Endosymbiontentheorie von Katta (RuffyxNami) ================================================================================ Kapitel 4: Wiedersehen macht Freude ----------------------------------- Dank Titi war ich bereits früh wach. Zwar war es mir ein Rätsel, wie sie aus ihrem Bett geklettert und in mein Zimmer gekommen war, aber die Tatsache, dass sie es geschafft und sich wie ein nasser Sack auf meinen Bauch hatte fallen lassen, war nicht von der Hand zu weisen. „Luffi, aufstehen! Hunger!“ Sie bohrte ihren Finger in meine Wange und entging dabei nur knapp meinem Auge. „Noch ein bisschen schlafen, Prinzessin“, murmelte ich, drehte mich auf die andere Seite und schloss sie dabei in die Arme. „Bitte.“ „Nein“, erwiderte sie strikt nach einem flüchtigen Kichern, strampelte und kämpfte sich schließlich frei. „Hunger, Luffi!“ Zerknautscht und als wäre es das schwerste der Welt öffnete ich die Augen einen Spalt, blickte Titi an, die die Wangen beleidigt aufgebläht hatte, und dann auf mein Handy, das mir verkündete, dass es noch viel zu früh zum Aufstehen war – nach meinem Geschmack jedenfalls. Da ich aber genau wusste, wie unbequem Titi werden konnte, quälte ich mich unter Stöhnen aus der kuscheligen Decke, streifte mir schnell etwas über und ging in die Küche. Sie folgte mir wie ein Schatten. Was sie essen wollte, brauchte ich nicht zu fragen. Ihre Augen begannen bereits zu strahlen, als sie die Gläschen im Schrank stehen sah. „Bleiiii!“ Ich füllte den Inhalt eines Gläschen in eine Plastikschüssel und gab ihr einen Löffel. Wenn sie hungrig war, landete mehr Essen in ihrem Mund als auf meinen Klamotten, wofür ich äußerst dankbar war, da sie darauf bestanden hatte, auf meinem Schoss zu sitzen. „Wo ist die Mama?“, fragte Titi plötzlich, mit dem Essen war sie noch nicht fertig, und hob das Köpfchen. „Die ist jetzt im Zug“, antwortete ich, nach einem kurzen Blick auf die Uhr. „Sie müssten vor ungefähr einer Stunde losgefahren sein.“ Titis Augen nahmen einen fragenden Ausdruck an. Natürlich konnte sie mit dieser Bemerkung noch wenig bis gar nichts anfangen. „Auf dem Weg nach Hause! Gleich ist sie wieder hier.“ Kurz erhellte sich ihr Gesicht, schlug dann aber ins komplette Gegenteil um. Trotzig rutschte sie von meinem Schoss runter. „Mama!“ Ich streichelte über ihren Kopf, während ich den Rest Pflaumen-Birnen-Brei aus der Schüssel kratzte und selber aß. „Du musst noch ein bisschen Geduld haben.“ Natürlich hatte Titi die nicht, verkündete das in einer wahnsinnigen Lautstärke und wich mir nicht mehr von der Seite, egal was ich machte. Nicht einmal ihr Lieblingsbuch oder ihr Lieblingsfilm, die ich beide gewiss schon mehr als eine Million Mal gelesen beziehungsweise gesehen hatte, vermochten sie abzulenken. „Sonst willst du doch auch immer 'Oh wie wunderbar ist Paraguay' lesen“, seufzte ich, als sie sich demonstrativ aus meinem Arm befreite und das Bett herunter kraxelte. „Mamaaaa“, plärrte sie in diesem Tonfall, der einen Heulkrampf voraussagte. Schwer atmend legte ich das Buch zur Seite, mein Blick fiel auf die Widmung, die in schnörkelhafter Schönschrift auf die erste Seite geschrieben wurde. Eindeutig Namis Handschrift. Selbst ein Kinderbuch konnte man nicht aufschlagen, ohne an sie erinnert zu werden. Dabei hatte