Fire von Earu (... in a world of Black Hearts & Dollar Signs) ================================================================================ Kapitel 13: When life leaves us blind ------------------------------------- „Hyde … nicht …“ Was? Ich erstarrte schlagartig und spürte die Panik wieder in mir aufkommen. Unausweichlich rollte sie auf mich zu und es fühlte sich an, als würde der Boden unter meinen Füßen weggerissen, als Gackt die Hände auf meine Schultern legte und mich von sich schob. „Nicht so fest, du erdrückst mich noch.“ Um ein Haar hätte ich ihm eine verpasst … oder ihn noch einmal so fest umarmt – ich konnte es nicht genau sagen, beide Bedürfnisse rangen miteinander und keines war eindeutig stärker als das andere. Stattdessen kämpfte sich ein drittes nach oben und zog einfach kampflos an den anderen beiden vorbei. „Bring mich hier weg“, sagte ich gerade heraus, ohne großartig darüber nachzudenken. Wir hatten keine richtige Begrüßung ausgetauscht, kein Wort zu dem gesagt, was vorgefallen war, und dennoch nickte Gackt einfach nur. Ich konnte in seinem Gesicht lesen, dass die Frage nach dem Warum schon auf halbem Wege zu seinem Mund war, aber er sprach sie nicht aus. „Dann lass uns gehen.“ Ich zögerte keinen Augenblick, sondern zog mir nur schnell Schuhe und Jacke an, holte meine Brieftasche, mein Handy und die Wohnungsschlüssel und ging dann einfach – zusammen mit Gackt. Dabei nahm er kurz meine Hand, ließ sie aber nach zwei Schritten schon wieder los und mich zurück mit einem Gefühl der Verwirrung und der stummen Frage, was das gewesen sein sollte. Oder ob mir das unangenehmer war, als wenn er meine Hand weiter gehalten hätte. Ich machte auch selbst keine Anstalten, irgendwie mehr Kontakt zu Gackt herzustellen. Er war da, ja, aber es kam mir trotzdem so vor, als sei er meilenweit weg. Die übermäßige Freude, die mich eben noch wie eine riesige Welle mitgerissen hatte, war wieder abgeebbt und hatte alles so zurückgelassen, wie es vorher gewesen war. Was war nur los? Draußen bemerkte ich, dass sein Fahrrad in einem der Stellplätze vor dem Haus stand, und als ich danach fragte, sagte er nur, dass er nach dem Besuch bei mir eigentlich gleich weiter zur Arbeit wollte. Weiter nichts, den ganzen restlichen Weg nicht mehr. Das Rad ließen wir stehen, gingen stattdessen zum nächsten Taxi-Halt, der nicht weit entfernt war, und fuhren damit zu Gackts Wohnung. Und kaum dass wir sie betreten hatten, fiel alle Scheu, die bis zu diesem Moment noch in mir gesteckt haben mochte, von mir ab – als ob ich in diesen Räumen alles tun und dabei erfolgreich sein könnte. Ich musste etwas riskieren, wenn ich etwas verändern wollte. Ich wartete deshalb gerade noch lange genug, bis Gackt die Wohnungstür hinter sich geschlossen hatte, ehe ich ihn abermals umarmte. Diesmal zwar nicht so fest wie vor meiner Tür, aber dennoch bestimmt. Und er nahm mich ebenfalls in den Arm, hielt mich und gab mir die Bestätigung, die ich brauchte: Das hier würde nicht so enden, wie unser letztes Telefonat, er würde nicht wieder einfach so weggehen. „Es tut mir leid“, murmelte Gackt schließlich leise, nachdem wir eine Weile so dagestanden und kein Wort gesagt hatten. „Ich weiß, ich hab ziemlich großen Mist gebaut. Und ich