Last Ride Of The Day von Riandra ================================================================================ Kapitel 3: Ruhe vor dem Sturm? ------------------------------ Tuomas hatte sich leicht an die Wand des Flurs zur Eingangstür gelehnt, während er auf Anette wartete und immer noch leicht fassungslos wirkte, weil er einfach nicht genau wusste, wie es eigentlich zu dieser Situation gekommen war. Sie waren nun weitere vier Tage in der Pension, in der Tuomas gemerkt hatte, dass Anette immer betrübter wirkte und irgendwie gefiel ihm das gar nicht. Er wollte seine Sängerin aufmuntern und ehe er darüber genau nachgedacht hatte, hatte er die Schwarzhaarige einfach gefragt, ob sie nicht Lust auf eine Shoppingtour in der Stadt in der Nähe hätte. Anette war natürlich gleich Feuer und Flamme, wie es Frauen eben immer waren, wenn es ums Shoppen ging. Ihm selbst war zwar nicht wirklich danach, doch als Anette ihn schließlich mit ihren großen und flehenden Augen ansah und fragte, ob das sein Ernst war, konnte Tuomas nicht anders und musste ein Ja von sich geben. Zugegebener Maßen wusste der Keyboarder nicht, warum er diesen Vorschlag gemacht hatte, er wollte einfach nicht, dass Anette weiterhin so unglücklich wirkte, auch wenn sie nicht mit der Sprache heraus rückte, was denn nun los war, was ihn doch verwunderte. So schweigsam kannte er Anette nicht und er hoffte sehr, dass es der Schwarzhaarigen bald wieder besser gehen würde. Er hing noch etwas weiter seinen Gedanken nach, bis der Keyboarder seinen besten Freund sah, der gerade aus dem Frühstücksraum sah. An seiner Miene her hatte Tuomas gemerkt, dass er immer noch nicht gut auf Ria zu sprechen war, was Tuomas sehr schade fand. Seine beste Freundin war eine sehr liebenswerte Person, auch wenn man es vielleicht auf dem ersten Blick nicht sah. Als Marco Tuomas nun bemerkte, grinste er diesen an. Der Streit vor ein paar Tagen war schon längst wieder vergessen. „Na, bereust du deinen Aufmunterungsversuch?“, fragte er. „Nö, wieso sollte ich?“, fragte er. Der Keyboarder gab zwar zu, dass er nicht gerade begeistert war, doch das würde er noch lange nicht ansprechen. „Du weißt, dass Anette dich den ganzen Tag in Beschlag nehmen wird?“ „Danke für die Erinnerung.“ „Immer wieder gerne“, meinte der Bassist mit einem breiten Grinsen, was jedoch nicht lange anhielt, denn nun wurde Tuomas doch leicht fragend von Marco angeschaut. „Warum?“, fragte er und der Schwarzhaarige erwiderte den fragenden Blick seines Freundes nur, denn er wusste wirklich nicht, wonach der Andere fragte. „Was meinst du?“ Marco blickte sich kurz um, anscheinend um sich zu vergewissern, ob sie gerade wirklich alleine waren. „Warum tust du das für Anette? Wir wissen doch alle, dass du nicht gerne shoppen gehst“, fragte er dann. Tuomas wusste, dass es alle überrascht hatte, als Anette gestern beim Abendessen verkündete, sie würde heute mit dem Keyboarder eine Shoppingtour machen, also war die Verwunderung des Bassisten nur zu verständlich. „Ich wollte sie aufmuntern, das ist alles“, meinte der Keyboarder nur. Marco schien ihm nicht ganz zu glauben, seufzte aber schließlich nur. „Du bist unverbesserlich“, meinte er nur. Er blickte kurz nach oben zur Treppe, von der nun Geräusche kommen und er sah, wie Anette gerade zu ihnen herunter kam. Tuomas zog leicht seine Augenbraue bei dem letzten Kommentar seines besten Freundes hoch. Irgendwie war Marco heute merkwürdig drauf, was meinte er nur damit? Doch er kam nicht dazu, zu fragen, denn auch er schaute schließlich zur Treppe, von der Anette gerade kam. Sie trug genau wie er selbst schwarze Sachen, nur hatte sie statt einer Hose einen dreiviertel langen Rock an, wo Tuomas zugeben musste, dass er ihr, mit ihrer schwarzen Bluse sehr gut stand. Der Songwriter hingegen beschränkte sich dabei lediglich auf eine normale Hose, sowie ein ärmelloses T-Shirt. Immerhin war es noch recht warm. „Na, bereit?