Geheimnisse aus Malendyr von Veluna ================================================================================ Kapitel 2: Der alte Zausel -------------------------- *** Loriena war nun schon einige Stunden unterwegs und sie spürte, wie sich die ersten Anzeichen der Erschöpfung andeuteten. Ihr Magen fing allmählich an zu knurren und sie hoffte bald an ihrem Schlafplatz angekommen zu sein. Tazal schien das nichts auszumachen, denn er spurtete immer noch hinter den Beiden her. Langsam wurde es dämmrig in Malendyr und die Sonne verschwand am Himmel. Loriena hatte das Gefühl, als würde es allmählich frisch werden und sie trieb das Pferd an, ein wenig schneller zu laufen. Der Weg durch das Lorasagebirge war sehr steinig. Oft hatte das Pferd Mühe, dass Gleichgewicht halten zu können. In Lorienas Kopf spielte sich derweil so einiges ab. Sie fragte sich, was ihre Eltern wohl gerade machten, wie sie reagiert hatten, als sie nach Hause kamen und ihre einzige Tochter fort war. Sind sie froh gewesen, oder am Ende doch traurig? Als die Dunkelheit langsam über Malendyr hereinbrach, entdeckte Loriena endlich den Schlafplatz, den sie während ihrer Ausbildung oft aufgesucht hatte. Verborgen hinter einem großen Felsen auf der linken Seite, lag eine Höhle, die von Bäumen umgeben war und so nur schlecht zu finden gewesen ist. Loriena hatte die Höhle während einer ihrer Jagdläufe entdeckt. Nachdem sie einem großen Bären auf der Spur gewesen war, welcher den ganzen Tag von ihr verfolgt und erlegt wurde, fand die Elfe in dieser Höhle Unterschlupf. Das Dorf war mächtig stolz, als sie am Tag darauf mit so viel Fleisch zurückkam. Loriena stieg von ihrem Pferd hinab und führte es zwischen den Bäumen hindurch hinter den Felsen. Die Höhle war nicht gerade groß, jedoch reichte sie für die Nacht. Tazal kam den Beiden hinterher und nahm sofort seinen Platz in der Höhle ein. »Hey, ich würde auch ganz gern dort schlafen.«, erklärte sie ihm schmunzelnd. »Also mach dich nicht so breit!« Tazal ignorierte ihre Worte und legte sich zum Trotz voll ausgestreckt nieder. Loriena begann dem Pferd den Kopf zu streicheln. »Das hast du gut gemacht heute.«, sagte sie zu ihm. Das Pferd wieherte sie leise an und ließ sich dann ebenfalls auf den Boden sinken. Während Loriena rasch ein wenig Brennholz zusammensuchte, überlegte sie nach einem passenden Namen für ihren neugewonnenen Begleiter. Dann betrachtete sie das Pferd genauer. Das schwarze Fell und die hellgraue Mähne, ließen es sehr elegant wirken. Aus seinen treuen Augen verfolgte es jeden Schritt den sie machte. »Wie wäre es mit Argon? Würde dir das gefallen?«, fragte sie das Pferd. Dieses schnaubte und drückte damit seine Unzufriedenheit aus. Loriena sah es lange an und überlegte angestrengt. Dann kam ihr eine Idee. »Ich denke, Nadok würde dir gefallen.« Daraufhin erhob sich das Pferd und wieherte fröhlich. Nun war es beschlossene Sache. Loriena baute ein kleines Lagerfeuer und entzündete es mit zwei Feuersteinen, welche sie gegeneinander rieb. Später war sie sehr dankbar für die Wärme, die von dem Feuer ausging. Sie briet sich ein Stück Fleisch in ihrer kleinen Pfanne und warf Tazal ein rohes Stück Schweinefleisch zu. Dem Pferd gab sie Äpfel, welche sie im Wald gefunden hatte, als sie Holz sammeln war. Nachdem sie gegessen hatte, legte sie ihre Decke in der Höhle aus und legte sich darauf. Mit der anderen deckte sie sich zu und versuchte zu schlafen. »Tazal, du passt auf uns auf, ja?«, sagte sie noch, dann schlief sie ein und träumte von Flockenhain. *** Am nächsten Morgen erwachte sie ausgeruht und zufrieden. Die Sonne schien leicht in die kleine Höhle hinein. Nachdem sie sich aufgerichtet hatte und aus der Höhle sah, bemerkte sie Tazal, der um das Pferd herumschlich. Loriena verdrehte die Augen und stand auf. »Tazal, hör auf damit, du machst Nadok nervös!