Endosymbiontentheorie von Katta (RuffyxNami) ================================================================================ Kapitel 5: Es gibt nie genug Schokolade --------------------------------------- Noch halb verschlafen rührte ich in meinem Kaffee herum, damit die fünf Tütchen Zucker sich endlich auflösten. Ich hasste das Zeug, aber ohne es würden mir die Augen im Sekundentakt zufallen. Die Menschen um mich herum machten nicht Ansatzweise den Eindruck, als würde das frühe Aufstehen ihre Laune verringern. Bereits jetzt lachten und redeten sie bereits lautstark an den anderen Mensa-Tischen. Ich atmete tief ein. Es war eine Weile her, dass ich Nami das letzte Mal gesehen hatte. Trotzdem oder gerade deswegen drehten sich meine Gedanken fast ausschließlich um sie. Noch immer warf mir ihr Verhalten eine Menge Fragen auf, deren Beantwortung mir schier unmöglich war. Warum hatte sie so auf Hamnock reagiert? Kannte Nami sie bereits oder lag es tatsächlich daran, dass ich dabei gewesen war? Ob Nami eifersüchtig war? Ich schüttelte den Kopf, vorstellen konnte ich mir das beim besten Willen nicht. Vielleicht hatte sie ihr irgendwann bloß mal zu wenig oder gar kein Trinkgeld gegeben. Ich legte das Stäbchen zum Umrühren auf den Tisch und nahm einen vorsichtigen Schluck. Selbst wenn sie es gewesen wäre, wie kam sie darauf? Weshalb hätte sie es sein sollen?Hamnock war mir egal, ich war bloß höflich gewesen. Es war rein gar nichts zwischen uns vorgefallen und ich hatte ihr nicht einmal meine Nummer gegeben. Es war mir schon immer schwergefallen, Leute einfach so abzuweisen. Zumal sie mir gegenüber einen freundlichen, wenngleich auch etwas verrückten, Eindruck gemacht hatte. Auch Hancock hatte ich seitdem nicht mehr gesehen, worüber ich eigentlich ganz froh war. Ich wollte soeben den Deckel auf den Pappbecher drücken und aufstehen, als ich eine Hand auf meiner Schulter spürte. „Hey Ruffy, du bist mal wieder hier? Ich dachte schon, du hättest aufgegeben.“ „Höh?“ Ich drehte mich herum und sah geradewegs in Lysops breites Lächeln, der zusammen mit Chopper hinter mir stand. „Ruffy, ich wusste, dass du wiederkommen würdest!“, flötete er und drückte mich kurz, während Lysop in seiner Umhängetasche kramte und mir einige Zettel hinhielt: „Ich hab alle Protokollzettel und Skripte für dich mitgenommen, damit du trotz Abwesenheit noch die Punkte darauf bekommst.“ „Konntest du den bisherigen Stoff den schon nachbereiten?“ Typisch Chopper. Strebsam wie eh und je. Lysop dachte wohl dasselbe, denn er klopfte dem Kleinen auf die Schulter und sagte: „Ich vermute mal es gab einen guten Grund, weshalb Ruffy die letzten Wochen nicht da war. Oder wolltest du bloß ein bisschen blaumachen? Hm?“ Ich nippte an meinem Kaffee und verneinte. „Bestimmt nicht, es ging einfach nicht anders.“ „Probleme zu Hause?“, fragte Lysop, dem das Lächeln zwischenzeitlich aus dem Gesicht gewichen war, leise. Ich nickte und beobachtete, wie Chopper seine kleinen Finger nervös ineinander verhakte. „Du kennst die Situation, ist ja so schon nicht leicht. Das Geld reicht nie aus, es hat kaum jemand mal Zeit und so weiter. Vor Kurzem bekam Vivi einen Anruf von ihrem Onkel, weil ihr Vater einen Unfall hatte und seitdem nicht mehr gehen kann...“ „Scheiße, Mann. Das tut mir echt leid für sie“, flüsterte Lysop fast ein wenig blass um die Nasenspitze und ließ sich auf den Stuhl neben mich sinken. „Ja, vor allem, weil es jetzt an ihr hängt, dass er versorgt wird. Ihr Onkel und ihre Tante fühlen sich dem nicht gewachsen oder besser gesagt, sie haben noch ihr eigenes Leben. Also sind sie und mein Bruder vor drei Wochen oder so darunter gefahren, um sich einen Überblick zu verschaffen und so schnell wie möglich nach einer Lösung zu suchen, weil keiner Lust hat, dass er zu uns zieht. Mal abgesehen davon, dass die Wohnung so schon viel zu klein ist.