“, fragte Tuomas die Schwarzhaarige, welche glücklich nickte. Anscheinend hatte der Plan des Songwriters geklappt, Anette schien wenigstens in diesem Moment wirklich wieder glücklicher zu sein. Dennoch machte er sich Sorgen, was in letzter Zeit mit der Anderen los war, aber er würde es schon noch heraus bekommen, vielleicht ja sogar heute. Sie verabschiedeten sich nun erst einmal, stiegen in das Bandauto und fuhren los. Marco blickte seinem besten Freund hinterher, unschlüssig was er von all dem halten sollte. Tuomas hatte sich in letzter Zeit ganz schön verändert, vielleicht noch mehr als Anette. Natürlich hatte auch der Bassist gemerkt, dass die Sängerin ruhiger war, als sonst, aber dafür würde es sicher eine ganz normale Erklärung geben, anders jedoch wie bei Tuomas. Marco wusste, dass den anderen etwas beschäftigte, dies hatte er schon vor längerer Zeit gemerkt, doch was war es nur? Er kam nicht mehr ganz so gut an seinem besten Freund heran, was ihn schon sehr wurmte. Früher war es für ihn kein Problem, herauszufinden, was den anderen beschäftigte, wenn es ihn nicht gut ging. Aber nun wurde der andere regelrecht stur und teilweise auch zornig… besonders wenn er das Thema Tarja ansprach. Zugegeben, sie hatten in den letzten Jahren nicht viel über die ehemalige Sängerin gesprochen, wenn einem von ihnen mal der Name raus rutschte, tat Tuomas meistens so, als hätte er ihn überhört, aber seine Reaktion vor ein paar Tagen hatte den Bassisten schon sehr überrascht. Marco hätte zwar damit gerechnet, dass sein bester Freund an die Decke geht, weil er über die Ähnlichkeit beider Frauen sprach, aber nein, es war mehr die Tatsache, dass er den Namen überhaupt erwähnt hatte. Marco rief es sich noch einmal in Erinnerung, wie Tuomas reagiert hatte. Sein Gesicht wirkte zwar eisig, aber es lag auch irgendwas Merkwürdiges in seinen Augen, ja, er wirkte tatsächlich so, als hätte er angst über das Thema zu reden, warum auch immer. Und dann noch die Tatsache, dass Tuomas sich in diesem Wald verlaufen hatte, vor ein paar Tagen, auch das glaubte er nicht wirklich, wenn man daran dachte, wie oft Tuomas wohl schon hier gewesen sein sollte. Irgendwas stimmte da ganz und gar nicht. Dem Bassisten beschlich ein leicht ungutes Gefühl wenn er daran dachte, so als ob etwas in der Luft liegen würde. Er hoffte jedoch vom ganzen Herzen, dass er sich irren würde. Auf Stress hatte er nun wirklich keine Lust, vor allem da gerade scheinbar alles ruhig war. Dennoch hasste es der Bassist, wenn er so trübe Gedanken hatte, deshalb ging er nun zurück in sein Zimmer und zu seinem Koffer, in dem auch sein Bass verstaut war. Er liebte das Spielen darauf und es half ihm immer, sich gerade von solchen Gedanken abzulenken. Marco schlug nun dem Weg zu dem See ein, wo sie alle ein paar Tage vorher waren. Er mochte es dort sehr gerne und dort würde er in Ruhe auf seinem Bass spielen können. Nach einer Weile fing er auch an, zu der Melodie, die er spielte, zu singen: „Oh, now his love's a memory, a ghost in the fog. He sets the sails one last time saying farewell to the world. Anchor to the water, seabed far below. Grass still in his feet and a smile beneath his brow…” Es war eines ihrer Lieder, dennoch mochte der Bassist gerade dieses Lied sehr gerne, so merkte er auch gar nicht, wie schnell die Zeit verging. Jukka war gerade auf dem Weg zu Riandra, nachdem er heute erst einmal so richtig ausgeschlafen hatte, genau wie Emppu dies wohl vorhatte. Der Drummer war jedoch nicht ganz so ein Langschläfer wie der Gitarrist, aber alleine auch nur, weil er vorhin einen Anruf von seiner Frau bekommen hatte, die heute mit den Kleinen vorbei kommen wollte. Es hatte Jukka überrascht, dass es so kurzfristig war, dennoch freute er sich darüber, sie hatten sich schon eine ganze Weile lang nicht mehr gesehen und er wusste, auch die Kinder würden sich darüber freuen, ihren Vater endlich wieder zu sehen. So suchte der Drummer nun Riandras Zimmer auf, von Tuomas wusste er, wo es lag. Es war gleich neben dem Frühstückszimmer in der ersten Etage. Jukka wollte gerade anklopfen, doch anscheinend hatte die Schwarzhaarige die