« Tazal ließ sich nicht beirren und ging weiter seiner Beschäftigung nach. Nadok stand auf und wieherte Tazal ungeduldig an. Dann scharrte es mit den Hufen und stupste den Wolf mit seinem Kopf an. Daraufhin knurrte Tazal. Es war jedoch kein bedrohliches Knurren, sondern eher ein verspieltes. Während die Beiden sich gegenseitig neckten, räumte Loriena ihre Decken zusammen und packte ihre Satteltaschen. Sie entfernte die letzten Spuren des Lagerfeuers, um kein Aufsehen zu erregen und trank einen Schluck aus ihrem Wasserschlauch. »Heute Abend sind wir an der Liane. Dort könnt ihr ausreichend trinken.«, erklärte sie ihren beiden Gefährten. Die Liane war ein kleiner Fluss, welcher vom Lorasagebirge hinunter ins Tal floss und dann in einem anderen Fluss mündete. Schließlich sattelte Loriena Nadok und stieg auf, um weiterzureiten. Tazal rannte schon mal vor. Noch früh am Morgen verließen sie das Lorasagebirge und kamen hinab in das Liliental. Dort waren viele Blumen und Wiesen zu sehen, aber weit und breit kein Dorf. Aus Erzählungen wusste Loriena aber, dass es im Tal ein kleines Dorf namens Nordernstern gab. Dieses lag jedoch zwei Reittage entfernt. Sicherlich hätte sie sich das Dorf gerne einmal angesehen, aber nun war keine Zeit für Umwege. Sie musste sehen, dass sie im Toranwald ankam und ihren nächsten Auftrag annehmen konnte. Der Weg durch das Tal war beschwerlich. Um die Mittagszeit herum machte Loriena eine kleine Pause, um etwas zu trinken und Kräuter zu sammeln. Anschließend ritt sie weiter gen Osten und fragte sich, woher sie wusste, dass dieser Weg richtig war. Ein Blick auf das Amulett ließ sie glauben, auf dem richtigen Weg zu sein. Tazal rannte nun nicht mehr vorneweg, sondern schlich nebenher. Ihm machte das viele Laufen zu schaffen, da er dieses nicht gewohnt war. Die Landschaft wirkte noch immer öde. Gegen Abend nahm Loriena am Horizont einen blauen Schimmer wahr. Nun war es nicht mehr weit bis zum Fluss. Insgeheim hoffte sie, dass sie dort eine gute Gelegenheit zum Übernachten finden würde. Da die Abenddämmerung schneller hereinbrach als erwartet, trieb sie Nadok an, schneller zu laufen. Tazal hechelte müde, rannte aber voller Vorfreude auf die Trinkquelle noch schneller. Als die Dunkelheit über sie hereinbrach, erreichten sie den Fluss und Loriena suchte nach einem geeigneten Versteck. Zwischen den Büschen und den Bäumen, die am Ufer des Flusses standen, fand sie eine verborgene Stelle, welche sie für geeignet hielt. Ohne zu zögern führte Loriena ihre Gefährten dorthin und stieg. Während sie ihre Decke ausbreitete und ein kleines Lagerfeuer machte, tranken Tazal und Nadok aus dem Fluss. Beide bekamen gar nicht genug von dem Wasser und Loriena ließ ihnen die Freude. Für sich selbst machte die Elfe in ihrem kleinen Topf eine Suppe, mit dem Rest aus ihrem Wasserschlauch, ein wenig Fleisch und den Kräutern die sie gesammelt hatte. Der Abend verging rasch. Loriena aß ihre Suppe und schrieb ihr Tagebuch. Darin erwähnte sie, wo sie entlang geritten war, wie es dort ausgesehen und wie sie sich gefühlt hatte. Danach zerkleinerte sie ein paar Kräuter und füllte sie mit dem Wasser aus dem Fluss in eine ihrer Phiolen. Während es in der Phiole brodelte, kramte sie in einer der Satteltaschen herum und holte einen kleinen Beutel hervor, in dem sich Pulver befand, welches Khaelon ihr vor langer Zeit gegeben hatte. Es war Angrispulver und man benutzte es um Zaubertränke zu verfeinern und zu verstärken. Zu finden war es jedoch nur in den Sumpföden, welche ganz oben im Norden von Malendyr lagen. Mit ihren Fingern griff sie nach einer Prise Angrispulver, gab es in die Phiole, verschloss diese und schüttelte sie einige Male kräftig, um sie schließlich in ihrer Satteltasche zu verstauen. Tazal und Nadok kamen zu ihr und legten sich an das Feuer. Loriena breitete in der Zeit ihre Decke aus und legte sich zum Schlafen hin. In dieser Nacht träumte sie das erste Mal von einem Elf, welcher in einem arkanen Gefängnis saß. *** Sein Gesicht war verschwommen und nur Umrisse waren