Second Place Victory von kyouto ================================================================================ Kapitel 10: Liam ---------------- Noch immer lief Phoenix mit ihr auf dem Rücken. Er wunderte sich, dass Asya nicht angriff, doch umdrehen und nachzuschauen warum, missfiel ihm auch. Phoenix nahm jede Abbiegung, die sich ergab, blieb immer im Schutz der Häuser, bis er sich letztendlich weit genug entfernte und langsamer wurde. Er rang nach Luft, setzt Eevi an einer Hauswand ab und setzte sich dazu. Sein Blick wurde verschwommener. Die Auswirkungen des Kampfes machten sich langsam bemerkbar. Sein Kopf schmerzte, als ob jemand ständig darauf einhämmerte. Eevi war noch immer bewusstlos. Noch immer schnaufend hielt er seine Hand an ihre Stirn und die andere als seine. »Leicht erhöht«, keuchte er leise. Langsam ließ er seinen Kopf nach hinten fallen. Er betrachtete seine Hand, doch erst nach einigen Augenblicken bemerkte er die rote Färbung, die seine gesamte Hand einnahm. Anscheinend war seine Kopfwunde wieder aufgegangen. Oder war es eine Neue? Er war sich nicht sicher. Klar denken konnte er nur erschwert. Immer wieder fielen seine Augen zu, doch versuchte er wach zu bleiben. Er musste wach bleiben. »Ihr beiden seht furchtbar aus«, sagte eine Frauenstimme. Phoenix Blick richtete sich nach vorn. Auch wenn die Person nur einen Meter wegstand, erkannte er nur schemenhaft die Umrisse. Ihm machte mehr Sorgen, dass er sie erst jetzt bemerkte. Die Frau hockte sich vor den beiden hin und kam näher. Instinktiv zog er sein Schwert und hielt die andere Hand schützend vor Eevi. Sein Schwert jedoch sank immer mehr und mehr zu Boden. Er hatte keine Kraft mehr, es zu halten. »Ich verstehe es nicht. Ich habe euch auf dem Marktplatz gesehen. Du warst wütend, wegen dem, was dem alten Mann passiert ist. Aber warum, wenn es doch angeblich ihr gewesen seid. Du besitzt sogar eine seiner Waffen,« sprach die Frau erneut. Ihre Stimme sie kam ihm bekannt vor. »Erkläre es mir. Ich möchte wissen, wer im Unrecht ist, Phoenix.« Doch eine Antwort bekam sie nicht. Noch immer hielt er seinen Arm schützend vor ihr. »Wenn du das Kopfgeld willst, jetzt ist deine Chance, Niliana.« Seine Stimme wurde leiser. Die Verletzungen machten ihm mehr zu schaffen, als er dachte. Niliana stand auf. Ihr Blick war emotionslos. »Euer Kopfgeld können wir uns immer noch holen, wenn ihr uns unsere Fragen beantwortet habt. Ich habe den leisen Verdacht, dass dieser Typ uns nur ausnutzte. Und das kann ich absolut nicht leiden.« Phoenix wollte lachen, doch wurde dies zu husten. Hatte sie Mitleid mit ihnen? Phoenix bemitleidete sich bereits selbst, wenn sogar Kopfgeldjäger Mitleid mit ihnen hatten. Waren sie wirklich in so einer schlechten Verfassung? Niliana holte mit einer Handbewegung zwei ihrer Kollegen heran. »Wir kümmern uns erst einmal um eure Wunden. Tod können die Wenigsten reden. Irgendwelche Einwände?