ich mir das doch fest vorgenommen. Um sie komplett aus meinem Kopf zu kriegen, müsste ich wohl doch ans andere Ende der Welt flüchten. Wie lange man wohl nach Paraguay flog? „Luffi, Mama suchen“, wiederholte Titi mit der Hartnäckigkeit eines Papageis, riss an meinem Shirt und zog eine Schnute, als hätte man ihr soeben all ihr Spielzeug weggenommen. Doch ich weigerte mich ihrem Dickkopf so schnell nachzugeben, sie konnte nicht immer ihren Willen bekommen. Es gelang mir tatsächlich sie für zwei Stunden abzulenken, bis nicht einmal mehr Schokolade sie zu besänftigen vermochte. Schließlich gab ich nach und wir machten uns auf den Weg zum Bahnhof, um dort auf die Ankunft von Ace und Vivi zu warten. Dass wir viel zu früh waren, musste mir nicht erst der Plan für die Ankunftszeiten verraten, trotzdem suchte ich mit dem Finger auf der Tafel die genaue Uhrzeit und versuchte dabei Titi auf meinem Arm stillzuhalten. Sie rutschte beinahe herunter, zupfte immer wieder an ihrer Mütze und dem Schal. Selbst wenn es sie störte, abnehmen konnte ich ihr die Sachen nicht, dafür war es viel zu kalt und windig. Ich richtete ihren Schal, lächelte sie an und kniff ihr flüchtig in die gerötete Wange. „Nicht mehr lange, dann sind sie wieder hier.“ Ich hoffte, die Zeit schnell rumzukriegen, Titi tat ihr Bestes, um es mir möglichst schwerzumachen. Jeder weiß, sich alleine am Bahnhof die Wartezeit zu vertreiben, ist beinahe ein Ding der Unmöglichkeit, dabei ein Kleinkind zu bespaßen, grenzt an Utopie. Ich konnte den anderen Wartenden ihre skeptischen und teils genervten Blicke nicht verübeln, als wir die Bahnhofshalle betraten. Früher war meine Laune auch gesunken, sobald ich in der Bahn ein Kleinkind erspäht hatte – lustigerweise war Ace da immer am schlimmsten gewesen -, deswegen gab ich mir besondere Mühe, Titi gar nicht erst quengeln zu lassen. Die alte Frau in der Bäckerei, bei der ich einen Kaffee mit extra viel Zucker bestellte, war so vernarrt in Titi, dass sie ihr spontan ein Schokohörnchen schenkte und somit für eine Weile beschäftigte. „Was sagt man?“ „Dankeeee!“ Ein wenig neidisch beobachtete ich, wie sie die Spitze des Hörnchens mehr lutschte als wirklich aß, während ich immer mal wieder an meinem Kaffee nippte und die Freude kaum verbergen konnte, als sie „Für dich, Luffi.“ sagte und es mir reichte. Ein Blick zur Anzeigentafel verriet mir, dass es allmählich Zeit wurde zum Bahnsteig zu gehen. Zwar dauerte es noch immer ein wenig, bis der Zug angekommen würde, mittlerweile aber hatte ich selber keine Lust mehr in der Halle vor mich hinzustarren. Ein Weile scheuchten wir die Tauben auf, die sich um die fallengelassenen Krümel diverser Fahrgäste scharrten, bis endlich die Durchsage ertönte, dass der Zug aus Kyushu Einfahrt auf Gleis vier hatte. „Schau mal, Titi, mit dem Zug kommen sie“, sagte ich, deutete auf den einfahrenden Zug und konnte genau beobachten, wie ihre Augen größer wurden. „Mama, Papa!“ Sie begann zu zappeln, aber ich ließ sie nicht herunter. Obwohl ich mich extra ein wenig Abseits gestellt hatte, war es mir angesichts des fahrenden Zugs und der Massen, die sich jeden Augenblick daraus drängeln würden, viel zu gefährlich, Titi von meinem Arm zu lassen. Sie dankte es mir mit Jammern und Strampeln, was ich ihr in dieser Situation nicht verübeln konnte. Es war schließlich das erste Mal, dass sie solange von ihren Eltern getrennt gewesen war. Als der erste Ansturm an uns vorbei gezogen war und der Strom sich lichtete, entdeckte ich Vivi und Ace endlich. „Mama!