“ „Das kann ich mir vorstellen. Ace hat ihn ja gefressen, nicht?“ „Die schenken sich beide nichts“, seufzte ich. „Na ja und in der Zeit, als die beiden weg waren, musste ich auf meine Nichte aufpassen. Die Kleine soll ja von alledem nichts mitkriegen.“ „Ruffy, wenn ich dir irgendwie helfen kann oder du einfach bloß reden willst, kannst du gern immer zu mir kommen“, bot sich Lysop an, ich lächelte dankbar. „Zu mir auch! Ich erkläre dir auch gerne den Stoff, den du verpasst hast“, pflichtete Chopper bei und seine großen dunklen Augen leuchteten. Zwar studierte Chopper Medizin, aber bei seinem Intellekt konnte ich es mir durchaus vorstellen, dass er auch Bio-Wissen ohne Probleme aus dem Ärmel schütteln konnte. „Danke Leute.“ „Kein Problem dafür sind Freunde doch da. Wie geht es denn nun mit Vivis Vater weiter? Ist das jetzt geklärt?“ „Nein“, ich nahm einen weiteren Schluck, „deswegen sind Ace und Vivi gestern schon wieder nach Kyushu gefahren, obwohl sie eigentlich einen Kurztrip für diese Woche geplant hatten. Das stand eigentlich seit Monaten fest. Titi haben sie zu Dadan gebracht, damit ich auch mal Ruhe hab oder besser gesagt, studieren kann. Ansonsten hätte ich diese Woche schon wieder sausen lassen müssen.“ Die beiden schwiegen daraufhin. Chopper scharrte mit dem Fuß über den Boden und hielt die Tragegurte seines blauen Rucksacks umklammert. Sie kannten meine Lage nur zu gut, wussten, dass es für mich keine wirkliche Alternative gab, als mich dem zu beugen, bis ich eigenes Geld verdiente. Denn was ich von Opa bekam, deckte zwar sämtliche meiner Kosten, von Versicherung über Studiengebühren, aber für ein eigenes Zimmer oder gar eine kleine Wohnung würde es nicht reichen. Zwar steckte mir Dadan auch hin und wieder etwas zu, doch war das mehr im Taschengeldbereich. Wir blieben noch eine Weile zusammen am Tisch sitzen. Lysop besorgte sich einen Kaffee und für Chopper Kakao, bevor unsere jeweiligen Vorlesungen begannen. Aus Lysops Tasche ragte ein unglaublich dickes Lehrbuch der Biochemie, das vor allem auf Chopper Eindruck schindete und ihn an ein bestimmtes Thema, mit dem Lysop sich bereits profiliert haben musste, erinnerte. „Wahnsinn, Lysop, du trägst mal eben so einen dicken Wälzer? Wie viel stemmst du jetzt schon?“ Vor ein paar Wochen hatte er mir und Chopper vorgeschwärmt, dass er ab sofort regelmäßig ins Fitnessstudio rannte und wohl bereits große Fortschritte in der kurzen Zeit gemacht hätte. Chopper glaubte ihm mal wieder alles. Ich lächelte schief und grinste ihn mich hinein, als Lysop daraufhin antwortete: „90 Kilo!“ 90 Gramm vielleicht. „Wahnsinn, du bist so stark!“ „Ja, nicht mehr lange und ich lege sogar Zorro aufs Kreuz.“ Ich lachte. „Da kannst du aber noch lange trainieren.“ „Du wirst schon sehen, er wird jämmerlich gegen mich abstinken“, sagte Lysop mit stolz geschwellter Brust, während in Choppers Augen tausend Sterne zu funkeln schienen. „Woooooow!