Skifahren für Anfänger von Juju ================================================================================ Kapitel 10: Kopfsache --------------------- Lautes Husten und Würgen rissen Mimi aus dem Schlaf. Sie setzte sich auf und versuchte, den Ursprung des Lärms ausfindig zu machen. Auch Kari saß kerzengerade im Bett und sie stellten beide gleichzeitig fest, dass Sora sich gerade auf den Schlafzimmerboden übergab. „Sora!“, rief Mimi alarmiert und legte ihrer Freundin eine Hand auf die Schulter. Als diese sich wieder beruhigt hatte, atmete sie schwer und hatte Tränen in den Augen. „Es tut mir Leid. Ich bin aufgewacht und es kam einfach so“, schluchzte sie und machte Anstalten aufzustehen, doch Mimi sprang aus dem Bett und auch Kari stand auf. „Bleib liegen und ruh dich aus, wir machen das schon“, meinte Mimi beruhigend und verließ mit Kari zusammen das Zimmer. „Ich hole Wischzeug und du holst ihr am besten was zu trinken“, schlug Mimi vor. Sie gingen die Treppe hinunter, wo sie feststellten, dass auch Matt, T.K., Joe und Izzy schon auf waren, die sich gerade um das Frühstück kümmerten. Mimi war gerade zu aufgewühlt um sich darüber zu wundern, dass Izzy überhaupt schon zu Hause war. Kari lief in die Küche und Mimi betrat die Abstellkammer, wo sie einen Eimer und einen Lappen fand. „Was ist denn los?“, fragte T.K., der die Mädchen beobachtete. „Sora geht’s nicht gut“, antwortete Kari ihm. „Oh“, machte Matt und ging zur Treppe, doch Mimi hielt ihn auf. „Warte mal.“ Er blieb stehen und drehte sich fragend zu ihr um. „Bitte warte noch ein bisschen. Ich glaube, sie will lieber nicht, dass du sie jetzt siehst. Zumindest würde ich es nicht wollen.“ „Aber sie muss sich doch nicht schämen“, meinte Matt nur und wollte schon weitergehen, doch Joe kam ihr überraschend zu Hilfe. „Vielleicht hat Mimi Recht und du solltest lieber noch warten.“ Mimi lächelte Joe zu und schlängelte sich dann an Matt vorbei die Treppe nach oben. Im Badezimmer holte sie Wasser und ging zurück ins Mädchenschlafzimmer. Sora lag erschöpft in ihrem Bett und hatte einen Unterarm über die Stirn gelegt. Mimi ging zu ihr und machte sich ans Aufwischen. Zum Glück war es nicht viel, denn Soras letzte Mahlzeit lag schon einige Stunden zurück. „Mimi, du musst das nicht machen. Ich kann das auch machen“, sagte Sora leise und richtete sich ein wenig auf. „Ach, schon gut. Ist doch nicht viel“, meinte Mimi abwinkend, obwohl ihr schlecht war. Sie war froh, dass im Schlafzimmer kein Teppich ausgelegt war und so war sie nach wenigen Minuten fertig. „Alles wieder sauber, siehst du?“ „Danke“, seufzte Sora. „Blödes Kind.“ „Hey!“, rief Mimi empört. „Sag doch sowas nicht.“ „Aber wenn es die Wahrheit ist“, murmelte Sora. Mimi brachte den Lappen und den Eimer wieder weg und ging zurück zu ihr. „Ich habe Matt übrigens davon abgehalten, zu dir zu kommen. Ich hoffe, das war okay?“, fragte sie. „Ja, klar. Der braucht mich nicht so zu sehen“, seufzte Sora. „Hab mir ja gedacht, dass dir das nicht gefallen würde“, erwiderte Mimi. „Wie war denn euer Date gestern?“, wechselte Sora das Thema und sah Mimi interessiert an. Mimi zögerte eine Weile, entschied sich dann aber dafür, das Wichtigste zu erzählen. „Ich hab mit ihm geschlafen“, platzte sie heraus. Sora machte große Augen und starrte sie fassungslos an. „Was? Echt jetzt?“ „Ja“, gestand Mimi und spürte, wie ihre Wangen ganz heiß wurden. Sora sah sie einen Moment lang mit offenem Mund an, dann schüttelte sie langsam den Kopf. „Wow... und wie war es?“ Mimi zog eine Augenbraue hoch. „Möchtest du jetzt Einzelheiten hören?“ „Ja, bitte. Und lass kein Detail aus.“ Sie lächelte leicht. „Nein, ein Adjektiv reicht mir.“ „Es war...“ Mimi schloss die Augen und dachte an die vergangene Nacht zurück. Sie erinnerte sich an Tais Berührungen, seine Fingerspitzen, die sie überall liebkost hatten, seinen heißen Atem auf ihrer Haut, seinen typischen Tai-Duft, das Gefühl der Verbundenheit, die roten Spuren, die ihre Fingernägel auf seinen Schulterblättern hinterlassen hatten. In Mimis Magen breitete sich wieder dieses wohlige Kribbeln aus. Sie verspürte den Drang, zu Tai zu gehen. „Es war schön.“ Sora lächelte und in diesem Moment kam Kari mit einer Tasse Tee in der Hand ins Mädchenschlafzimmer. „Hier“, sagte sie und stellte die Tasse auf Soras Nachttisch ab. „Vielen Dank“, antwortete Sora und lächelte auch Kari zu. Mimi stand von Soras Bett auf. „Ich gehe mal Tai wecken, sonst kommt der wieder nicht aus den Federn“, verkündete sie und bemerkte gerade noch Soras spöttisches Lächeln, bevor sie sich umdrehte und das Zimmer verließ. Sie ging leise über den Flur und klopfte an Tais, Matts und T.K.s Zimmertür. Es kam keine Antwort. Leise öffnete sie die Tür und spähte ins Zimmer. Die Betten von Matt und T.K. waren zerwühlt, aber natürlich leer. Nur unter Tais Bettdecke lugte ein brauner Haarschopf hervor. Mimi schlüpfte ins Zimmer, schloss die Tür hinter sich und drehte den Schlüssel herum. Dann ging sie auf Tais Bett zu, hob die Decke hoch und schlüpfte darunter. „Guten Morgen“, hauchte sie in sein Ohr, doch es kam keine Reaktion. Er schlief tief und fest weiter. „Tai!