“ Kaum hatte sie die Stimme erkannt und ihren Ursprung entdeckt, strahlte Vivi übers ganze Gesicht. Ich setzte Titi ab und konnte nicht so schnell schauen, wie sie direkt in Vivis Arme stolperte. Sie küsste ihre Stirn und presste sie fest an sich. „Warum begrüßt du mich eigentlich nicht so euphorisch?“, fragte Ace mit einem Zwinkern, als ich sie erreicht hatte. „Na, mir ist das peinlich vor allen Leuten“, er knuffte meine Schulter, „schön, dass ihr wieder da seid!“ „Ich freu mich auch, wieder Zuhause zu sein“, sagte Vivi und es war ihr nur allzu deutlich anzusehen, wie ernst sie dies meinte. Auf dem Heimweg hatten sie mir einen kleinen Überblick über die Lage verschafft, das Meiste wahrscheinlich aber verschwiegen oder geschönt, worüber ich ganz dankbar war. Ich musste nicht alles wissen und um ehrlich zu sein, belastete ich mich nicht gerne damit. Es gab genug eigenen Kram, der mich ständig ins Grübeln brachte. Zu Hause angekommen erkundigte Vivi sich kurz danach, ob während ihrer Abwesenheit irgendwas Wichtiges vorgefallen wäre oder jemand angerufen hätte. Ich verneinte, erzählte von der Übernachtung bei Dadan und wie begeistert Titi von den Kätzchen gewesen war. Vivis Augen leuchteten. „Dadan hat Kätzchen? Wie viele? Wie alt? Welche Farbe?“ Sie hielt die Tasse fest in Händen, nippte ab und an daran und wirkte wie ausgewechselt. „Zwei Stück sind es, ein Schwarzes und ein Weißes. Und ich glaube, sie sind erst acht Wochen oder so.“ „Süß!“, quietschte sie und sah zum Sofa rüber, auf dem Ace und Titi lagen. „Super, genau das, was Dadan braucht – noch mehr Tiere“, witzelte Ace, trank einen Schluck von seiner Cola und verschränkte die Arme hinterm Kopf, wobei er flüchtig zu Vivi blickte. „Guck mich nicht so an, ich weiß genau, was du mir damit sagen willst. Aber meine Antwort ist nein.“ „Warum denn?“ „Darum, außerdem haben wir doch schon so was wie ein Haustier.“ „Haha.“ Ich spendierte Ace eine Kopfnuss, die vor allem Titi belustigte. „Fang nichts an, was du nicht beenden kannst, Ruffy“, drohte er und war drauf und dran, mich in den Schwitzkasten zu nehmen, als ich mich gerade noch aus seinem Griff wenden und in mein Zimmer verkrümeln konnte. Allerdings erwartete mich hier ein anderes Schlachtfeld. Noch immer lagen Bücher, Shirts und Snackpapiere auf dem Boden herum. Hätte Dadan mich nicht besuchen können? Bestimmt hätte sie es irgendwann nicht mehr ausgehalten und für mich aufgeräumt. „Junge, in so einer Unordnung kann man doch nicht gescheit lernen“, hätte sie gesagt, die Ärmel hochgekrempelt und die gesamte Wohnung auf Vordermann gebracht. Vivi hätte das sicherlich nicht gefallen, ihr war es gar nicht recht, wenn Dadan sich in ihre Haushaltsführung einmischte. Seufzend hob ich die Reste diverser Schoko- und Müsliriegel auf, stopfte sie in meinen Mülleimer und schob die schmutzige Wäsche mit dem Fuß auf einen Haufen, bevor ich die Bücher auf meinen Schreibtisch wuchtete. Lust hatte ich ja keine, doch die Prüfungen würden nicht meinetwegen verschoben und ich hatte einfach keine Lust das Modul nächstes Jahr zu wiederholen. Drei Stunden brütete ich über den Büchern, hatte mich gezwungen, jeglicher Verlockung von außen zu widerstehen, und brav meine Notizen gemacht, als die Tür sich öffnete und Vivi mit einem Tablett hereintrat. „Ich dachte, dass eine kleine Pause dir ganz gut tun könnte“, sagte sie, balancierte unter größten Mühen das Tablett zu meinem Schreibtisch und stellte es ab. „Das ist grüner Tee und Cracker.