Let's Talk von dumm ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Es ist ein weißer BMW, er glänzt im milden Sonnenlicht und manchmal glaubst du, dass er extra die Waschstraße besucht, bevor er diese Einfahrt hochfährt. Sein Auftreten ist immer gepflegt, auffällig adrett und manchmal riecht er noch nach angenehmen Rauch. Kein Zigarettenrauch, es erinnert dich mehr an eine Zigarre, oder eine Pfeife – du weißt von beidem nicht, wie es denn nun genau in der Luft schmeckt; aber es ist eine ziemlich sichere Vermutung. Immer trägt er diesen weißen Fedora und eine dünne, schwarze Krawatte. Sein Gesicht ist stets rasiert und du bist dir sicher, dass er älter ist, als er aussieht. Du weißt nicht wieso genau er hier immer herkommt. Du weißt nur, dass der Kuchen, den er bringt, immer unglaublich perfekt ist. Du hast noch nie ein Wort mit diesem Mann gewechselt und dennoch ist er dir sympathisch. Ein großes Mysterium von einem attraktiven Mann, dessen Kleidungsstil dir vielleicht zu denken geben sollte; aber stattdessen erheitert dich sein Erscheinen immer ein wenig auf. Heute gibt es Apfelkuchen und du glaubst, ihn gleich noch ein weiteres Stückchen zu lieben. Du liebst Apfelkuchen und wenn dieser Mann diesen Kuchen tatsächlich selbst backt, dann ist er ein verdammter Gott darin. Am liebsten würdest du ihn fragen, ob er das nächste Mal wieder einen Mitbringen würde. Aber du tust es nicht. Statt einem Stück stibitzt du dir zwei und bereust es absolut gar nicht und verschwindest dann wieder ungesehen in das kleine Zimmer, dass du eigentlich gar nicht dein Eigen nennen möchtest. Du weißt nicht, welcher Tag heute ist und du hattest auch keine Lust gehabt auf die Uhr zu sehen um zu erfahren, wie spät es ist. Dein Kopf dreht sich, dir ist schlecht und deine Augen schmerzen noch immer viel zu sehr. Du hast das Zeitgefühl verloren, bist irgendwann im Laufe des Tages aufgewacht und das erste was du getan hast war still zu weinen; dann hast du kotzen müssen und danach wollten die dummen Tränen immer noch nicht aufhören. Du fühlst dich einsam, fürchterlich einsam. Er fehlt dir; er fehlt dir so sehr und du willst nicht hier sein. Die Leute hier sind alle nett und freundlich zu dir, doch du fühlst dich so fehl am Platz. Du gehörst hier nicht hin. Du gehörst zu deinem Bruder. Aber dein Bruder wird dich nie wieder in die Arme nehmen, wird dir nie wieder deinen sommersprossigen Hintern versohlen und wird nie wieder irgendein Wort zu dir sagen. Dein Bruder ist tot. Und du kannst damit nicht umgehen. Der Schock sitzt immer noch so tief und hat deutliche Spuren bei dir hinterlassen. Dir ist kalt und du glaubst, dass du zitterst. Die Decke um deine Schultern hilft nicht und vielleicht liegt es auch einfach daran, dass du auf den Monitor deines Handys starrst und das Bild aus Kindertagen betrachtest. Du lachst und er lächelt milde und du weißt, wie viel es aussagte, wenn er lächelte. Du beißt dir auf die Zähne und du vermisst ihn und die kannst die Tränen nur schwer zurückhalten. Du hasst dieses Haus, du hasst diese Leute hier auch wenn du weißt, dass sie dir nichts Böses tun wollen; du kannst sie einfach nicht leiden, weil sie versuchen wollen dein Zuhause zu sein aber so weit verfehlen. Das hier ist nicht dein Zuhause und das hier wird nie dein Zuhause sein. Weg, du willst einfach nur weg. Das Handy landet auf deiner Matratze, du ziehst die Decke über den Kopf und machst dich so klein, wie du nur kannst. Du weißt nicht, wie viele Minuten, oder Stunden, du so sitzen bleibst, aber es kommt dir wie eine Ewigkeit vor, ehe du dich wieder beruhigst. Du hasst es. Du hasst diese Phasen und diese Schwäche, aber noch viel mehr hasst du, dass dein Bruder nicht bei dir ist. Du hasst es alles so sehr. Zum Glück