風の記憶 (Kaze no kioku) von tarantye-no (Die Erinnerung des Windes) ================================================================================ Kapitel 5: Annäherung --------------------- Hiko ging die Gänge des Palastes entlang und kam schon bald zu den Räumen von Tachiba, dem „Meister der Vögel“, wie er von allen genannt wurde. Tachiba verfügte wie kein anderer über Informationen innerhalb und außerhalb des Palastes und das dank seiner kleinen „Vögelchen“. Sie waren überall, im Frauenpalast, in der Küche, bei den Soldaten und auch in Edo auf den Straßen oder sogar bei den Feinden des Shoguns. Tachiba war Seiimei vollkommen ergeben, doch die Arbeit von ihm war verlockend für jeden und es war schon oft vorgekommen, dass er einen Beutel mit Gold in seinem Empfangszimmer vorfand, den er immer ohne Umschweife zu Seiimei brachte. Trotzdem traute Hiko dem Mann nicht, er war ihm zu zwielichtig. Diener kündeten sein Kommen an und er betrat das Empfangszimmer des Ministers, verbeugte sich und sich ihm gegenüber nieder. Tachiba lehnte sich locker auf die kleine Armlehne und sah ihn mit diesem unidentifizierbaren Blick an, den er immer besaß und der einem das Gefühl gab, er wüsste alles über ihn. Er kleidete sich gern pompös und in bunte Farben, was ihn manchmal wie einen aufgeputzten Pfau wirken ließ. „Seine Majestät, der Shogun, bittet um Information.“, sagte Hiko leise und sah, wie sich der Mund des Mannes zu einem spöttischen Lächeln verzog. „Nun, einem anderen würde ich sie wohl kaum geben.“, meinte er nur und schnippte mit dem Finger. Eine Tür öffnete sich und ein Diener brachte ihm Pinsel, Tinte und Pergament und verschwand wieder. „Also? Ich höre.“ „Akira-samas zukünftige Ehefrau, die Edle Dame Sachi, hat eine Hauptkammerfrau namens Kaya. Seine Majestät möchte Informationen über ihre Herkunft und ihre Umstände.“ „Ah…“ Tachiba nickte wissend, während er schrieb. „Das kleine Kätzchen ist meinen Vögelchen auch schon aufgefallen. Jung, süß und ein wenig naiv. Nun ja… Sag seiner Majestät, es wird vielleicht zwei Wochen dauern. Ich werde zu ihm kommen und ihm den Bericht vorlegen.“ Hiko verbeugte sich wieder und erhob sich, verließ die Gemächer. Er wollte ehrlich gesagt gar nicht wissen, wie viele Vögelchen um ihn herumschwirrten. Unsicher sah er sich um und schüttelte dann verärgert den Kopf. Wie paradox! Selbst wenn es so wäre, er hatte nichts zu verbergen, weder von seinen frühen Jahren noch jetzt und der Shogun wusste mittlerweile alles von ihm durch die Akten, die der Kommandant der Palastwache ihm kurz nach dem Wechsel Hikos zukommen ließ. Gedankenverloren begab er sich auf den Weg zurück zu Seiimeis privatem Garten, als ihm dessen Bruder Kaoru entgegenkam. Sofort kniete er sich hin und verbeugte sich tief, spürte, wie Kaoru an ihm vorbeiging, als die Kimonoseide seine Hände berührte und richtete sich langsam wieder auf. Kaoru war genauso exzentrisch und eigensinnig, was Mode und Haarstil betraf wie sein älterer Bruder. Die Haare gingen ihm bis zur Hüfte und waren locker zu einem Zopf gebunden, den er über die Schulter trug und auch der Kimono war überaus salopp gebunden. „Du bist Seiimeis persönlicher Diener, nicht wahr?“, hörte er die Stimme des jungen Mannes und verbeugte sich erneut. „Ja, Kaoru-sama.“, sagte er leise und sah, wie dich ein Lächeln auf dessen Gesicht ausbreitete, doch aus irgendeinem Grund erschauderte er deswegen. Es erschien ihm unheimlich und bedrohend… „Dein Name.“ „Hiko, Kaoru-sama.“ „Ah… Hiko.