“ Sie wuschelte mir über den Kopf und lächelte. „Sage ich dir eigentlich oft genug, wie dankbar ich dafür bin, dass du uns – vor allem mich – so sehr mit Titi unterstützt?“ Ich knabberte einen Cracker und trank etwas von dem Tee. „Ich denke schon“, sagte ich beiläufig, linste zu ihr und grinste breit, als ich sah, dass sie ein wenig verunsichert wirkte. „Ach, Quatsch natürlich! Mach dir darum mal keinen Kopf. Das mache ich doch echt gerne.“ Sie drückte mich, errötete und huschte hinaus, ehe sie die Tür ganz schloss, sagte sie: „Dafür koch ich heute Abend auch was Schönes.“ Ich rieb mir die Hände und konnte gar nicht mehr aufhören, mich zu freuen. Dadan kochte gut, aber im Gegensatz zu Vivis Kochkünsten war das bloß annehmbar. Sie war eine Virtuosin am Gewürzregal und ich vermutete, dass sie sich die Tricks von Namis Koch abgeschaut hatte. Das beste Essen hatte es zweifellos an dem Abend gegeben, als Marco zum Essen eingeladen gewesen war. Ace und sie hatten sich bei ihm bedanken wollen, dass er ein gutes Wort für ihn eingelegt und somit seine Kündigung verhindert hatte. Er und Ace arbeiteten in einer Schokoladenfabrik – Whitebeard&Söhne – und mein Bruder hatte dem kleinen Hunger zwischendurch nicht widerstehen können. Ein Aufseher hatte ihn dabei beobachtet, wie er einen der Riegel vom Band genommen und in seinem Mund verschwinden lassen hatte. Würde ich seinen Job machen, wäre ich bestimmt schon am ersten Tag gefeuert worden, denn die Riegel von Whitebeard waren die Leckersten des gesamten Planeten. Jedenfalls hatte Marco Ace noch rausboxen können, indem er dem alten Whitebeard von dessen Qualitäten vorgeschwärmt hatte. Welche genau das sein sollte, wüsste ich zu gerne. Vivi hatte extra für ihren Gast dieses teure Rindfleisch gekauft, weshalb sie noch eine extra Schicht hatte einlegen müssen. Ich weiß nicht, was sie genau damit gemacht hat, aber es erweckte bei Kontakt mit der Zunge, die Vorstellung eines Paradieses. Zwei hauchdünne Scheiben hatte sie mir auf den Teller gelegt und mich mit scharfem Blick gemustert, als ich sie um einen Nachschlag gebeten hatte. Marco musste wohl Mitleid mit mir gehabt haben, denn er gab mir die Hälfte seines Stückes. Es wunderte mich nicht, weshalb Ace ihn so sehr mochte. Es dauerte nicht lange, bis ich alle Cracker gegessen und mein Buch mit ihren Krümeln übersät hatte. Wenigstens die obligatorischen Teeflecken hatte ich verhindern können. Mein Kopf dröhnte, signalisierte das Ende der Aufnahmebereitschaft und ich hielt es für das Beste, an dieser Stelle das Lernen für heute zu beenden. Ich warf mich gegen die Lehne meines Drehstuhls, verhinderte im letzten Moment ein Umstürzen und drehte mich einige Mal um die eigene Achse. Noch zwei Tage bis zur Abschlussprüfung... Ob ich bis dahin alles speichern konnte? Ich durfte nicht