Mädchenherz♥ von Jitsch (Ein unfreiwilliger Geschlechterwechsel für Jûdai und seine Folgen) ================================================================================ Kapitel 1: Mädchen tragen Röcke ------------------------------- Hätte ich gewusst, was eine „lustige“ Idee von Johan so alles nach sich ziehen würde, hätte ich vielleicht ganz anders gehandelt. Aber ich war unwissend, und hinterher ist man sowieso immer schlauer. So begann das eigentliche Unglück erst, nachdem ich verwandelt worden war.     „Was… ist passiert?“, stammelte ich. Meine Stimme klang immer noch so seltsam. Anders. Höher. Mika schüttelte ungläubig den Kopf. Das war der Moment, in dem ich an mir herunterschaute und sich die Frage von selbst beantwortete. Brüste… Ich hatte Brüste.   Kapitel 1. Mädchen tragen Röcke    Es dauerte nicht lang, bis mich ein Griff in den Schritt davon überzeugte, dass es nicht nur mein Oberkörper war, der sich verändert hatte. Ich war ein Mädchen. Von Kopf bis Fuß. Während ich noch versuchte, mir irgendeinen Reim daraus zu machen, was gerade passiert war, oder vielmehr, wie es passiert war, hatte Mika schon einen Schritt weitergedacht. „Surrender!“, rief sie eilig. Die Hologramme verschwanden augenblicklich vom Duellfeld. Mika rannte los. Sekunden später erwachte ich aus meiner Schockstarre. Und rannte so schnell es ging hinterher. Ich fragte mich sofort, wie Mädchen nur irgendwie Sport treiben können. Mich nervte es schon nach wenigen Metern, wie meine frisch erschienenen Brüste bei jedem Schritt auf und ab hüpften. Aber es gelang mir, das zu ignorieren. Schließlich musste ich Mika einholen und das war nicht einfach, weil in der rappelvollen Duellhalle überall Leute im Weg standen. Schnell erkannte ich, dass sie auf dem Weg zum Ausgang war. Und sie war ganz schön flink. Ich will mich nicht gerade als Spitzensportler bezeichnen, aber eigentlich hatte ich ein gewisses Selbstvertrauen in meine Fitness. Trotzdem merkte ich schnell, dass sie an Abstand gewann. Und das war schlecht. Also versuchte ich, noch schneller zu rennen und mich dabeikomplett auf sie zu konzentrieren.   Schlechte Idee.   Kaum dass ich auf diese Weise losgeprescht war, stieß ich in vollem Tempo mit jemandem zusammen. Der hatte mich wohl nicht kommen sehen, weil Mika ihn gerade angerempelt hatte und er ihr verärgert hinterher geschaut hatte. Ich konnte nicht mehr bremsen und prallte genau gegen seinen Rücken. In dem Moment kamen mir die Brüste auf einmal doch wieder praktisch vor, der Aufprall war jedenfalls nicht so hart wie ich befürchtet hatte. Mein Gegenüber verlor zwar kurz das Gleichgewicht, konnte sich aber sogleich wieder fangen. Es war Johan. „Was ist denn hier los?“, fragte er vorwurfsvoll und drehte sich zu mir um. Verblüffung machte sich auf seinem Gesicht breit. „Jûdai?“ „Wir müssen das Mädchen verfolgen!“, rief ich und zerrte ihn am Handgelenk in die Menschenmenge. „Wie? Was? Jûdai? Bist du das wirklich?“, brachte er hervor, während ich versuchte, ihn an den vielen herumstehenden Leuten vorbei zu bugsieren und dabei nicht an Tempo zu verlieren. Das funktionierte nicht so richtig, außerdem konnte ich Mika bereits nicht mehr in der Menge ausmachen. „Wo ist sie hin? Hast du es gesehen?