« Sie wusste, dass es eine rhetorische Frage war, denn Phoenix hatte bereits das Bewusstsein verloren. Je einer ihrer Kollegen nahm einen der beiden. Niliana ging vor und sie folgten. ~ ~ ~ Es waren die ersten Sonnenstrahlen, die ihn trafen und ihn zum Umdrehen bewegten. Erst der daraus resultierende Schmerz ließ ihn aufwachen. Allmählich öffnete er seine Augen und hielt schützend seine Hand vor diesen. Langsam richtete er sich auf und sah sich um. Er war alleine in dem Raum. Sein Schwert war an eine der Wände angelehnt. Die Holzwände schienen alt und hatten Löcher. Phoenix versucht sich zu erinnern, doch gelang es ihm nur bruchstückweise. Er erinnerte sich an Asya und Niliana und ... »Eevi ... .« Er sah sie nicht. »Ist die Schlafmütze auch endlich wach?« Phoenix sah in Richtung Tür. Niliana stand im Türrahmen mit einigen Tüchern und Wasser. »Die Kleine redet gerade ein wenig mit unserem Boss, keine Sorge.« Sie ging näher zu ihm, setzte sich vor ihm und wollte seine Wunde am Kopf betrachten, doch Phoenix wich zurück. »Wo sind wir?« Er ließ sie nicht aus den Augen. Sie stellte das Wasser und die Tücher vor ihr ab und warf mit einer Handbewegung ihren seitlichen Pferdeschwanz wieder nach hinten, bevor sie ihm antwortete. »Bei uns im Versteck«, sagte sie recht gleichgültig, »Lass mich deine Wunden ansehen. Es wäre alles umsonst, wenn sie sich jetzt entzünden würden.« Niliana holte ein grünliches Pulver aus der Tasche ihrer Ballonhose, vermengte es mit Wasser und verteilte es auf den Tüchern. Das Ergebnis war so grün wie ihre Hose. Sie deutete auf Phoenix Hemd, welches er kurz darauf behutsam auszog. Zumindest so weit, dass seine verletzte Schulter freilag. Er bemerkte erst jetzt, dass die Bandagen sich bereits lösten. Überhaupt dass Bandagen da waren, wunderte ihn. »Es ist pulverisierter Raksha-Kristall aus Nat-Isa. Es wird als Heilmittel benutzt, unter anderem um zu verhindern, dass sich Wunden entzünden. Könnte etwas brennen.« Nachdem sie ihre Brille aufsetzte, tupfte sie mit den Tüchern Phoenix Stirn und Schulter ab. Er ließ sie machen. Auch wenn es brannte, verzog er keine Mine. »Sie ist bei eurem Boss? Warum?« Es waren immer noch Kopfgeldjäger. Was könnte jemand wie er für einen Grund haben, mit ihr zu reden? »Liam ist ein ehemaliger Söldner. Er hat gehört, dass sie Söldnerin werden will, und schien wohl Interesse zu haben. Keine Sorge, wir verkaufen euch schon nicht ... noch nicht«, kicherte sie. ~ ~ ~ »Verstehst du, worauf ich hinaus will, Kleine.« Noch immer saß er in seinem Sessel, stützte seinen Kopf mit seiner Hand und sah sie an. »Du warst einmal Söldner. Bist ausgestiegen und jetzt Kopfgeldjäger und willst mich überreden, keine Söldnerin zu werden.« Liam seufzte. Er richtete sich auf und sah zu Eevi. »Söldner sind nicht die noblen Gestalten, die du dir darunter vorstellst. Sie tun alles für Geld: Mord, Diebstahl. Natürlich gibt es Ausnahmen, aber ...« Seine Stimme wurde leiser. »Warum sollten mich einige schlechte Beispiele davon abhalten? Wenn diese Leute meinen, dass tun zu müssen, meinetwegen. Ich habe nicht vor solche Dinge zu tun.« Während Liam leiser wurde, zog Eevi ihren Schal von ihrem Mund, damit sie lauter wurde. Liam seufzte erneut. Sie war stur. »Beantworte mir eine Frage: Warum willst du Söldner werden? Du hast Talent, du könntest so viel anderes machen, ohne dein Leben aufs Spiel zu setzen.« Eevi strauchelte ein wenig. Was sollte sie ihm sagen? Die Wahrheit? Eine Lüge? Er war ein Söldner, aber dennoch ist er jetzt ein Kopfgeldjäger. Andererseits hat er sie gerettet. »Ich ... ich will stark werden. Ich möchte nicht immer beschützt werden müssen. Söldner sind stark. Die Leute vertrauen ihnen. Ich will ... wie er sein.