durchfallen. Zwar hätte ich noch einen Wiederholungsversuch, doch der Druck, dem ich danach ausgesetzt wäre, wäre unerträglich. Von allen Seiten würden sie fragen, woran es gescheitert wäre. Ich stoppte, legte die Ellbogen auf den Knien ab und stützte mein Kinn auf den Händen, bloß um Sekunden später aufzuspringen, meine Schlüssel zu schnappen und hinaus zu flüchten. Vivi hantierte in der Küche mit einigen Pfannen herum und bemerkte mich in ihrem Eifer gar nicht, während Titi Ace, der noch immer auf der Couch pennte, ihre Wachsmalstifte in die Nasenlöcher rammte. Sonst hätte ich mir das gewiss nicht entgehen lassen, aber in diesem Moment drängte mich alles nach draußen. Ich musste weg. Ungewöhnlich kalt für diese Jahreszeit ging der Wind und ließ mich frösteln, als ich die Straße entlang lief, nicht wissend, wohin ich eigentlich wollte. Einige Schüler kamen mir entgegen, zumindest vermutete ich das, aufgrund der Uniformen, die sie trugen. Sie waren ausgelassen, lachten und neckten einander. Ich sah ihnen nach. Genauso war ich auch einmal gewesen. Ich sah mich schon zwischen ihnen herlaufen. Die Tasche über die Schulter gehangen, ein breites Grinsen im Gesicht und neben mir Nami, die entweder herzhaft mit mir lachte oder mir einen Satz heißer Ohren androhte, Vivi, die immer versucht hatte, zwischen uns zu vermitteln, und Lysop, ein wirklich guter Freund, der mir zum Glück auch im Studium erhalten geblieben war, wohl die besten Ideen hatte und selbst aus einem Kronkorken eine Bombe bauen konnte. Es war alles so anders damals. Ich war anders. Locker. Unbeschwert. „Glücklich“, ergänzte ich leise, strich mir einige Haare aus der Stirn und wandte mich wieder nach vorne. Doch zu spät. „Du schon wieder?! Guckst du denn nie nach vorne?“ „'Tschuldigung“, nuschelte ich und hob den Kopf. Die schwarzhaarige große Frau aus der U-Bahn! „Hey, dich kenne ich doch“, sagte ich, zeigte unbewusst mit dem Finger auf sie, „du warst neulich in der U-Bahn!“ „Ja, und da hast du mich auch schon angerempelt. Schämst du dich denn nicht, so mit einer Dame umzugehen?“ Sie zog die Stirn kraus, musterte mich streng und bohrte ihren Zeigefinger in meine Brust, nachdem sie meine Hand empört zur Seite geschlagen hatte. Ich zuckte die Achseln. Abgesehen davon, dass sie sich alles andere als damenhaft verhielt... „Irgendwie musste ich ja aussteigen und dabei aufpassen, dass keiner meiner Nichte den Ellbogen gegen den Kopf rammt.“ „Das war deine Nichte?“ Sie wirkte überrascht. Ich hob eine Augenbraue an. Was sollte denn diese Reaktion? „Äh...ja. Wieso?“ Sie blinzelte, wandte den Kopf von mir weg. „Ach nur so.“ Ich nickte und blickte sie fragend an, nachdem sie wie eine Salzsäule im Weg stand. „Sonst noch was?“ „...“ „Wie heißt du eigentlich? Dann kann ich mich das nächste Mal gleich persönlich bei dir entschuldigen“, sagte ich grinsend, während sie rot um die Nasenspitze wurde. „Han...Hancock.“ „Okay, Hamnock, dann bis zum nächsten Mal.“ Ich schüttelte ihre Hand und wollte gerade weitergehen, als ich spürte, wie sie mich zurückhielt. Hatte ich schon wieder was falsch gemacht? „Hm?“ „Ich weiß ja gar nicht, wie du heißt...“ „Achso“, lachte ich und kratzte mich am Hinterkopf. „Ich bin Ruffy.“ „Ruffy, würdest du...Ich meine, hättest du...“ „Was denn, Hamnock?