Geheimnisse aus Malendyr von Veluna ================================================================================ Kapitel 1: ----------- *** Während der letzte Schnee schmolz und der Frühling langsam auf Malendyr einzog, war eine junge Frau endlich soweit, dem Königreich zu dienen. In Flockenhain lebten nicht viele Elfen. Es war ein kleines Dorf in den Bergen und lag weit abseits vom nächsten Dorf. Im Winter war es besonders schwer dort zu überleben, da der Zugangsweg weitestgehend mit Schnee bedeckt war. Die wenigen Elfen in Flockenhain sammelten schon im Sommer die Vorräte für den Winter. Die kleinen Häuschen in Flockenhain boten gerade mal Platz für 40 Einwohner. Eine davon war Loriena. Schon als kleines Mädchen wusste sie, dass sie nicht ewig in Flockenhain bleiben würde. Ihr war bewusst, dass sie eines Tages auf eine große Reise gehen würde und möglicherweise nie wieder zurück kommen sollte. Das zumindest hatte ihr die Dorfwahrsagerin voraus gesagt. *** Loriena ging in ihrem kleinen Schlafgemach auf und ab. Sie war ein wenig nervös, konnte sich jedoch nicht erklären, woran das lag. Nun war sie 20 Jahre alt und hatte ihre Ausbildung zur Jägerin abgeschlossen. Sie war eine der Wenigen im Dorf, die überhaupt eine Kampfausbildung angestrebt hatte. Während sie ihren hölzernen Bogen in die Hand nahm und ihn zu polieren begann, hörte sie Tazal im Hintergrund schnarchen. Grinsend drehte sie sich zu ihm um. Vor drei Jahren war Tazal zu ihr gekommen. Nach einer gelungenen Mission hatte man ihn ihr geschenkt. Sie hatte sich damals gewundert, denn es war ein Geschenk vom Königreich selbst. Seitdem war der kleine Wolf ihr Gefährte und unterstützte sie im Kampf, so gut es ging. Sein Fell war am Kopf hellbraun, der Rest war dunkel. Loriena war mehr als froh, dass sie Tazal an ihrer Seite hatte, denn er war ein wirklich treuer Gefährte. Plötzlich klopfte es an der Tür und erschrocken drehte Loriena sich. »Wer ist da?«, fragte sie. Eine raue, alte Stimme antwortete ihr. »Ich bin es Loriena,Khaelon. Darf ich herein kommen?« Loriena öffnete die Tür und bat den Mann herein. Khaelon war ihr Ausbilder. Ein sehr weiser Mann, der Magier und Jäger zugleich war. Er beherrschte so viele Zauber wie kaum ein Anderer im Dorf. Während er in seiner blau schimmernden Robe hineintrat, bewunderte Loriena sein silbernes, langes Haar. Er war einer von den Elfen, die im Wald nach Bärenkraut suchten. Ein seltenes Kraut, welches sie in ihrer Pfeife rauchten. Khaelon setzte sich auf Lorienas kleines Bett und streichelte Tazal. »Was führt euch zu mir?«, fragte Loriena. »Nun, ich habe gute Nachrichten für dich.«, antwortete ihr der alte Mann. Neugierig blickte sie ihn an. »Ich habe Nachricht aus dem Königreich erhalten. Königin Vanyar hat einen ersten Auftrag für euch. Du wirst nun zum ersten Mal allein das Dorf verlassen.«, erklärte Khaelon ihr. Loriena wusste nun, was sie den ganzen Tag so nervös gemacht hatte. Sie hatte ein Art Vorahnung gehabt. Betrübt blickte sie zu Boden. »Was ist los, Loriena? Freust du dich gar nicht?«, fragte Khaelon besorgt. »Doch, aber ich weiß nicht, ob ich schon so weit bin.« Dann fiel ihr Blick auf Tazal, der den Beiden nun gespannt lauschte. Khaelon stand auf und trat zu ihr herüber. Er legte ihr seine Hand auf ihre kleine Schulter und sah sie ernst an. »Du bist soweit. Wofür hast du sonst die harte Ausbildung gemacht? Außerdem kannst du dort draußen noch viel mehr lernen.« Loriena wusste, dass der alte Mann rRecht hatte. Was ihr jedoch Sorgen machte, war die Vorraussage der Wahrsagerin. »Was ist, wenn ich wirklich nie zurück komme?