Tür nicht richtig zu gemacht, denn sie öffnete sich leicht. Eigentlich war dies gar nicht seine Art, einfach so herein zu platzen, doch eine ihm nur zu bekannte Melodie machte den Drummer neugierig, so dass er das Zimmer doch leise betrat und sich doch leicht erstaunt umschaute. Ihr Zimmer war zwar genau so ausgestattet, wie die Zimmer in der oberen Etage, sprich auf der einen Seite ein Bett mit einem Nachtschrank, gegenüber davon ein etwas größerer Schrank wo sie wahrscheinlich ihre Sachen verstaut hatte und daneben jedoch der einzige Unterschied, den dieses Zimmer zu den anderen hatte. Während sie noch einen Tisch mit ein paar Stühlen im Zimmer stehen hatte, besaß Riandra lediglich einen Schreibtisch, auf denen verschiedene Unterlagen zu finden waren, sowie ein kleiner Laptop. Über dem Schreibtisch war ein weiteres kleines Regal, auf dem einige Fotos zu erkennen waren, auf denen meistens Riandra und Tuomas zu sehen waren, anscheinend gerade im Teenageralter. Jukka konnte nicht anders und musste schmunzeln, die beiden würden wirklich ein gutes Paar abgeben. Ob sie mal zusammen waren? Jedenfalls sah es auf den Fotos danach aus, aber andererseits hätte Tuomas ihnen nicht davon erzählt? Der Drummer wurde leicht aus seinen Gedanken gerissen, als er hörte, wie Riandra zu dem Lied, was gerade lief, anfing zu singen: „Once upon a night we'll wake to the carnival of life. The beauty of this ride ahead such an incredible high. It's hard to light a candle, easy to curse the dark instead. This moment the dawn of humanity. The last ride of the day.” Jukka wusste nicht, was ihn mehr überraschen sollte. Die Tatsache, dass Riandra anscheinend ein Fan der Band war oder die Tatsache, dass sie das Lied so gut singen konnte. Damit hatte er wirklich nicht gerechnet. Wobei, immerhin kannte sie Tuomas und so schien sie auch einiges über die Band zu wissen. Er lauschte noch eine Weile, wie die Andere weiter sang, und er musste zugeben, sie hatte wirklich eine sehr schöne Stimme. Doch dann kam dem Drummer eine Frage in dem Sinn. Warum hatte Tuomas wohl seine beste Freundin früher nie als Sängerin vorgeschlagen, sondern Tarja? Immerhin schienen sie sich länger zu kennen, wie er es aus den Worten des Keyboarders heraus gefunden hatte. Nun, er würde die andere danach fragen nachher. Auch wenn sie sich nicht so lange kannten, in der kurzen Zeit hatte sich eine kleine Freundschaft zwischen Jukka und Riandra entwickelt. Jukka hatte es natürlich auch zu erst überrascht, wie ähnlich Ria der ehemaligen Sängerin war, doch er hatte im Gegensatz zu Marco schon recht bald bemerkt, dass sie von ihrer Art her grundsätzlich unterschiedlich waren. Jukka wartete nun noch ab, bis Riandra das Lied zu Ende gesungen hatte, denn er wollte sie keines Falls erschrecken. Nachdem sie nun das Lied beendet hatte, trat der Drummer noch einige Schritte vor, bis er schließlich ein leises „Hey“, hervor brachte. Unwillkürlich schien Ria doch leicht zusammen zu zucken und drehte sich nun zu dem Drummer um. Ria war tatsächlich ein großer Fan der Band Nightwish, so konnte sie ihn wenigstens immer mal sehen, auch wenn es umgedreht nicht der Fall war. Wie gerne wäre sie nur mal auf ein Konzert von Nightwish gewesen? Doch sie musste sich mit ihrem Vater um die Pension kümmern, da auch mal unerwartet Gäste kommen konnten, war es ihr nicht möglich einfach mal so für ein paar Tage weg zu fahren, was sie manchmal schon nervte. Deshalb verbrachte sie ihre Zeit gerne damit, die Lieder ihres besten Freundes vor sich her zu singen, viele von ihnen konnte sie auswendig, wie auch jenes Lied, zu dem gerade die Melodie spielte. Nachdem das Lied endete, schreckte sie jedoch leicht aus ihren Gedanken, als sie jemand begrüßt hatte und drehte sich um. Beinahe wäre sie vom Stuhl gefallen, als sie Jukka sah, der nur wenige Schritte vor ihr stand. „Jukka!“, rief sie erstaunt aus und bemerkte, dass sie rot wurde. Sie stellte die Lautsprecher ab, und hoffte, dass der Drummer nichts davon gemerkt hatte, welche Lieder sie gerade gehört oder eher gesungen hatte. Doch an dem Grinsen ihres Gegenübers ahnte sie das Schlimmste. „Wie kommst du hier rein?