“ Nun rüttelte Mimi ihn am Arm. „Tai! Tai! TAI!“ Ein Grunzen, eine unvorhersehbare Armbewegung und Tais Hand klatschte schwungvoll in Mimis Gesicht. Sie schrie auf, wodurch auch Tai aufschreckte. „Mimi!“, rief er und sah sie erschrocken an. „Hab ich dir eine verpasst?“ „Ja, du Idiot!“, fauchte Mimi, schlug die Decke zurück und setzte sich auf. „Ich wollte dich eigentlich zärtlich wecken, aber wenn du mich deswegen schlägst, dann lasse ich das in Zukunft!“ Sie stand auf, doch Tai hatte ihr Handgelenk ergriffen und zog sie wieder zurück. Obwohl sie sich wehrte, zog er sie an sich und grinste. „Du wolltest mich also zärtlich wecken?“, raunte er. „Dann kannst du das jetzt machen.“ „Vergiss es“, zischte Mimi. „Du hast mir bestimmt die Nase gebrochen.“ Sie versuchte, sich aus Tais Klammergriff zu befreien, doch er war zu stark für sie. „Jetzt übertreib' nicht. Du blutest noch nicht mal“, meinte Tai nüchtern, doch das Grinsen wich nicht von seinem Gesicht. „Erzähl' mir lieber, wie du mich wecken wolltest.“ „Nö“, erwiderte Mimi stur, gab aber ihren Kampf auf. „Hm“, machte Tai und sah sie gespielt nachdenklich an. „Wenn du nicht von selbst reden willst, muss ich dich halt dazu bringen.“ Er schob Mimi ein wenig von sich weg, sodass sie nun auf dem Rücken lag und stützte sich über sie. Seine Lippen senkten sich auf ihre herab und verwickelten sie in einen Kuss. Mit der freien Hand strich er über ihren Oberschenkel hinauf zu ihrem Slip. Kurz löste er den Kuss und sah ihr einen Augenblick lang fragend in die Augen, doch als sie die Hände in seinem Haar vergrub und ihn wieder zu sich herunter zog, streifte er ihr das kleine Stück Stoff ab. Eine halbe Stunde später lag Mimi erschöpft aber zufrieden unter Tais Decke und atmete noch ein wenig schwer. „Ich glaube, daran könnte ich mich gewöhnen“, murmelte sie und schloss sie Augen. Sie hätte auf der Stelle wieder einschlafen können. „Dann tu es doch“, meinte Tai nur, der neben ihr lag, den Kopf auf einer Hand abgestützt. Seine andere Hand wickelte eine Strähne von Mimis Haar um den Finger. „Okay“, erwiderte Mimi grinsend. Sie öffnete die Augen und sah, wie Tai an der Haarsträhne schnupperte. „Was machst du da?“ Sie sah ihn skeptisch an. „Deine Haare riechen immer so gut“, antwortete er. „Ein Kompliment aus deinem Mund über mich?“, fragte Mimi und sah ihn gespielt überrascht an. „Nicht über dich, über deine Haare“, antwortete Tai und schüttelte den Kopf, als wäre sie ein wenig beschränkt. „Ich glaube, wir sollten langsam mal aufstehen, sonst kriegen wir wieder Ärger mit Sora.“ „Ach, die liegt bestimmt selbst noch im Bett. Vorhin ging es ihr nicht gut“, erwiderte Mimi. „Ach nein?“, fragte Tai und sah nun ein wenig besorgt aus. „Musste sie sich wieder übergeben?“ Mimi nickte. „Zum Glück bin ich keine Frau“, seufzte Tai und ließ sich zurück fallen. „Sonst wäre das gerade eben auch ein bisschen anders gewesen“, stimmte Mimi ihm zu. Er sah sie an und lachte dann. „Ja, ein wenig.“ Widerwillig schlug Mimi die Decke zurück, zog sich ihren pinken Slip wieder an und stand auf. Sie verließ den Raum und wollte noch einmal nach Sora sehen, bevor sie zum Frühstück ging. Vorsichtig klopfte sie an die Tür und öffnete diese, ohne auf eine Antwort zu warten. Sora lag noch immer in ihrem Bett. Matt saß auf der Bettkante und schien sich ein wenig um ihre Unterhaltung zu kümmern. Beide sahen Mimi fragend an. „Ähm... ist alles okay bei dir, Sora?“ „Ja. Matt ist ja da“, antwortete sie und lächelte Matt an. „Aber ich glaube, ich komme heute nicht mit zum Skifahren.“ „Okay, wenn du willst, bleibe ich gerne hier und leiste dir Gesellschaft“, bot Mimi an. „Das mach ich schon. Geh du mal Ski fahren, hast dich ja gestern schon gedrückt“, fuhr Matt dazwischen, grinste aber. „Matt, ich hab dir doch schon gesagt, du sollst nicht hier bleiben“, seufzte Sora ein wenig genervt. „Du sollst doch Ski fahren gehen.“ „Und ich hab dir schon gesagt, dass ich dich nicht allein hier lasse, wenn es dir schlecht geht. Zumindest nicht schon wieder. Letztes Mal hat Mimi ja auf dich aufgepasst“, entgegnete Matt unerbittlich. „Ich brauche aber keinen Aufpasser“, murrte Sora und verschränkte die Arme vor der Brust. „Sora, sei nicht so stur. Du weißt doch nicht, was noch passiert. Vielleicht geht es dir noch schlechter im Laufe des Tages und dann bist du bestimmt froh, wenn noch jemand da ist“, meinte Mimi und sah ihre Freundin besorgt an. „Ja, hör auf Mimi“, pflichtete Matt ihr bei und grinste. Mimi verdrehte die Augen, denn normalerweise sagte Matt so etwas nicht. „Ist ja gut!“, murmelte Sora und gab ihren Widerstand anscheinend auf. Mimi nickte zufrieden und verließ das Zimmer wieder. Mal wieder kamen die Freunde viel zu spät beim Skilift an, aber Marius war dies ja bereits gewohnt. „Mensch, das ist ja selbst für euch ein neuer Rekord“, sagte er mit einem Blick auf seine Armbanduhr. „Aber schön, dass ihr da seid. Freut ihr euch auf euren vorletzten Tag?