerte Tai sie, der keuchend die Tüten abstellte. „Das können wir doch morgen Früh noch machen“, stöhnte Mimi. „Ich habe jetzt keine Lust darauf.“ „Ich finde auch, dass wir das morgen noch machen können“, stimmte Joe ihr zu. Daraufhin gingen die drei Mädchen in ihr Zimmer, wo sich bereits ihre Koffer befanden. Sie quetschten die Klamotten aus ihrem Koffer alle in den Kleiderschrank, der für drei Leute einfach zu klein war, und verstauten die leeren Koffer unter ihren Betten. Außerdem zogen sie sich gemütlichere Sachen an. Zufrieden betrachtete Mimi am Ende ihr Zimmer. „So kann man es aushalten“, fand sie. Es war zwar nicht ganz so schön wie ihr Zimmer zu Hause, doch dafür hatte sie hier eindeutig den besseren Ausblick. Und außerdem angenehme Gesellschaft. „Wollen wir Abendessen kochen? Ich bin schon ganz schön müde von dem Flug“, schlug Kari, die auf ihrem Bett saß, gähnend vor. „Gute Idee“, sagte Sora und so gingen die drei Mädchen nach unten in die Küche. Die Jungen saßen am Esstisch, vor ihnen Tassen gefüllt mit dampfendem Tee. „Wir haben Tee gekocht. Da steht noch welcher“, verkündete Matt. In der Küche stand tatsächlich noch eine halbvolle Teekanne. Mimi nahm drei Tassen aus einem Schrank und goss Tee ein. „Habt ihr schon Hunger?“, fragte Sora an die Jungen gewandt. Alle fünf drehten sich zu ihr und sahen sie schräg an, als würden sie bezweifeln, dass Sora diese Frage wirklich ernst meinte. „Ist ja gut, war ja nur ne Frage“, sagte sie und hob abwehrend die Hände. Die Mädchen machten sich daran, Gemüse zu schneiden für eine Reispfanne. Dummerweise hatte Mimi sich die Zwiebeln vorgenommen, obwohl sie besonders empfindlich war, was das anging. Schon nach kurzer Zeit brannten ihre Augen und Tränen flossen über ihre Wangen. Sie schniefte. „Hä, ist alles okay mit dir?“, fragte Izzy, der neben ihr aufgetaucht war, um Teller aus einem Schrank zu holen. Sie sah ihn an, er erwiderte ihren Blick, sah auf die Zwiebeln und grinste. „Achso. Soll ich weitermachen?“ „Ja, danke, das wäre lieb“, antwortete Mimi schniefend. Sie wusch sich die Hände und tupfte sich mit Küchenpapier die Augen ab. „Du heulst vom Zwiebelschneiden? Sei nicht so ein Mädchen“, rief Tai und lachte laut. „Ach, und was machst du bitte? Rumsitzen und blöde Kommentare abgeben kann jeder“, fauchte Mimi. „Dann mach du es doch auch“, forderte Tai sie auf und deutete auf den Stuhl neben sich. Mimi hob eine Augenbraue. „Ähm... nein, danke.“ Sie drehte sich weg und suchte das Besteck heraus, das sie brauchten. Anschließend legte sie es zu den bereits aufgestellten Tellern auf den Tisch. Tai saß nun am Tisch wie ein begossener Pudel und schwieg. Mimi lächelte zufrieden in sich hinein. Sie wollte versuchen, ihn in diesem Urlaub fertig zu machen, wenn er sie mit gemeinen Bemerkungen bedachte und sie aufzog. Im Alltag konnte sie ihm gut aus dem Weg gehen, doch hier war das nicht so leicht. Also musste sie sich wenigstens zur Wehr setzen. Sie machte sich daran eine Zucchini zu schneiden. Dabei musste sie wenigstens nicht weinen. Sora gab etwas Öl in zwei Pfannen und warf dann zwei geschnittene Paprika, ein paar grob geteilte Tomaten und gewürfelte Auberginen dazu. Izzy, der etwas langsam war beim Schneiden, gab schließlich auch die gewürfelten Zwiebeln in die Pfanne und als letztes kam Mimis Zucchini. Es duftete bereits verführerisch. Mimi liebte einfach gebratenes Gemüse. Sie füllte einen Topf mit Wasser und stellte ihn auf die Herdplatte. Eine knappe halbe Stunde später war schließlich das Essen fertig. Sora und Mimi brachten die beiden Pfannen hinüber zum Esstisch. Was insgesamt eine dreiviertel Stunde und einige Tränen gebraucht hatte, war innerhalb von wenigen Minuten aufgegessen. Zufrieden lehnten sich alle zurück. „Das habt ihr gut gekocht“, lobte Joe die Mädchen. „Dafür räumen wir auch jetzt das Geschirr ab.“ Das hielt Mimi für einen guten Plan. Während die Jungen also damit beschäftigt waren, das dreckige Geschirr in die Spülmaschine zu verfrachten, machten die Mädchen es sich mit ihren Teetassen auf dem roten Sofas bequem. Sie verbrachten den Rest des Abends mit plaudern, bevor sie alle schließlich ziemlich erschöpft zeitig schlafen gingen. Sora riss das Fenster auf in ihrem Zimmer. „Muss das sein? Es ist doch so kalt draußen“, beschwerte sich Mimi und kroch unter ihre Decke. „Ja, das muss sein. Wir brauchen doch frische Luft zum Schlafen“, antwortete sie und legte sich auf die andere Seite des Doppelbetts. Kari lag schon seit einigen Minuten in ihrem Bett und schien kaum noch zuzuhören. Die Bettdecke hatte sie bis über