“, fragte die Schwarzhaarige leicht zerstreut. „Tut mir leid, ich wollte dich nicht erschrecken, als ich anklopfen wollte, ging die Tür auf“, erwiderte der Drummer. „Nein, schon in Ordnung, hab sie wohl nicht richtig zu gemacht. Was führt dich hier her?“, fragte sie leicht verlegen. „Ich hab da eine Bitte“, fing der Drummer an, nachdem sein Grinsen verschwunden war. „Meine Frau hat vorhin angerufen, sie kommt mit den Kleinen heute noch vorbei. Hätte ich das eher gewusst, hätte ich schon eher gefragt. Wäre es nicht vielleicht möglich, wenn sie ein paar Tage auch hier bleiben könnten?“, fragte er nach. Ria konnte sich nur mit Mühe ein Schmunzeln verkneifen. War das süß! Die Dunkelhaarige dachte kurz nach und nickte schließlich. „Etwas weiter hinten haben wir noch ein Drei-Bett-Zimmer, was im Moment frei ist. Du kannst es nehmen, ich werde meinem Vater später Bescheid sagen“, erklärte sie dann. Jukka war darüber sichtlich erleichtert. Er wollte Satu eine Freude machen, er hatte es zwar den anderen nicht gesagt, weil er sie nicht beunruhigen wollte, aber in letzter Zeit hatte er sich doch das ein oder andere Mal mit Satu gestritten. Er hoffte, dass er das mit dieser kleinen Überraschung wieder gut machen konnte. „Danke“, meinte er und lächelte leicht. Dann blickte er nochmal zu den Fotos, er konnte sich seine nächste Frage einfach nicht verkneifen. „Wart ihr mal zusammen?“, fragte er nach. Ria blickte ihn leicht verständnislos an. „Wen meinst du?“, fragte sie und nachdem Jukka nochmal auf die Bilder deutete, konnte sich die Schwarzhaarige ein kurzes Kichern nicht verkneifen. „Nein, nein, ich denke, DAVON hätte er euch doch was erzählt. Wir waren, oder besser gesagt sind sehr gute Freunde, nicht mehr und nicht weniger, auch wenn es auf manchen Bildern so aussieht“, erklärte sie und nahm eins von ihnen runter, um es Jukka besser zu zeigen. Es zeigte einen doch leicht überraschten Tuomas und eine lächelnde Ria, die sich leicht an Tuomas rechten Arm geklammert hatte. Sie schienen auf dem Foto nicht älter als vierzehn Jahre zu sein. Im Hintergrund konnte er einen Wald erkennen, ob es der Wald vor der Pension war? „Das Foto hab ich am liebsten“, erklärte sie und für einen Moment schien sie in alten Erinnerungen versunken zu sein, was ihr verträumtes Gesicht zeigte. „Ich war mit Tuomas und seiner Mutter hier im Wald spazieren, als hier nichts los war. Wir waren schon ein ganzes Stück weiter vorne, als sie auf einmal nach uns rief. Aus Spaß hab ich mich an Tuomas Arm geklammert, als ich bemerkte, dass sie eine Fotokamera in der Hand hielt. Tuomas hatte es nicht bemerkt und sie so leicht verwundert angesehen, dabei ist das Bild heraus bekommen“, erklärte sie und lachte kurz. „Früher mochte er es gar nicht, wenn er so heimlich fotografiert wurde, er war ganz schön sauer, aber er hat sich auch schnell wieder beruhigt“, fuhr sie fort. Jukka konnte nicht anders und musste schmunzeln. Ja, das passte wirklich zu ihm. „Ich verstehe“, meinte er. Dann schaute er wieder zu Ria. „Ihr kennt euch schon seit ihr Kinder wart, nicht wahr?“, fragte er nach. Ria blickte zu ihm und nickte. „Ja, das hatte er euch auch am ersten Tag hier erzählt, oder?“ Jukka lächelte leicht. „Ja, das hat er. Ich frage nur, weil ich da etwas nicht ganz verstehe. Wenn ihr euch so lange kennt, warum hat er dich damals nicht gefragt, ob du in der Band singen möchtest? Du hast eine wunderschöne Stimme und kannst sehr gut singen.