Second Place Victory von kyouto ================================================================================ Kapitel 1: Das Mädchen mit den weißen Haaren -------------------------------------------- Vor seiner Tür stand ein Mädchen mit weißen Haaren. Sie schaute ihn an, dennoch hörte sie nicht auf mit ihrem Finger auf die Klingel, zu drücken. Phoenix atmete tief durch, packte ihre Hand und zog sie von der Klingel fern. »Was willst du«, fragte er sie genervt, doch kam keine Antwort. Immer noch sah sie ihn nur an, lediglich das Klingeln verstummte endlich. Ihre Hand war immer noch in seinem Griff. Er wollte nicht riskieren, dass sie wieder anfing zu klingeln. Langsam beruhigte sich Phoenix wieder. Erst jetzt fielen ihm ihre Haare auf. Es war das Mädchen, das ihn heute angerempelt hatte. Ein kleines überhebliches Lachen war zu hören. »Wenn du dich entschuldigen willst, wegen heute Nachmittag, nicht nötig. Ist bereits vergessen.« »Kein Bedarf,« schallte es hinter ihm. Der Junge drehte sich um. Sie war hinter ihm in seine Wohnung gegangen, doch wie verstand er nicht. Noch immer hatte seine Hand denselben Griff, in der bis vor einigen Augenblicken ihre Hand war. »Wer hat gesagt, du kannst einfach reinkommen?« Er folgte ihr, nachdem er die Tür schloss. Sie stand mitten im Wohnzimmer und sah sich um. Auf seine Frage reagierte sie nicht. »Hey, ich rede mit dir!« Schnellen Schrittes ging er zu ihr, legte seine Hand auf ihre Schulter und drehte sie zu sich um. Wieder sah sie ihn an, wie kurz zuvor an der Tür. »Noël ...«, sagte sie leise, fast flüsternd. »No-ël? Was hast du mit meinem Bruder zu tun?« Hatte er sie geschickt? Wenn ja, warum? Und wieso gerade sie? Doch wieder blieben seine Fragen unbeantwortet. »Wirklich gesprächig bist du ja nicht«, seufzte er leicht enttäuscht. Er hatte, seitdem sein Bruder dem Söldnerverein beitrat, kaum etwas von ihm gehört. Dieses Mal betrachtete er sie genauer. Sie war mindestens einen Kopf kleiner als er, hatte schneeweißes Haar und blasse Haut sowie einen schwarz-blauen Schal. Alles Merkmale von Nat-Isanern. »Erklärst du mir wenigstens, was eine Nat-Isanerin hier macht und vor allem was du von mir willst? Wenn du was über Noël weißt, sage es. Ansonsten gehe. Ich kriege noch Ärger, wenn jemand rausbekommt, dass du hier bist.« Phoenix lockerte seinen Griff, doch ließ er sie nicht aus den Augen. Noch immer ist es ihm ein Rätsel, wie sie es geschafft hatte in das Haus zu kommen. Er sollte achtsamer sein. Langsam öffnete sie ihren Mund, als ob sie versuchte zu reden, doch kam kein einziges Wort heraus. Allmählich zweifelte Phoenix daran, ob sie ihn überhaupt verstand. »Ich weiß, dass ...« fing sie an, wieder im Flüsterton, »Nat-Isaner nicht beliebt hier sind. Ich habe die Blicke hier bemerkt. Aber ...«. Das Mädchen zögerte leicht. Phoenix Aufmerksamkeit hatte sie noch nicht geweckt. »Aber Noël meinte, du könntest mir helfen.« Ihre Stimme wurde lauter. Ihr Blick wich nicht von Phoenix. Beobachtete sie ihn oder war es ein Teil ihrer Strategie. Es war ihm unklar. »Woher kennst du Noël? Gehörst du auch zum Söldnerverein?« Sie schwieg. »Ich soll dir bei was-auch-immer helfen, aber selbst antwortest du mir nicht mal auf diese Frage?« Langsam regte das Mädchen ihn auf. Sie tauchte einfach auf, sagt kaum etwas, und erwartet auch noch Hilfe? Sie trat zwei Schritte zurück. Das erste Mal wich ihr Blick von Phoenix. Das Mädchen drehte sich um und sah sich die Wohnung nun etwas genauer an. »Ich antworte nicht auf Fragen, die irrelevant sind. Es spielt keine Rolle, woher ich ihn kenne. Fakt ist, dass ich ihn kenne. Das reicht doch.