kann nicht verlangen, dass du mir verzeihst, aber ich wäre wirklich froh, wenn du es doch tun würdest. Ich kann dir nicht sagen, wie leid es mir tut, dass ich dich so im Stich gelassen habe … und dass ich so lange gebraucht habe, um mich blicken zu lassen. Ich war so stur und wollte nicht noch weiter … aber gestern hat es mich fast erschlagen und ich konnte nicht mehr. Aber du bist nicht ans Handy gegangen und ich hab mir Sorgen gemacht. Glaub mir, ich bereue wirklich, was ich dir da angetan hab.“ „Es ist egal, ich bin dir nicht böse.“ Er war im Moment das Einzige, das nicht kaputt war … nicht mehr. „Wenn du nicht aufgekreuzt wärst, wäre ich noch komplett durchgedreht.“ „Komplett?“ Gackt lehnte sich etwas zurück, gerade weit genug, um mich ansehen zu können. „Erzählst du mir, was passiert ist?“ „Hm …“ „Diesmal bin ich ganz für dich da, versprochen“, versicherte er mir und gab mir daraufhin einen Kuss auf die Stirn … so, wie er es schon oft getan hatte, ehe er angefangen hatte, mich richtig zu küssen. Es gab mir Kraft, die wie eine Welle durch mich hindurchschwappte. „Ja …“, willigte ich ein und ließ ihn schließlich los, um mir Jacke und Schuhe ausziehen zu können. Die Sachen, die ich noch mitgenommen hatte, nahm ich aus meiner Tasche heraus, um sie mit ins Wohnzimmer nehmen zu können. Gackt tat dasselbe und verschwand dann kurz hinter dem Vorhang, der die kleine Nische von seinem Flur trennte. Nur ein paar Sekunden später tauchte er aber mit ein paar Flaschen im Arm schon wieder auf und bedeutete mir, dass ich vorausgehen sollte. Das tat ich auch und ging zielstrebig direkt auf die Couch zu. Gackt stellte erst noch die Flaschen auf den Tisch und fragte dann: „Willst du was trinken? Ich hab alles da – mit Alkohol, ohne Alkohol und wenn du willst, mixe ich dir schnell was.“ Ich warf kurz einen Blick auf das Sammelsurium an Flaschen auf dem Tisch und entschied schließlich: „Sake? Kalt reicht aus.“ „Geht klar“, war seine kurze Antwort, ehe er in der Küche ein Glas holte und mir etwas eingoss. Dann gesellte er sich wieder zu mir, für sich selbst nur ein Wasser in der Hand, und stieß das Gespräch wieder an: „Also, sag mir, was passiert ist.“ Und dann erzählte ich ihm die Geschichte der letzten gut anderthalb Wochen. Von dem Date mit Emiko, wie ihr Mann uns erwischt und mich verprügelt hatte und dass ich immer noch nicht im Krankenhaus gewesen war. Von den schlechten Nachrichten, die mir Hayashi überbracht hatte, und dem Elend und dem Mist in den Tagen danach. Zwischendurch nippte ich ab und zu an meinem Sake, wenn ich das Gefühl hatte, nicht mehr zu wissen, wie ich weitererzählen sollte. Gackt nickte dabei immer wieder, streichelte meine Schulter und ließ mir ansonsten die Zeit, die ich brauchte. Er unterbrach mich nur einmal, um in der Bar anzurufen und ihnen zu sagen, dass er heute nicht kommen konnte. Ich war froh, dass er das getan hatte, denn auch wenn er nur zur Arbeit gegangen und später wiedergekommen wäre, hätte ich es vermutlich nicht ertragen. Ja, es war selbstsüchtig, und trotzdem schämte ich mich deshalb nicht. Zum Telefonieren war Gackt aufgestanden und kehrte nach dem Ende des Gespräches auch nicht gleich zu mir zurück, sondern holte sich noch etwas zu trinken – ein Bier diesmal, wohl weil er jetzt quasi Feierabend hatte. „Entschuldige“, sagte er, als er sich wieder zu mir setzte, „red bitte weiter.