“ „Ich will euch ja nicht unterbrechen, Freunde, aber so langsam müssen wir, Lysop“, sagte ich mit dem Blick zur Uhr, holte mir schnell noch einmal Kaffee nach und steckte einige Zuckertütchen in die Bauchtasche meines Pullis. Wir verabschiedeten uns von Chopper und verabredeten, uns später bei mir zu treffen. Rasch ergatterten Lysop und ich Plätze in der letzten Reihe, ehe der Professor zur Tür hereinkam, die Treppe neben uns hinabstieg und den Saal allmählich zum Verstummen brachte. Bloß die paar Mädels in der Reihe vor uns unterhielten sich weiterhin ungestört und reichten kichernd eine Zeitschrift zwischen sich herum. Sie waren mir schon ein paar Mal aufgefallen, denn ihre Gespräche liefen in einer unglaublichen Lautstärke ab – von der Sinnhaftigkeit ganz zu schweigen. Ich fragte mich oft, weshalb jemand den Weg bis zur Uni machte, nur um sich mit seinen Freunden zu unterhalten. Das ging auch einfacher und ungestörter – vor allem aber störte man die anderen nicht. „Siehst du das hier? Das Kleid steht ihr ja mal gar nicht!“ „Und diese Schuhe erst. Furchtbar, dabei ist sie eh so riesig.“ Sonst blendete ich das Geschnatter aus, um mich auf das Wesentliche konzentrieren zu können, doch an diesem Tag trieb mich meine Neugier dazu einen Blick auf das Objekt zu werfen, das sie herumreichten. „Hey, das ist ja Hamnock!“ „Zunächst mal heißt sie Hancock und zum Zweiten, ach auch schon gemerkt?“, pflaumte mich eine dieser Zicken an, deren dicker schwarzer Ansatz jedem verriet, dass sie alles andere als naturblond war. „Joa“, erwiderte ich, leerte meinen Becher und warf ihn in den Mülleimer hinter mir. „Was habt ihr gegen sie? Sie ist doch eigentlich ganz nett. Ein bisschen verrückt vielleicht...“ „Das kannst du doch gar nicht wissen“, entgegnete das Mädchen neben ihr, musterte mich abschätzig und ließ den Kaugummi in ihrem Mund von der einen zur anderen Seite wandern. Auch Lysop sah mich skeptisch an. „Du kennst Boa Hancock? Die Boa Hancock? Red doch keinen Stuss, Ruffy“, sagte er und deutete mir an, es gut sein zu lassen. Doch ich ließ nicht locker und runzelte die Stirn. „Wenn ihr meint, aber so hab ich sie bei unserem Treffen erlebt.“ Ich erkannte genau den Augenblick, in dem ihre Gesichter einfroren und sie abwägten, ob ich log oder die Wahrheit sagte. „Du kennst Boa Hancock doch nicht wirklich, oder doch?“ „Der lügt doch!“ „Ist das dein Ernst, Alter?“ Lysop wirkte geschockt, er wusste, dass ich von uns beiden derjenige war, der nie log beziehungsweise dafür absolut nicht geschaffen war. „Doch, ich hab sie zweimal getroffen. Einmal in der U-Bahn und einmal auf der Straße. Warum? Was ist denn so besonders an ihr?“ War mal wieder etwas an mir vorbei gegangen? „Das fragst du noch?“, kam es synchron von den beiden Mädchen. „Boa Hancock ist doch derzeit der Star der Fernsehlandschaft!“ „Echt? Hamnock ist berühmt?“ „Wenn die Herrschaften in den letzten Reihen bitte ihre Privatgespräche beenden würden“, ermahnte uns der Professor scharf, woraufhin die Mädchen sich nach vorne wandten. „Der lügt doch. Als ob Boa Hancock noch mit der U-Bahn unterwegs wäre.“ „Und selbst wenn, als würde sie sich dann mit dem treffen“, vernahm ich es leise, konnte aber bloß den Kopf schütteln. Sollten die Ziegen doch glauben, was sie wollten. Selbst wenn es mir dermaßen egal war, ob Hancock nun Schauspielerin, Ärztin oder achtfache Mutter war. Ich kannte sie, sie bedeutete mir aber nichts. An diesem Tag hatte ich es tatsächlich geschafft keinen weiteren Gedanken mehr an Nami zu verschwenden und ich kann mich ehrlich nicht daran erinnern, wann es zuletzt der Fall gewesen war, dass ich mich so befreit und glücklich gefühlt hatte. Chopper und Lysop hatten mich später noch besucht und mich gehörig von meinen trüben Gedanken abgelenkt. Mit Aces Playstation 3 hatten wir uns heiße Gefechte, schnelle Rennen und Schießereien geliefert und vor allem Chopper schien insgeheim ein kleiner Crack zu sein. Vielleicht lag es auch daran, dass er die Hände unentwegt in der Schatzkiste – ein Karton voller Schokoriegel, von dem Ace tatsächlich dachte, ich wüsste nicht, dass er ihn besaß und vor mir geheim hielt - stecken hatte. „Mann, Chopper, nicht so viel. Du weißt doch, wie Zucker dich immer aufpuscht“, ermahnte Lysop ihn und zog den Karton zu sich, woraufhin Chopper fauchte: „Das ist meine Nervennahrung!