Bloodcage - Teil 1 - Blutmond von DemonhounD (Vampir-Roman) ================================================================================ Kapitel 6: Blutmond (Siren) Ich fand mich in einem hell erleuchteten Saal ------------------------------------------------------------------------- Ich fand mich in einem hell erleuchteten Saal mit goldenem und weißem Prunk wieder. Kerzenlicht flackerte in den drei vergoldeten Lüstern und auf einem Marmorparkett drehten sich Tänzer im Takt einer kaum wahrnehmbaren Musik. Jeder von ihnen trug eine Maske, oft im damals beliebten venezianischen Stil. Sie stellten Kobolde, Feen, Vögel und Dämonen dar. Ich selbst trug die weiße Maske eines schönen Jünglings, eine meisterliche Porzellanarbeit, die meiner damaligen Eitelkeit entsprach. Ich hielt Ausschau, während ich scheinbar gedankenverloren an einem Weinglas nippte. Die Fassade, die meine Handlungen schuf, war perfekt. Innerlich war ich in jenem Moment weit weniger gelangweilt und geistesabwesend, als es äußerlich den Anschein haben musste. Ich beobachtete die grüne Schönheit aus den Augenwinkeln heraus. Sie war mit einem korpulenten Grafen erschienen, den ich nur von Erzählungen als Baalzack von Lotringen kannte. Vielleicht hatten sich unsere Wege nur aus dem Grund noch nicht gekreuzt, weil er politisch aktiv war und ich dies zu vermeiden suchte. Aus seinem Gehabe konnte ich sehr bald schließen, dass sie bei Weitem nicht seine liebste Mätresse war und er eine langweilige, in Rot gekleidete Frau mittleren Alters bevorzugte, die es dermaßen verstand ihre weiblichen Reize zu betonen, dass ich es schon wieder abstoßend fand. Das ist allerdings was mich angeht nichts Ungewöhnliches. Ich kann Frauen nichts abgewinnen. Ich kann Schönheit beurteilen - auch die von Frauen. Natürlich! Aber ich kann keine Empfindung dazu aufbauen. Das Mädchen, welches ich mir ausgesucht hatte, war so vollkommen, wie ein weiblicher Mensch nur sein kann, wenngleich ihr Gesicht nicht jene dekadente Perfektion zur Schau trug, die so viele Frauen unseres Jahrhunderts ergriffen hatte. Sie wirkte fast mädchenhaft unter mattrotem, gelocktem Haar, das im Licht der Kerzen leuchtete, wie ein Abbild des flammenden Abgrundes. Sie trug ein glänzendes, grünes Seidenkleid, das vor ihrem Körper vollkommen geschlossen war und sogar den Hals bedeckte. Ihr Rücken allerdings war frei und bot einen Blick auf zwei hervorstechende Schulterblätter und einen Nacken, der nur von einer lockeren Seidenschleife ein wenig verdeckt wurde. Ihr Haar floss in welligen, glänzenden Kaskaden über ihren Rücken und verdeckte dann und wann Teile dieses Anblickes, sodass mir kurz der Gedanke kam, dass die Sünde selbst irgendwo zwischen den Schulterblättern einer Frau liegen muss. Als sie den Blick in meine Richtung wand, erkannte ich einen fast undurchsichtigen Schleier kurz unter der Stirn, der ihre Augen mit feinem, schwarzem Gaze verdeckte, als sei sie die Inversion aller Anwesenden, die abgesehen von ihren Augen alles zu verkleiden versucht hatten. Gerade deswegen wirkte sie umso geheimnisvoller im Kreis der tanzenden, opulenten Dämonen. Ich will nicht sagen, diese Frau sei mir tatsächlich ein Geheimnis gewesen. Schlussendlich war sie doch ein Mensch wie jeder Andere. Ich wusste unter welchen Zentimetern ihrer Haut das Blut pochte und mit welcher Geschwindigkeit, was gleichbedeutend ist mit der Gemütsstimmung der Menschen. In vielerlei Hinsicht glaube ich, dass allein das Herz der Sitz der Seele sein muss, denn nur das Herz und die daraus resultierende Geschwindigkeit des Blutes, spiegelt die Gefühle und Gedanken eines Menschen perfekt wider und es ist das Herz, das mit verlassen jener unsichtbaren Kraft, die sich „Leben“ nennt, aufhört zu schlagen.. Ich nahm einen tiefen Zug aus meinem Weinglas, bemüht mir meinen Ekel nicht anmerken zu lassen und ging zielstrebig zu ihr herüber. „Darf ich die Dame zu einem Tanz verführen?