« Ihre Stimme klang monoton. Als wäre dieser Satz vor langer Zeit einstudiert worden. Der junge Mann gab es auf. Sie wich ihm ja doch nur aus. »Wenn du nichts anderes zu sagen hast, kann ich dich dann bitten zu gehen? Ich will mir endlich meine wohlverdiente Pause gönnen.« Phoenix war sich nicht mal sicher, ob man ihn nur auf den Arm nehmen wollte. Es würde jedenfalls zu seinem Bruder passen. Doch würde er sich so viel Mühe machen extra eine Nat-Isanerin zu schicken? Wahrscheinlich ja. »Es ist schon spät. Meinetwegen bleib heute Nacht hier. Solange du keinen Ärger machst. Morgen bring ich dich zu deinem Schiff und Ende.« Noël verstand es wirklich ihn auf dem Arm zu nehmen. Phoenix machte sich auf den Weg in sein Zimmer. Bei der Hälfte der Stufen in die erste Etage blieb er stehen, sah noch einmal zu ihr und sagte: »Das Sofa gehört ganz dir. Sei aber ja leise. Ich will keinen Ärger kriegen.« Er setzte seinen Weg ins Bett fort. »Warum bietest du mir das Sofa an? Lae-Bai und Nat-Isa sind nicht gerade befreundete Nationen. Du könntest Schwierigkeiten kriegen, wenn ich hierbleibe. Also warum?« Es war das erste Mal, dass etwas Betonung in ihrer recht leisen Stimme lag. Mit einem entgeisterten Blick sah er sie an, lächelte und murmelte leise: »Ich antworte ebenfalls nicht auf Fragen, die nicht von Bedeutung sind. Fakt ist, ich biete es dir an, lebe damit. Niemand zwingt dich zu bleiben«. Im Gegenteil ihm wäre es recht, sie würde einfach gehen. Dennoch glaubte er ihr, dass sein Bruder sie schickte. Es passte zu sehr zu ihm. Und Noël wäre enttäuscht, hätte er ihr das nicht wenigstens angeboten, Nat-Isanerin hin oder her. Das kleine Schmunzeln in ihrem Gesicht vernahm der Gastgeber nicht mehr. Das Mädchen betrachtete das ihr angebotene Sofa. Sehr bequem sah es nicht aus, dennoch für eine Nacht würde es reichen. Langsam drückte sie ihre Finger auf die Sitzfläche ihres Ersatzbettes. Zumindest war es nicht zu weich, dachte sie sich, als sie sich gemächlich auf das Sofa legte. »Wie kann er mir helfen ...?« Es war die Leitfrage, die sie sich stellte, seitdem sie Noëls Bruder traf. Noël gab ihr kaum Auskunft darüber, lediglich die Information, dass wenn die ihn treffen würde, sie verstehen würde. Doch sie verstand es nicht. Sie erklärte sich bereit, Noëls Aufgabe zu übernehmen – da war es doch natürlich auf seine Informationen zu bauen. »Morgen verschwinde ich. Er kann mir nicht helfen, leider,« seufzte sie schwermütig. Es war ein letzter Seufzer, der ihr entwich, bevor sie einschlief. Es war noch früh am Morgen, als sein Wecker klingelte. Die ersten Sonnenstrahlen erreichten sein Zimmer gerade, als er aufstand. Phoenix war es gewohnt früh aufzustehen. Er machte sich fertig. Heute war sein freier Tag. Der junge Mann streckte seine Arme nach hinten so weit er konnte, kurz zog er sich an. Erst das T-Shirt, dann die Hose zum Schluss die Schuhe. Langsam ging er Richtung Treppe und Erdgeschoss. Auf der Treppe ging sein Blick Richtung Sofa. Das Mädchen war noch immer da und schließ auf dem Sofa. »Ist wohl kein Frühaufsteher«, murmelte Phoenix. Ein Lächeln zierte sein Gesicht. Allein der Gedanke brachte ihn zum Lachen. Jedoch wurde es Zeit für sie zu gehen. Er ging zu ihr und versuchte sie zu wecken, doch leichtes Schütteln half nicht viel. Das Mädchen hatte einen tiefen Schlaf. Auch weitere Versuche blieben ohne Erfolg. Sie lag da seelenruhig. Das Mädchen atmete ruhig und gleichmäßig. Eine ihrer Haarsträhnen hing in ihrem Gesicht. Erst jetzt fiel ihm auf, dass er ihr gar keine Decke oder Kissen gegeben hatte. Phoenix beobachtete sie noch einige Momente, bevor er sich entschloss in die Küche zu gehen und sie mit Wasser zu wecken. Schnellen Schrittes ging er in die Küche, bereitete einen Eimer mit kaltem Wasser vor und ging wieder zu seinem Besuch. Zu seiner Enttäuschung richtete diese sich gerade auf und drehte ihren Kopf zu ihm, während sie sich immer noch ihre Augen rieb. Auch ein kleines Gähnen unterblieb nicht. »Ist das dein Ernst? Du hast mindestens sechs Stunden geschlafen und bist immer noch müde?