“ Sie sah zur Seite. Irgendwie war diese Frau verdammt seltsam. Einerseits so herrisch und launisch, andererseits so...schüchtern? „Würdest du einen Kaffee mit mir trinken?“ Ich legte den Kopf schief. War ich im falschen Film? Versteckte Kamera? „Eigentlich habe ich dafür keine Zeit...“ „Bitte“, sie spitzte die Lippen, errötete und legte eine Hand an ihre Wange. Wollte sie mich damit etwa überzeugen? Ich holte mein Handy aus der Tasche und schaute auf die Uhr. „Na gut, aber nur wenn es ganz schnell geht...“ Noch bevor ich blinzeln konnte, schleifte sie mich hinter sich her, bis ich am Ende der Straße das Kazaguruma erblickte. Namis Lokal. Ich rammte die Hacken in den Boden und hielt an. „Was ist denn, Ruffy? Hast du es dir anders überlegt? Oh bitte nicht!“ „Ne, Hamnock, so ist das nicht“, druckste ich herum, kratzte mich an der Stirn. „Ich mag den Laden da vorne einfach nicht. Also das Essen ist gut und so, aber...“ „Lass mich raten, die Bedienung ist sooo unfreundlich.“ Überrascht riss ich die Augen auf, sie redete unbeirrt weiter. „Die Blauhaarige mag ja ganz okay sein, aber diese Rothaarige. Ein schrecklich unfreundliches Weib.“ Ich kicherte leise, auch wenn jeder Gedanke an Nami ein Magenziehen mit sich zog. „Nami?“ „Heißt sie so?“ „Ich weiß, dass dort nur zwei Kellnerinnen arbeiten. Die Blauhaarige ist meine Schwägerin und die Rothaarige kann demzufolge nur Nami sein.“ „Du kennst die Bedienungen?!“ Hamnock schien geschockt. Ich neigte den Kopf und verschränkte die Arme vor der Brust. „Warum denn nicht?“ „Ist diese Nami etwa deine Freundin?“, fragte sie auf einmal fast hysterisch. Was ging denn mit der ab? Langsam aber sicher kam mir das Ganze immer mehr wie ein großer Fehler vor. Diese Frau war offensichtlich nicht mehr ganz zurechnungsfähig. Wieso hatte ich noch mal zugesagt? „Nein, ist sie nicht. Ich war mit ihr in der Schule.“ „Ah, ach so“, murmelte sie. „Wollen wir woanders hingehen?“ „Mir egal“, sagte ich, erblickte Nami vor dem Lokal, die scheinbar schon eine Weile hergesehen haben musste, und bekam die Idee. „Nein, lass uns doch dahin gehen, ich glaube, gleich ist Happy hour.“ Hamnock klammerte sich an mich und zog mich fast wie einen Schosshund hinter sich her. Bestimmt hätten mich einige darum beneidet, hübsch war sie ja, meine Aufmerksamkeit jedoch lag allein auf Nami, deren Augen beinahe aus ihren Höhlen fielen, als wir uns ihr näherten. Ich begrüßte sie mit einem beiläufigen Nicken – mehr brachte ich nicht zustande, Hamnock warf bloß den Kopf in den Nacken und reckte die Nase in die Höhe. Wir wurden vom Koch persönlich an einen Tisch geführt. Woran das lag, war nur allzu deutlich. Er konnte sich Hamnock gegenüber kaum zurückhalten, überhäufte sie mit Komplimenten und ignorierte mich rigoros. Ob Nami davon wusste? Wenn ja, warum tat sie sich so was an? Und warum machte er das? Nami war seine Freundin. Nami! Die Frau, die mich fast täglich um den Verstand brachte und mich nicht mehr losließ, nach der ich mich so verzerrte... Später brachte Nami uns die Cocktails an den Tisch, hatte nur ein müdes Lächeln für mich übrig und erkundigte sich nach Vivi. Hamnock warf sie einen bitterbösen Blick zu, der locker als Waffe hätte durchgehen können, diese wandte sich gleich ganz ab. Wow, zwischen