«, fragte sie. Khaelon lächelte sie sanft an. »Dann ist dies eben dein Schicksal. Davor kann niemand flüchten. Das Leben bestimmt, wer wir sind und wohin wir gehen, nicht wir selbst.« Tazal sprang vom Bett und schmiegte sich an Lorienas Bein. »Was ist mit meinen Eltern, ich kann sie doch nicht allein zurück lassen.«, erklärte Loriena. »Das musst du sogar. Sie wollten es von Anfang an. Du weißt, dass du hier keine Zukunft haben wirst. Du solltest die Ausbildung machen, um für das Königreich wichtig zu werden. Damit sie auch dir das ewige Leben geben, welches du verdienst.« Der alte Mann blickte sie finster an und wollte keinen Widerspruch hören. Loriena wusste, dass jenes Elexier, welches das ewige Leben versprach, nur begrenzt zur Verfügung stand und nur Jenen gegeben wurde, welche sich als hilfreich für das Königreich herausstellten. Doch das bedeutete auch für sie, dass sie ihre Eltern zurücklassen musste und sie vielleicht nie wiedersehen konnte. Dieser Gedanke behagte ihr nicht und traurig sah sie Khaelon in die Augen. »Das Leben ist eine seltsame Gabe. Manchen wird es genommen und Anderen wird es auf ewig geschenkt. Das ist nicht fair.«, murmelte sie traurig. »Im Leben ist nichts fair, Loriena. Es ist nicht fair, dass wir hier in diesem Dorf festsitzen und von der Außenwelt abgeschirmt sind. Es ist nicht fair, dass wir den Winter gerade so überstehen und kaum einer von uns zum Königreich gerufen wird. Aber du bist eine der Wenigen, und du solltest es als Ehre betrachten, nicht als Schande. Du kannst froh sein, eine der Auserwählten zu sein. Kaum jemand bekommt diese Gelegenheit. Wenn du deine Aufträge gut erledigst und dir somit einen guten Ruf aufbaust, dann wirst du vielleicht eines Tages auch von dem Elexier trinken dürfen. Dann kannst auch du ewig leben.«, erklärte er und wirkte dabei ein wenig säuerlich. Loriena glaubte, dass Khaelon nicht verstehen konnte, dass es jemanden gab, der nicht alles für ein ewiges Leben geben würde. Loriena war stets der Ansicht, dass es wichtigeres gab. Jedoch musste sie sich auch eingestehen, dass es verlockend klang, niemals gehen zu müssen. »Was ist, wenn ich das gar nicht möchte? Ewiges Leben.«, fragte sie nachdenklich. Entsetzt sah Khaelon sie an. »Diese Frage stellt sich gar nicht. Denkst du, ich habe dich umsonst ausgebildet und dir ein Grundwissen in Magie beigebracht? Außerdem gibt es einen sehr guten Grund, aus dem du es tun musst.« Nun sah Loriena ihn überrascht an und hob eine Augenbraue. Der alte Mann zeigte daraufhin auf Tazal. Loriena verstand jedoch noch immer nicht. »Tazal war ein Geschenk des Königreiches. Sie scheinen viel Hoffnung in dich zu setzen. Du solltest nicht den Fehler machen, sie zu enttäuschen. Außerdem ist Tazal kein gewöhnlicher Wolf, denn er trägt Magie in sich und wird vielleicht auch ewig leben. Willst du ihn etwa allein zurück lassen? Er ist dein Gefährte, Loriena, er wäre todunglücklich, wenn er ohne dich sein müsste.«, mahnte Khaelon sie. Loriena wusste, dass sie sich vor der Reise nicht drücken konnte. Wenn sie ehrlich war, hatte sie sich auch auf die Abenteuer gefreut, die sie bestreiten würde. Sie wollte endlich einsetzten, was sie in der Ausbildung gelernt hatte. Aber ihre Eltern und Freunde verlassen, das wollte sie nicht. Malendyr war ein großer Kontinent und daher wäre nicht gewiss, ob sie je wieder nach Hause kommen würde. »Draußen steht ein Pferd für dich bereit. Das Dorf möchte es dir schenken, damit du Flockenhain damit gut repräsentieren kannst. Sie wollen dir damit gratulieren. Packe nun deine Sachen und vergiss die Wundsalbe nicht, die ich dir gemacht habe. Du wirst sie sicher noch brauchen.