“, fragte ich und blieb nach Luft schnappend kurz stehen. Er blinzelte mich an. „Du klingst nicht nur wie ein Mädchen, du siehst auch wie eins aus“, sagte er anstelle einer Antwort. „Johan!“, rief ich verzweifelt. Er schien jedoch anderes im Kopf zu haben. „Sind die echt?“, fragte er und griff nach meiner linken Brust. Ich war viel zu perplex um zu reagieren, da ließ er schon wieder los. Sein Gesicht sah auf einmal ein bisschen rot aus. „Ich glaube schon“, beantwortete er seine eigene Frage.  „Und du trägst keinen BH.“  „Das ist doch jetzt nicht so wichtig! Wo ist das Mädchen hingelaufen?“, drängelte ich. „Ich habe sie aus den Augen verloren, als du mit mir zusammengeprallt bist, sorry.“ Ich seufzte. „Sie kann noch nicht so weit weg sein. Bestimmt ist sie nach draußen gerannt!“, verkündete ich nach kurzem Bedenken und zerrte Johan zur automatischen Eingangstür. Draußen waren überall Menschen, die zwischen den Attraktionen hin und her schlenderten. Aber Mikas auffälliges Pink war nirgendwo auszumachen. „Siehst du sie?“, fragte ich. „Nein…“, sagte Johan und drehte sich zu mir um. „Jetzt erklär mir doch erstmal, was überhaupt los ist.“ Ich seufzte erneut. „Okay, aber unterwegs. Wir müssen diese Mika unbedingt finden!“   Während wir quer durch Kaibaland liefen und hin und wieder Menschen fragten, ob sie ein komplett pink gekleidetes Mädchen gesehen hätten, schilderte ich Johan den Verlauf des Duells mit Mika. „Also Gender Bender hieß die Karte?“, fragte Johan und kratzte sich am Kinn. „Das heißt ja so viel wie Geschlechtswandlung.“ „Ehrlich? Na, das erklärt einiges“, sagte ich und blickte an mir herunter. Johan lachte kurz, wurde dann aber gleich wieder nachdenklich: „Aber sowas habe ich auch noch nie erlebt. Duellgeister schon, aber dass eine Karte einen Mensch so beeinträchtigt ist mir neu.“ Ich musste schlucken, denn diese Formulierung ließ mich an eine Episode in meiner Vergangenheit denken, die ich am liebsten vergessen hätte.  „Ich weiß auch nicht“, sagte ich vage. Johan stupste mich an und riss mich dadurch wieder aus den düsteren Erinnerungen.  „Wir sollten Riesenrad fahren. Von da oben kann man den ganzen Park sehen!“, schlug er vor. Ich stimmte zu. Dass ich an meine Vergangenheit gedacht hatte, war mir schon wieder entfallen, als wir uns für das Fahrgeschäft anstellten.   Wir hatten allerdings mit dem Riesenrad kein Glück. Da nichts darauf hindeutete, dass Mika sich noch im Park befand, verließen wir ihn schließlich, um sie in der Stadt weiterzusuchen. „Außerdem ist nicht mal gesagt, dass sie dich einfach wieder zurückverwandeln kann“, gab Johan zu bedenken als wir in der U-Bahn Richtung Innenstadt saßen. „Du hast ja gesagt, dass sie selbst total erstaunt war, dass das passiert ist.“ „Hey, das klappt schon irgendwie!“, behauptete ich sofort. Dann fiel mir noch etwas ein. „Wir können doch unsere Duellgeister losschicken, damit sie auch suchen! So groß kann die Stadt gar nicht sein, dass wir sie da nicht finden!