“ Diesmal nickte auch Mimi zustimmend, denn es bedeutete, dass sie nach diesem Tag nur noch einmal Ski fahren musste und dann könnte sie endlich wieder zurück nach Japan und brauchte nie wieder Ski zu fahren, wenn sie nicht wollte. Das nächste Mal würde sie auf jeden Fall wieder für einen Sommerurlaub stimmen. „Aber mit der Vollständigkeit wird es auch nichts mehr, was?“, redete Marius weiter und ließ den Blick über die kleine Gruppe schweifen. „Sora geht es nicht gut und Matt ist bei ihr geblieben“, erklärte Kari hilfsbereit. „Na gut, mit vier Schülern macht es sich natürlich noch leichter. Ihr beide könnt gern auch wieder mitkommen, wenn ihr wollt“, meinte Marius und sah T.K. und Izzy an. „Wir probieren heute mal wieder ein paar neue Pisten. Mal schauen, wie ihr euch macht.“ Sie fuhren mit dem üblichen Lift nach oben, begaben sich zum nächsten Lift und auch den darauffolgenden kannte Mimi bereits zur Genüge. Doch von dort aus nahmen sie eine neue Piste. „Das ist eine rote Piste, wie ihr seht. Sie führt ein Stück durch den Wald, passt also auf, dass ihr gegen keinen Baum fahrt“, warnte Marius sie, stieß sich ab und fuhr los. Ihm folgten Kari, Joe, Mimi und Tai. T.K. und Izzy fuhren einfach nebenher. Mimi kam einigermaßen gut zurecht. Sie achtete darauf, Joe nicht aus den Augen zu verlieren und gleichzeitig keine Schneewehe zu übersehen, die sie wieder aus der Bahn werfen konnte. Die Piste war wirklich schön, auch wenn es anstrengend war. Sie fuhren eine relativ schmale Strecke mitten durch einen Wald. Alles wirkte still und friedlich und außer ihnen waren hier nur wenige andere Skifahrer unterwegs. Mimi machte es sogar fast ein wenig Spaß. „Mensch, kannst du nicht mal schneller fahren?“, beschwerte sich Tai, als sie gerade einen Zwischenstopp einlegten. „Dauernd muss ich bremsen wegen dir.“ „Dann fahr du doch vor“, zischte Mimi und warf ihm einen giftigen Blick zu. „Nee, dann bekommt es ja wieder keiner mit, wenn du falsch abbiegst“, entgegnete Tai und sah sie vielsagend an. Mimi wusste, dass er auf den Tag anspielte, an dem sie plötzlich nicht mehr wussten, wo sie waren. „Dann fahre ich eben ganz hinten und passe auf, dass keiner verloren geht“, meinte Izzy bestimmt. Mit der neuen Reihenfolge gab es keine Probleme mehr. Sie fuhren eine Piste nach der anderen, genossen die Aussicht von den Liften aus und verbesserten ihre Fähigkeiten im Skifahren. Mimi fand es nur schade, dass Sora nicht dabei war. Aber lieber sollte sie sich schonen, als dass ihr oder dem Kind noch etwas zustieß. Zum verspäteten Mittagessen saßen sie wieder alle beisammen in einer Hütte. Nur Marius hatte sich mit einem Skilehrerkollegen woanders hingesetzt. Dadurch, dass es bereits nach zwei war, war in der Hütte nicht mehr allzu viel los und sie bekamen ohne Probleme einen schönen Tisch, der groß genug für alle war. „Sag mal, Izzy, wie lief es denn gestern Abend eigentlich noch in dem Club?“, fragte Tai zwischen zwei Bissen und grinste den Angesprochenen an, der auf der Stelle rot anlief. „Super“, murmelte er. „Wart ihr etwa auch da?“ „Hattet ihr etwa ein Doppeldate in diesem Schuppen?“, fragte Joe lachend. „Nein, wir haben Izzy und sein Mäuschen nur zufällig getroffen. Oder eher gesehen, denn die waren zu beschäftigt, um uns zu sehen“, stichelte Tai. „Hör doch auf!“, fauchte Mimi. „Du bist unmöglich.“ „Wie war denn euer Date?“, fragte T.K. und sah nun Tai spöttisch an. „Perfekt, oder Mimi?“, antwortete er triumphierend und sah Mimi an. „Tz“, machte Mimi und streckte ihm die Zunge raus. „Ich kann mir Besseres vorstellen.“ Die anderen lachten und Tai warf Mimi einen gekränkten Blick zu. „Tja, selbst schuld“, sagte Mimi leise zu ihm und wandte sich wieder ihrem Germknödel mit Vanillesoße zu. Nach dem Mittagessen machten sie sich gestärkt wieder auf den Weg durch die Alpen. Nun, da Mimi ihre Skischuhe wieder festgeschnallt und die Skier befestigt hatte, spürte sie wieder den unangenehmen Druck, den die Skischuhe auf ihre Schienbeine ausübten. Diese blöden Dinger würde sie garantiert nicht vermissen. Ansonsten war das Skifahren jedoch ganz angenehm. Die Aussicht war super, das Wetter spielte einigermaßen mit und sie probierten neue Pisten aus, sodass es nicht langweilig wurde. „Mimi, du bist wirklich schon gut geworden. Man sieht heute einen eindeutigen Unterschied zu den letzten Tagen“, lobte Marius sie bei einem Zwischenstopp. Mimi schenkte ihm ein Lächeln und freute sich über das Lob. „Joe, bei dir sieht es heute auch besser aus. Tai, du machst das super, aber das hat man die schon am ersten Tag angesehen. Kari, bei dir sieht es noch ziemlich steif aus. Lehn' dich mehr in die Kurven und fahr' sie ruhig ein bisschen weitläufiger. Dann sieht das gleich ganz anders aus.