den beiden musste wohl mal irgendetwas vorgefallen sein oder sie hassten sich einfach so. Komische Sache, aber ich glaube manche Frauen brauchten das einfach. Ich stocherte mit dem Strohhalm in den Eiswürfeln meines Mojitos und warf einen weiteren Blick auf die Uhr. Eigentlich müsste ich schon längst wieder nach Hause oder zumindest Bescheid sagen. Hamnock sah mich erwartungsvoll an. Ich konnte sie doch nicht einfach so sitzen lassen, selbst wenn ich es gerne getan hätte. „Und, Ruffy, was machst du so?“, fragte sie, ich tippte auf meinem Handy herum und bedeutete ihr, zu warten. Rasch hatte ich Ace geschrieben, dass es später werden würde und prompt kam auch die Antwort. Wie, länger? Wann bist du denn rausgegangen? „Sorry, ich muss meinem Bruder noch antworten. Weißt du, Vivi hat extra für mich gekocht.“ „Diese Vivi ist aber seine Frau, ja?“ Wieder dieser hysterische Tonfall. Ich hob eine Augenbraue. „Ja, seine Frau und Mutter des Kindes, dessen Kopf du fast zu Brei gedrückt hättest“, nuschelte ich und tippte die neue Nachricht an Ace: Ich bin gegangen, während du gepennt und Titis Stifte mit der Nase gegessen hast. Bin spätestens in einer Stunde wieder zu Hause. Hab 'ne Bekannte getroffen. Kaum abgeschickt piepste es schon wieder. Soso, eine Frau. Mach mich stolz, Kleiner. Ich schüttelte den Kopf. Dieser Spinner. „So, du hattest was gefragt, Hamnock.“ „Eigentlich heiße ich Hancock“, korrigierte sie mich. „Oh, sorry, das hättest du mir auch vorher sagen können.“ „Ach, ist doch kein Problem, Ruffy“, flötete sie, warf das lange schwarze Haar gekonnt über die Schulter und stützte ihr Kinn auf den Handrücken ab. Kaum zu glauben, dass dieses liebe Verhalten in Sekundenschnelle ins Gegenteil umschlagen konnte. „Ich hatte gefragt, was du so tust. Arbeitest du?“ „Nein, ich studiere noch“, antwortete ich und zog an meinem Strohhalm. Sie lächelte. „Oh das hätte ich doch fast ahnen können, so jung, wie du aussiehst.“ „Joa, bin vor kurzem 21 geworden.“ Ich wollte nicht „und du?“ fragen, das wäre sicherlich unhöflich gewesen, außerdem war es eindeutig, dass sie einige Jahre älter als ich war. Ich schien ihr damit sehr entgegenzukommen. Wir tauschten einige belanglose Dinge aus, wobei ich den Eindruck hatte, dass Hancock das unbedingt vertiefen wollte. Ich blockte ab. Sie wirkte ganz nett, aber mich öfters mit ihr zu treffen und ihr womöglich noch Hoffnung auf etwas machen, wollte ich irgendwie nicht. Objektiv betrachtet war sie eine wunderschöne Frau, wenngleich ich ihre Stirn zu hoch fand, dennoch konnte niemand das Gegenteil über sie behaupten. Was mich abschreckte, war ihr launenhaftes, zickiges Wesen. Wer wusste schon, wie ihre Stimmung das nächste Mal sein mochte? Zu Hause wurde ich bereits von einem breit grinsenden Ace erwartet, der gewiss die ganze Zeit hinter der Tür gehockt hatte, um mich ja nicht zu verpassen. „Uuuuuund?“ „Was und?“, fragte ich, streifte die Schuhe von meinen Füßen und ging bewusst an ihm vorbei, direkt zu Titi, die vor dem Käfig von Vivis Kanarienvogel Karuh, von dem Ace behauptete, er quake wie eine Ente, hockte. „Hey, steck' den Finger nicht durchs Gitter. Karuh beißt manchmal.“ „Duuuuuhhhh“, quietschte sie, woraufhin der Vogel zu zwitschern begann. „Du sollst mich nicht ignorieren, Ruffy. Erzähl mir lieber mal, wer diese Bekannte ist und weshalb wir extra wegen ihr das Abendessen verschieben mussten.