kann dich hier niemand sehen. Es klopft an deine Tür und du zuckst zusammen. Du hörst eine tiefe Männerstimme hinter der Tür sprechen, die ankündigt, dass sie eintreten würde. Vorsichtig ziehst du die Decke von deinem Kopf und bist froh, dass du immer eine Sonnenbrille trägst und deine verweinten, vermutlich inzwischen rot in roten Augen nicht präsentieren musst. Du blickst zur Tür und du vermutest damit, dass es nur einer der Pfleger; Aufpasser, oder wie man sie auch immer nannte, war, der dir sagen würde, dass du doch runter zum Essen solltest. Das erste was du sahst, war ein Teller mit zwei Kuchenstücke. Apfelkuchen. Du hebst den Blick und dann wird dir klar, dass Mister Egbert; so nannte ihn hier jeder, eintrat und dir ein leichtes Lächeln schenkte. »Ich hab dir Kuchen mitgebracht. Stör ich dich?« Seine Stimme ist ruhig und beherrscht wie immer. Tief und männlich und doch unglaublich beruhigend. Er wirkt wie ein Vater; wie ein verdammt guter Vater. Du hattest nie einen Vater gehabt. Zumindest keinen, an den du dich erinnern konntest. Du schüttelst langsam den Kopf. Es ist in Ordnung, wenn er da ist. Du glaubst eh, dass er dich ohne Probleme durchschauen konnte. Er hatte diese Aura an sich; diese Aura die einem sagte, dass man nichts vor ihm verstecken konnte. Und gleichzeitig wirkte er so beruhigend. »Kann ich mit dir reden?«, fragte er, nachdem er die Tür hinter sich geschlossen hatte und in das Zimmer getreten war. Du zögerst, nickt dann jedoch trotzdem. Vielleicht hast du nicht nachgedacht, vielleicht tut es dir auch einfach mal gut, die Probleme von der Seele zu reden. Mister Egbert setzt sich auf den kleinen Schreibtischstuhl und ihr sitzt euch gegenüber. Die Decke ist noch immer über deinen Schultern und inzwischen glaubst du, dass sie dich sogar wärmt. Dein Blick wandert kurz zu dem Kuchen, den er auf den Schreibtisch abgestellt hat. »Es freut mich, dass du meinen Kuchen magst.« Er schenkt dir ein warmes Lächeln und gibt dir keine Zeit zum Antworten. »Mein Name ist James Egbert.; wahrscheinlich weißt du das schon, aber ich denke, dass es wichtig ist, mich persönlich vorzustellen.« Du wusstest bis eben nicht, dass er James mit Vornamen hieß. 'dave strider', tippst du in dein Handy und zeigst es ihm. Er lächelt und du glaubst, dass er schon lange weiß, wie du heißt. Du lasst das Handy wieder sinken und tippst erneut etwas ein und er schweigt, lässt dich machen. 'vielen dank für den kuchen. Ich mag apfelkuchen.' »Und Apfelsaft, hm?« Er zieht die Augenbrauen etwas hoch und grinst etwas. Ein kurzes unkontrolliertes Lächeln huscht über deine Lippen und du nickst leicht. »Du siehst traurig aus«, sagt er langsam. »Ich möchte dich aufheitern. Hast du Lust mit mir in einen Freizeitpark zu gehen?« Du siehst ihn mit großen Augen an und dann beißt du dir auf die Lippen, ehe du zögerlich nickst. Erstaunlich wie sehr dich diese einfache Frage berührt hatte. Du hattest vor drei Minuten keine Lust auf so etwas gehabt; aber irgendwie war es jetzt wie die beste Idee seit Monaten. »Ich warte unten beim Auto auf dich. Falls du dich noch umziehen möchtest, oder so.« Du glaubst nicht, dass es eine Aufforderung gewesen war, aber vermutlich war es eine gute Idee. Herr Egbert verlässt dein Zimmer und du ziehst dich um; bist im einen aufgeregt, im anderen verwirrt und irgendwo immer noch traurig. Deine Augen sind schwer und schmerzen und du hoffst wirklich, dass das ein schöner Tag werden würde. Klar, es war komisch, du kanntest ihn nicht wirklich und eigentlich war er nur ein flüchtiger Bekannter; vielleicht sogar noch ein Fremder, aber dennoch schien dir nichts falsch an der Sache vorzukommen. Du brauchst das; das spürst du. Sein Auto war sauber und es hatte einen eher neutralen Geruch. Du