« Es war eine rhetorische Frage, er erwartete keine Antwort, besonders nicht von ihr, wo sie doch gestern schon so gesprächig war. Der Blick des Mädchen wandte sich von ihm ab und ging zu dem Eimer in seiner Hand. Langsam stellte Phoenix den Eimer auf den Boden, ging zu ihr und sagte: »Du solltest jetzt gehen. Ich weiß nicht, wobei ich dir helfen sollte, aber ich bezweifle, dass ich der Richtige dafür bin.« »Ich weiß«, sagte sie leise, »er meinte es und ich glaubte ihm. Im Nachhinein ein sinnloses Unterfangen.« Ihr Blick zeigte eine leichte Enttäuschung. Phoenix sah man die Überraschung an. Mit einer Antwort rechnete er nicht. »Noël hat nicht immer... «. Das Klingeln der Haustür ließ ihn seinen Satz nicht beenden. Es wurde dicht gefolgt von einem Klopfen. »Phoenix McNeill,« schallte es von der anderen Seite der Tür, »öffnen sie umgehend die Tür. Es besteht der dringende Verdacht, dass jemand aus Nat-Isa sich bei ihnen aufhält.« »Du musst hier weg!«, flüsterte er ihr zu, »Die sind von der Akademie. Wenn die dich hier sehen, garantiere ich für nichts!« Ein weiteres Klopfen folgte. »Ich wiederhole mich ungern. Öffne umgehend die Tür.« Die Stimme wurde lauter und durchringender. Phoenix warf ihr einen letzten Blick zu, bevor er zur Tür ging. Sie schien keine Anstalten zu machen, eine Flucht überhaupt in Erwägung zu ziehen. Wahrscheinlich war es so besser. Sie hätten sie ja doch gesehen. Er atmete tief ein und öffnete die Tür. Es waren drei Personen, darunter eine Frau. Phoenix trat zur Seite. »Durchsucht die gesamte Wohnung! Sie muss hier irgendwo sein.« Die Frau blieb, während die beiden Männer durch die Wohnung streiften. Das Mädchen war weg, ganz zu Phoenix Verwunderung. Bis vor einigen Sekunden war sie noch hier. Wo ist sie, fragte er sich insgeheim. Und wer sind diese Leute? Er hatte sie noch nie gesehen. Und jemanden von außerhalb zu schicken nur wegen einem Mädchen... Nein das passte nicht. Sie trugen auch Uniformen der Akademie. Dieses tiefe blau-schwarz war die Farbe von Coraque. Phoenix ging Richtung Sofa, die Frau immer an seiner Seite, doch würdigte sie ihm nicht einmal eines Blickes. Ihre Begleiter kamen noch immer nicht. So groß ist die Wohnung nicht. Wo suchen die wohl alles? Er hatte geahnt, dass so etwas passieren wird. Wäre er nur konsequenter gewesen. Hätte sie nur nicht Noël erwähnt. Die Frau schien sich endlich von Phoenix zu lösen. Sie ging hinter das Sofa Richtung Küche. Phoenix war etwas erleichtert. Ihre Anwesenheit beunruhigte ihn. Ihre langen schwarzen Haare, dieser blutrote Lippenstift, alles an dieser Frau erinnerte ihn einfach an einen Sensenmann. Er schaute auf dem Boden. In diesen Momenten solchen Leuten in die Augen zu sehen glich einer Kampfansage. Er behielt lieber seinen Schatten im Blick. Etwas Vertrautes, etwas angenehmes. Umso mehr erschreckte er sich, als eine Hand aus seinem Schatten kam. Er schüttelte den Kopf. »Ich brauche dringend eine Pause. Ich bilde mir schon Sachen ein«, sagte er leise zu sich selbst. Noch einmal schaute er zu seinem Schatten. Er wurde immer blasser. Jetzt verstand er, wo sie war. Langsam und leise kroch das Mädchen aus seinem Schatten empor. Phoenix sagte nichts, viel mehr konnte er nicht. Eine solche Magie hatte er noch nicht gesehen. Das Mädchen hatte dieses Mal etwas Kettenähnliches in der Hand. An beiden Enden waren Raksha-Kristalle befestigt. Sie leuchteten leicht blau. Sie wollte zu der Frau, doch Phoenix hielt sie auf, versuchte sie wieder in den Schatten zu drücken. »Bleib da drinnen! Du kannst die doch nicht im Ernst angreifen wollen?!