“ Kari wirkte ein wenig enttäuscht, da sie als Einzige kein Lob bekommen hatte. Mimi beobachtete die anderen, die stets vor ihr fuhren und versuchte dann, mindestens genauso gut zu fahren. Sie versuchten als nächstes eine Piste, die relativ stark befahren war. Die vielen Menschen sahen aus wie kleine, wuselnde Mäuse, die hin und her huschten. Mimi stieß sich gerade ab, um Tai zu folgen, als es passierte. Zufällig hatte sie gerade den Kopf gehoben, um Tai hinterher zu fahren, als sie beobachtete, wie von rechts plötzlich wie aus dem Nichts ein Snowboarder angesaust kam und Tai in diesem Moment ebenfalls eine Rechtskurve vollführte. Mimi konnte das dumpfe Geräusch hören, mit dem die beiden zusammenstießen. Sie sah eine Schneewolke aufwirbeln, Skier und Skistöcke flogen durch die Gegend, Menschen wichen hastig aus. Es dauerte einige Sekunden, bis die Schneewolke so weit verschwunden war, dass das Ausmaß des Unfalls zu sehen war. Mimi erkannte Tais blaue Jacke im Schnee und dachte, ihr Herz würde stehen bleiben. Tai rührte sich nicht, sondern lag einfach da. „Nein, nein, nein!“, flüsterte Mimi, in ihrem Hals spürte sie einen Kloß. So schnell sie konnte, fuhr sie sie zu Tai und machte sich gar nicht erst die Mühe zu bremsen, sondern ließ sich gleich neben ihm fallen. Ihre Skier schnallte sie per Hand ab, bevor sie auf allen Vieren zu ihm kroch. Er lag auf dem Rücken, die Augen geschlossen und den Mund geöffnet. „Oh Gott, Tai!“, rief Mimi, legte eine Hand auf seine Schulter und rüttelte ihn leicht. „Tai? Was ist mit dir? Wach auf, bitte!“ Sie spürte Tränen in den Augen, die ihren Blick verschleierten. Der Kloß in ihrem Hals schmerzte. War er tot? „Oh verdammt!“ Izzy hatte hinter ihr gestoppt und hockte sich nun auch neben Tai. Mimi warf ihm einen tränenreichen, angsterfüllten Blick zu, bevor sie sich wieder an Tai wandte. Nun sah sie, wie aus einer Wunde an seinem Kopf Blut sickerte, durch sein Haar rann und in den weißen Schnee tropfte. „Oh mein Gott“, hauchte sie und nun liefen die Tränen ihre Wangen hinunter. „Tu doch was, Izzy! Mach irgendwas! Er ist verletzt!“ „Warte hier, ich gehe den anderen Bescheid sagen“, rief Izzy eilig, sprang wieder auf und stieß sich kräftig ab. Der Snowboarder, der Tai über den Haufen gefahren hatte, kam nun zu Mimi und Tai gerutscht. „Scheiße, das war echt keine Absicht“, sagte er schockiert und kniete sich neben sie. „Ich hab nicht damit gerechnet, dass er auf einmal nach rechts fährt. Scheiße!“ „Nicht damit gerechnet, dass er... sag mal, tickst du noch ganz richtig?“, schrie Mimi plötzlich, während Tränen über ihre Wangen liefen. „Ich hab's von hinten gesehen, du bist einfach nur gerast! Es war nur deine Schuld! Er konnte dich nicht sehen, weil du schräg hinter ihm warst!“ Sie schluchzte auf und rüttelte Tai noch einmal an der Schulter. „Tai, bitte! Wach doch auf.“ Tatsächlich regte er sich ein wenig und öffnete die Augen. Mimi fiel ein ganzer Felsblock vom Herzen. „Woah“, stöhnte er und hob eine Hand, um die Wunde an seinem Kopf zu berühren, doch Mimi hielt seine Hand fest. „Nicht, du bist verletzt“, schluchzte sie. Nun weinte sie erst recht. „Was... ist denn... passiert“, stotterte er. „Sorry, Mann, ich hab dich umgenietet. Es tut mir echt Leid“, sagte der Snowboarder. Tai machte Anstalten, sich aufzusetzen, doch wieder hielt Mimi ihn auf. „Bleib lieber liegen. Nicht, d-dass noch was Schlimmeres passiert“, schniefte sie. Ihr Blick huschte zu Tais Wunde, aus der immer mehr Blut strömte. In diesem Moment fiel ihr ein, dass sie in ihrer Hosentasche eine Packung Taschentücher hatte. Eilig zog sie ihre Handschuhe aus, kramte ein Taschentuch hervor und drückte es behutsam auf Tais Wunde. Er stöhnte qualvoll auf. „Das wird alles wieder g-gut. I-ich verspreche es d-dir. Izzy holt... holt gerade Hilfe“, weinte Mimi und hielt das Taschentuch an seiner Wunde fest. Mittlerweile standen noch einige andere Leute um sie herum und beobachteten das Geschehen. Mimi ignorierte sie einfach und kümmerte sich um Tai. „Tut dir noch irgendwas weh? Spürst du das?“ Sie berührte seine Hand und und kniff unsanft in seine Oberschenkel. „Autsch. Ja, jetzt tut mir noch was weh“, sagte Tai leise, konnte aber schon einen mürrischen Blick aufsetzen, den er Mimi widmete. „Zum Glück“, stöhnte Mimi. Tränen tropften von ihrem Kinn hinunter auf Tai. „Könntest du... bitte aufhören zu heulen? Du machst mich... doch nass“, sagte Tai mit heiserer Stimme. „Tut mir Leid“, schluchzte Mimi und wischte sich mit dem Handrücken über die Wangen. „Tai!“ Mimi drehte den Kopf in die Richtung, aus der der Ruf gekommen war, und entdeckte die anderen, allen voran Kari, die sich neben ihrem Bruder fallen ließ und augenblicklich anfing, zu schluchzen, genau wie Mimi. „Oh Gott, Tai!“ „Könntet ihr vielleicht mal abhauen?!“, schrie Mimi die übrigen Gaffenden an, die immer mehr wurden. Sie warfen Mimi entgeisterte Blicke zu, doch nicht alle von ihnen verschwanden. „Hört mal, ich muss eigentlich auch weiter. Ich gebe euch meine Nummer wegen Versicherung und so, okay?“, sagte der Snowboarder. Mimi nickte nur verstört, kramte ihr Handy hervor und speicherte sich die Nummer des Unfallverursachers ein, bevor dieser sich dann auch wieder auf den Weg machte. Marius hockte sich neben Tai in den Schnee, zog Mimis Hand von seiner Wunde fort und musterte diese. „Ich glaube, das sieht schlimmer aus, als es ist“, sagte er ruhig. „Es kommt gleich ein Schneemobil, das dich runter bringt. Dann geht’s erst mal ins Krankenhaus, aber ich glaube, du hast Glück gehabt.