bist froh, dass keiner dieser dämlichen Duftbäume hier drin hing. Die hast du nie gemocht und die haben nur dazu geführt, dass das Auto tatsächlich stank. Das Radio läuft leise im Hintergrund und er erzählt dir, dass er schon seit Jahren hier her kommt und dass er sich immer freut, wenn der Kuchen Anklang findet. Er erzählt dir, dass du ihm aufgefallen bist; wegen deinen außergewöhnlich hellen Haaren und der Tatsache, dass du immer eine Sonnenbrille trägt. Mister Egbert sagt, dass er das cool findet und gluckst darauf hin leise. Du lächelst und dir wird etwas warm im Gesicht. Es ist dir nicht peinlich und du glaubst nicht, dass er sich über dich lustig macht. Er erzählt dir, dass er es wichtig findet, dass du mal raus kommst und andere Dinge tust als in deinem Zimmer zu versauern. Und er sagt, dass er sich freut mit dir dort hin zu gehen. Du willst weinen und ihn umarmen. Tust es aber nicht. Er fährt zusammen mit dir in der Achterbahn und du findest das lustig und bewundernswert. Danach stützt du ihn die ersten Augenblicke, damit er seinen Kreislauf wieder in Ordnung bekommt. Und du grinst ihn schließlich amüsiert an. Das Grinsen steht dir, sagt er und spendiert dir ein Eis. Du hast unglaublich viel Freude mit ihm; ihr probiert so gut wie alles an und du glaubst, dass du gar nicht mehr daran gedacht hättest, dass man einen Tag so schön verbringen konnte. Du hast Spaß, er hat Spaß. Es ist ein schöner Tag und du findest es schade, dass ihr vermutlich bald heimgehen werdet. »Ich war oft mit meinem Sohn hier«, sagt er und blickt in die Ferne. Ihr steht an einem Geländer und du hattest bis eben noch die Leute in dem Looping betrachtet. Du drehst den Kopf zu ihm und blinzelst kurz. 'du hast einen sohn?', tippst du in dein Handy und zeigst es ihm. »Er ist vor drei Jahre bei einem Autounfall ums Leben gekommen.« Du fühlst dich plötzlich schlecht. 'tut mir leid. ich wollte keine wunden aufreißen' »Tust du nicht. Inzwischen kann ich ohne Probleme darüber reden. Ich vermisse ihn immer noch sehr; aber ich kann damit umgehen. Er wird immer mein Sohn bleiben, auch wenn er nicht mehr hier ist.« Du beißt dir kurz auf die Lippen und tippst dann etwas in dein Handy. Du willst wissen, wie sein Name war. »John«, antwortet er und dann fragt er, wie alt du im Moment bist. Du zeigst ihm erst deine zehn Finger, dann sieben. Ihr zwei wärt ungefähr gleich alt gewesen, sagt Herr Egbert darauf. Er sagt dir, dass er ein guter Junge gewesen war. John war kurzsichtig gewesen, hatte Ghostbuster und Übernatürliches geliebt. Und du warst Jahre lang davon überzeugt gewesen, dass er Clowns geliebt hätte. James erzählt dir, dass er das aber gar nicht getan hatte. Er lacht kurz darauf und du findest ihn bewundernswert. Du hast unglaublich großes Respekt vor diesem Mann und das wird dir jetzt besonders bewusst. John hatte schwarzes Haar und strahlend blaue Augen. Er hatte eine Zahnspange getragen und in seinen Kindertagen gelispelt. Er hatte viele Filme gesehen und Nicolas Cage und Matthew McConaughey verehrt. Du gibst ein stummes Glucksen von dir. Er sagt dir, dass es gut tut darüber zu reden. Über Personen die man vermisst; über alles was passiert ist. Das macht vieles einfacher, will er dir weiß machen. Ihr fahrt Nachhause und es ist still. Er setzt dich ab und sagt dir, dass es ein sehr schöner Tag gewesen war und hofft, dass es dir auch so erging. Du schenkst ihm ein kurzes Lächeln und zeigst ihm dein Handy in dem ein simples 'vielen dank herr egbert' steht. Du winkst ihm, gehst zurück in das Heim, dass seit dem Tod deines Bruders dein „Zuhause“ ist und legst dich recht bald in dein Bett. Du starrst an die Decke und denkst nach. Es vergehen ein paar Tage und du ertappst dich selbst dabei, wie du immer wieder aus