die Ohren gezogen. „Außerdem frierst du bestimmt nicht. Schau dir doch diese Decken an“, fuhr Sora fort. „Wenn du meinst“, grummelte Mimi. Bestimmt würde sie frieren. Mitten in der Nacht wurde Mimi plötzlich wach. Wie spät es wohl war? Sie drehte sich auf die andere Seite und wollte wieder einschlafen, doch aus irgendeinem Grund klappte es nicht. Sie lauschte auf die anderen beiden. Alles, was sie hörte, waren regelmäßige Atemzüge. Ansonsten war nichts zu hören. Nach einer gefühlten Ewigkeit beschloss Mimi schließlich, aufzustehen und etwas trinken zu gehen. Als sie auf den Flur trat, sah sie bereits, dass im Erdgeschoss Licht brannte. Sie schlich die Treppe hinunter und sah, dass das Licht aus der Küche kam. Leise ging sie auf die Küche zu. Es war kalt im Haus und sie hatte eisige Füße. Fröstelnd rieb sie sich über die Arme. Am Tresen saß Tai mit einem Glas Milch vor sich. Den Kopf auf eine Hand gestützt starrte er gedankenverloren in die Gegend und schien überhaupt nicht mitzubekommen, dass Mimi sich näherte. Erst, als sie direkt neben ihm stand, zuckte er zusammen und sah sie an. „Was machst du denn hier?“, fragte er leise. „Wahrscheinlich das gleiche wie du“, gab sie zurück und goss sich ebenfalls ein Glas Milch ein. „Ich kann irgendwie nicht schlafen.“ „Geht mir auch so“, sagte Tai und starrte in seine Milch. Mimi setzte sich neben ihn und nippte an ihrem Glas. Eine Weile schwiegen sie, doch dann ergriff Tai das Wort. „Willst du das eigentlich den ganzen Urlaub durchziehen?“ Verdutzt sah Mimi ihn an. „Wovon redest du?“ „Von deiner Art mir aus dem Weg zu gehen und mir nur schnippische Antworten zu geben“, antwortete er ernst. „Das hängt ganz davon ab, wie oft du mich auf die Palme bringen willst“, erwiderte Mimi und sah nun auch in ihr Milchglas, als gäbe es dort etwas Spannendes zu beobachten. „Mimi.“ Tai seufzte tief. „Du weißt doch, was ich für dich empfinde.“ „Ja, ich weiß es. Ich weiß es schon seit über einem Jahr, aber genauso lange weißt du auch, dass ich das nicht erwidern kann.“ Jedenfalls war sie bisher der Meinung, Tais Gefühle nicht erwidern zu können. Tai wandte ihr das Gesicht zu, doch sie vermied es, ihn anzusehen. Das Gespräch war ihr sehr unangenehm. Fast so wie das Gespräch mit ihrer Mutter über Verhütung. Tai sagte nichts, sondern musterte sie nur von der Seite. „Tai, ich... ich habe einfach das Gefühl, du zerstörst damit unsere Freundschaft. Ich kann gar nicht mehr mit dir reden, ohne dass ich daran denken musst, dass du in mich verliebt bist und das alles zwischen uns ändert“, erklärte Mimi. „Ich will dich einfach nicht als Freund verlieren.“ „Und deshalb gehst du mir so aus dem Weg?“, fragte Tai. Er klang gekränkt. „Ich schätze ja.“ Mimi nickte. „Aber nur, weil man mit jemandem eine Beziehung führt, verliert man ihn doch nicht zwangsläufig als Freund.“ „Wenn die Beziehung irgendwann einmal vorbei ist, dann schon.“ „Und was, wenn sie nicht vorbei geht? Wie willst du das außerdem vorher wissen?“ Mimi seufzte. Sie sah ihn immer noch nicht an. „Findest du denn kein anderes Mädchen?“ „Es gab mal eine“, sagte Tai. Mimi wurde hellhörig. „Aber das war eher so eine Art Affäre. Ich hatte keine wirklichen Gefühle für sie.“ „Hast du mit ihr geschlafen?“, fragte Mimi unverblümt. Sie spürte, wie sie rot wurde. Sie wusste selbst nicht, warum sie diese Frage gestellt hatte. Sie war ihr einfach ganz plötzlich durch den Kopf geschossen und wollte ausgesprochen werden. Unwillkürlich fragte sie sich, wie das Mädchen wohl ausgesehen hatte. Tai sah sie verdutzt an und schien zu überlegen, ob er darauf antworten sollte oder nicht. „Ein paar mal“, sagte er schließlich langsam. „Warum?“ „Nur so“, erwiderte Mimi schnell und trank ihre Milch leer. Sie stand auf und wollte nach oben gehen, doch Tai hielt sie am Handgelenk fest. „Jetzt mal ernsthaft, warum fragst du sowas?“, fragte er und beäugte sie skeptisch. „Weil... ich deine Freundin bin und mir nur Sorgen mache“, antwortete sie ausweichend und wollte sich losmachen, doch Tais Griff war fest. „Worüber?“ Mimi sah ihn an. „Na um dich, du Trottel. Wer weiß, was das für eine ist. Vielleicht wollte sie dich nur ausnutzen und mit dir spielen.“ „Selbst, wenn es so war, ist doch egal.“ „Lass mich bitte los.“ Er ließ sie los. Ihre Blicke begegneten sich. „Ich gehe jetzt wieder schlafen“, sagte Mimi leise. „Gute Nacht.“ „Schlaf gut.“ Sie spürte, wie Tai ihr hinterher sah, als sie die Treppe hinauf ging. Nach einem solchen Gespräch würde sie erst recht nicht mehr schlafen können. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)