“   War sie allerdings doch. Es war noch vor 12 Uhr, als wir in der Innenstadt ankamen. Nach einem Zwischenstopp bei Burger World suchten wir ununterbrochen, aber als es langsam zu dämmern begann, hatten weder wir noch die von uns losgeschickten fliegenden Duellungeheuer irgendeine Spur des Mädchens gefunden. „Vielleicht solltest du dich langsam mit dem Gedanken anfreunden, für längere Zeit ein Mädchen zu bleiben“, schlug Johan vorsichtig vor, als wir uns zum wiederholten Mal vom Uhrturmplatz in der Innenstadt entfernten, wo wir uns mit unseren Monstern getroffen hatten. Ich ließ den Kopf hängen. „Jaaa“, murmelte ich. Begeistert war ich nicht gerade, aber mir taten die Füße weh und so langsam glaubte ich auch nicht mehr daran, dass wir Mika noch irgendwie finden würden. „Ja?“, fragte Johan und sah mich irgendwie erwartungsvoll an. „Das war ein ‚Ja‘“, murmelte ich verwirrt. Johan grinste und legte mir einen Arm um die Schultern. „Dann müssen wir jetzt shoppen gehen!“, verkündete er und drehte sich abrupt zu einem Laden um, an dem wir gerade vorbeigekommen waren. Im Schaufenster standen Figuren, die Damenunterwäsche in allen möglichen Farben trugen. „W- was? Wieso das denn?!“, stammelte ich. Johan bugsierte mich mit sanfter Gewalt zum Eingang. „Weil ein Mädchen wie du nicht ohne BH rumlaufen sollte, darum.“   Der eigentliche Grund für den Einkauf ging mir auf, als wir knapp eine Stunde später in Richtung Fähre hetzten. Mit BH hüpften meine Brüste jedenfalls nicht mehr so durch die Gegend wie vorher, und das war schon irgendwie praktisch. „Nicht abfahren!“, schrie Johan, als wir um die letzte Ecke bogen und die Fähre in Sicht kam, die uns zurück zur Duellakademie bringen sollte. Völlig aus der Puste legten wir die letzten Meter in Richtung Kai zurück, wo unser Lehrer Herr Chronos uns mit einer gezückten Taschenuhr in der Hand erwartete. Der Motor des Schiffs lief bereits. „Nunja, Signore, Sie sind ja fast noch pünktlich“, zwitscherte er mit hochgezogenen Augenbrauen, ließ die Uhr in der Tasche verschwinden und dirigierte mich mit einem Klaps auf den Rücken die Gangway hoch. Am Aufgang erwarteten uns schon unsere Freunde Shô, Asuka, Fubuki und Manjôme, die alle ein bisschen genervt aussahen.  „Ihr seid die letzten, wisst ihr das?“, fragte Asuka streng, aber mit einem leichten Schmunzeln. „Ja, tut mir echt leid“, sagte Johan und kratzte sich verlegen am Kopf. Das rief allerdings Stirnrunzeln bei Asuka und ein skeptisches Grunzen bei Manjôme hervor. „Du brauchst Aniki nicht in Schutz zu nehmen, ihr seid doch bestimmt nur wegen ihm so spät dran“, sprach Shô aus was die anderen beiden wohl auch gedacht hatten.   „Signore e Signori, es geht los!“, rief Herr Chronos laut dazwischen. Trotz dieser Ankündigung kam der Ruck, als die Fähre vom Kai zurücksetzte, so plötzlich, dass ich mich an Johan festhalten musste, um nicht zu stolpern. Er grinste mich an, scheinbar war er nicht so leicht aus dem Gleichgewicht zu bringen.   Dann wandte er sich wieder an die anderen: „Es war wirklich meine Schuld, dass wir so spät dran waren“, erklärte er, was unsere Freunde mit skeptischen Mienen quittierten. „Ich habe extra auf die Zeit geachtet und wir sind um halb sechs in der Innenstadt losgegangen, aber …“ Ich unterbrach ihn eilig: „…er ist in die völlig falsche Richtung gelaufen, so dass wir an der falschen Station in die U-Bahn gestiegen sind und nochmal umsteigen mussten. Dabei sind wir vorher dreimal an der richtigen Station vorbeigelaufen!