dem Fenster in die Einfahrt guckst und hoffst, dass Herr Egbert wieder kommen würde. Du kritzelst auf einem Blatt herum, hört plötzlich den Motor eines Autos und blickst aus dem Fenster, entdeckst einen weißen BMW. Du siehst zu, wie er aussteigt und dann verlässt du, ganz cool und lässig, dein Zimmer. Du betrittst den Speisesaal, ignorierst die anderen Kinder die sich freuen und trittst schließlich zu Mister Egbert, der gerade mit einem anderen Kind spricht, und stupst ihn vorsichtig an. Er dreht sich zu dir, ein Lächeln erscheint auf seinem Gesicht und er nennt deinen Namen. Er freut sich. Du zeigst ihm sein Handy, auf dem nur drei Worte stehen. 'lass uns reden' Er ist überrascht und dann nickt er, schenkt dir ein unglaublich warmes Lächeln. »Gern«, antwortet er. Du hast mit niemand darüber geredet. Niemand hatte irgendetwas erfahren, weder die netten Krankenschwestern, noch die Psychologen oder die Leute, die sich in diesem Haus um alles kümmerten. Du hattest es nicht sagen können und ihre Fragerei hat dich nur noch verzweifelter werden lassen. Nie hattest du darüber reden wollen. Aber James Egbert war anders gewesen. Er hatte dich nicht gefragt, was los sei. Er war immer freundlich und ruhig geblieben und hatte angefangen von sich zu erzählen. Und du glaubst, dass es langsam Zeit wurde, darüber zu reden. Das hatte er dir am Rande mitgeteilt, aber er hatte dir nicht gesagt, dass du es ihm sagen solltest. Aber du wolltest es ihm sagen. Ihr sitzt euch gegenüber, in deinem Zimmer und du tippst auf deinem Handy herum. Du willst nicht viel herum reden; du willst das Wichtigste sagen. 'ich hab angst' schreibst du auf dein Handy und zeigst es ihm. Er fragt mit seiner ruhigen Stimme wovor du angst hast. 'vor der zukunft.' »Wieso?«, möchte er wissen. 'ich weiß nicht was ich tun soll ich vermisse meinen bruder ich fühl mich so einsam seitdem er weg ist hab ich keine zukunftspersepektive mehr' Du beißt dir hart auf die Lippen. Du willst nicht weinen. Du willst nicht diese Schwäche zeigen. 'es ist als hätte man mir meine stütze weggerissen' Du schniefst hörbar durch die Nase. Er antwortet nicht und du siehst auf deine Knie und bemerkst ihn erst, als er sich neben dich setzt. Du kannst seinen Arm um deine Schultern spüren und du musst feststellen, dass es sich furchtbar gut anfühlt. Dir gefällt die Wärme der Nähe. »Ich weiß wie das ist, wenn einem alles unter den Füßen weggenommen wird. Aber du musst wieder aufstehen, Dave. Du kannst nicht liegen bleiben und dich vergammeln lassen. Ich weiß, dass es schwer ist, aber wenn du es schaffst aus diesem Loch zu klettern, fühlt sich alles besser an.« 'ich vermisse meinen bruder so unglaublich er war immer für mich da und hat mich aufgezogen ich hab alles von ihm gelernt über das leben und generell einfach alles und jetzt ist er fort und hilft mir nicht weiter' James drückt dich etwas an sich und du kämpfst noch immer gegen die bitteren Tränen in deinen Augen. »Ich versteh dich«, sagt er leise und du weißt, dass er die Wahrheit sagt. »Möchtest du mir erzählen, was passiert ist?« Du schluckst und nickst dann leise. 'ich kann mich nicht mehr so richtig erinnern, die erinnerungen an den tag sind alle so verschwommen da war blut unheimlich viel blut ich hatte ihn gesucht hatte seinen namen gerufen und er hatte nicht geantwortet er er hat einfach nichts gesagt und dann hab ich ihn gesehen und er lag da und hat sich nicht bewegt hat in den himmel gestarrt und sonst nichts gemacht er lag da einfach nur und ich konnte ihm nicht helfen stand hilflos daneben und hab geweint und da war so viel blut sein blut und' Dir fällt das Handy aus den Händen und im nächsten Moment drückst du deine Stirn gegen seine Halsbeuge, krallst dich in sein sauberes Hemd und