“, kam ich vielleicht etwas zu direkt auf den Punkt. Es war mir vollkommen gleich. Es sollte schnell gehen. Ich brauchte Blut. Sie lächelte überlegen und war sich ihrer Ausstrahlung für meinen Geschmack viel zu sicher. „Nun“, hauchte sie über ihr eigenes Kristallglas hinweg und nahm einen kleinen Schluck, der ihre Lippen rot benetzte. „Ich vermute, mein Begleiter ist meiner überdrüssig geworden, also wieso nicht?“ In diesem Moment war ich mir vollkommen sicher, dass es sich bei dieser Frau um eine Dirne handeln musste und mein Blick auf den edlen Lord Baalzack, der sich soeben von seiner roten Gespielin Trauben anreichen ließ, bestätigte mir dies. Der Blick des korpulenten Lords ruhte eine Weile auf mir und obwohl er weit entfernt war, nahm ich ein beinahe väterliches Grinsen auf seinen Lippen war. Ich glaubte kurz, dass er sanft nickte, als begrüße er einen alten Bekannten. Zeitgleich hatte ich das Gefühl, als bestätige er mich in meiner Wahl zu diesem Mädchen. So angenehm mir diese Geste unter normalen Umständen erschienen wäre: Es war mir unangenehm zu wissen, dass er mich mit seiner Begleiterin gesehen hatte und ich beschloss binnen weniger Sekunden, dass ich die Leiche dieser Frau im Fluss versenken würde, da sonst zumindest er Verdacht schöpfen würde. Es wäre zu riskant gewesen zu hoffen, dass er mich allein aufgrund meiner Maske später nicht mehr erkennen könnte. Eine verschwundene Hure sucht niemand. Eine Tote hingegen wirft Fragen auf. Ich zwang mich zu einem ehrlichen Lächeln und hoffte, dass es genau so lüstern aussah, wie ich es bezweckte. Sie sollte ruhig denken, dass sie die völlige Kontrolle hatte. So war sie es auch, die schließlich meine Hand ergriff und mir erlaubte sie zur Tanzfläche zu führen, in der sich die grotesken Leiber einiger Menschen im ätherischen Takt der Musik bogen und der feine Geruch von Schweiß und Lust umfing mich als wir uns den drehenden Paaren anschlossen. „Ich vermute, Ich seid eine Kurtisane.“, flüsterte ich sanft fragend in ihr Ohr als sie sich nach einer eleganten Drehung locker in meinen Armen wiederfand. Ihre festen Brüste drückten sich unter der dünnen Seide an mich und ich stellte mir selbst kurz die Frage, wieso ich dies nicht als verführerisch empfinden konnte. „Welch elegante Wortwahl!“, spottete sie ohne den Tanz zu unterbrechen. „Doch ich denke dies ist der Wahrheit nah genug.“ Von ihr ging ein Strahlen aus, das nur die wahrhaft Sündenfreien haben können – oder jene, die ihre Taten nicht als solche empfinden, während sie meine Worte belächelte. Ich wusste nun, dass ich sie genau dort hatte, wo ich sie haben wollte. All meine Taten würden von nun an nur noch darauf ausgerichtet sein sie von dieser sicheren Gemeinschaft fort zu locken. Irgendwo ins Dunkel. „Ich denke, Ihr tragt ein düsteres Geheimnis mit Euch, mein Herr.“, bemerkte sie plötzlich und ich fuhr beinahe zusammen. „Woran genau wollt Ihr dies fest machen?“, fragte ich sie nachdem ich vielleicht etwas zu lange gezögert hatte. „Eure Augen sagen viel über Euch aus und mir entgeht nicht der dunkle Schatten, der gelegentlich Euren Blick heimsucht. Ich frage mich, was Ihr in solchen Momenten wohl denken mögt“, fuhr sie fort und da mir das Spiel zu gefallen begann forderte ich: „Wenn Ihr dies alles sehen könnt, dann erratet es!“ Sie griff sich an den Hals, um einige störrische Locken von den makellosen Sehnen zu streichen, die sich unter dem glänzend gründen Stoff abzeichneten. „Ich bin mir nicht sicher, ob Ihr mich heute Nacht verführen, oder fressen wollt“, sagte sie rundheraus und klatschte zusammen mit den anderen Tänzerinnen zweimal in die Hände. Ich zwang mich zu einem belustigten Lächeln, welches wie ich wusste meine Augen nicht erreichte. „Das ist der Wahrheit nah genug“, intonierte ich die Frau vor mir und deutete eine Verbeugung an, wie es der Tanz nun von mir forderte. „Vielleicht sollten wir dies an einem intimeren Ort besprechen, es sei denn IHR habt ein Geheimnis, das ich vorher wissen sollte“, schlug ich vor. Sie lächelte ehrlich und ich bemerkte, dass sie aufgehört hatte zu tanzen. Ich wusste, dass ich sie nun zu allem bringen konnte. Sogar dazu sich in mich zu verlieben und es bereitete mir eine sadistische Freude. „Mein Name ist Nathalya“, entschloss sie sich, sich vor zu stellen und wartete vergebens auf meinen Namen. Schließlich hob sie den Schleier von ihren Augen und ihr stechend grüner Blick traf den Meinen. Ich zuckte unwillkürlich zurück. „So schlimm?