“ Grinsend tätschelte ich Johans Arm, um ihm zu signalisieren, dass ich das nicht so schlimm fand. Als er mich mit dem Ellbogen leicht zurückstupste,schaute ich in die Runde und stellte fest, dass ich nicht nur von Shô und Co. sondern auch noch von ein paar anderen in der Nähe stehenden Schülern intensiv angestarrt wurde. „Was?“, fragte ich verwirrt. „Du bist ja gar nicht Aniki“, sprach Shô es schließlich aus. Manjôme nickte. „Du bist’n Mädchen.“ „Wenn auch nicht besonders kurvig“, fügte Fubuki sofort mit einem Augenzwinkern hinzu. „Aber ich habe Brüste!“, widersprach ich sofort. Fubuki lachte. „Sollte keine Beleidigung sein, Kleine. Du bist süß, dafür gebe ich dir glatt einen Herzschlag-Punkt!“ Asuka boxte ihn genervt in die Seite. „Das ist doch jetzt irrelevant.“ Dann wandte sie sich mit sehr ernstem Blick an mich: „Also, wer bist du?“   „Na, ich bin’s doch, Jû-“, setze ich an, doch Johan unterbrach mich eilig. „Das… ist Jûdais Zwillingsschwester! Sie heißt Jû… äh… Jûjika“, verkündete er lauter als nötig. Als wäre das noch nicht auffällig genug gewesen,  wiederholten Fubuki, Asuka, Shô und Manjôme sogleich überrascht, aber vollkommen synchron: „Zwillingsschwester!?“ Das konnte natürlich auch Herrn Chronos nicht entgehen, der sofort eilig zu uns herüber stolzierte. „Was höre ich da? Anstelle von Signore Jûdai hat sich seine Schwester hier eingeschlichen?“ Er beugte sich zu mir herunter und betrachtetemich eindringlich, wobei er sich mit den dunkel lackierten Fingernägeln über das Kinn strich. „Dann müssen Sie mir aber erklären, warum Sie anstelle Ihres werten Bruders hier sind und vor allem, warum Sie seine Schuluniform tragen, Signora!“ „Nein, eigentlich bin ich…“, setzte ich erneut an, doch Johan fuhr mir erneut in die Parade. „D- das hat alles einen triftigen Grund, Herr Chronos!“, sagte er laut und kniff mir währenddessen unauffällig in die Seite. „Was soll das?“, flüsterte ich verwirrt, während die anderen offensichtlich darauf warten, dass Johan den triftigen Grund etwas näher ausführte. „Vertrau mir, das wird bestimmt lustig“, flüsterte Johan zurück und sah dann wieder unseren Lehrer an. „Also: passen Sie auf“, begann er und stemmte die Arme in die Hüften. „Zuerst mal zu der Frage, warum Jûdai nicht hier ist… Er musste sehr eilig die Stadt verlassen, weil… ja…“ Während er erzählte, ging er nachdenklich im Kreis, während ich ihm genau so gespannt zuhörte wie die umstehenden Schüler, zu denen sich mittlerweile noch ein paar mehr gesellt hatten, die mitbekommen hatten, dass irgendwas Besonderes vor sich ging. „… weil seine Mutter krank ist.“ Akzeptierendes Nicken bei den Zuhörern. Zum Glück hatte ich nie jemandem von meiner Familie erzählt, sonst hätten sie gewusst, dass ich weder eine Zwillingsschwester hatte noch Eltern, die mich kontaktieren würden wenn einer von ihnen krank wäre. „Also, nicht einfach nur krank“, spann Johan seine Lügengeschichte fort, „sondern todkrank. Sie hat nur noch wenige Wochen zu leben, deshalb musste Jûdai einfach zu ihr, um sie wenigstens noch ein letztes Mal zu sehen.“ „Oh, wie ergreifend!“, stieß Herr Chronos aus und holte ein großes geblümtes Stofftaschentuch aus seiner Hosentasche, um sich damit über die Augen zu tupfen. Johan nickte zufrieden, ich dagegen fragte mich langsam, worauf das alles hinauslaufen sollte. Aber Johan hatte im Gegensatz zu mir einen Plan, also musste ich ihn wohl machen lassen.   „Ja, deshalb ist Jûdai jetzt so kurzfristig verschwunden. Aber er wollte natürlich nicht, dass er deswegen in den Disclosure Duels nicht antreten kann und am Ende von der Schule geschmissen wird!“ „D- davor hätte ich auch Angst!“, rief Shô dazwischen. Johan grinste. „Ja, nicht?“ Er fuhr sich einmal durch die Haare und erzählte dann weiter. „Nun ja, also hat er seiner süßen kleinen Schwester seine Schuluniform gegeben, damit sie an seiner Stelle an den Disclosure Duels teilnehmen kann. Irgendwie hatten wir gehofft, ihr würdet gar nicht merken, dass sie nicht Jûdai ist.“ Ja, irgendwie hatte ich wirklich gehofft, dass keiner einen Unterschied bemerkt, aber meine Freunde waren einfach zu schlau. Das bewies Asuka auch sofort, indem sie eine skeptische Frage stellte: „Und Jûjika-san macht es nichts aus, wenn sie in den letzten Lebenswochen ihrer Mutter nicht bei ihr sein kann?“ Johan drehte sich zu mir um und erwarteteoffensichtlich, dass ich mich dazu äußern würde. Verdammt. „Äh… ich… ich …“, stammelte ich auf der Suche nach etwas, was ich sagen konnte. Sonst war ich doch immer so schlagfertig. Johan legte sofort einen Arm um mich und erlöste mich damit von dem Druck, selbst etwas sagen zu müssen. „Die Kleine ist noch ein bisschen durch den Wind. Mir hat sie vorhin erzählt, dass sie Jûdai diese Zeit mit seiner Mutter ermöglichen will, die er in den letzten Jahren nicht haben konnte. Sie wohnt noch zu Hause und hat ihre Mutter in den letzten Jahren immer kränker werden sehen, deshalb ist sie ganz froh, dass sie an der Duel Academia auf andere Gedanken kommt. Sie hat sich auch schon von ihr verabschiedet, deshalb ist sie jetzt natürlich nicht besonders gut drauf.“ Ich nickte bestätigend. Herr Chronos schluchzte noch ein wenig theatralisch vor sich hin, dann wischte er sich ein letztes Mal über die Augen, steckte das Taschentuch weg und sah mich an. „Ist das alles so, wie Signore Andersen sagt, Signora Yûki?“ „J- ja“, sagte ich. Was denn auch sonst?Die Alternative wäre gewesen, zuzugeben dass Johan gerade einem Lehrer und meinen besten Freunden ins Gesicht gelogen hatte. Dass das für keinen von Vorteil wäre, war ja sogar mir klar. Außerdem war ich mir nicht sicher, ob sie die Wahrheit überhaupt glauben würden, schließlich hatten die meisten von ihnen schon Probleme, zu akzeptieren, dass ich die Geister von Duellmonstern sehen und mit ihnen sprechen konnte. „Also gut“, verkündete Herr Chronos nach einer kurzen Denkpause, „letzten Endes müssen Sie das natürlich mit unserem Schulleiter ausmachen. Aber wenn Sie ihm die Geschichte schildern, wird er sicher Verständnis haben.“ Er schniefte noch einmal laut. „Vielen Dank!“, sagte Johan sofort und verbeugte sich artig. Ich machte die Geste nach. Herr Chronos winkte ab undverschwand dann durch die Tür, die ins Innere der Fähre führte. Auch die meisten anderen Schüler verteilten sich schnell wieder auf dem Schiff, so dass uns schließlich nur noch unsere Freunde gegenüberstanden. „Also, sorry, dass sie sich nicht richtig vorgestellt hat. Wir waren ziemlich in Eile“, meinte Johan und sah mich auffordernd an. „Was?