“ „Na ja“, setzte ich an, zuckte kurz mit den Schultern und verzog die Lippen, „ich suche die ganze Zeit schon nach einer Lösung. Aber ich weiß eben nicht genau, wie schlecht es eigentlich steht. Ich habe Hayashi-san ja noch nicht einmal getroffen … aber gut kann es auf keinen Fall sein, so wie er mich angesehen hat. Und dann ist da eben noch diese Klausel im Mietvertrag.“ „Klausel?“, hakte Gackt nach. „Das Haus, in dem meine Wohnung ist, ist ziemlich um seinen guten Ruf bemüht. Deshalb sind einerseits die Mieten nicht gerade billig und andererseits wird auch nicht jeder Bewerber angenommen, selbst wenn er das nötige Startkapital vorweisen kann. Du fliegst da gnadenlos raus, wenn du drei Monate mit der Miete im Rückstand bist. Ich denke, das dient als Abschreckung, damit nur wirklich wohlhabende Leute einziehen, bei denen diese Situation erst gar nicht eintritt. Hayashi-san ist eigentlich ganz nett, aber man merkt, dass er einen gewissen Standard an Mietern haben will. Ich hab die Wohnung ja selbst nur mit Beziehungen bekommen und jetzt bin ich anscheinend im Rückstand … im kritischen Bereich sogar.“ Ich schämte mich eigentlich sehr selten, aber als ich dies zugab, tat ich es doch. Und noch viel mehr, als ich die nächsten Worte aussprach: „Und ich komme da einfach nicht mehr raus, weil ich kein Geld habe. Dabei bräuchte ich es wirklich dringend.“ „Ach, deshalb wolltest du von dort weg“, schlussfolgerte Gackt mit konzentrierter und auch etwas trauriger Miene. „Ja“, konnte ich darauf nur zugeben, „dort wäre mir irgendwann die Decke auf den Kopf gefallen. Hier nicht, hier ist es … viel besser.“ Hier fühlte ich mich wohl und sicher. „Aber ich will meine Wohnung auch nicht verlieren. Ich mag meine Wohnung! Nur nicht, wenn alles so … kompliziert ist.“ Gackt nahm es nickend zur Kenntnis, aber der komische Ausdruck in seinen Augen wollte einfach nicht verschwinden. Ich mochte nicht, was ich da sah. „Also …“, griff er das Gespräch schließlich wieder auf, „… im Grunde musst du nur eine Rate begleichen, um dir mehr Zeit zu verschaffen. Oder musst du gleich alles nachzahlen?“ „Nein, ich denke, eine reicht aus. Aber ich weiß nicht, wie ich da rankommen soll.“ „Verdienen?“, schlug er ganz sachlich vor und überraschte mich dann vollkommen, „ich heiße es sonst zwar nicht gut, wie du an dein Geld kommst, aber kannst du nicht jemanden von deinen Dates dazu bringen, dir was zu geben? Wenn du mehrere fragst, kriegst du es bestimmt schnell zusammen.“ Damit hatte ich nun wirklich nicht gerechnet, nachdem er sonst immer gewettert hatte, dass mein Lebensstil schlecht sei. Es störte ihn ja sogar so sehr, dass er den Kontakt zu mir abgebrochen hatte. Und jetzt schlug er mir genau das vor, was er sonst verurteilte? „Ich weiß nicht“, wandte ich ein, „es würde zu lange dauern, so viele zu fragen, und …“ Ich zögerte, es auszusprechen. Den Gedanken im Kopf zu haben, war die eine Sache – es laut zu sagen eine andere. Es fühlte sich schon erniedrigend genug an. „Ich kann es dir nicht geben, Hyde“, sagte Gackt dann auf einmal, ohne mich den Satz beenden zu lassen. „Ich müsste zu meinem Vater gehen und vor ihm kriechen. Und ich weiß noch nicht einmal, ob es etwas bringen würde. Es tut mir leid, aber ich muss dich enttäuschen, wenn du gedacht hast, dass sich alle deine Probleme lösen, wenn du mit mir mitkommst.