zu erkennen. Verschwitzt erwachte Loriena und setzte sich aufrecht hin. Die Vögel zwitscherten bereits, als die Sonne langsam im Westen aufging. Rasch stand Loriena auf und streckte sich. Als sie bemerkte, wie verschwitzt sie war, beschloss sie sich im Fluss zu waschen. Sie nahm ihre andere Decke mit und ging zum Fluss. Tazal und Nadok schliefen noch friedlich und merkten gar nicht, dass Loriena verschwand. Das Wasser war kalt und ließ erkennen, dass der Winter gerade erst vorbei war. Der Frühling saß zwar in den Startlöchern, kam jedoch noch nicht richtig hervor. Nachdem Loriena ihre Rüstung abgelegt hatte, wusch sie ihren Körper und die Haare, welche schon leicht fetteten. Frierend kam sie wieder an Land und trocknete sich mit der Decke ab. Als ihre Haare durch die Luft ein wenig getrocknet waren, zog sie sich wieder an und kämmte sich mit ihrem Eisenkamm die Haare, welche sie danach wieder nach oben band. Dann füllte sie noch ihren Wasserschlauch und ging zurück zum Lager. Tazal und Nadok waren nun wach und begrüßten Loriena fröhlich. Sie warf Tazal ein Stück Fleisch hin und gab Nadok zwei Äpfel zu fressen. Während die zwei sich über ihr Fressen hermachten, räumte Loriena ihre Sachen zusammen und entfernte die Spuren des Lagerfeuers. Als sie Nadok gesattelt hatte und aufgestiegen war, ritt sie weiter. Tazal rannte hinterher. Der Tag verging nur langsam. Während Loriena auf Nadok ritt, sah sie sich die Landschaft an und dachte über ihre Zukunft nach. Sie fragte sich, welchen Auftrag sie wohl von dem Zwerg bekommen würde. Ebenfalls hoffte Loriena dort einen guten Unterschlupf zu finden, an welchem sich auch ihre Gefährten ausruhen konnten. Die Stunden vergingen sehr langsam. Ab und zu machten sie eine Pause, um sich zu stärken und auszuruhen. Tazal schnaufte fröhlich vor sich hin und drängte zum Weiterlaufen, während Nadok noch aus einem Schälchen mit Wasser trank. Gegen Abend hatten sie dann endlich den Toranwald erreicht. Loriena fand es fast gruselig, wie sich die Umgebung schlagartig veränderte. Der tristen Umgebung, die nur Wiesen zuließ, wichen Bäume und moosbedeckter Boden. Der Wald im Ganzen wirkte eher dunkel und finster. Als sie die ersten Schritte in den Wald machten, bemerkte Loriena die Luftveränderung, welche von trocken zu feucht wechselte. Auf dem Boden war ein Weg zu erkennen, welchem Loriena folgte. Nach einer Weile kam sie an eine Kreuzung. Dort war ein Wegweiser angebracht, auf dem stand "Brons Lager" und er zeigte nach links. Loriena folgte dem Weg und ritt nun schneller. Plötzlich sah sie eine kleine Gestalt auf sich zukommen. Als sie nah genug an dem Wesen war, sah sie erst, dass es sich um einen Zwerg handelte. Bis zum heutigen Tage hatte sie erst einmal einen Zwerg gesehen. Damals kam ein Händlerzwerg nach Flockenhain, als der Frühling endlich da war. Der kleine Mann hielt eine Laterne in der Hand und beleuchtete den Weg. Er hatte eine Plattenrüstung an und sein orangener Bart reichte bis zu seinem Bauch. Außerdem fiel Loriena seine unglaublich große Nase auf. »Halt!«, rief er ihr zu. Sofort brachte Loriena Nadok zum Stehen und sah den Zwerg fragend an. »Ich bin Farek Goldbräu. Was macht ihr hier zu dieser späten Stunde, Elfe?«, fragte er skeptisch. In diesem Moment begann es zu regnen und Loriena wurde nass bis auf die Haut. »Ich bin im Auftrag des Königreiches hier und suche Morek Sturmauge.« »Und wie heißt ihr?« Der Zwerg rümpfte die Nase und schaute sie grimmig an. »Mein Name ist Loriena Windsucher. Ich komme aus Flockenhain, im Lorasagebirge. Der Magier und Jäger Khaelon schickte mich hierher.«, erklärte sie. Der Zwerg musterte die Elfe lange, dann entspannten sich seine Gesichtszüge endlich. »Kommt, zum Lager geht es hier entlang.« Loriena stieg von Nadok ab und ging mit dem Zwerg zu Fuß zum Lager. Als sie dort ankamen, bemerkte sie die vielen Zwerge, die sich dort aufhielten. »Wir sollen dafür sorgen, dass der Toranwald sauber bleibt und nicht von Monstern überfallen wird.