“, fragte ich. „Du sollst dich vorstellen.“ Ich versuchte zu lächeln und streckte meine Hand zuerst in Shôs Richtung aus. „Ja, also, ich bin Jûd- äh, Jûjika Yûki. Freut mich, euch… äh… kennenzulernen.“   Als wir die Schifffahrt endlich überstanden hatten und an der Insel anlegten, auf der sich die Duel Academia befand, war es schon dunkel. Ich fühlte mich ziemlich erschöpft, weil vor allem Asuka und Shô die ganze Fahrt über Fragen gestellt hatten. Die meisten hatte Johan beantwortet, bis er sie schließlich damit abgewimmelt hatte, dass ich nach dem Abschied von meiner Mutter noch etwas Zeit für mich bräuchte. Damit war ich aber noch nicht erlöst, denn er hatte mir daraufhin einen Haufen an Dingen genannt, die ich unbedingt beachten müsste, wenn ich mich nicht verraten wollte. Die Hälfte hatte ich eh schon wieder vergessen, als wir an Land gingen.   „Also, ich bringe Jûjika dann mal zum Schulleiter“, verkündete Johan und legte mir zum wiederholten Mal die Hand auf die Schulter. Wir standen noch direkt am Bootssteg, wo das dunkle Wasser ruhig vor sich hin gluckerte. Die Nacht war sternenklar, aber ein bisschen kühl war es schon geworden. „Ich hoffe, er lässt dich hierbleiben, Jucchi“, sagte Fubuki, der sich natürlich sofort einen Spitznamen für mich hatte ausdenken müssen. Asuka verdrehte nur die Augen über das Verhalten ihres Bruders. Shô und Manjôme zuckten die Achseln. „Ich geh dann mal“, verkündete der kleinere Shô und schlurfte in Richtung Osiris Red Unterkunft davon. Manjôme folgte ihm wortlos, nachdem er mir noch einen verachtungsvollen Blick zugeworfen hatte. Asuka sah ihnen ein bisschen verärgert nach, dann seufzte sie und wandte sich wieder an uns. „Soll ich euch den Weg zum Büro von Herrn Samejima zeigen?“, bot sie an. Ich winkte ab. „Wieso, ich weiß doch, wo -“, setzte ich an und handelte mir damit ein, dass Johan mich mal wieder in die Seite kniff. „Ich weiß doch, wo das Schulleiterbüro ist“, sagte er. Asuka verschränkte die Arme. „Du bis am ersten Tag zu spät gekommen, weil du dich in der Schule verlaufen hattest“, erinnert sie ihn, „und hast gesagt, du hättest keinen Orientierungssinn.“ Johan schüttelte eilig den Kopf. „Das schon, aber ich bin ja jetzt eine Woche hier und kenne mich langsam gut genug aus! Ich komme nur mit unbekannten Orten nicht klar.“ Asuka zuckte die Achseln. „Gut, wenn du meinst.“ Sie lächelte mich aufmunternd an und legte mir die Hand kurz auf die Schulter. „Keine Sorge, du wirst dich bestimmt bald einleben“. Ich nickte. Johan hakte sich bei mir ein und zog mich langsam in Richtung Hauptgebäude. „Also, wir sehen uns!“, sagte er und winkte nochmal kurz. „Mach’s gut, Jucchi!“, rief Fubuki und winkte übermütig. Johan seufzte an meiner Seite. „Mir war nicht klar, dass der so ein Weiberheld ist“, sagte er leise. Ich schaute nochmal über meine Schulter zurück, was Fubuki bemerkte und mir noch einmal zuzwinkerte. „Er sagt immer, dass er zu Mädchen einfach nett sein muss“, erklärte ich.   „Äh, Johan, das ist die falsche Richtung.“ Ertappt blieb mein blauhaariger Freund im Gang stehen und drehte sich wieder zu mir um. Er lachte leise. „Das wusste ich natürlich!“, behauptete er sofort und zog mich in die entgegengesetzte Richtung, in der das Schulleiterbüro lag. „Du hast echt keinen Orientierungssinn, oder?