« »Und wer ist 'er'?« Langsam weckte sie sein Interesse. Liam dachte sich bereits, von wem sie sprach. Sie log nicht. Anscheinend reichte ihr allein die Tatsache, dass er mal Söldner war, um Respekt vor ihm zu haben. Oder bildetet er sich das nur ein? »Ein Söldner. Er beschützte unser Dorf damals und mich, als wir angegriffen wurden. Wir hatten nichts, womit wir ihn bezahlen konnten. Er meinte, ein Lächeln wäre ihm Bezahlung genug. Er war so stark und ... und« »Diese Person war aber eher eine Ausnahme unter den Söldnern, ich denke ich weiß auch, von wem du redest.« Liam's Stimme wurde ruhiger. Er schob eine seiner Strähnen wieder aus seinem Gesicht. »Sein Name? Wie ist sein Name? Und wo ist er? Ich würde ihm gerne danken.« Eevi sprach schneller. Sie sah ihre Chance, mehr über ihn zu erfahren. Noël wusste nichts über ihn, aber er tat es anscheinend. »Du bist zu den Söldnern gegangen, um ihn zu finden. Deswegen schmerzt es mich ein wenig dir zu sagen, dass er nicht mehr unter uns weilt. Sein Name war Ryoga.« Zum ersten Mal wandte sich Liam's Blick weg von Eevi. »Er ist ... gestorben?« Sie brauchte etwas, um zu realisieren, was er ihr sagte. Liam schwieg. Seine Erinnerungen kamen wieder. »Wie ist er gestorben?« Liam schwieg weiter und Eevi dachte sich ihren Teil. Er hätte es ihr gesagt, wenn es ein natürlicher Tod gewesen wäre. Es brauchte ein wenig Zeit, bis Liam weitersprach: »Ich bin nach diesem Vorfall ausgestiegen. Aber du weißt selber ganz genau, dass man nicht aussteigen kann. Deswegen schlage ich mich jetzt mit Steckbriefen rum.« Sie merkte, dass er dem Thema ausweichen wollte. Sie wollte mehr wissen, doch beließ sie es lieber dabei. Sie waren immer noch Gefangene. »Sie suchen dich also. Willst du mich deshalb überzeugen? Damit ich ihnen nicht sage, wo du bist?« Ihre Stimme zitterte etwas. Sie war sich unsicher. Wollte er sie wirklich überzeugen? »Nein, im Gegenteil ich würde mich freuen, wenn so eine niedliche Söldnerin hinter mir her wäre. Dennoch wäre es eine Schande, wenn dir dasselbe Schicksal widerfahren würde.« Sein Lächeln kam wieder, wenn auch etwas gezwungen. Eevi wollte ihm antworten, doch wurde sie unterbrochen. Die Tür hinter ihr ging auf. Eevi drehte sich um. In ihrem Gesicht machte sich ein kleines Lächeln breit, zusammen mit einem doch recht besorgten Blick. »Phoenix«, sagte sie leise, »Bist du endlich aufgewacht?« Phoenix sah sich erst einmal um. Niliana führte ihn quer durch das Gebäude, um am Ende hier zu sein. Es war ein großer Raum, dennoch stand nur eine Art Sessel in der Mitte, in der ein Mann saß. Er war bereits etwas älter und seine gräulichen Haaren unterstützten diesen Eindruck. Immer wieder war eine gräuliche Strähne in seinem Gesicht, die er mit der Hand aus seinem Gesicht entfernte. Phoenix ging zu Eevi, während Niliana hinten blieb. »Was meinst du mit 'endlich'?« Erst jetzt fiel ihm ihr Shirt auf. Es war wieder ganz oder eher sie hatte ein neues, schwarzes Shirt an. »Du hast zwei Tage durchgeschlafen, Junge«, wandte Liam ein. Phoenix sah zu der Gestalt im Sessel. Er saß gelassen, eine seiner Hände stützte sein Gesicht, die andere ruhte auf der Lehne. Sein langer schwarzer Mantel ging bis zum Boden. »Ich nehme an, du bist Liam? Was wollt ihr von uns?