«, flüsterte er ihr entgegen. Langsam schaffte er es auch sie wieder in den Schatten zu drücken. Der Frau entging dies nicht. Sie wandte sich wieder zu Phoenix, doch sah sie ihn nur, wie er den Boden berührte. Phoenix lächelte sie an, zumindest versuchte er es. Er verstand selbst nicht, warum er das tat. Sollen sie das Mädchen doch kriegen. Ist doch nicht seine Angelegenheit. Doch dadurch, nur durch das Zurückdrücken machte er es zu seiner Angelegenheit. Er wurde ihr Komplize, zumindest sah es so aus. Sie sah auf ihn herab, dennoch antwortete sie ihm. Und ihre Antwort gefiel ihm nicht. »Sie wird beschuldigt, einen Komplott gegen Lae-Bai anzuführen. Wir haben Beweise, dass sie Kontakte zur Regierung von Nat-Isa hat. Außerdem wird sie der Spionage beschuldigt, denn sie beschuldigt uns, dass wir für den Untergang von Nat-Isa verantwortlich sind. Mehr muss dich nicht interessieren.« »Nat-Isa ist nicht untergegangen, Kumi!« Das Mädchen, sie kam aus dem Schatten, wenn auch nur zur Hälfte. Phoenix wurde immer blasser. Er sah bereits seinen Grabstein. »Nicht untergegangen? Pah, lange dauert es nicht mehr. Ihr hättet einfach nachgeben sollen.« Kumi lachte ausgiebig. Das Mädchen trat vor ihr, hielt ihre Kette in ihre Richtung und sagte ungewohnt laut: »Ihr seid schuld! Diese angebliche Revolution, es war nichts weiter als ein Krieg von euch! Ich ...« »Was? Ihr hättet es anders haben können, wärt ihr nur nicht so stur gewesen.« Wieder sah Kumi auf sie herab. Es reichte dem Mädchen. Sie holte aus, wollte ihre Kette werfen, doch Phoenix stoppte sie. »Bist du verrückt? Willst du es noch schlimmer machen, als es schon ist?!« Mit aller Kraft drückte er sie auf den Boden. Die Kette verschwand in ihrem Schatten. »Lass mich! Das hat nichts mit dir zu tun!« Sie versuchte sich zu befreien, doch ohne Erfolg. »Und ob es was mit ihm zu tun hat,« mischte sich nun Kumi ein, »Er versteckte dich und er war deine erste Adresse. Gegen ihn steht genauso der Haftbefehl wie gegen dich. Hey ihr beiden da oben. Hört auf zuzugucken und nehmt die beiden endlich mit!« Mit einem Fingerschnipsen schien sie es den beiden noch einmal signalisieren zu wollen. Kumi sprach mit ihren Begleitern, die länger schon dem ganzen zuschauten. Anscheinend war sie der Boss von ihnen, ganz gegen Phoenix erster Erwartung. Die beiden Männer hielten sie jeweils fest, doch anders als das Mädchen, wehrte sich Phoenix nicht. Es war sinnlos, das wusste er. Beide bekamen Handringe angelegt. Sie unterbrachen den Magiefluss, sprich sie sorgten dafür, dass man keine Magie benutzen konnte. Bei dem Mädchen vielleicht keine schlechte Idee. Beide wurden in ein Fahrzeug gebracht, dessen Türen verschlossen wurden. Ihr Raum war getrennt von der Fahrerkabine. Das Glas der Tür lies zwar Licht hinein, dennoch war es zu verschwommen, um draussen etwas erkennen zu können. Der Kofferraum, wenn man es so nennen konnte, war leer. Beide saßen auf dem kalten Boden sich gegenüber, als das Fahrzeug losfuhr. Hosted by Animexx e.V. 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