«, sagte der alte Mann und verließ dann Lorienas Zimmer. Nachdem sie wieder allein war, setzte sie sich eine Weile auf ihr Bett und dachte nach. Tazal legte sich zu ihr und Loriena begann ihn am Kopf zu streicheln. »Uns steht wohl eine lange Reise bevor.«, sagte sie nachdenklich. Daraufhin sah Tazal sie erwartungsfroh an und Loriena wusste, dass er sich auf die Abenteuer freuen würde. »Nun gut. Uns bleibt nichts anderes übrig. Dann werde ich wohl packen.«, sagte sie und stand auf. Während sie an ihre Kommode ging und ihre lederne Rüstung herausholte, lief Tazal schon aufgeregt im Zimmer herum. Die Rüstung war ein Geschenk von Khaelon. Er hatte sie speziell für Loriena anfertigen lassen und sie mit einigen Zaubersprüchen belegt, damit sie mehr Schutz bot. Zuerst zog Loriena sich das Brustteil und die Hose an. Anschließend streifte sie die Schuhe und Armschienen über. Nachdem sie sich den Umhang angelegt und das Kopfteil aufgesetzt hatte, zog sie sich noch ihre Handschuhe an. »Und, sehe ich aus wie eine echte Jägerin?«, fragte sie Tazal und musste dabei zugeben, sich wohl zu fühlen. Die dunkelbraune Rüstung passte gut zu ihren roten Haaren, welche sie zu einem Pferdeschwanz gebunden hatte. Mit ihrer zierlichen Figur und ihrem hübschen Gesicht, sah sie aus, wie eine kleine Prinzessin. Loriena holte unter ihrem Bett ein paar alte Satteltaschen hervor und packte zwei Decken und ein kleines Kissen hinein. Außerdem verstaute sie ihr kleines Tagebuch, ihre Feder und ihr Tintenfässchen, denn sie wollte jeden Moment ihrer Reise festhalten. In die andere Tasche kamen die Wundsalben und eine Menge Zaubertränke. Sie nahm ihren Köcher und füllte ihn mit Pfeilen. Von Khaelon hatte sie gelernt, wie man die Pfeile verzaubern konnte, damit sie an der Spitze giftig waren. Danach verließ sie ihre Stube und ging in die kleine Küche. Ihre Eltern waren nicht zu Hause. Es schmerzte sie sehr, sich nicht von ihnen verabschieden zu können. Dann lief sie zu dem kleinen Ofen, nahm sich einige Fleischvorräte und Brot, füllte ihren Wasserschlauch auf und packte alles sorgfältig in ihre Satteltaschen. Tazal folgte ihr auf dem Fuße und beide verließen gemeinsam das Haus. Auf der Straße, die aus dem Dorf führte, wartete Khaelon schon mit dem Pferd auf Loriena. Rasch ging sie zu ihm. »Da bist du ja.«, sagte er fröhlich. Loriena nickte nur. Danach befestigte sie die Satteltaschen, kletterte auf das Pferd und wartete auf weitere Anweisungen. »Du siehst aus wie eine richtige Kämpferin.«, hörte sie Khaelon stolz sagen. Daraufhin grinste Loriena ihn an und bemerkte, wie die anderen Dorfbewohner bewundernd zu ihr aufsahen. »Nun, du sollst in den Toranwald reiten und einen gewissen Morek Sturmauge ausfindig machen. Meines Wissen ist er ein Zwerg. Nimm dich in acht und sei höflich zu ihm. Er ist klein, aber wahnsinnig flink und er hat Kampftechniken drauf, von denen Andere nur träumen können. Er wird dir weitere Anweisungen erteilen und dir sagen, was zu tun ist.«, erklärte ihr der alte Mann. »Wo ist der Toranwald?«, fragte Loriena ihn. »Nun, du reitest aus dem Dorf hinaus und einfach immer nach Norden. Du wirst sicherlich drei Tage brauchen, bis du dort bist. Wenn du nachts schlafen willst, dann such dir immer ein gutes Versteck. Hier oben warst du stets sicher, in der Wildnis jedoch lauern Kreaturen, von denen die Meisten noch nie etwas gehört haben. Sei stets auf der Hut.« Loriena wirkte ein wenig verzweifelt. Am liebsten hätte sie Jemanden mitgenommen, statt allein losziehen zu müssen. »Ich habe noch etwas für dich.«, sagte Khaelon und kramte in seiner Tasche herum. Er holte eine Kette hervor, an der ein wunderschönes, silbernes Amulett befestigt war. Darauf war in elfischer Schrift das Wort „Lebensweg“ eingraviert. Schließlich reichte er es Loriena. »Danke.