“ „Okay, kein Grund gleich so zur Diva zu mutieren.“ „Lysop, einem Löwen klaut man ja auch nicht das Fleisch.“ „Und dann heißt es immer, dass Vegetarier so friedlich wären.“ „Wenn überhaupt, ist Chopper ein Schokotarier.“ Lysop lachte auf, als Chopper uns völlig verwirrt und mit schokobeschmiertem Mund ansah. Ich nutzte den Moment, um einen Blick in den Karton zu riskieren. Wie ich bereits gefürchtet hatte, sah es schlecht aus – mehr als schlecht. Ein kümmerlicher Riegel lag einsam und verlassen auf dem Boden der Packung. Ace würde mir den Skalp vom Kopf reißen, wenn er wiederkam. „Morgen muss ich dringend einkaufen. Nicht nur Aces Schokovorrat ist gähnend leer“, demonstrativ beugte ich mich hinunter und begutachtete das Angebot des Kühlschranks, das außer Resten und Gemüse, das eh nur Vivi aß, nichts zu bieten hatte. Seufzend fischte ich die letzten drei Dosen Pfirsichsaft heraus und reichte sie an Lysop und Chopper, die es sich auf dem Sofa bequem gemacht hatten. „Freunde, ich habe eine Idee“, begann Lysop in einem Ton, den er oft an den Tag legte, wenn er einem die normalsten Sachen der Welt als absolut verrückte und geniale Ideen verkaufen wollte, „wir gehen gleich essen. Im Kazaguruma ist heute doch all-you-can-eat-Buffet!“ „Oh toll, der Nachtisch dort ist der Wahnsinn“, begann Chopper trotz gefühlter fünf Kilogramm Schokolade im Bauch zu schwärmen und bestätigte Lysop wieder einmal in seinem Glauben genial zu sein. Normalerweise war ich beim Thema Essen immer gleich Feuer und Flamme, besonders all-you-can-Buffets waren eine meiner großen Leidenschaften, in einem kleinen Laden hatten Ace und ich einmal die Küche zum Verzweifeln gebracht, dennoch behagte mir die Vorstellung, auf Nami zu treffen, ganz und gar nicht. Und sie würde definitiv heute bedienen. Vivi hatte sich Urlaub genommen, da musste sie arbeiten. Ich seufzte und trank einen Schluck. Nichtmal einen Gruß hatte sie mir seit dem Vorfall zukommen lassen, was sie sonst immer getan hatte. Das musste sie ja wirklich regelrecht angepisst haben. Verstehe einer diesen Frauen, immerhin war sie doch diejenige, die mich nicht wollte. „Hey Ruffy, alles klar bei dir?“ Lysops wedelnde Hand vor meiner Nase gewann an Kontur, ich zwinkerte ein paar Mal und fuhr mir durchs Haar. „Ja, was sollte denn sein?“ „Keine Ahnung, aber du wirkst so nachdenklich.“ „Bist du etwa krank?“, erschrak Chopper und legte mir sofort die Hand auf die Stirn. „Lysop redet von Buffets und du bleibst so gelassen?!“ „Quatsch! Natürlich hab ich Hunger“, versuchte ich die beiden zu beruhigen, sprang auf und stürmte in mein Zimmer. „Ich hol mir bloß noch Geld, okay?“ Kaum hatte ich mein Portemonnaie und die Schlüssel geschnappt, verließen wir schon die Wohnung und machten uns auf den Weg zum Kazaguruma, das drei Blocks entfernt lag. „Hahaha, das hatte ich fast vergessen, Lysop“, lachte ich und strich mir einige Lachtränen aus den Augen. „Und das, obwohl es einer der besten Tage in der Schule gewesen ist.“ „Wenn ich nur an Vivis Gesicht denke, als das Zeug aus dem Reagenzglas geschossen kam“, stimmte er ein und japste nach Luft. „Hätte sie das gewusst, hätte sie wohl nicht mit uns zur gleichen Zeit an der Chemiestation gearbeitet.