«, erklärte Farek ihr. Loriena nickte verständnisvoll. Auf dem Lagerplatz standen mehrere kleine Zelte und in der Mitte war ein großes Lagerfeuer gebaut worden, welches durch den Regen jedoch fast erloschen war. Ein paar Transportwägen aus Holz standen in der Gegend herum. Der Zwerg führte Loriena zum größten der Zelte und ließ sie eintreten. Es war spartanisch eingerichtet. Nur ein Bettgestell und ein Holzstuhl, sowie ein kleiner Tisch. Auf dem Bett saß ein Zwerg, der in ein Buch vertieft war. »Bron?«, rief Farek dem Zwerg zu. Dieser hob daraufhin den Kopf und sah zu den Beiden. Seine Augen weiteten sich und er stand plötzlich auf. »Wen haben wir denn da?«, fragte er. Seine Stimme war sehr rau und klang alt. Loriena hatte das Gefühl, dass die Zwerge alle gleich aussahen, nur das die Farbe ihres Bartes und der Haare sie voneinander unterschieden. »Das ist Loriena Windsucher aus Flockenhain. Der Magier und Jäger Khaelon schickte sie, um zu Morek zu gehen.«, erklärte Farek ihm kurz. Der Zwerg namens Bron hob die Augenbrauen. »Nun, ich bin der Leiter dieses Lagers. Wenn du etwas brauchst, wende dich ruhig an mich. Wir haben hier einen Händler, er verkauft dir Lebensmittel und sonstigen Plunder. Alles, was dein Herz begehrt. Aber nun geh zu Morek. Er mag es nicht, wenn man ihn warten lässt.«, erklärte ihr Bron und wedelte mit den Händen um ihr zu zeigen, dass sie gehen sollte. Loriena und Farek verließen das Zelt und gingen über den kleinen Lagerplatz zu einem anderen Zelt. »Morek?«, rief der Zwerg. »Ja?«, brummelte eine tiefe Stimme aus dem Zeltinneren. »Hier ist jemand, der dich sprechen möchte.«, erklärte er weiter. Ein Moment des Schweigens. »Ich erwarte niemanden.«, brummelte er erneut. »Geh einfach hinein. Aber hüte dich, kleine Elfe. Er ist nicht der Freundlichste.« Farek hielt ihr das Zelt offen und Loriena trat herein. In Moreks Zelt war es sehr dunkel. Ein Bett, ein Tisch, ein Stuhl standen darin und ein dunkler Teppich lag auf dem Boden. Auf dem Tisch standen eine Kerze und ein Kelch mit Wein. Morek saß auf dem Stuhl, mit dem Rücken zu Loriena. »Wer will etwas von mir?«, fragte er mit einem mürrischen Unterton. »Mein Name ist Loriena Windsucher. Khaelon schickt mich.«, erklärte sie. Nun drehte der Zwerg sich um und zeigte sich. Sein Gesicht wirkte alt und verlebt. Sein grauer Bart ließ ihn noch älter wirken und sein grimmiger Gesichtsausdruck machte ihn nicht gerade symphatisch. »Ihr seit spät dran, findet ihr nicht?«, fragte er. »Ich kam so schnell es ging.«, antwortete Loriena ihm. »Khaelon kündigte euch für heute Abend an, nun ist es bereits fast Mitternacht. Pünktlichkeit ist eine Tugend.« Während er dies sagte, funkelten seine Augen wütend. Loriena schaute verlegen und wurde ein wenig rot. »Verzeihung, aber es ging nicht schneller. Mein Pferd war müde.«, erklärte sie sich. Daraufhin begann Morek zu schnauben. »Pahh! Ausreden über Ausreden. Jeder der hier vorbeikommt, hat eine andere für mich parat. Erklärt mir eines Loriena, warum sollte ich euch einen Auftrag geben, wenn ihr nicht zuverlässig seid?« »Weil ich eine sehr gute Ausbildung gemacht habe und durchaus zuverflässig bin. Allerdings bin ich auch keine Tierqäualerin und gönne meinen Gefährten ihre verdienten Pausen! Also, gebt ihr mir nun den Auftrag, oder muss ich zurück nach Flockenhain gehen und Schande über das Dorf bringen?«, verteidigte sie sich. Der Zorn funkelte in Moreks Augen. »Ihr solltet eure Zunge hüten. Wie ihr mit mir sprecht, ist nicht gerade vorteilhaft für eure Zukunft, Mädchen. Nun, ich werde darüber nachdenken und euch morgen Bescheid geben! Diese Entscheidung will wohl überlegt sein, schließlich soll das Königreich keine unzuverlässigen Leute haben, die noch dazu unhöflich sind. Nun geht und kommt morgen früh wieder.«, sagte er grimmig. Alter Zausel, dachte Loriena und verließ das Zelt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)