“, hakte ich nach. Johan lachte nur verlegen.   Wir hatten schon unterwegs beschlossen, dass wir Herrn Samejima die ganze Geschichte erzählen würden. Johan hatte mir auch erklärt warum, aber das hatte ich wieder nicht so ganz behalten. Irgendwie hatte es damit zu tun, das wir für die Disclosure Duels alle so ein Armband – genannt Dis-Belt – bekommen hatten, das wir nicht abnehmen konnten und das irgendwelche Daten über uns aufzeichnete. Unser Schulleiter hörte uns geduldig zu, während ich zum zweiten Mal an diesem Tag schilderte, wie es zu der seltsamen Verwandlung gekommen war. Anschließend führte Johan aus, was er den anderen für eine Story erzählt hatte. „Gut, ich verstehe. Dann ist es natürlich sinnvoll, wenn wir diese Geschichte beibehalten“, sagte Herr Samejima und stand von seinem Schreibtischstuhl auf, um durch die große Fensterfront über die nächtliche Insel zu blicken. Ich seufzte resigniert. „Herr Samejima, das schaffe ich nie! Ich bin kein guter Schauspieler!“ Der füllige Mann drehte sich langsam um und musterte mich mit hochgezogenen Brauen. „Dann sieh es als Herausforderung, junger Mann… oder eher, junge Dame.“ Ich blickte zu Boden. „Du hast ja mich“, mischte sich Johan ein und legte mir einen Arm um die Schultern. „Ich passe einfach auf, dass du dich nicht verplapperst. Solange wir zusammen sind, kann also nichts passieren.“ Samejima nickte zufrieden. „Ich verlasse mich auf Sie, Andersen-kun. Dann müssen wir nur noch ein paar Kleinigkeiten klären.“   Die paar Kleinigkeiten waren Dreierlei.   Erstens, das Haus. Johan wäre es am liebsten gewesen, ich käme nach Obelisk Blue wo er ein Auge auf mich haben konnte, aber Samejima wiegelte ab, dass ich dort sowieso in der separaten Mädchenunterkunft wohnen würde. Er steckte mich nach Osiris Red, wo ich in das Dreierzimmer ziehen sollte, in dem bisher nur Rei wohnte. Das entspräche ja auch der Intention, Jûdais Stelle einzunehmen, außerdem hätte ihm schon von Anfang an nicht gefallen, dass Rei dort das einzige Mädchen war.   Zweitens, mein Deck. Samejima und Johan waren sich einig, dass ich sofort auffliegen würde, wenn ich weiterhin mit meinem Heldendeck spielte. Außerdem würde das nicht zu einem Mädchen passen. Also bot mir Johan an, das Deck zu benutzen, das er früher gespielt hatte. Seltsamerweise hatte Samejima daran nichts auszusetzen, also musste ich ihm schweren Herzens mein E-HERO-Deck aushändigen und bekam Johans altes Papillon-Deck überreicht.   Drittens, die Schuluniform. Johan war der Meinung, dass ich auf keinen Fall in Hose rumlaufen dürfte, weil ich sonst zu sehr wie ich selber aussehen würde. Samejima war auch dafür, dass ich mich als Jûjika nicht so kleiden sollte wie als Jûdai und schickte uns in einen Raum im Erdgeschoss, wo neue Schuluniformen lagerten.   „Ich will aber keinen Rock tragen!“ Johan ließ seufzend das Kleidungsstück in seinen Händen sinken. „Wieso denn nicht? Was spricht gegen einen Rock?“, fragte er. Ich überlegte. „Ich hab in meinem Leben noch nie einen Rock getragen!“ „Natürlich, als Junge macht man das ja auch nicht. Aber als Mädchen eben schon!