“ „Nein! Nein, Gackt, das ist es nicht!“, widersprach ich ihm jedoch schnell. Denn ich roch förmlich, in welche Richtung seine Gedanken da gerade gingen, und das wollte ich um jeden Preis verhindern. Sonst würde es haargenau so enden wie vor einigen Wochen auf der Party. Dazu musste ich allerdings in den sauren Apfel beißen und auch noch mit dem Rest herausrücken: „Ich kann einfach nicht mehr so weitermachen wie bisher … Ich hab dir erzählt, dass Emiko mich abgeschossen hat, als ihr Mann mit mir fertig war. Aber sie hat noch mehr gesagt. Sie hat gesagt, dass ich nicht mehr bin als ein Flittchen, das sie ganz einfach ersetzen kann … ein Flittchen. Und sie hat Recht damit.“ Ich presste die Lippen aufeinander, als es raus war, und ich fühlte mich sehr seltsam. Mein Gesicht wurde heiß und in meinen Ohren konnte ich meine eigene Stimme hören, wie sie die Worte wieder und wieder sagte. Wie eine Endlosschleife, in der sich alles überlagerte. Gackt antwortete darauf erst gar nicht und dann mit einer Entschuldigung: „Es tut mir leid, Hyde. Es … ich denke nicht, dass sie damit Recht hat.“ In seinem Gesicht konnte ich lesen, dass er es ernst meinte, denn seine Miene hatte sich gewandelt: Sie war nicht mehr konzentriert oder traurig, sondern drückte aus, dass er aufrichtiges Beileid empfand. Ich schüttelte jedoch den Kopf, so sehr ich mich auch über sein Mitgefühl freute. „Sie hat Recht. Du hast doch auch gesagt, dass ich mich prostituiere. Bei unserem ersten Treffen, weißt du noch? Du hast mich genötigt, dir zu erzählen, was an dem Tag mit mir los war. Und als ich dir erzählt habe, wer Taishin und all die anderen für mich sind, hast du gesagt, dass ich mich quasi prostituieren würde, auch wenn ich das nicht so sehe.“ „Ich kannte dich doch damals noch gar nicht“, wandte Gackt darauf ein, rückte ein bisschen näher an mich heran und legte die Hände auf meine Schultern – wie um mich zu beschwichtigen. „Das ändert nichts an den Tatsachen“, insistierte ich weiter und wandte trotzig das Gesicht von ihm ab. Ich wollte mich nicht kleiner machen, als ich war, denn ich sagte diese Worte nicht, um noch mal eine Extraportion Mitleid bei ihm zu erwecken. Nein, ich dachte wirklich, was ich da sagte, auch wenn ich lange gebraucht und erst dieser Mist hatte passieren müssen, um mir die Tatsachen einzugestehen. „Wie du willst“, hörte ich Gackt dann auf einmal sagen, „aber das ist doch jetzt vollkommen egal.“ Er lehnte sich auf ein Stück zur Seite, um wieder in mein Blickfeld zu kommen, das konnte ich spüren. Als das jedoch nicht klappte, drehte er meinen Kopf einfach, indem er mich am Kinn packte und mich mit sanftem Druck festhielt. „Du änderst dich gerade“, erklärte er es mir dann auch, „das heißt, dass du diesen Teil deines Lebens hinter dir lassen willst. Ich bin doch auch kein versnobter Bastard, nur weil ich in einer reichen Familie aufgewachsen bin. Ich habe mich bewusst dagegen entschieden und wenn du sagst, dass du nicht mehr so weitermachen kannst, dann ist das doch dasselbe.