« »Kaum wach und schon so neugierig. Wir haben nur ein paar Fragen an euch bezüglich einiger Sachen. Von der Kleinen habe ich mir bereits ein Bild gemacht, deswegen würde ich gerne von dir hören, was passiert ist in der Stadt«, pausierte er, »Niliana, lass uns alleine.« Niliana neigte ihren Kopf und verließ den Raum. Es waren nur noch Eevi, Phoenix und Liam im Raum. »Also erkläre mir, was ihr hier in der Stadt macht.« Phoenix zögerte, doch sprach Eevi ihm Mut zu. »Er ist ganz in Ordnung, denke ich. Sie haben uns geholfen, auch wenn ich den Gedanken nicht mag«, flüsterte sie, »Sie hätten schon längst unsere Köpfe einlösen können, wenn sie wollten.« Es schien ihr besser zu gehen, doch was erwartete er nach zwei Tagen? Anscheinend schien sie sich mehr Sorgen um ihn gemacht zu haben. »Wir wollten nach Nat-Isa, mehr nicht.« Phoenix antwortete ruhig. »Warum?« »Wegen Eevi.« Seinen Bruder ließ er lieber unerwähnt. Liam hakte nicht weiter nach. Der Grund schien ihm zu genügen, oder es interessierte ihn von Anfang an nicht. »Und der Brand im Waffengeschäft«, hakte Liam nach. »Das waren wir nicht.« »Woher hast du das Schwert?« »Vom alten Mann im Waffengeschäft.« »Dass, das abgebrannt ist?« »Ja.« Phoenix Faust ballte sich langsam. Warum erinnerte er ihn daran? Er fühlt sich wie in einem Verhör. Kurze Fragen, kurze Antworten. Verhielten sie sich denn so verdächtig? »Er hat niemanden seine Waffen anvertraut.« »Wir haben damit nichts zu tun gehabt.« Er drückte seine Faust noch fester zusammen. »Warum wart ihr dort und wurdet von den Vartija angegriffen?« Phoenix wurde langsam wütend. Sie drehten sich im Kreis. Wenn er der Meinung war, dass die beiden es waren, dann sollte er es einfach sagen und nicht diese Fragerei bevorzugen. »Ich sagte doch bereits, wir haben damit nichts zu tun!« Er wiederholte sich, doch anders schien er es nicht zu verstehen. Liam lachte. Eevi wechselte ihren Blick immer zwischen den beiden. Sie mischte sich nicht ein. Sie wusste, weshalb, Liam diese Fragen stellte. »Was ist so verdammt witzig?!« »Du hast verdammt viel Temperament, das du unter Kontrolle kriegen musst. Ich weiß, dass ihr damit nichts zu tun habt. Ich weiß, wie die Vartija solche Sachen handhaben. Ihr wollt nach Nat-Isa? Wir können euch helfen.« Warum diese ganzen Fragen, wenn er wusste, dass sie unschuldig waren? Jetzt wurde auch Eevi hellhörig. Dass er ihnen helfen möchte, hatte er bei ihrem Gespräch nicht erwähnt. »Und was willst du dafür?« Eevi wusste genau, umsonst gibt er nichts. »Ich möchte, dass ihr mit Niliana jemanden sucht. Auf ihn ist ein recht hohes Kopfgeld ausgesetzt und ich will sie ungern alleine gehen lassen. Schafft ihr es ihn zu schnappen, bringen wir euch nach Nat-Isa. Solltet ihr etwas versuchen, um uns zu schaden, wird Niliana euch, nennen wir es weiterreichen. Was sagt ihr? Hört euch die Details von Niliana an. Ich erwarte morgen eine Entscheidung.