“ So wie es sich anhörte, kannte der Keyboarder Riandra um einiges länger, als Tarja und so musste Tuomas doch auch wissen, was Ria für eine tolle Stimme hatte, wenn sie sang. Sicher wäre ihnen einiges erspart geblieben. Auch er hatte damals gemerkt, dass die Band fast zerfallen war und deshalb war auch er damals mit der Entscheidung von Tuomas einverstanden. Aber andererseits hätten sie auch so niemals Anette kennen gelernt, sie passte einfach wunderbar zu ihnen. Jukka schob nun jedoch seine Gedanken an früher erst einmal beiseite und schaute zu Riandra, die nach seinen Worten leicht errötet war. Für einen Moment schien sie ganz weit weg zu sein. War die Frage vielleicht doch zu persönlich? „Ganz einfach, als ich achtzehn wurde, ist meine Mutter abgehauen und ich konnte meinen Vater nicht auch noch verlassen und Tuomas wusste das“, erklärte sie schulterzuckend. Sie wollte stark wirken, doch Jukka bemerkte, dass es sie mitnahm, denn sie schaffte es nicht, ihn dabei anzusehen. „Tut mir leid“, meinte er, doch sie winkte nur ab. „Kein Ding, wir schaffen das zu zweit. Komm, ich zeig dir mal das Zimmer“, meinte sie. Sie stellte das Foto von Tuomas und ihr selbst wieder hin, ging nochmal zum Schreibtisch und holte einen Schlüssel raus. Danach ging sie zusammen mit Jukka nach oben, um ihn das neue Zimmer zu zeigen. „Nettie, nun warte doch, nicht so schnell!“, meinte ein leicht gestresster Tuomas Holopainen, der schon leichte Mühe hatte, mit Anette mit zu halten. Es ging nun fast auf dem Abend zu und der Keyboarder trug nun auf jeder Seite zwei prall gefüllte Einkaufstüten. Er wunderte sich jedes Mal, was für eine schon fast unglaubliche Energie Frauen an den Tag legen konnte, wenns ums Shoppen ging. Anette, die schon ein wenig weiter vorne war, blieb stehen und drehte sich wieder zu dem Keyboarder. „Komm schon, Tuomi, die Geschäfte machen gleich zu und ich wollte unbedingt noch in einen Laden, der dir auch gefallen wird“, meinte sie augenzwinkernd. Tuomas jedoch horchte nach diesem Satz auf. Seit wann nannte sie ihn Tuomi? Langsam verstand er seine Sängerin wirklich nicht mehr, doch wenigstens war sie nicht mehr die schlecht gelaunte Anette, wie vor ein paar Tagen. Sie war heute wieder die glückliche und lebensfrohe Anette, wie er sie kennen gelernt hatte und hoffte auch, das würde so bleiben. „Der mir gefallen wird?“, fragte er und ihm ahnte übles. Er hatte keine Lust gehabt, Geld auszugeben und war nur Anette zu liebe mit gekommen, weil es ja auch sein Vorschlag war. „Komm schon, du solltest dir auch was kaufen!“ Nach diesen Worten ging Anette einige Schritte zu ihm zurück und zog ihn leicht am Arm mit sich. Zehn Minuten später standen sie vor einem weiteren Laden und der Keyboarder staunte nicht schlecht. ´Für echte Metaler´, hieß es auf den Schaufenster. Der Laden schien wirklich dem Geschmack des Keyboarders zu entsprechen, dennoch war er skeptisch. „Würde man uns nicht gerade in so einem Laden erkennen?“, gab er zu bedenken. Immerhin waren sie hier, um Urlaub zu machen und nicht gerade, um aufzufallen. „Och komm schon. Es wird doch eh nicht mehr viel los sein, es ist fast Feierabend.“ Tuomas seufzte innerlich, denn er wusste, er würde die Schwedin nicht davon abbringen können. „Na gut, gehen wir rein“, meinte er. Die Zweifel des Keyboarders waren glücklicher Weise unberechtigt, in diesem Laden war wirklich nichts mehr los und was er hier vorfand, entsprach eindeutig seinen Modegeschmack. Zusammen mit Anette sammelte er sich nun ein neues Outfit zusammen, bestehend aus ein paar schwarzen Schuhen, eine passende schwarze Jeans, ein dunkles T-Shirt mit einem verschnörkelten weißen Muster, sowie einen neuen, ebenfalls schwarzen Mantel. Nachdem er aus der Umkleidekabine mit seinem neuen Outfit heraus gekommen war, schien es Anette für einen Moment die Sprache verschlagen zu haben. „Du siehst umwerfend aus!“, hauchte sie begeistert, worüber Tuomas schmunzeln musste. Er hatte das natürlich schon oft gehört, aber er freute sich irgendwie vor allem, wenn es von Anette kam. Er blickte sich selbst in dem Spiegel an und musste Anette im Stillen Recht geben. Nicht, dass er sich selbst umwerfend fand, ihm gefielen nur die Sachen, die er mit Hilfe von Anette ausgesucht hatte, sehr gut. „Und du meinst, ich kann mich so auf der Straße blicken lassen?“, fragte er nur zur Sicherheit. Immerhin ging es ja auch um seinen Ruf, den er hatte. „Auf jeden Fall!