“ Damit hielt er mir den kurzen weißen Rock wieder hin. Ich griff zögernd danach. „Probier ihn wenigstens erstmal an“, sagte Johan. „Okay…“, sagte ich langsam und öffnete den Reißverschluss meiner Hose.  „Sp- spinnst du?“, stieß Johan aus und drehte sich eilig mit dem Rücken zu mir. „Hä? Was denn?“, fragte ich. Johan gab ein Geräusch vor sich, das halb wie ein Seufzen und halb wie ein Stöhnen klang. „Du bist jetzt ein Mädchen, also benimm dich auch entsprechend“, murmelte er. Ich schüttelte meine Schuhe ab und zog die Hose ganz aus. „Was meinst du denn?“ „Zum Beispiel, dass normale Mädchen sich nicht umziehen würden, wenn ein Mann im Raum ist“, sagte er deutlich genervt. Ich zog den Rock an meinen Beinen hoch und machte den Reißverschluss zu. „Aber du weißt doch, wer ich eigentlich bin“, meinte ich. Johan drehte sich zu mir um und betrachtete mich, dann griff er nach dem Rock und rückte ihn etwas zurecht. „Okay, das sollte gehen“, sagte er, ohne das Thema nochmal aufzugreifen, „aber du solltest dir die Beine rasieren.“   Als wir zur Osiris Red Unterkunft kamen, war es schon fast 9 Uhr Abends. Manjôme saß in der Sitzecke. Er blätterte lustlos in einer Zeitschrift und versuchte dabei, seine Monster, die Ojama-Brüder, zu ignorieren, die um seinen Kopf herumschwebten und ihm am laufenden Band irgendwelche Fragen stellten. Rei kam die Treppe herunter, kaum dass wir den Raum betreten hatten. „Hey, ich fass es nicht, ein Mädchen in Osiris Red!“, rief sie und kam gleich auf mich zu, um mir die Hand zu schütteln. „Ich bin Jûd- äh, Jûjika Yûki“, sagte ich. Rei musterte mich. „Dann bist du mit Jûdai-sama bestimmt verwandt“, meinte sie. „Ja, sie ist seine Zwillingsschwester“, mischte sich Johan ein, „und sie soll zu dir ins Zimmer ziehen.“ Rei lächelte. „Das ist toll. Als einziges Mädchen in Osiris Red fühlt man sich schon manchmal etwas einsam!“ „Das merkt man dir aber nicht an“, sagte ich. Rei wirkte etwas verwirrt. „Wir haben uns ja auch gerade erst getroffen.“ „Oh, ähm, ja, stimmt. War nur so’n Gefühl“, beeilte ich mich zu sagen. Ich meinte, Johan neben mir seufzen zu hören.   „Also, ich wollte gerade baden gehen, möchtest du mit? Wir haben hier ein richtig schönes Spa“, sagte Rei und machte eine Kopfbewegung  in Richtung Bad. Deshalb hatte sie also ein Handtuch unter den Arm geklemmt. „Au ja, gerne“, sagte ich sofort, denn der Gedanke an ein schönes warmes Bad gefiel mir nach dem langen Tag richtig gut. Außerdem gehörte zu der Mädchenschuluniform nur ein Oberteil ohne Ärmel, da war mir auf dem Weg hierher schon etwas kalt geworden. Johan räusperte sich. „Sicher?“, fragte er. Ich drehte mich zu ihm um. „Ja, klar!“ Er hob die Augenbrauen. „Ja, stimmt, es ist ja ganz normal wenn zwei Mädchen zusammen ins Bad gehen“, sagte er in einem Tonfall, den ich nicht so richtig deuten konnte. „Ganz genau!“, bestätigte ich und drehte mich zu Rei um. „Also los!“ Sie nickte freudig und setzte sich Richtung Bad in Bewegung. Ich drehte mich nochmal um. „Also, gute Nacht, Johan“, sagte ich. „Gute Nacht“, sagte er mit einem Gesichtsausdruck, der so aussah als hätte er Zahnschmerzen.   Das war der Abend, an dem ich lernte, wie man sich die Beine rasiert und an dem ich erfuhr, wieso in unserem Bad zwei Haarwaschmittel (Shampoo und Conditioner) stehen.   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)