“ Ich blickte zu ihm hinauf. „Du wirst nicht locker lassen, oder?“ Er schüttelte den Kopf. „Na gut“, seufzte ich, erhob mich wieder und zog Ace beiseite. „Bekannte war vielleicht hoch gegriffen, ich hab sie einmal in der U-Bahn angerempelt und bin eben wieder voll in sie hinein gerannt.“ „Ist das deine Masche? Ist sie wenigstens erfolgreich?“ Ich rollte die Augen. „Spinner. Das hab ich doch nicht mit Absicht gemacht. Jedenfalls hat sich mich eingeladen, was mit ihr zu trinken.“ „Uhhh, zweimal getroffen und schon ein Date gehabt...“ Er wackelte anzüglich mit seinen Augenbrauen. Was dachte der bloß von mir? „Hallo? Ich hab was mit ihr getrunken und das auch nur, weil ich höflich sein wollte“, waren meine letzten Worte, ehe mich, nachdem Vivi zum Essen gerufen hatte, an den Tisch setzte. Sie hatte sie wirklich mächtig ins Zeug gelegt. Neben dem obligatorischen Reis gab es gebratenes Gemüse und sogar Rindfleisch! Ace ließ nicht locker und erdolchte mich mit seinem Blick, während eine Ladung Essen nach der anderen in seinen Mund geschoben wurde. Ich verdrehte die Augen und stellte meine Schüssel ab. „Was willst du?“ Er schluckte herunter und lud sich noch mal Reis nach. „Ich will wissen, wer sie ist und was da läuft.“ „Keine Ahnung, ich weiß nur ihren Namen. Hamnock oder so und“, Vivi unterbrach mich: „Was? Doch nicht etwa Boa Hancock?“ „Psst! Sei leise, Weib! Er erzählt doch gerade.“ Vivi verengte die Augen und schüttelte den Kopf, während Titi auf ihren Schoss krabbelte[style , um von dort aus die Hände nach ihrem Teller auszustrecken. Ich zuckte die Schultern. „Keine Ahnung, vielleicht hat sie das gesagt, vielleicht auch nicht. Jedenfalls läuft da nichts, okay?“, betonte ich, nachdem ich die Skepsis in Aces Gesicht erkannte, stand auf und räumte mein Geschirr in die Spüle. „Ich mach das gleich, okay, Vivi?“ Sie blickte kurz auf, während sie Titi die Stäbchen aus der Hand nahm und ihr einen Löffel gab. „Hm? Ja, in Ordnung“ nuschelte sie, legte das Besteck zur Seite und sah zu Ace herüber, der sich soeben die letzten Reiskörner in den Mund schob. „Warum hilfst du mir nicht mal zur Abwechslung?“ „Höh?“, er ließ die Hände mitsamt der Schüssel und Stäbchen sinken, „Ruffy hat doch angeboten, abzuspülen. Wieso sollte ich das dann machen?“ „Ich meinte auch nur allgemein“, sagte sie und wollte auf seinen verwirrten Ausdruck hin zur Erklärung ansetzen, ich wollte es nicht hören und verzog mich umgehend in mein Zimmer. Mit einem Bauchplatscher ließ ich mich auf mein Bett fallen, umarmte das Kopfkissen und starrte die Wand an. Das Thema Hamnock oder Hancock war noch lange nicht vom Tisch. Wie ich meinen Bruder kannte, würde er mir noch tagelang diesen Quatsch vorsetzen und immer neue Fragen stellen. „Wie sieht sie aus?“ „Woher kennst du sie?“ „Wie alt ist sie?“ und die Frage aller Fragen: „Guter Körperbau, ja?“ Ich verdrehte die Augen und drückte das Gesicht ins Kissen. Hätte ich gewusst, was ich damit ins Rollen gebracht habe, hätte ich ihre Einladung ausgeschlagen und wäre direkt nach Hause gegangen. Oder hätte zumindest versucht es vor Ace zu verheimlichen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)