“ Ich antwortete nicht gleich, kaute erst einmal nur unschlüssig auf meiner Unterlippe herum. Ich wollte ihm so gerne einfach nur glauben und es hinter mir lassen. Aber seit ich diese Erkenntnis über mein Leben hatte, ließ sie mich nicht mehr los. Es war, als säße ein kleines Männchen in meinem Ohr, das mir beständig zuflüsterte, dass ich mich freiwillig verkauft hatte. Dass ich mich immer für etwas Besseres gehalten hatte, obwohl ich es niemals wirklich gewesen war. „Gackt …“, setzte ich schließlich doch an, in einem Ton, der ihm schon alles verraten musste. Und das Resultat? Er fiel mir ins Wort: „Ach, hör doch endlich auf! Wo ist der Hyde hin, den ich kennengelernt habe? Der Hyde, der einen Scheiß darauf gegeben hat, was andere von ihm halten, und der keine Skrupel hatte, reiche Geldsäcke zu schröpfen. Du hast einen Schock erlitten, weil dein Weltbild jetzt nicht mehr ganz so sauber ist, und deshalb bist du jetzt down. Aber das ist, verdammt nochmal, kein Grund, sich um 180 Grad zu drehen und komplett zu einer kümmerlichen Heulsuse zu werden! Ja, es ist schrecklich, was dir passiert ist und was du erkannt hast, und genau das musst du jetzt hinter dir lassen und wieder aufstehen. Mein Gott!“ Dann zog er mich fest an sich und schlang die Arme um meinen Oberkörper. Er holte tief Lust und ich dachte schon, dass die Schimpftirade weitergehen würde, aber er sprach ganz ruhig: „Ich werde dir helfen, so gut ich kann. Ich helfe dir, einen richtigen Job zu finden und auch eine neue Wohnung. Und solange bleibst du einfach hier. Wir schaffen das. Du schaffst das, wenn du es wirklich willst. Es macht mir auch nichts aus, wenn du in der nächsten Zeit doch noch mit Dates über die Runden kommst. Aber, bitte, gib jetzt nicht auf, nur weil gerade alles auf einmal über dich herfällt.“ Ich nickte. Und nickte nochmal. Und nochmal. Und legte dann die Hände auf seinen Rücken. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Natürlich könnte ich nicht alles von jetzt auf gleich umsetzen und er würde sicherlich auch nicht erwarten, dass sofort wieder alles Friede, Freude, Eierkuchen wäre. Ich wusste ebenso selbstverständlich nicht, wie lange ich brauchen würde, um einigermaßen wieder auf die Beine zu kommen, oder wo ich dazu überhaupt anfangen sollte. Aber das war erst morgen und heute konnte ich noch so schwach sein, wie ich wollte. Und Gackt schien es mir auch nicht weiter übelzunehmen, denn er sprach es nicht mehr an. Wir redeten bis spät abends, machten zwischendurch etwas zu essen und Gackt erinnerte mich einmal mehr daran, dass er nicht nur hinter dem Tresen wirklich etwas drauf hatte, sondern auch in der Küche. Um kurz nach Mitternacht holte er auch die Spielekonsole wieder hervor und schloss sie an, falls ich noch eine Runde zocken wollte, denn er wollte so langsam ins Bett. Ich lehnte allerdings dankend ab und schloss mich ihm stattdessen an. Der Tag war anstrengend gewesen und obwohl ich nicht viel getan hatte, fühlte ich mich ausgelaugt. Gackt gab mir daraufhin ein paar Shorts und ein Hemd von sich, das ich übergangsweise anziehen konnte, und breitete den Gästefuton im Schlafzimmer direkt neben seinem eigenen aus. Er versprach mir auch noch, morgen in meine Wohnung zu fahren und ein paar Sachen für mich zu