“, lachte das Mädchen und ich ließ meine Hände von ihren Armen sinken. Wieso musste ich heute Abend ausgerechnet jemandem begegnen, der die Augen meiner toten Herrin trug? „Habt Ihr einen Geist gesehen?“, fragte Nathalya, die sich der Situation offensichtlich noch immer nicht bewusst war. Vielleicht war es tatsächlich so. Vielleicht sah ich in diesem Moment die Sünden meiner Vergangenheit als Geist vor mir. Ich sah in die grünen Augen einer Königin, die ich verraten hatte. Ich konnte nicht mehr bleiben. „Ich muss gehen!“, sagte ich so kalt, dass Nathalya verschreckt zusammen zuckte. „Nein, wartet!“, rief sie und ich sah ihr an, dass mein plötzlicher Widerstand ihr tatsächlich das Herz zu brechen drohte. „Sagt mir, was ich getan habe!“ Ich schüttelte lediglich den Kopf und war froh eine Maske zu tragen, die einen derart gefühllosen Ausdruck trug. Genaugenommen war diese Frau mir vollkommen egal. Nur der blanke Terror über die grünliche Farbe ihrer Augen, die wie zwei Tropfen aus Jade auf mich starrten, hielt mich davon ab, ihr Leben zu beenden. Ich wandte mich zum Gehen. Sie griff meine Hand. „Bitte bleibt!“, flehte sie. Ich musste wider Willen höhnisch lachen. Wie einfach wäre es doch gewesen sie umzubringen! Wie simpel, wenn nicht diese Augen wie smaragdene Talismane all meine Vorhaben zu Nichte gemacht hätten! Wie konnte sie denn wissen welch unverdientes Glück sie hatte ihre sündige Existenz noch ein paar Jahre weiter führen zu dürfen? „Es ist nur das Zusammenspiel all dieser Eindrücke, die Euch glauben lässt, dies sei ein besonderer Augenblick gewesen.“, bemerkte ich und löste meine Hand aus ihrem Griff, um sie stehen zu lassen. Der Strom der Tänzer schloss sich hinter mir wie ein Vorhang und niemand abgesehen von mir und Nathalya schien Notiz von den Ereignissen des Abends genommen zu haben. Welche Verschwendung war dieser Ball nur gewesen! Als ich auf den rötlich schimmernden Himmel blickte wurde mir bewusst, dass ich in dieser Nacht vielleicht keine Beute mehr machen würde. Eigentlich hatte ich kaum Zeit rechtzeitig vor Einbruch des Tages einen geschützten Platz aufzusuchen. Es ist nicht so, dass mich die Sonne direkt töten könnte, doch sie sticht unangenehm in meinen Augen und ich bin mir im Klaren darüber, dass die Veränderungen, die meine Existenz mit sich bringt den Menschen im hellen Licht nicht verborgen bleibt. Die schneeweiße Haut wäre sicherlich leicht zu erklären gewesen. Sie war in einer Welt voller Adliger eher ein Schönheitsideal. Es ist auch nicht so, dass irgendetwas an mir gänzlich unmenschlich erschienen wäre. Vielmehr ist ein Zusammenspiel aller Körpermerkmale ausschlaggebend. Meine dunkelroten Augen wirken im Schatten eher braun und sind eine Spur schräger, als sie es sein dürften, meine Wangenknochen stechen nur einen Hauch zu weit hervor, als es natürlicherweise der Fall sein darf, Finger und Beine sind nur wenig schlanker und länger als man es von einem Menschen glauben kann, jeder meiner Zähne ist fast unmerklich spitzer, als die eines Menschen es sein könnten und wenn ich wütend bin, oder erregt, schieben sich zwei zusätzliche Eckzähne hervor, ohne, dass ich dies wirklich steuern könnte. Dies sind nur wenige Beispiele, die ein Gesamtbild ausmacht, das den Menschen nur unzulänglich täuschen kann. Wer mich sieht, wird von vornherein wissen, dass etwas an mir dämonischer Natur ist. Auf der anderen Seite sind diese vielen Andersartigkeiten so klein, dass sich die meisten Betrachter einreden werden dies sei nur Phantasterei. Bei den wirklich gefährlichen Leuten bleibt dieser Eindruck jedoch bestehen und kann, wenn er von vielen Menschen geteilt