weinst. Die Tränen fallen gegen die dunklen Scheiben deiner Sonnenbrille und du reißt den Mund auf und schreist. Kein Wort will über deine Lippen treten, du schreist wortlos und du denkst an das Blut und an deinen toten Bruder und du willst dass es aufhört. Du willst aufwachen und deinen Bruder umarmen und ihm sagen dass du ihn so vermisst hast. Du willst dass er dich auslacht und sagt, dass du weniger Gruselfilme ansehen solltest. Das schlimme an der Sache ist, dass du weißt, dass du niemals aus diesem Traum names Realität aufwachen würdest. Dein Brüder würde dich nie wieder auslachen und würde dich auch nie wieder umarmen. Aber Egbert tat es. Du spürst seine großen Hände an deinem Rücken, hörst seine leisen Worte, dass es okay sei zu weinen und dass du es einfach raus lassen solltest. Er sagt das hilft. Du bleibst einige Minuten in der Position, hörst dem Puls des Mannes zu und irgendwann glaubst du, dass es eine fürchterlich beruhigende Wirkung auf dich hat. Du ziehst die Brille aus, wirfst sie aufs Bett und wischt die in selber Position die Tränen aus dem Gesicht. Er lässt die Umarmung los und du setzt dich hin, wischt dir mit dem Handrücken erneut über die Wangen und schniefst leise. Du siehst ihn nicht an, betrachtest die Matratze und spürst seine Hand in deinen Haaren. »Du musst dich nicht schämen«, sagt er und schenkt die ein Lächeln. Du hebst den Blick und siehst zu ihm und bemerkst, dass seine Augen wässrig wirken. Oh Gott, du willst ihn nicht traurig machen. Du greifst zu deinem Handy und tippst eine Entschuldigung ein. Er sagt dir, dass es nichts gibt, wofür du dich entschuldigen musst. Und dann fragt er, ob es noch etwas gibt, was du ihm sagen willst. Du nickst und schreibst ihm, dass du oft Albträume hast und dass du eine schöne Kindheit gehabt hattest. Du sagst ihm, dass du gern gerappt hattest und dass du manchmal hier sitzt und versuchst es zu tun und dass du einfach kein Wort heraus bekommst. Du sagst, dass du weißt, dass viele denken, dass du nur nicht mit ihnen reden willst und oft ist das auch so; aber du sagst ihm auch, dass du es nicht mehr kannst; dass kein Wort über deine Lippen kommt und dass du nicht weißt, wieso. Er sagt, dass er glaubt, dass es von dem Schock kommt und du stimmst ihm schweigend zu. Du sagst ihm, dass du deine Stimme vermisst. Statt zu antworten umarmt er dich. Er flüstert dir ins Ohr, dass du auch ohne Stimme ein wundervoller Mensch bist und dass dein Körper für dich spricht. Er sagt dir, dass er dir helfen möchte, wenn du seine Hilfe brauchst und annehmen möchtest. Auch wenn du dir auf die Zähne beißt und versuchst dich zurück zu halten, kannst du es nicht verhindern, dass du trotzdem weinen musst. Er würde dir jeden Tag Apfelkuchen backen, wenn dich das aufheitern würde. Du gibst ein lautloses Lachen von dir und musst danach noch stärker weinen. Er hat dir nicht jeden Tag Apfelkuchen gebacken. Aber das war in Ordnung, das hattest du gar nicht gewollt. Am Schluss würdest du ihn irgendwann nicht mehr essen können und das willst du verhindern. Du ziehst die Jacke etwas enger, siehst dich unsicher um und sucht dann das Klingelschild. Sein Nachname ist eingraviert und wenigstens weißt du, dass du hier richtig bist. Es ist ein großes Haus; fast schon eine Villa. Vielleicht ist es sogar eine Villa; vielleicht aber auch nur ein großes Familienhaus. Du bist dir nicht sicher. Du atmest tief durch und klingelst. Du hattest erfahren, wo er wohnt und du hattest irgendwann erfahren, wann sein Sohn Geburtstag hatte ist. Du hast die Herrin deines Wohnhauses über ihn ausgequetscht und sie hat es dir irgendwann verraten. Du willst nicht, dass er heute allein ist. Er hat dir geholfen, also willst du ihm helfen. Es öffnet niemand und dir kommt der