«, sagte sie. »Dieses Amulett wird dir den Weg zeigen. Es wird dir Kraft geben und dich beschützen.«, erklärte er. Loriena sah ihn traurig an, denn ihr war bewusst, dass nun der Abschied folgen würde. »Du wirst den richtigen Weg gehen, davon bin ich überzeugt.«, hörte sie Khaelon sagen und sah dabei den Stolz der in seinen Augen funkelte. Khaelon war um die 110 Jahre alt. Elfen hatten ein langes Leben. Auch ohne das Elexier war eine Lebenserwartung von 140 Jahren möglich. Doch mit dem Elexier wurde ihnen das ewige Leben geschenkt und sie alterten nicht mehr. Man zahlte für dieses Geschenk einen großen Preis, das war auch Loriena bewusst. Khaelon strich dem Pferd über den Kopf und sah es einen Moment an. »Du musst ihm noch einen Namen geben, Loriena.«, sagte er dann. »Das werde ich machen.«, versicherte sie ihm. »Nun, dann ist es wohl an der Zeit, dass du deine Reise antrittst. Wer weiß, möglicherweise werden wir uns wieder sehen. Ich schätze, meine Zeit in Flockenhain ist so langsam abgelaufen, auch ich muss weiterziehen.« Gespannt hörte Loriena ihm zu und nickte an den passenden Stellen. Tazal hatte sich währenddessen auf den Boden gelegt und beobachtete die Beiden. »Ich werde einen Boten schicken, wenn sich die Gelegenheit bietet und euch wissen lassen ,wie es mir geht.«, sagte Loriena. Da zog Khaelon die Augenbrauen hoch und begann zu lächeln. »Da fällt mir noch etwas ein. Ich wollte dir noch etwas mit auf den Weg geben.« Khaelon kramte erneut in seiner Tasche herum und holte einen kleinen ledernen Beutel hervor, welchen er Loriena gab. »Ich habe noch ein paar Goldmünzen für dich. Du solltest immer etwas Gold bei dir haben, wenn du auf Reisen gehst. Aber teile es dir gut ein, denn du wirst anfangs nicht viel für deine Aufträge erhalten.« Dankbar sah Loriena ihren ehemaligen Lehrmeister an. Dann steckte sie rasch das Gold weg und sah zu Tazal hinab. »Hey du kleine Schlafmütze, wollen wir nun Abenteuer erleben oder willst du hier schlafen?«, fragte sie ihn mit gespieltem Entsetzen. Daraufhin sprang Tazal aufgeregt auf und hechelte. Es sah aus, als würde er lachen und vor Freude fast platzen. »Macht es gut, Khaelon. Ich verspreche euch, heute war nicht das letzte Mal, dass wir uns gesehen haben! Ich werde zurückkehren.«, verkündete Loriena ihm. Khaelon sah sie zufrieden an. »Du nimmst dir viel vor. Aber das ist das Mädchen, welches ich kenne. Du hast den Kämpfergeist in dir. Deswegen wurdest du auserwählt. Ich wünsche dir eine gute Reise und hüte dich vor den Kreaturen der Nacht. Reite stets mit Bedacht und blicke nicht zurück!« Loriena sah ihn noch einmal an und gab dem Pferd die Sporen. Das Pferd galoppierte los und sie ritt die Dorfstraße hinunter. Tazal hechtete hinter ihr und dem Pferd her. Während sie in Richtung Dorfausgang ritt, öffneten die Elfischen Soldaten das Tor, welches zum Schutz der Einwohner erbaut worden war. Sie ritt hindurch, wollte sich noch einmal umdrehen um einen letzten Blick auf Flockenhain zu werfen, befolgte jedoch den Rat von Khaelon und blickte nicht mehr zurück. Dann ritt sie den schmalen Weg entlang, der durch das Gebirge und später wieder auf ebenes Gelände führen würde. Es war kurz nach 12 Uhr mittags und sie sog die Waldluft ein. Loriena war bisher noch nicht weiter als bis zu dem Gebirgsausgang geritten. Während ihrer Ausbildung streiften sie öfter im Gebirge umher, verließen es jedoch nie. Ihr wurde ein wenig flau im Magen, als sie daran dachte, was sie erwarten würde. Gegen Abend könnten sie das Tal erreicht haben. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)