“ „Zu meiner Verteidigung: Ich konnte ja nicht ahnen, dass die Mischung so abgeht, wenn ich sie ohne zu Schwenken über die Flamme halte.“ „Boah, Ruffy, es gab doch vorher noch einen extra Einführungskurs!“ „Da muss ich wohl geschlafen haben!“ „Die Mischung ist echt bis an die Decke geflogen?“, fragte Chopper mit großen Augen, denen eine gewisse Faszination anzusehen war. Er war wirklich mit en einfachsten Dingen zu begeistern. „Und mit was für einer Geschwindigkeit“, antwortete Lysop und gestikulierte wild mit den Armen, um ihm die gesamte Stimmung von damals vor Augen zu führen. Ja, mit Lysop war es immer lustig, das war in der Schule schon so gewesen und war noch heute so. Besonders den Chemieunterricht hatten wir regelmäßig unsicher gemacht, einmal fast sogar für einen Brandunfall verursacht. Bestimmt waren einige der grauen Haare unseres Lehrers auf unserem Mist gewachsen. Der Höhepunkt aber war der Tag der Naturwissenschaften gewesen, bei dem unsere Stufe und Vivis verschiedene Stationen in den Fachräumen hatte absolvieren müssen, um am Ende des Tages eine Art Protokoll abzugeben. So gut ich mich auf dem Weg gefühlt hatte, so unsicher wurde ich, als wir schließlich den Laden betraten. Alle verdrängten Gedanken holten mich in Windeseile ein, brachten meinen Bauch zum Grummeln. Wie Nami wohl auf mich reagieren würde? Ich versuchte sie in dem Menschenauflauf, der sich um das Buffet drängte, ausfindig zu machen, doch nirgends erkannte ich ihren roten Schopf, den sie bei der Arbeit stets hochgesteckt trug. „Hey, ihr drei! Da vorne wird gerade ein Tisch frei“, begrüßte uns zu meiner großen Überraschung Namis ältere Schwester Nojiko, die die Urlaubsvertretung für Nami oder Vivi machte und sich so noch zusätzliches Geld verdiente, mit einem Tablett voller leerer Gläser an uns vorbeikam. „Kommt, ich bring euch hin.“ Lächelnd übernahm sie die Führung durch den Raum, schlängelte sich elegant zwischen den Gästen hindurch, ohne dass auch nur eines der Gläser ins Wanken geriet, bis sie uns einen der Ecktische in der Nähe der Bar zuwies. Wie unfassbar froh ich war, dass sie auch gleich unsere Getränkebestellung aufnahm und uns für das Buffet notierte. Lysop und Chopper hätten sogleich Lunte gerochen, wenn Nami mich mit der kalten Schulter gestraft hätte. Zumal außer Zorro keiner meiner Freunde wusste, was zwischen Nami und mir alles vorgefallen war. „Und, Ruffy, wie geht es deinem Bruder? Hab ihn lange nicht mehr gesehen“, fragte Nojiko, nachdem sie den Block weggesteckt hatte. Die beiden hatten ihren Abschluss zusammen gemacht. „Könnte besser sein, ne?“, erwiderte ich und steckte die Karte zurück in den dafür vorgesehenen Halter. „Hm“, Nojiko formte einen Schmollmund, „das hat Vivi auch gesagt, als ich sie vor kurzem beim Einkaufen mit der Kleinen getroffen hab. Die ist ja richtig gewachsen, seitdem ich sie das letzte Mal gesehen hab. Und so niedlich, wie Vivi in Kleinformat.“ „Titi ist echt ein Sonnenscheinchen und sie lacht immer so viel.“ Nojiko lächelte. „Na, von wem sie das wohl hat?“, sie zwinkerte und wollte soeben gehen, als sie sich noch einmal zu mir herumwandte. „Richtest du Ace bitte noch aus, dass er mich einfach anrufen soll, wenn er die Tätowierung geändert haben will?