“, bestätigte Anette. Als sie nach weiteren zehn Minuten den Laden verlassen haben, mit einer Einkaufstüte mehr, gingen sie langsam zurück zum Auto, immerhin würden die Geschäfte bald schließen. „Es war ein toller Tag heute!“, meinte Anette begeistert, als sie nun neben Tuomas im Auto saß, der sie zurück fuhr. „Ja, er war wirklich schön“, bestätigte der Keyboarder, auch wenn ihn das Shoppen leicht genervt hatte. Aber immerhin war dies der erste Tag überhaupt, den er komplett alleine mit Anette verbracht hatte, ohne dass die anderen drei dabei waren und irgendwie hatte ihm das wirklich gefallen. Auch ihn hatte es von den trüben Gedanken abgelenkt, die ihn in letzter Zeit immer heimsuchten. Immerhin hatte er nun nicht mehr das Gefühl, beobachtet zu werden, seit er jene Frau in dem Wald getroffen hatte. Der Keyboarder hatte den anderen immer noch nichts von dieser Begegnung erzählt, weil er sich selbst nicht sicher war, ob er sich das nur eingebildet hatte oder nicht. Wenn es wirklich wahr war, um wen handelte es sich bei dieser Frau und was wollte sie von ihm? Er hatte sich in den letzten Tagen tatsächlich mehrmals dabei erwischt, wie er selbst in den Wald ging und hoffte, sie würde ihm nochmal begegnen, doch dies war leider nicht der Fall. Moment, warum leider? Immerhin wusste er nichts von dieser Frau und sie war so schnell wieder verschwunden, vielleicht musste er ja auch davon ausgehen, dass sie gar nicht gesehen werden wollte? Aber warum hatte sie dann zu dem Keyboarder gesagt, sie würde ihm nichts tun? Irgendwie hatte er ein mulmiges Gefühl, wenn er daran dachte, aber andererseits hatte diese Frau auf ihn eine komische Wirkung erzielt. Sie kam ihm… merkwürdig vertraut vor, so als ob er sie schon sein ganzes Leben lang kennen würde, doch dem war ganz sicher nicht so. Er konnte sich nämlich nicht daran erinnern, diese Frau schon einmal gesehen zu haben. Er war gerade tatsächlich am überlegen, ob er Anette etwas darüber erzählen sollte. Tuomas hatte so tatsächlich schon den Mund für eine Frage geöffnet, als er jedoch Anette aus den Augenwinkeln beobachtet hatte, sah er wieder, dass sie mit ihren Gedanken ganz wo anders war, so dass der Keyboarder leise seufzte. Hatte sein Versuch doch nicht geklappt und hatte sie nur so getan, als sei sie Glücklich? Er zögerte einen Moment, denn er wollte ihr den Tag nicht vermiesen, aber er machte sich so verdammt große Sorgen um die Sängerin. „Anette?“, fragte er dennoch. Sie blickte ihn fragend an. „Ja?“ „Du bist so still, alles in Ordnung?“, fragte er nach. „Ja, natürlich. Heute war doch so ein schöner Tag, also mach dir keine Sorgen, ja?“, meinte sie. Tuomas nickte leicht und konzentrierte sich nun wieder auf dem Straßenverkehr, merkte jedoch, dass Anette mit ihren Gedanken wieder ganz wo anders war. Was beschäftigte die andere nur so? War irgendetwas nicht in Ordnung? Hatte sie irgendwelchen Stress? Zu gerne würde der Keyboarder gerne wissen, was seine Sängerin beschäftigte, dass sie so abwesend wirkte. Doch er wusste genau so gut, je mehr er drauf einreden würde, umso sturer wurde Anette und er wollte ihr den Tag wirklich nicht vermiesen. Sie fuhren gerade in den Wald hinein, hinter der schon bald die Pension zu sehen war, als Anette sich zu Tuomas drehte und ihn eine Weile lang musterte, als würde sie hin und her überlegen. Der Keyboarder tat jedoch so, als würde er sich auf den Straßenverkehr konzentrieren. Vielleicht würde sie ja doch reden, wenn er nicht so sehr darauf beharrte und ihr ihre Zeit ließ. „Tuomas, darf ich dich etwas fragen?“ „Natürlich, jeder Zeit“, erwiderte der Keyboarder. Ob sie nun endlich reden würde? „Hältst du mich eigentlich für egoistisch?