“ Die anderen standen um die auf dem Boden Sitzenden herum und machten verängstigte und bedrückte Gesichter. Wenige Minuten später kam ein Schneemobil angefahren, das Tai auf einem Schlitten fest schnallte und davon fuhr. Mimi und den anderen war nun natürlich die Lust aufs Skifahren vergangen. Sie ließen sich von Marius hinunter ins Tal bringen, wo sie sich auf den Weg in ihr Ferienhaus machten. Matt und Sora saßen auf dem Sofa vor dem Fernseher und drehten sich überrascht um, als sie durch die Haustür kamen. „Ihr seid aber früh wieder zurück“, stellte Matt fest. „Ist irgendwas passiert?“, fragte Sora. Ihr mussten die deprimierten Gesichter sofort aufgefallen sein. „Tai ist im Krankenhaus“, verkündete Izzy den beiden. „Er hatte einen Unfall. Wir wollen jetzt alle zu ihm fahren. Kommt ihr mit?“ „Was? Oh Gott, was ist denn passiert?“, rief Sora erschrocken und auch Matt hatte die Augen aufgerissen. Izzy erklärte ihnen kurz, was geschehen war, woraufhin auch die beiden sich Jacken überzogen, um zum Krankenhaus zu fahren. Marius hatte ihnen noch erklärt, wie sie am besten ins Krankenhaus kamen, also stiegen sie in einen Bus, der sie direkt dorthin brachte. Am Empfang erkundigten sie sich nach Tais Zimmer, das sich auf der Unfallstation im ersten Stock befand. Eilig liefen die sieben Freunde die Treppe hinauf und fanden schnell das genannte Zimmer. Sie stießen die Tür auf und stürzten hinein. Mimi war erleichtert über das Bild, das sich ihr bot. Tai saß aufrecht im Bett und um seinen Kopf war ein weißer Verband gewickelt. Er sah ein wenig mitgenommen aus, aber ansonsten gesund und unverletzt. Ein Arzt saß auf einem Stuhl neben dem Bett. „Wow, da kriegen Sie aber viel Besuch“, stellte er mit hochgezogenen Augenbrauen fest und stand auf. „Denken Sie bitte dran, sich auszuruhen.“ Er nickte den sieben Besuchern zu und verließ dann das Zimmer. Alle bauten sich um Tais Bett herum auf und fragten tausend Sachen gleichzeitig. „Wie geht’s dir?“ „Was hat der Arzt gesagt?“ „Musst du hier bleiben oder kannst du mit nach Hause kommen?“ „Leute, ich hab doch schon Kopfschmerzen“, stöhnte Tai und hielt sich die Ohren zu. „Dann fange ich an“, bestimmte Kari und setzte sich auf die Bettkante. „Wie geht’s dir?“ „Ach, passt schon“, antwortete Tai abwinkend. „Hätte schlimmer kommen können.“ „Was wurde denn gemacht?“, fragte Matt weiter. „Naja, sie haben ein Röntgenbild gemacht, aber da ist alles in Ordnung. Dann haben sie die Wunde genäht. Ich hab wohl ziemliches Glück gehabt“, erklärte Tai. „Klar, du hättest tot sein können“, meinte Joe ungeduldig. „Es sind schon einige Leute beim Skifahren gestorben, weil sie einen schlimmen Unfall hatten. Wir sollten alle mit Helm fahren. Ohne ist es viel zu gefährlich, wie Tai heute demonstriert hat.“ „Stimmt, jetzt wo du's sagst. Der Snowboarder hatte wirklich einen Helm auf. Deswegen ist ihm bestimmt nichts weiter passiert“, sagte Mimi und hatte wieder den Snowboarder im Kopf. „Hast du denn noch andere Verletzungen?“, fragte Sora und musterte ihn von oben bis unten. „Nö, nur noch eine Gehirnerschütterung. Deswegen soll ich mich ja ausruhen heute. Das heißt wohl, ich kann heute leider nicht beim Essenmachen helfen und muss auf der Couch liegen bleiben“, antwortete Tai und grinste, wobei er fast wieder wie der Alte aussah. Mimi verdrehte die Augen. „Heißt das, du musst nicht hier bleiben, sondern kannst wieder mit uns mitkommen?“, fragte Kari und klang erleichtert. „Klar. Ich hatte nicht vor, im Krankenhaus einzuziehen“, meinte Tai schulterzuckend. Kari fiel ihm um den Hals und die anderen lachten und waren erleichtert, obwohl Mimi schlecht wurde, wenn sie sich vorstellte, was noch hätte passieren können bei diesem Unfall. Sie verbannte den Gedanken aus ihrem Kopf. Erst, als sie gemeinsam mit Tai das Krankenhaus verließen, fiel Mimi der unangenehme Geruch auf, der auf den Gängen herrschte. Es roch irgendwie nach Desinfektionsmitteln und kranken Menschen, sodass sie es kaum erwarten konnte, diesen Ort wieder zu verlassen. Sie wollte sich erst gar nicht vorstellen, welche traurigen Schicksale sich hier womöglich gerade in diesem Moment abspielten. Mit dem Bus ging es zurück in ihre Ferienhütte, wo Kari Tai sogleich zwang, sich hinzusetzen und nicht mehr zu bewegen. So machte sich Mimi wieder ans Kakaokochen, nachdem sie als Erste aus der Dusche kam. Sora und Matt saßen bei Tai auf der Couch und plauderten miteinander. Anscheinend ging es Sora wieder gut, doch befürchtete Mimi schon, dass ihr am nächsten Morgen wieder übel sein würde. „Mensch, Mimi, jetzt kochst du ja schon wieder den Kakao“, meinte Tai ein wenig vorwurfsvoll, als er Mimi in der Küche bemerkte. „Was soll ich machen, wenn Prinz Tai ein Wehwehchen hat und es nicht schafft?