“ „Werde ich machen“, versicherte ich ihr und kam nicht umhin mich mit Schmunzeln daran zu erinnern, wie entsetzt Ace gewesen war, als sie seinen Namen falsch auf seinen Oberarm gestochen hatte. Das war zu der Zeit gewesen, als Nojiko ihre Leidenschaft fürs Tätowieren gerade erst entdeckt und versucht hatte, Übung darin zu bekommen. Nami hatte sich als Erste bereit erklärt, als Versuchskaninchen herzuhalten, das verschlungene Symbol aus Orange und Windmühle, war ihr so gut gelungen, dass Nojiko schließlich auch Ace dazu hatte überreden können, ihm ein Motiv zu stechen. Seine Euphorie darüber ein Gratistattoo zu bekommen, war jedoch rasch erloschen, nachdem sie ihm das Endresultat in Form seines falsch geschriebenen Namens und einem „Upsi“ präsentiert hatte. Inzwischen hatte er sich damit arrangiert, doch manchmal ärgerte es ihn dafür umso mehr. Vor allem wenn ihn jeder fragte, weshalb das S durchgestrichen sei. Namis eiskalter Blick, als sie eine Getränkebestellung an der Bar abgab und mich erspäht hatte, hatte Bände gesprochen, mir regelrecht die Sprache verschlagen, sodass ich ihrer Schwester bloß hatte, zu nicken können. Schon meine Anwesenheit schien sie dermaßen auf die Palme gebracht zu haben, dass es selbst Chopper und Lysop nicht entgangen war, die ihr freundlich zugewunken hatten, jedoch knallhart ignoriert wurden. „Wieso begrüßt Nami uns nicht?“, fragte Chopper verunsichert und folgte ihr mit den Augen, nachdem sie mit dem vollen Tablett verschwunden war. „Sie wird uns doch gesehen haben. Komisch, das ist gar nicht ihre Art.“ „Hm...Vielleicht ist sie ja auch zu beschäftigt“, versuchte ich die beiden abzulenken. „Außerdem sollten wir mal langsam reinhauen, sonst verdau ich mich noch selber!“ Zum Glück war das Thema damit erledigt gewesen, ich weiß nämlich nicht, ob ich noch weiterhin den Unwissenden hätte spielen können. Zumal ich schon immer ein verdammt schlechter Lügner gewesen bin. Das Handy ich hatte ich die ganze Zeit über auf lautlos gestellt, sodass mich ein ziemlicher Schock traf, als ich beim Verlassen des Restaurants die sechs Anrufe in Abwesenheit zusammen mit drei SMS entdeckte. Allesamt von Ace. Ruffy, warum gehst du nicht ran? Stimmt was nicht bei dir? Ruf mich zurück, wenn du das siehst! Was ist denn los? Ruffy? Bitte melde dich! Ich muss unbedingt mit jemandem reden, sonst dreh ich noch durch! Auf der Stelle antwortete ich ihm, bevor er sich noch mehr Sorgen machte. Sorry, ich war mit Lysop und Chopper unterwegs. Handy war lautlos. Ich ruf dich an, wenn ich zu Hause bin. Ruffy „Alles okay bei dir?“, fragte Lysop, als ich den Blick hob. Resigniert schüttelte ich den Kopf. Seine Augen spiegelten Besorgnis wieder, während er seine schwarzen Locken zum Zopf zusammenband. „Leute, das war echt ein schöner Abend und ich fand's total toll, dass wir noch mal wie in den alten Zeiten zusammen gezockt haben. Aber ich muss jetzt wirklich dringend nach Hause. Wir sehen uns morgen früh oder so“, verabschiedete mich von beiden und spürte die Hektik im Nacken allzu deutlich. „Geht uns genauso. Das müssen wir bei Zeiten unbedingt wiederholen, okay? Komm gut heim“, sagte Lysop und un ergiff meinen Arm, bevor ich mich abwenden konnte. „Wenn du jemanden zum Reden brauchst...“ „Danke...“ So schnell wie an diesem Abend habe ich den Heimweg wohl lange nicht mehr zurückgelegt und mir wurde schmerzlich bewusst, wie lange ich eigentlich schon mein Training vernachlässigt hatte. Heftig schnappte ich nach Luft, schloss die Tür hinter mir und ließ mich aufs Sofa fallen, ehe ich mein Handy hervorzog und die Wahlwiederholung drückte. Es dauerte keine fünf Sekunden, bis abgenommen wurde. „Na endlich! Ich dachte schon, du rufst gar nicht mehr an!“ „Du klingst ja gar nicht gut, was ist denn schon wieder passiert? Gab's wieder Stress?