“, fragte sie dann plötzlich. Tuomas konnte nicht anders und blickte Anette für einen Moment verwundert und erstaunt zugleich an. „Wie kommst du denn auf diese Frage? Natürlich nicht“, meinte er ernst. Anette schien nach dieser Antwort wirklich erleichtert zu sein, doch Tuomas verstand das nicht. Warum sollte sie jemand für egoistisch halten? Anette war alles andere als egoistisch, sie dachte immer zuerst an die anderen, dann an sich selbst. Hielt sie jemand tatsächlich dafür? „Wer das zu dir gesagt hat, muss bekloppt gewesen sein“, rutschte es Tuomas heraus. Eigentlich hatte er es nicht laut sagen wollen, deshalb blickte er nun wieder nach vorne, merkte jedoch noch, dass Anette ihm ein erleichternd wirkendes Lächeln geschenkt hatte. „Danke“, meinte sie sanft. Tuomas nickte nur leicht verlegen. Nach diesen Worten schwiegen sie für den Rest der Fahrt. Jukka war mit seiner Frau gerade von einem Spaziergang wieder gekommen. Satu war tatsächlich zwei Stunden, nachdem er Ria nach dem Zimmer gefragt hatte, angekommen. Die erste Zeit hatten sie mit den drei Kindern verbracht, bis jedoch Marco vorschlug, sich um die drei Rabauken zu kümmern, so dass die beiden Zeit für sich hatten. Jukka fragte sich im Stillen, ob Marco vielleicht bemerkt hatte, dass es zwischen Satu und ihm noch einiges zu klären gab. Immerhin hatte er ja bei durch die Scheidung Erfahrungen, was diese Sache anging. So war der Drummer ihm doch recht dankbar und sie konnten so auch nochmal in Ruhe über alles reden und klären. Er war mehr als froh, dass wieder alles geklärt war. „Jukka, wir müssen langsam zurück, die Kinder sollten schon längst im Bett sein, wie du weißt“, meinte Satu gerade. Sie hatte sich an ihren Mann gelehnt und blickte zu ihm hoch. Der Drummer hatte seine Arme um Satu gelehnt und drückte sie leicht an sich. Nun war es Zeit für seine Überraschung, die er sich bis zuletzt aufgehoben hatte. „Du Satu, da gibt es noch etwas, was ich dich fragen muss“, begann er und schaute nun zu Satu, die ihn leicht fragend ansah. Er blieb stehen und blickte seine Frau nun leicht lächelnd an. „Was denn?“, fragte sie und blieb nun ebenfalls vor ihm stehen. „In dieser Pension gibt es nicht nur Einzelzimmer, sondern auch Doppel- und Drei-Bett-Zimmer. Wenn du möchtest, kannst du mit den Kindern gerne ein bisschen länger hier bleiben, es würde mich sehr freuen“, schlug er dann lächelnd vor. Vor einigen Tagen hatte er die anderen gefragt und sie hatten auch nichts dagegen. „Oh Jukka, ist das dein ernst?“, fragte Satu und ihre Augen schienen vor Begeisterung zu leuchten. Jukka verzog erstaunt das Gesicht, natürlich nur aus Spaß. „Denkst du im Ernst, ich würde bei so etwas spaßen?“, fragte er. Satu sprang ihrem Mann nun freudig in die Arme. „Jukka, du bist unglaublich!“, hauchte sie und blickte ihn liebevoll an. „Ich liebe dich“, meinte sie sanft. „Ich dich auch“, erwiderte der Drummer ebenfalls sanft. Sie sahen sich einen Moment tief in die Augen der jeweils anderen und kamen sich dann immer näher, bis sich ihre Lippen fast berührten, doch dann… „Also, sogar hier könnt ihr nicht mal zwei Sekunden voneinander los lassen, wie?“ Jukka und Satu zuckten Beide leicht zusammen und entfernten ihre Gesichter voneinander, hielten sich jedoch noch in den Armen. Der Drummer blickte sich leicht missmutig zu dem Übeltäter um, der sie gestört hatte und entdeckte nun Emppu, der bei der Eingangstür der Pension stand. „Man sollte jede Gelegenheit nutzen, oder bist du etwa eifersüchtig?“, konterte Jukka, doch der kleine Wirbelwind ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. „Och ich doch nicht“, wehrte sich Emppu, nickte jedoch leicht nach vorne. Jukka und Satu blickten nach vorne und sahen, wie Marco mit ihren Kindern wieder kam. Die beiden verstanden sofort und ließen voneinander ab. Marco hatte nie gezeigt, ob ihn die Scheidung mit Manki noch mit nahm oder nicht, deshalb sollten sie sich besser zurück halten. Vor allem wenn man besah, dass Luna und Nikki gerade auf ihre Eltern zu gerannt kamen und sie freudig umarmten. „Na, hattet ihr Spaß?“, fragte Jukka und die Kinder nickten freudig und erzählten, was sie auf den Ausflug mit dem Bassisten alles gesehen hatten. In der Zwischenzeit kam auch Marco bei ihnen an und die kleine Lara, die Marco getragen hatte, da sie noch zu klein war, streckte ihre Arme sofort nach ihrem Vater aus, welcher sie gleich abnahm. Lara war sehr auf ihren Vater fixiert, wie der Drummer wusste. „Alles gut gelaufen?