“ Kaoru sagte nichts mehr, nickte nur und drehte sich wieder um, ging den Gang weiter entlang. Verwirrt sah Hiko ihm hinterher und ging dann ebenfalls weiter, betrat bald darauf wieder den Garten und kam zu Seiimei, der sich bei seinem Anblick aus der Liege erhob. Der Kommandant und Seiimeis bester Freund Akira hatte ihn anscheinend schon verlassen. Der Shogun deutete auf die Pergamentrollen und Hiko rollte sie zusammen, nahm sie auf den Arm. „Ich ziehe mich zurück. Lass einen Diener Duftöl holen, ich brauche eine Massage.“ „Ja, Goushujin-sama.“ Hiko verbeugte sich und errötete etwas, während er mit Seiimei zu dessen Gemächern ging. Massage… Das bedeutete, er musste ihn massieren und das war ihm schrecklich peinlich. Natürlich hatte er sich mittlerweile an das neue Leben gewöhnt und nicht mehr vorrangig Soldat zu sein, aber trotzdem gab es immer wieder Momente, in denen er sich mit den Aufgaben überfordert fühlt, so wie bei dieser hier. Seiimei gab ihm ein seltsames Gefühl, das er nicht einordnen konnte und das beunruhigte ihn. Schweigend folgte er ihm durch die Gänge und öffnete die Türen zu seinen Gemächern, ordnete einen Diener an, Duftöl zu bringen und half dann Seiimei, seine Kimonolagen abzulegen. Der Mann ließ sich auf den Futon sinken und stützte das Kinn auf die angewinkelten Arme und beobachtete Hiko, wie er das Öl von dem Diener entgegennahm und sich neben ihm auf die Knie sinken ließ. Hiko atmete tief durch und schloss kurz die Augen, um sich zu entspannen, ehe er ein wenig Öl auf dem Rücken des Herrschers verteilte und mit zitternden Fingern anfing, es in die Haut ein zu massieren. Er war mittlerweile schon einige Wochen in Seiimeis Diensten und bekam hautnah mit, was es bedeutete, Shogun zu sein. Es war nervenaufreibend, stressig und zeitaufwendig und er verstand, warum sein Herr fast jeden Abend nach einer Massage verlangte. Seiimei war sehr nett und aufmerksam ihm gegenüber, sogar rücksichtsvoll, doch manchmal verhielt er sich so seltsam und sagte Dinge, der im die Röte ins Gesicht trieb. Wie auch jetzt. „Deine Finger zittern. Hast du Angst? Es gibt keinen Grund dafür. Ich liebe deine Finger… so schön und schlank… Man kann sie noch gut für andere Dinge einsetzen.“ Dabei grinste er ihn absolut unverschämt an, wie jedes Mal, wenn er so etwas sagte. Wie ein kleiner Junge, der jemandem erfolgreich einen Streich gespielt hatte. Allerdings zeigte Seiimei nur in seiner oder Akiras Nähe Gefühle, der Rest des Hofes, seine Frau und sein Bruder eingeschlossen, kannten ihn nur als kühlen, strengen Herrscher. „V-Verzeiht mir, Goushujin-sama…“, wisperte er und schluckte, bemühte sich um bessere Konzentration, was ihm durch diese Worte natürlich nicht unbedingt leichter fiel. Nach einiger Zeit gab Seiimei ihm ein Zeichen und Hiko nahm die Hände von seinem Rücken, errötete allerdings wieder, als Seiimei sich aufsetzte und er so seinen gut gebauten Körper vor sich hatte. Gleich darauf spürte er die Finger von ihm an seinen Haaren und wie sie hindurch strichen. „Du hast wunderschöne Haare. Es wäre eine Schande gewesen, wenn du sie für seinen Dienst abgeschnitten hättest.“, sagte er leise und gleich darauf wurde sein Kinn angehoben und grüne Augen sahen ihn prüfend an. „Senk nicht immer den Blick, wenn ich mit dir rede. Ich mag es, dein hübsches Gesicht zu sehen. Ich mag es, dich anzuschauen, wenn ich mit dir rede.“ Er strich seinen Hals entlang, glitt wieder durch seine Haare. Ein Schaudern ging durch Hikos Körper, als er die Berührungen spürte, nickte etwas. „Ja, Goushujin-sama…“ Mehr als ein Hauchen bekam er gerade nicht zustande und sein Herz schlug ihm bis zum Hals. „Du bist süß.