“, erwiderte sie und streckte ihm die Zunge raus. „Mimi, sei doch nicht so gemein. Er kann ja nichts dafür, dass er umgefahren wurde“, mischte Sora sich ein und nun war sie es, die Mimi vorwurfsvoll ansah. „War doch nur ein Witz“, entgegnete Mimi genervt und verdrehte die Augen, bevor sie heißen Kakao auf acht Tassen verteilte. „Überlass das Witzereißen lieber jemandem, der davon was versteht“, sagte Tai und grinste herausfordernd. Mimi drehte sich um und sah ihn wütend an. „Das nächste Mal fahre ICH dich um. Und wenn dieser Typ heute noch anruft, dann sage ich ihm, er hätte dich ruhig noch ein bisschen härter erwischen können!“, fauchte sie, stellte die Kakaokanne mit einem lauten Knall ab und stampfte die Treppe nach oben ins Mädchenzimmer. Sie hatte noch vernommen, wie Tai „Hast du deine Tage?“ gerufen hatte, wollte aber nicht mehr darauf reagieren. Sie warf sich auf ihr Bett und starrte wütend an die Decke. Wenige Minuten später kam Kari mit feuchten Haaren und nur einem Handtuch bekleidet herein. Sie zog die Augenbrauen hoch, als sie entdeckte, dass Mimi offenbar nicht gut gelaunt war. „Was ist los?“, fragte sie, während sie sich frische Sachen aus dem Kleiderschrank heraussuchte. „Dein Bruder ist ein Vollidiot“, zischte Mimi, ohne den Blick von der Decke abzuwenden. „Erzähl mal was Neues“, antwortete Kari trocken. „Was hat er denn gemacht? Das Übliche?“ „Ja. Er hat genervt, wie immer“, erwiderte Mimi kurz angebunden. „Er nervt dich doch nur, weil er dich so sehr mag“, sagte Kari mit weicher Stimme. „Ich weiß, dass das für dich bestimmt anstrengend ist, aber man darf ihm das nicht so übel nehmen.“ Sie lächelte aufmunternd, während sie sich anzog. „Ich hab aber keine Lust mehr darauf“, murmelte Mimi genervt. „Es ist immer wieder das Gleiche. Manche Sachen sollte er sich einfach mal verkneifen. Und jetzt denkt er, nur weil er sich verletzt hat, kann er machen, was er will.“ „Soll ich mal mit ihm reden?“, bot Kari an und setzte sich auf Mimis Bettkante. „Nein, danke“, seufzte Mimi und setzte sich auf. „Er soll von selbst drauf kommen, dass er ein Idiot ist.“ Kari grinste. „Ich glaube, darauf kannst du lange warten.“ Sie stand auf und sah Mimi erwartungsvoll an. „Los, komm wieder mit runter. Hier oben alleine sein ist doch blöd.“ Widerwillig stand auch Mimi auf und folgte Kari wieder nach unten. Sie nahmen sich beide eine Tasse Kakao und setzten sich zu den anderen auf die Sofas. T.K. stieß auch zu ihnen und Mimi entging der kurze Blick nicht, den er Kari zuwarf, bevor er sich neben seinen Bruder setzte. Mimi hingegen würdigte Tai keines Blickes. An diesem Tag wollte sie eigentlich nichts mehr von ihm wissen. „Sagt mal“, fing Joe an und wandte sich an Matt und Sora, „entschuldigt, dass ich so neugierig bin, aber wünscht ihr euch eigentlich lieber ein Mädchen oder einen Jungen?“ Matt und Sora sahen sich ein wenig verdutzt an, bevor Sora nachdenklich auf ihren Bauch sah, als versuchte sie, das kleine Wesen darin zu erkennen. „Ähm... ich weiß nicht“, murmelte sie verlegen. „Ein Mädchen“, sagte Matt bestimmt, woraufhin alle ihn fragend ansahen. „Warum das denn?“, fragte Tai ein wenig verwirrt und Mimi konnte sich ein leises, genervtes Stöhnen nicht verkneifen. „Ich hätte gern noch eine zweite Sora“, antwortete Matt grinsend und sah seine Freundin neben sich an. „Aber was, wenn sie aussieht wie du? Ich habe mal gehört, dass die Erstgeborenen meistens nach dem Vater kommen“, gab Sora zu bedenken. „Dann wird es eine, die den Jungs die Köpfe verdreht“, meinte Joe grinsend und alle lachten, während Matt nur die Augen verdrehte. „Also ich glaube, einen zweiten Matt halte ich nicht aus“, warf Tai ein. „Das Baby wird dich bestimmt auch nicht aushalten können“, zischte Matt. „Klar wird es das. Wer hat schon so einen coolen Onkel?“, erwiderte Tai und lächelte selbstgefällig. „Leute, ihr habt irgendwie ein Problem mit Verwandtschaftsverhältnissen. Kari wollte heute auch schon die Tante werden, aber das geht nicht“, sagte Mimi genervt. „Mimi, du bist bestimmt der Knaller auf jeder Party“, antwortete Tai sarkastisch, woraufhin Mimi ihm wieder einen wütenden Blick zuwarf. Oh ja, mir ihm würde sie so was von überhaupt nicht mehr reden an diesem Tag. Izzy hatte sich freiwillig dafür gemeldet, das Abendessen zu kochen, was alle ein wenig verwundert hatte, doch er meinte, er wollte seine Kochkünste aufbessern. Ob er wohl Lisa beeindrucken wollte? Mimi ging ihm mit einigen niederen Arbeiten zur Hand und half ihm beim Schneiden von Gemüse, während T.K. und Kari den Tisch deckten. Joe und Matt waren zum Aufräumen am Ende eingeteilt worden, während Tai und Sora sich ausruhen durften, was Mimi nervte. Sie fand, Tai konnte ruhig auch etwas machen; immerhin hatte er so eine große Klappe, dass es ihm nicht sonderlich schlecht gehen konnte. „Das riecht aber lecker“, fand Kari und warf einen neugierigen Blick in einen der Töpfe auf dem Herd. „Ich gebe mir ja auch Mühe“, antwortete Izzy, der seine Kreation ebenfalls kritisch beäugte. Schließlich stellte er den Herd aus, als er fand, dass es genügte, und brachte die Töpfe hinüber zum Esstisch. Alle setzten sich und wirkten noch ein wenig skeptisch, doch wider Erwarten schmeckte alles gut. Mimi fand lediglich, dass noch einige Gewürze fehlten, doch ansonsten war es ein gelungenes Essen. Sie warf Izzy einen anerkennenden Blick zu. „Schmeckt prima“, lobte sie ihn, woraufhin er ein wenig rot wurde. „Ja, ist gut geworden“, stimmte Matt zu und nickte. „Danke.