“, fragte Satu gerade noch einmal nach, woraufhin Marco nickte. „Natürlich, bin bestens mit den dreien ausgekommen“, erwiderte der Bassist. „Dann ist ja alles gut gelaufen“, meinte Jukka. Emppu schien sich in diesem Moment leicht suchend umzublicken. „Tuomas und Nettie noch nicht da?“, fragte er in die Runde. „Wie es aussieht, noch nicht“, meinte Jukka. Er hatte die beiden seit heute früh nicht wieder gesehen. „Na so lange sie ihren Spaß haben“, warf Emppu ein. „Anette bestimmt“, erwiderte der Drummer grinsend. Auch ihn hatte es gewundert, dass Tuomas freiwillig mit der anderen shoppen gegangen war. Erstens weil sie wussten, dass Tuomas nicht gerne Shoppen ging und zweitens weil sie wussten, dass Anette unaufhaltsam war, wenn es um dieses Thema ging. Sie hatten sich noch eine Weile weiter unterhalten, bis Riandra aus der Pension auf sie zu kam, und Jukka gefiel ihr leicht überraschter Ausdruck überhaupt nicht. „Ria, alles in Ordnung?“, fragte er nach. Der Drummer hatte sich einfach angewöhnt, die Andere bei ihrem Spitznamen zu nennen. Zu seiner Überraschung jedoch nickte die Angesprochene. Die Anderen schauten nun ebenfalls zu Ria. „Sagt mal, erwartet ihr noch jemanden? Das Auto dort gehört ja ganz sicher nicht zu euch, oder?“, fragte Ria und deutete nach vorne zur Straße, wo gerade ein Auto zur Pension fuhr. Sie warteten nun, bis das Auto zum Stehen kam. Heraus kam ein Mann mit dunklen Haaren, der einen Blumenstrauß bei sich hatte, den die Bandmitglieder von Nightwish natürlich sofort erkannten. „Das ist Johann, Anettes Ehemann“, erklärte Jukka Riandra. Es überraschte sie alle, dass der andere auf einmal hier war, normaler Weise hätte die Sängerin ihnen davon erzählt. Doch Johann kam nun auf sie zu und Riandra ging einige Schritte nach vorne. Immerhin musste sie die Gäste ja auch begrüßen. „Herzlich Willkommen in unserer Pension, was kann ich für Sie tun?“, begrüßte sie den Neuankömmling. Johann nickte Ria jedoch nur flüchtig zu und wandte sich dann zu den Bandmitgliedern. „Wo ist Anette? Ich muss mit ihr reden“, begann er. Die anderen tauschten kurz Blicke miteinander, dann wandte sich Marco an Johann. „Sie ist mit Tuomas in der Stadt“, erklärte er. Marco bemerkte, dass er etwas Falsches gesagt haben musste, denn Johan blickte ihn erstaunt an. „Sie ist WAS?“, fragte er nicht nur erstaunt, sondern auch zornig. Marco musste zugeben, es verbesserte Johanns Laune nicht gerade, als er nun das Bandauto sah, wie es anhielt und was Anette da tat. Satu wandte sich zu Jukka, ihr Gefühl sagte ihr, dass die Kinder nicht unbedingt mit ansehen mussten, was gleich geschehen würde. „Jukka, die Kinder sollten langsam schlafen gehen, meinst du nicht auch?“, meinte sie. Jukka verstand natürlich sofort und verabschiedete sich von den anderen. Er ließ sie zwar gerade eben ungern alleine, aber die anderen Beiden schienen auch einverstanden zu sein. Der Songwriter war nun mit Anette tatsächlich wieder angekommen. Hätte er jedoch gewusst, was gleich passieren würde, hätte er sich noch mehr Zeit gelassen. Er schnappte sich nun alle Einkaufstüten und schloss das Auto ab. „Tuomas, warte noch einen Moment“, meinte sie. Sie beide hatten bis jetzt nicht gemerkt, dass die Anderen vor der Pension standen und sie beobachteten. „Ja?“, fragte Tuomas. Anette zögerte einen Moment, ehe sie weiter sprach. „Dieser Tag war wirklich wunderschön, das müssen wir bald mal wieder wiederholen. Vielen Dank.“ Danach tat Anette etwas, womit der Keyboarder niemals gerechnet hätte. Bevor sie losgingen, hatte die Sängerin sich nach vorne gebeugt und Tuomas einen Kuss auf die Wange gegeben. Er bemerkte, dass sie leicht errötet war, nachdem sie sich von ihm gelöst hatte und er selbst war total verblüfft darüber, aber ein Teil von ihm freute sich auch darüber, was jedoch schnell verschwand. Ein eisiger Schauer lief ihn über den Rücken, als er ein lautes und zorniges „ANETTE!“, hörte, sich zu den anderen drehte und Johann erblickte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)