“ „Das fragst du noch? Dieser Mann ist ein Herzinfarkt im Anzug! Ehrlich, ich frage mich, warum ich mich jedes Mal bequatschen lasse mitzukommen, wenn er mir eh nur wieder die miesesten Sachen an den Kopf schmeißt und sich förmlich in Rage darüber redet, weshalb ich sein und Vivis Leben zerstört habe.“ „Oh Mann, Ace, ich weiß, dass dich das nervt und echt scheiße von ihm ist, aber mittlerweile ist das doch nicht Neues mehr. Versteh mich nicht falsch...“ Ich hörte ihn seufzen und spürte, wie mich ein beklommenes Gefühl eroberte. Natürlich musste noch was anderes vorgefallen sein, ansonsten hätte ich bloß ein paar SMS bekommen, in denen sich Ace darüber ausgekotzt hätte, was Kobra alles sonst wo stecken hatte. „Du hast ja recht“, brachte er nach einer Weile des Schweigens hervor, als ich meine letzten Worte allmählich bereute, „ich hätte echt nicht gedacht, dass Kobra sich noch toppen könnte, aber heute Abend hat er das definitiv geschafft.“ Mein Magen verkrampfte sich schmerzhaft, zwar konnte ich mir kaum vorstellen, was genau passiert sein könnte, bloß dass es Ace gewaltig getroffen haben musste. Und das war das Schlimmste an der ganzen Sache, vermochte doch kaum etwas ihn wirklich zu verunsichern. „Was hat er gemacht?“, brachte ich mit brüchiger Stimme hervor, obwohl ich es gar nicht genau wissen wollte. „Also eigentlich hat es ganz harmlos angefangen“, begann Ace zu erzählen, „zur Begrüßung hat er mir mal wieder klar gemacht, dass er mich eigentlich nicht da haben will, ich nicht gut genug für seine Tochter bin und dass ich ihre Chance auf eine erfolgreiche Karriere versaut hab – aber das bin ich ja längst gewohnt. Als ich ihm angeboten hab, dass wir auch gleich wieder fahren könnten und er selber sehen könnte, wo er bleibt, hat er sich darüber beschwert, dass Vivi wegen mir und Titi ja gezwungen wäre, in so einem Loch zu hausen. Auch 'ne Sache, die ich schon zigmal gehört ab. Ich hab dann auch auf Durchzug gestellt, bis er irgendwann wieder mit der ach so tollen Partie Corsa anfing, dem Sohn einer seiner Freunde. Was der alles schon erreicht hätte für sein Alter. Dummes Blabla eben.“ Ace atmete tief durch und auch ich nutzte die Pause, ehe er fortfuhr: „Aber dann hat er den Vogel endgültig abgeschossen und gesagt, dass er wünschte,das Balg wäre nie geboren worden. Hallo? Was geht in diesem Mann nur vor? Ich meine klar, wäre es ohne Titi anders, aber dass sie ihm so lästig ist und scheinbar scheißegal. Das finde ich unfassbar! Sie ist immerhin seine Enkeltochter.“ „Das ist echt übel...Selbst für ihn.“ Ace seufzte ein weiteres Mal. „Mich kann er meinetwegen so viel hassen, wie er will. Das geht mir sonst wo vorbei, aber es macht mich rasend, dass er so über meine Tochter spricht.“ „Was sagt Vivi dazu?“ „Du kennst sie doch. Erst hat sie versucht ihn zu beruhigen, als er trotzdem immer lauter wurde, kam sie nicht mehr dagegen an und ist in Tränen ausgebrochen, nachdem er den Spruch mit dem Balg hat fallen lassen. Dass er nicht mal davor haltmacht. Rafft er denn nicht, wie sehr er Vivi damit verletzt?“ Arme Vivi. Mit ihr hatte ich das meiste Mitleid, gerade sie hatte es nicht verdient, sich so etwas anhören zu müssen. Ständig tat sie alles ihr Mögliche, um es jedem recht zu machen, vor allem ihrem Vater. Doch dem schien das herzlich egal zu sein. Wenn er sie wirklich lieben würde, dann würde er sie unterstützen und ihr nicht noch zusätzliche Steine in den Weg werfen. Nichtmal Gramps war so hart und der hatte Dadans Hütte zum Beben gebracht, nachdem er von dem „Unfall“ erfahren hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)