“ Izzy grinste und kratzte sich verlegen am Kopf. „Möchtest du damit dein Mäuschen beeindrucken?“, fragte Tai und sah Izzy bedeutungsvoll an. „Was? Nein!“ Izzy wurde nur noch röter. „Izzy hat jetzt also doch eine Freundin? Wie süß“, fand Sora und lächelte fröhlich. „Nein, hab ich nicht. Bringt doch gar nichts mit so einer Entfernung“, murmelte Izzy mit gesenktem Blick. „Aber ihr könnt euch doch E-Mails schreiben“, schlug Joe zwischen zwei Bissen vor. „Aber das ist doch kein Zustand für die Dauer“, widersprach Izzy kopfschüttelnd. „Kann ich verstehen. Ich könnte das auch nicht“, meinte Matt mit einem Blick auf Sora, die verlegen lächelte. „Ja, aber Lisa ist ja nicht von Izzy schwanger“, antwortete Tai schulterzuckend, woraufhin alle ihn entgeistert ansahen. „Was denn?“ „Du rüttelst am Ohrfeigenbaum, mein Lieber“, entgegnete Matt und sah ihn mit zusammengekniffenen Augen an. „Das tut er doch immer“, zischte Mimi und alle lachten. Nach dem Abendessen saßen sie gemeinsam vor dem Kamin und spielten Knack, wobei Mimi wieder einmal ständig verlor. Sie hatte irgendwie einfach noch nicht die richtige Strategie heraus und hatte deswegen auch beizeiten keine Lust mehr auf dieses Spiel. Da sie außerdem ziemlich müde war, verabschiedete sie sich schon früh, um zu Bett zu gehen. Sie wurde mitten in der Nacht davon geweckt, dass jemand sie aus dem Bett hob und weg trug. So richtig zu sich kam sie allerdings erst, als sie mit dem Kopf gegen den Türrahmen knallte. „Aua!“, zischte sie. „Entschuldige“, flüsterte Tai zurück. „Sag mal...“ Verwirrt und müde sah sie sich um. Sie befanden sich im dunklen Flur der oberen Etage und gingen geradewegs zur Treppe. Tai trug sie einfach auf seinen Armen. „Spinnst du? Was soll das? Lass mich sofort runter!“ Sie strampelte mit den Beinen, doch er schaffte es irgendwie, sie festzuhalten. „Mimi, warte bitte. Ich will nur mit dir reden“, flüsterte Tai, während er die Treppe hinunter ging. „Sag mal, hast du sie noch alle?“, rief Mimi empört und schlug nun auf ihn ein. „Mach das gefälligst am Tag und nicht nachts, wenn ich schon schlafe! Was soll das? Lass mich SOFORT los!“ „Ich will nur mit dir reden!“, zischte Tai. „Autsch!“ Mimi hatte ihn in die Hand gebissen, woraufhin er gezwungen war, sie doch loszulassen. „Was soll das?“, wiederholte sie und sah ihn wütend an. „Bitte komm mit“, sagte er ruhig und sah sie flehend an. Mimi war mehr als sauer. Was fiel ihm eigentlich ein, sie einfach aus dem Bett zu holen, ohne sie zu fragen? Und nun erwartete er auch noch, dass sie ihm einen Gefallen tat. „Vergiss es. Du hast doch 'nen Schaden“, keifte sie und wollte sich umdrehen, doch er hielt ihr Handgelenk fest. Wieder mal sah sie ihm einen Augenblick zu lang in die Augen, weshalb sie sich nun doch noch weich klopfen ließ. „Okay, du hast eine Minute.“ Er zog sie hinter sich her in den Wohnbereich, wo Mimi große Augen machte. Überall waren Kerzen aufgestellt worden und spendeten dem Raum nun ein warmes Licht. Im Radio lief leise eine ruhige Musik und auf dem niedrigen Couchtisch stand eine dampfende Tasse. „Was wird das jetzt wieder?“, fragte Mimi, ohne den Blick von dem Raum abzuwenden. „Naja, ich dachte mir, du kommst bestimmt nicht freiwillig mit mir mit und deswegen hab ich dich sozusagen entführt. Und da ich mir schon denken konnte, dass du das alles andere als cool findest, habe ich das hier gemacht, um dich wieder zu besänftigen“, erklärte er und kratzte sich am Kopf. Mimi schüttelte ungläubig den Kopf, bevor sie ihre Sprache wiederfand. „Du spinnst doch total.“ Er nahm sie an der Hand und führte sie zum Sofa, wo sie sich hinsetzten. Mimi nahm die Tasse Tee in die Hand, um sich an ihr ein wenig zu wärmen. „Was willst du denn nun?“, fragte sie ungeduldig und sah ihn misstrauisch an. „Na mit dir reden, hab ich doch schon gesagt“, antwortete er. Er redete nicht weiter, doch sie sah ihn abwartend an, bis er schließlich doch wieder das Wort ergriff. „Entschuldige wegen heute Nachmittag. Du weißt doch, dass das alles nur Spaß ist und ich dich nicht verärgern will.“ „Ja, das sagst du immer“, murmelte sie und trank einen Schluck Tee. „Nur, weil du es anscheinend nicht kapierst“, erwiderte Tai bestimmt, doch als er ihrem Blick begegnete, lenkte er schnell ein. „Tut mir Leid.“ „Ja ja, schon okay“, murrte sie. „Kann ich jetzt wieder schlafen gehen?“ „Gleich.“ Er lehnte sich nach vorn und stützte die Ellbogen auf seinen Knien ab. „Diese... ähm... Affäre, die wir da gerade irgendwie am Laufen haben, bedeutet sie dir was?“ Sie sah ihn überrascht an, doch er betrachtete gerade eingehend den Boden. „Tai, ich weiß nicht, was...“ „Wenn sie dir nämlich nichts bedeutet, dann sollten wir jetzt einfach damit aufhören“, unterbrach er sie. „Ich kann das so nicht.“ „Wäre es dafür nicht eh schon zu spät?“, fragte Mimi unsicher. „Ein bisschen“, antwortete er, „aber ich könnte mich schon irgendwie damit arrangieren.