wird, durchaus gefährlich werden. Dies ist der Grund aus dem ich niemals bei Tag den Schutz meiner Dienerschaft und meines Wohnsitzes verlasse, denn nichts ist grausamer und tödlicher für jemanden meiner Rasse, als ein wütender Mob. Ich habe genügend Angehörige meiner Art brennen sehen und ich ertrage es nicht zu wissen, dass ich genauso sterben könnte. Meine Schritte führten mich an einen Fluss, dessen Name „reißendes Wasser“ nicht sinnvoller gesetzt hätte sein können, und zu der großen Brücke, die die beiden Stadteile miteinander verband. Eine Weile starrte ich einfach nur auf die glänzenden Fluten, die seit Jahrhunderten nahezu unverändert durch das Flussbett strömten. Unsterbliche Dinge verändern die Welt nur sehr langsam. Wir sind immer da, immer lebendig und doch immer Gefangene der Geschichte die gerade erzählt wird. Wir sind dem Fluss unterworfen. Wir sind nicht fähig das Geschick der Menschheit wirklich nachhaltig zu ändern. Ich wandte meinen Kopf und sah etwa fünfzig Meter von mir entfernt die zweite Begleiterin Baalzacks stehen. Eine Weile musterte ich sie lauernd. Sicherlich war sie nur kurz an die frische Luft gegangen, um der Hitze des Saales und vielleicht auch ihrem übermäßig betrunkenen Begleiter zu entgehen. Im Schattenspiel des Festes hatte ihr Haar beinahe schwarz gewirkt, nun, nur vom Mond beschienen, bemerkte ich, dass es eher von einem dunklen Braunton war, wie es die Rinde der Hasel zeigt. Sie lehnte sich gegen eine Balustrade und betrachtete mit ein paar Weintrauben in der Hand ebenfalls den Fluss. Ich schüttelte meine Gedanken ab und ging zu ihr. „Wenn du noch näher kommst, dann kostet dich das was“, hörte ich sie sagen. Ich zuckte mit den Schultern und ignorierte ihre Frechheit. „Wie kommt Ihr darauf, dass ich das Geld nicht aufbringen könnte?“ Eine Weile blieb es still und sie steckte sich eine der Weintrauben in ihrer Hand in den Mund. Ich schloss die Augen und genoss den Geruch der Früchte, ihrer Haut und des Blutes unter dieser. „Ich muss zurück zu Lord Baalzack“, bemerkte sie. Ich schüttelte den Kopf und bemerkte schnippisch: „Offenbar vermisst er Euch nicht sonderlich, sonst würde er Euch auch hier Gesellschaft leisten. Kommt mit mir! Dieser Ball ist langweilig!“ Sie musterte mich mit einem sehr ausgiebigen Blick und warf schließlich die Haare zurück. Ich wusste genau, sie dachte in diesem Moment über ihre Möglichkeiten nach – genau gesagt: Sie dachte darüber nach, ob es angenehmer wäre das Lager mit mir oder ihrer derzeitigen Begleitung zu teilen. „Ich hätte nicht gedacht, dass jemand der so jung ist und sicherlich auch Frauen bekommen könnte ohne dafür zu bezahlen, eine Hure zu sich nach Hause nimmt.“ Dies sagte sie vermutlich nur um etwas Zeit zu schinden und sicherzugehen, dass wir von den gleichen Bedingungen ausgingen. Ihre Worte begannen mich zu stören, dennoch lächelte ich, mimte weiter den jungen, gedankenlosen Gecken und erwiderte den Blick ihrer dunklen Augen, bevor ich ihr leise ins Ohr flüsterte: „Ich bin ein großer Freund von Diskretion. Wie seht es bei Euch aus?“ Ihre Halsschlagader war so nah an meinen Lippen, dass ich das Blut beinahe unter der dünnen Haut schlagen spüren konnte. Es war so verlockend es schon hier zu tun, doch der Platz war, direkt vor den Toren des Anwesens, nicht günstig. Sie begann zu lächeln und der Argwohn fiel fast sichtbar von ihr ab. „Ich verstehe, Herr“, „Ich mache euch ein Angebot ohne, dass Ihr den Augenblick mit einem unromantischen „Ja“ oder „Nein“ entweihen müsstet“, schlug ich vor. „Ich werde jetzt meine Kutsche holen. Ich für meinen Teil werde nicht länger hier verweilen. Wenn Ihr bleiben wollt, zwingt Euch nichts in dieser Zeit wieder ins Anwesen und zu Lord Baalzack zu gehen. Wenn ihr jedoch mitkommen wollt, dann bleibt genau hier und ich werde Euch abholen.“ Mit diesen Worten legte ich eine kleine, goldene Münze auf die steinerne Balustrade und entfernte mich in die Dunkelheit. Es war fast zu einfach. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)