holen. Er musste ja sowieso dorthin, da sein Fahrrad immer noch dort stand. Dann wünschte er mir eine gute Nacht, schaltete das Licht aus und der Tag fand damit sein Ende. * Als ich am nächsten Morgen erwachte, begrüßte mich das Geräusch von rauschendem Wasser. Ich brauchte eine Weile, um erst einmal die Augen richtig aufzukriegen, weil alles so hell war, und dann um mich zu orientieren. Die Tatsache, dass ich sehr nah am Boden und doch auf einer Matratze lag, half mir schließlich auf die Sprünge: Ich war bei Gackt! Er hatte mich gestern abgeholt und bei sich aufgenommen. Ich drehte mich ein Stück um, um nach ihm zu sehen, aber er war nicht da. Der Futon neben mir war leer, die Decke lag platt auf der Matte und war ein bisschen verrutscht. Auf dem Kopfkissen lag nur mein Handy, das ich gestern eigentlich auf mein Kissen gelegt hatte. Es war schon etwas seltsam. Ich streckte meinen Arm danach aus, um zu schauen, wie spät es war, und bemerkte dabei, dass ich ziemlich weit außen auf meinem Futon lag. Ich wollte mich jetzt allerdings nicht bewegen, denn es war gerade so schön warm – der Rest des Futons würde vermutlich total kalt sein. Ich schaltete also das Handy an, um nur einen kurzen Blick auf die Uhr zu werfen, registrierte halb zehn und drehte mich wieder zurück auf den Rücken. Aber dass Gackt nicht da war, wunderte mich schon. Wo war er nur um diese Uhrzeit? Er hätte es mir doch sicherlich gesagt, wenn er früh hätte aufstehen müssen. Dann hörte ich auch schon Schritte, dumpfe Schritte von nackten Füßen auf Teppichboden, und direkt darauf öffnete sich die Tür und Gackt kam herein. Umsichtig schloss er sie wieder und schlich anschließend auf Zehenspitzen zu seinem Futon zurück. Allerdings legte er sich nicht dorthin, sondern schlüpfte einfach zu mir unter die Decke, anscheinend nicht bemerkend, dass ich wach war. Und mir dämmerte es langsam, wieso ich so weit außen war und wieso da mein Handy auf seinem Kopfkissen liegen konnte. Als Gackt dann auch noch einen Arm um meine Taille schlang, machte ich mich doch bemerkbar. „Morgen“, murmelte ich und drehte mich ein Stück zu ihm um. „Oh, guten Morgen!“ Er wirkte ein wenig überrascht, als er den Gruß hastig erwiderte und auch etwas abrückte – wohl um mir den Freiraum zu lassen, den ich brauchte, um mich ganz umdrehen zu können. Aber ich blieb auf dem Rücken liegen. „Hast du gut geschlafen?“, fragte Gackt weiter. „Ich denke schon. Ich kann mich zumindest nicht erinnern, irgendwelchen Mist geträumt zu haben. Mal wieder.“ „Mal wieder?“, hakte Gackt nach und sah mich mit einem Stirnrunzeln an. „Ach, nichts“, winkte ich ab, „Träume eben.“ „Erzähl es mir“, bat er mich darauf. Und ich zögerte auch nicht lange, seufzte nur leise und schenkte ihm ein schwaches Lächeln: „Ich hab von dir geträumt. Du hast mich verprügelt und wolltest nicht damit aufhören. Ich hab um Hilfe gerufen und gebettelt, dass du mir verzeihst, aber du hast mich komplett ignoriert … alle anderen haben mich auch ignoriert. Und noch anderes Zeug … ich weiß es nicht mehr genau.“ „Hyde …“, flüsterte Gackt nach ein paar Sekunden des Schweigens und zog mich an sich, „das tut mir leid.“ „Hä?“, machte ich, als ich den Blick hob und ihn ansah. „Warum tut es dir jetzt leid? Emikos Mann hat mich verprügelt und nicht du. Es waren nur Träume.