“ Mimi seufzte, stand auf und lief ziellos umher. Nach einer Weile blieb sie beim Kamin stehen und sah in die Glut. „Tai, ich kann irgendwie nicht mit und nicht ohne dich“, sagte sie leise. „Heute wäre ich gern mit dir zusammen und morgen gehst du mir so sehr auf die Nerven, dass ich nicht mehr mit dir reden will. Übermorgen finde ich dich wieder ganz nett und den Tag danach würde ich dir am liebsten den Hals umdrehen. Das ist doch keine Grundlage für eine Beziehung.“ „Stimmt“, sagte Tai trocken. Mimi stand noch immer beim Kamin, wickelte sich unruhig eine Haarsträhne um den Zeigefinger und lauschte der Musik, ohne sie wirklich wahrzunehmen. „Ich hatte heute solche Angst um dich, dass dir irgendetwas Schlimmes passiert sein könnte. Ein paar Sekunden dachte ich sogar, du wärst tot. Und dann lässt du wieder so blöde Kommentare ab und ich weiß wieder nicht, was ich für dich empfinden soll“, erklärte sie nach einer Weile, wobei sie immer noch in die Glut starrte. Wieder herrschte einige Augenblicke lang Schweigen, bis Tai das Wort ergriff. „Dann ist es jetzt also vorbei?“ Mimi drehte sich zu ihm um und sah ihn an. Sein Blick war unergründlich. Sie spürte, wie ihre Augen sich mit Tränen füllten bei dem Gedanken, mit ihm Schluss zu machen, obwohl sie noch nicht einmal richtig zusammen waren. War das wirklich die richtige Entscheidung? Sie ging auf ihn zu und setzte sich dicht neben ihn aufs Sofa. Sie griff nach seiner Hand, verschränkte ihre Finger miteinander und sah ihn an. Eine Träne lief ihre Wange hinunter, die Tai mit dem Daumen seiner freien Hand weg wischte. Als eine zweite Träne über ihre Wange kullerte, beugte er sich vor und küsste sie sanft genau auf die Stelle, wo sich die Träne gerade befand. Das vertraute Kribbeln machte sich wieder in ihrem Magen breit. Mimi sah in seine dunklen Augen. Er erwiderte ihren Blick bedrückt. Sie atmete tief ein und wieder aus, bevor sie ihm antwortete. „Ich glaube, das wäre nicht das Richtige“, sagte sie leise. „Wenn es jetzt vorbei wäre, meine ich.“ Sie fuhr sich mit den Händen durch die Haare und seufzte laut. „Tai, du machst mich wahnsinnig, auf so viele verschiedene Arten.“ „Danke, das Kompliment gebe ich gern zurück.“ Als sie ihn ansah, erkannte sie, dass ein leichtes Lächeln seine Lippen umspielte. Bestimmt ergriff er ihre Hände und Mimi spürte die Wärme, die von ihm ausging. Er sah ihr in die Augen und sagte: „Ich frage dich das jetzt nur einmal und bitte sag einfach nur ja oder nein. Ich habe nämlich keine Lust mehr auf dieses Hin und Her und brauche Klarheit.“ Er holte tief Luft. „Mimi, willst du meine Freundin sein?“ Als sie nicht gleich antwortete, fügte er leicht grinsend hinzu: „Mich lieben und ehren in guten wie in schlechten Zeiten?“ Mimi verdrehte die Augen und stieß ihn mit dem Ellbogen in die Rippen. „Bis dass der Tod uns scheidet, oder was?“ Er zuckte mit den Schultern. „Wenn ich weiter so Ski fahre, wird das ja nicht allzu lange dauern.“ Mimi zog eine Augenbraue nach oben und sah ihn warnend an. „Ja oder nein?“, erinnerte er sie und sah nun wieder ernst aus. Mimi druckste herum, wich kurz seinem Blick aus, kniff die Lippen zusammen, runzelte die Stirn und seufzte. „Tai, ich...“ „Mensch, sag doch einfach nein und dann haben wir es hinter uns. Aber ich will es aus deinem Mund hören. Komm schon, ich verspreche auch, dass ich dir nicht die Freundschaft kündigen werde“, sagte Tai und sah sie weiter abwartend an. „Ja“, antwortete Mimi unvermittelt und erwiderte seinen Blick. „Na endlich, ich dachte schon... was?“ Skeptisch musterte er sie und schien zu denken, sich verhört zu haben. „Ja“, wiederholte Mimi. „Meine Antwort ist ja, ich will.“ „Was? Also... meinst du das ernst?“ Es war fast schon witzig, wie ungläubig er sie anstarrte, als hätte sie ihm gerade erzählt, sie hätte am Morgen ein Alien getroffen. „Ja doch, du Idiot“, antwortete sie genervt und stupste ihm gegen die Schulter. „Und wenn du weiter fragst, überlege ich es mir vielleicht noch mal anders.“ Tai sah weiter ungläubig drein und schien seine Fähigkeit zu sprechen verloren zu haben. Einige Sekunden sahen sie sich schweigend in die Augen. „Und was machen wir jetzt?“, fragte Mimi ein wenig verlegen, als Tai weiter beharrlich schwieg. „Ähm... vielleicht schlafen gehen?“, schlug er vor. Offenbar war er komplett neben der Spur, doch Mimi war eh müde, da sie so jäh aus dem Schlaf gerissen worden war. Sie zuckte mit den Schultern und nickte, woraufhin beide aufstanden und die Treppe nach oben gingen. „Also dann“, sagte Tai, als sie vor dem Schlafzimmer der drei Jungs standen. „Schlaf gut.“ „Du auch“, erwiderte Mimi noch immer verlegen. Es war eine seltsame Situation. Sie hatte sich gerade umgedreht und wollte ins Mädchenschlafzimmer gehen, als Tai sie doch noch einmal am Arm packte, sie zu sich herum drehte und sie auf den Mund küsste. Es war ein schönes Gefühl und Mimi wünschte sich, sie hätten irgendwo ein Zimmer für sich, doch das musste bis später warten. Er löste sich von ihr, lächelte sie kurz an und ging dann in sein Zimmer. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)