“ Seiimei richtete sich auf. „Such mir einen leichten Kimono für den Rest des Tages heraus und hilf mir beim umziehen.“ Sofort erhob Hiko sich und eilte zu den Kleidertruhen, holte bald darauf einen schlichten graublauen Kimono mit Kranichen und einem silberfarbenen Obi hervor. „Du hast einen guten Geschmack.“, meinte Seiimei und Hiko lächelte schüchtern, begann dann, ihn auszuziehen und ihm in den neuen Kimono zu helfen. „Du hast den Befehl an Tachiba übergeben?“ „Ja, Goushujin-sama… Er sagt, es wird etwa zwei Wochen dauern, dann wird er Euch Bericht erstatten. „Sehr gut. Ich will, dass du darüber Stillschweigen bewahrst. Es darf nichts nach außen dringen. Ich versuche, Akira zu helfen, was sehr gefährlich ist. Sachi no kimi ist eine Frau von hoher Geburt… Es kann überaus kompliziert werden, wenn die Heirat annulliert wird.“ „Natürlich, Goushujin-sama…“ Hiko griff in eine kleine Kiste und holte ein seidenfarbenes Band hervor, band so Seiimeis Haare zu einem Zopf. Er kam nicht umhin, seine Finger durch die weichen Haare gleiten zu lassen und bekam eine Gänsehaut. „Wie ist es für dich, nicht mehr auf dem Übungsplatz zu stehen? Wenn du es wünschst, kannst du weiter deine Übungen machen, es wird kein Problem sein, das zu arrangieren.“ Überrascht sah Hiko zu Seiimei. Hatte er das gerade richtig verstanden? „Ich… Uhm… Ich fühle mich geehrt, aber… ein… ein paar Übungsstunden würden mir schon reichen. In einem Dojo vielleicht…“, antwortete er leise und verbeugte sich dankbar. „Nun, ich denke, das wäre machbar. Ein paar Stunden jeden Tag kann ich dich immer entbehren. Dafür will ich aber eine kleine Gegenleistung.“ Er schnippte mit den Fingern und eine kleinere Nebentür öffnete sich. Zwei Diener traten ein und stellten eine Kiste vor dem Herrscher ab, öffneten behutsam den Deckel und zogen sich wieder zurück. Verwirrt sah Hiko darauf und konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, was der Shogun von ihm verlangte. „Ich denke, dieser Kimono würde an dir sehr gut aussehen…“, meinte Seiimei nun und zog den Stoff heraus. Hikos Augen wurden größer bei diesem Anblick und er schluckte, ließ sich auf den Boden sinken und verbeugte sich tief. „D-Das kann ich nicht annehmen, Goushujin-sama... Das ist zu viel…“ Der Kimono war eine absolute Kostbarkeit, von dem, was er erkennen konnte. Absolut perfekte Stickerei, Goldfäden… Dieses Kleidungsstück gehörte einem Herrscher, keinem einfachen Diener wie ihm, doch Seiimei sah ihn weiter an und breitete den Stoff dann vor ihm aus. „Ohne Gegenleistung wird es schwierig für mich werden, einen Dojo zu verlangen.“ Der junge Mann sah ihn kurz an und biss sich auf die Lippen. Das war keine Gegenleistung. Das war Erpressung. „Was muss ich tun, wenn ich es trage…?“ „Bei mir sein.“, war die schlichte Antwort. „Mich begleiten, so wie du es schon die ganze Zeit machst. Auch wenn ich den Palast verlasse.“ Hiko nickte und sah dann wieder auf den Kimono, verbeugte sich schließlich. „Ich nehme es an…“, sagte er mit leiser Stimme. Warum Seiimei es so wollte, war ihm noch nicht klar, aber durch seine Zustimmung begannen von nun an auch die Pläne des Shoguns für ihn. _________________________________________________________________ Das fünfte Kapitel ist hiermit beendet. Wie immer hoffe ich, dass euch das Kapitel gefällt. Über Kommentare würde ich mich sehr freuen, vielen Dank! :) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)