“ „Aber ich hab dich im Stich gelassen.“ „Dafür hast du dich schon entschuldigt.“ „Es tut mir trotzdem leid“, betonte Gackt noch einmal und gab mir einen Kuss auf die Stirn. Dazu musste er den Hals etwas strecken, weil wir so nahe zusammen lagen. Sehr nahe. „Hm …“, war das Einzige, was ich dazu tun konnte. Ich wollte nicht diskutieren, wie leid es ihm tat, wenn es mir im Grunde gar nicht mehr wichtig war. Stattdessen schloss ich die Augen wieder – vielleicht, um noch etwas zu dösen oder … was auch immer. „Hyde?“, wurde ich jedoch noch einmal angesprochen, „willst du weiterschlafen?“ „Weiß ich nicht.“ „Na, dann …“ „Hm“, machte ich wieder nur. Und dann küsste er mich erneut, diesmal auf die Wange. Und ein drittes Mal, aber auf den Mund. Und dort blieben Gackts Lippen hängen. Er saugte leicht an meiner Unterlippe, bis ich schließlich nachgab und mit einstimmte, mich ihm entgegenlehnte und eine Hand auf seinen Oberarm legte. Ich dominierte den Kuss sogar, schob meine Zunge zwischen seinen Lippen hindurch in seine Mundhöhle und konnte Pfefferminze schmecken. Mir wurde warm dabei und meine Fußsohlen begannen zu kribbeln, als ich spürte, wie mir Gackts Hand unter das Hemd kroch und an meiner Wirbelsäule entlangwanderte. Ich wollte mehr, ich konnte nicht genug davon kriegen. Ich seufzte genießerisch, als Gackt sich schließlich doch löste und sich räusperte. Seine Hand blieb allerdings da, wo sie war. „Was tun wir hier eigentlich?“, fragte er murmelnd. „Hm?“, erwiderte ich ebenso fragend und öffnete die Augen wieder. „Ich meine das hier. Und damals zum Geburtstag meines Vaters. Was tun wir?“ „Ich hab keine Ahnung. Was denkst du denn?“ „Hm“, machte er nun und schwieg dann kurz, „ich würde sagen, dass wir was füreinander übrig haben.“ „Ja, so weit bin ich auch gekommen, Sherlock“, witzelte ich, „und ernsthaft?“ „Ich meine es ernst, Hyde“, entgegnete Gackt darauf mit einer Miene, die genau das auch ausdrückte. „Und was ist jetzt der Unter- …“ Es dämmerte. Mir dämmerte, was der Unterschied sein könnte bei 'etwas füreinander übrig haben' und 'etwas füreinander übrig haben'. Das Kribbeln an meinen Fußsohlen wurde stärker und mir wurde auf einen Schlag noch wärmer. „So etwas wie …“, brachte ich gerade so hervor. „Ich weiß nicht … vielleicht … ich denke schon“, sagte er, zuckte mit den Schultern und lächelte schwach. tbc. ~~~ ** + ** ~~~ Cliffhanger~~~ ich liebe sie. Als Autor quält man ja nicht nur seine Protagonisten, sondern auch seine Leser, indem man die Schnitte an den richtigen Stellen setzt *hrhr* Aber jetzt geht's endlich so richtig ans Eingemachte, was den Beziehungsstatus der beiden Herren angeht! Und ich kann euch versichern, dass Hyde diesmal nicht wieder so lange auf dem Schlauch stehen wird, denn das nächste Kapitel ist auch schon das letzte - es wird richtig schön lang und Hyde wird definitiv seine Entscheidung fällen. Hier wäre dann auch die letzte Gelegenheit, noch irgendwelche Vermutungen und Hoffnungen über den Ausgang der Story abzugeben, oder mir die Pest an den Hals zu wünschen, weil ich (schon wieder!) cliffhangere x3 Egal, ob's das eine oder andere ist, immer her damit! :3 Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)