Gedanke, dass er vielleicht gar nicht Zuhause ist. Vielleicht ist er bei Verwandten; vielleicht ist er Einkaufen, vielleicht ist er auch bei dem Grab seines Sohnes. Du ärgerst dich, weil du dich hättest schlau machen sollen, aber du wolltest ihn überraschen. So wie er dich immer überrascht hatte. Es ist kalt, aber das ist dir egal. Du setzt dich an die Tür schlingst die Arme um dich und wartest. Du weißt nicht, wie lange du warten musst und nach einigen Minuten bemerkst du, dass du fürchterlich müde bist. Und dann nickst du einfach ein, bis dich eine vertraute Stimme weckt. »Dave. Dave wach auf.« Du blinzelst und es dauert einige Wimpernschläge, bis du wieder klar sehen kannst. Im ersten Moment bist du verwirrt und weiß nicht, wo du bist, ehe es dir wieder einfällt. James lächelt dich an und reicht dir eine Hand. »Komm hoch – und rein; nicht dass du dich erkältest.« Er sperrt das Haus auf und du trittst ein. Und dir wird sofort warm. Du atmest erleichtert auf als du die Wärme spürst und siehst zu Herr Egbert, der seine Schuhe auszieht. Du tust es ihm gleich. Danach holt er dir fluffige Hausschuhe aus einem Schrank. Du willst erst annehmen, glaubst dann aber, dass sie von seinem Sohn waren und es eine Ehre war, wenn er sie dir anbot. Du ziehst sie an und folgst ihm ins Wohnzimmer. »Was machst du hier?«, fragte er dich, nachdem er dir einen warmen Kakao in die Hand gedrückt hatte. Du betrachtest das Getränk, stellst es dann weg und holst dein Handy aus der Hosentasche. 'ich wollte dich nicht allein lassen', sagst du. Er schenkt dir ein Lächeln, dass du noch nicht von ihm gesehen hattest. Du glaubst, dass es Dankbarkeit war; das seine Lippen widerspiegelte. »Danke Dave, das bedeutet mir sehr viel.« Du zögerst einen Moment. 'kann ich hier bleiben?' Natürlich kannst du das, sagt er. 'nein, ich meine für immer' Er starrt einige Augenblicke auf die Nachricht und blickt dann fragend zu dir. Du ziehst das Handy wieder zu dir und schreibst weiter. Es ist einfach auf dein Handy zu gucken, während du das tippst. 'ich möchte bei dir bleiben' ist deine Erklärung. Er schweigt und scheint nicht so recht zu wissen, was er sagen soll. Vorsichtig erhebst du dich von dem Sofa, legst das Handy auf den Tisch und kniest dich vor ihn, greifst zu seiner Hand. Du willst ihm sagen, dass er eine wundervolle Person ist. Willst ihm sagen, dass er so viel in deinem Leben verändert hat und du willst ihm sagen, dass du bei ihm bleiben möchtest. Dass du dich bedanken möchtest, dass du seine Nähe liebst. Vorsichtig küsst du seinen Handrücken und du hoffst, dass er eine Hand nicht weg ziehst. Er tut es nicht, sagt stattdessen deinen Namen und sagt, dass du dich nicht vor ihn knien sollst. Du steht nicht auf, bewegst dich jedoch um deine Brille abzuziehen. Deine Brille war nicht nur ein Schutz vor der Helligkeit sondern viel mehr ein Schutz vor anderen; die deine Verzweiflung in deinen Augen nicht sehen sollten. Er legt seine Hände an deine Wangen und du siehst zu ihm hoch, betrachtest sein schönes Gesicht. Du bewegst deine Lippen und sagst ihm lautlos, dass du ihn küssen möchtest; sagst ihm, dass du nicht willst, dass er allein ist. Er öffnet seine Lippen ein Stück und du kannst sehen, wie er einen Moment zögert, ehe er sich zu dir herunter beugt. Du streckst deinen Kopf in seine Richtung und nach ein paar nervösen Augenblicken drückst du deine Lippen auf seine. Eine seiner Hände wandert zu deinem Hinterkopf und du schließt deine Augenlider und du glaubst, dass das hier deine neue Zukunft sein wollte. Du willst hier bleiben, wolltest ihn küssen, wolltest ihn lachen sehen und wolltest mit ihm reden; auf deine ganz eigene Art und Weise. Dein Bruder wäre stolz auf dich. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)