« »Was ist, wenn wir ablehnen«, fragte Phoenix misstrauisch. Er hatte es satt auf andere angewiesen zu sein. Aber im Moment wusste er leider auch, dass sie kaum eine Wahl hatten. »Dann könnt ihr gehen und schauen, wie ihr alleine an den Grenzposten und den Vartija vorbeikommt. Tot können wir euch immer noch übergeben«, kicherte Liam. Er dachte sich, dass er das sagen würde. Die Steckbriefe blieben erhalten, auch wenn Brandstiftung nicht noch dazukam. »Was weißt du über diese Vartija?« Eevi musste nachhaken. Sie brauchten dringend Informationen über diese Gruppierung. »Genug meine Kleine, genug um zu wissen, dass ihr im Moment keine Chance habt. Asya hat nur mit euch gespielt. Er hatte ja noch nicht einmal seine Sense dabei. Ohne eine Strategie kommt ihr bei denen nicht weit.« »Phoenix«, flüsterte sie, »wir sollten uns das anhören. Vielleicht erfahren wir so etwas mehr.« Liam schien mehr zu wissen, doch verriet er nichts davon. Sie wusste nicht, ob sie ihm wirklich trauen konnte, auch wenn er ein Söldner war. Phoenix nickte. Sie machten sich auf den Weg. Nilana wartete noch vor der Tür. Sie wollten es sich zunächst anhören, worum es genau ging. Abhauen können sie immer noch, hoffte er. »Sag mal, wie war der Kampf gegen Kumi bei dir? War der genauso wie mit Asya,« flüsterte er zu Eevi. Es interessierte ihn schon länger. Und gerade nach dem Kampf mit Asya musste er es wissen, ob alle dort so sind. »Ähnlich. Sie hat Wasser kontrolliert, damit kam ich eher klar, als mit Wind. Dennoch ...« Eevi biss auf ihre Lippe. Die Erinnerung an den Kampf kam hoch. Es schmerzte sie einfach, dass sie flüchten musste. Sie hasste es, wenn man sie nicht ernst nahm und nun taten dies schon zwei von der Organisation. »Wieso müssen wir jetzt eigentlich Kopfgeldjäger spielen«, seufzte Phoenix ein wenig frustriert. Er hätte nicht gedacht, dass es so schwer wird, nach Nat-Isa zu kommen. Phoenix öffnete die Tür und ging vor. Eevi drehte sich noch einmal um, bevor sie ihm folgte. Sie wurde nicht schlau aus Liam. Wollte er sie wirklich nur schützen oder war es einfach Taktik, wie bei Niliana damals? Niliana wartete bereits auf die beiden. Sie schien von Liam's Absicht bereits gewusst zu haben. Mit einer Handbewegung verdeutlichte sie den Beiden, dass sie ihr folgen sollten. Sie kamen in dem Raum, in der Phoenix bis vor Kurzem sich noch erholte. Niliana setzte sich und die beiden taten es ihr gleich. Eevi und Phoenix warteten darauf, dass Niliana anfing zu reden, doch schwieg sie. Es lag eine Anspannung in der Luft. Niliana kramte in ihrer Hosentasche herum, holte einige zusammengefaltete Blätter heraus und legte sie den beiden vor. Eevi wurde deutlich blasser als sie diese sah. »Ich weiß genau, dass du damals das Blatt falsch übersetzt hast, mit Absicht. Deswegen wäre es supernett von dir, wenn du diese übersetzen könntest. Einige Runen kannte ich, aber bei Weitem nicht alle.« Sie war wieder dieselbe, wie am Anfang. Diesselbe, die Eevi als Wörterbuch missbrauchen wollte. »Wir sind nicht hier um irgendwelche Zettel zu übersetzen, Niliana«, wandte Phoenix schließlich ein, was Eevi mit einem zustimmenden Nicken unterstützte. »War ja einen Versuch wert. Ich bin immer noch sehr interessiert daran, was auf diesen Zetteln steht. Vielleicht können wir uns ja doch einig werden.« Sie zwinkerte mit einem Auge. »Nun gut«, fing Niliana schließlich an, »Dass, wovon Liam sprach. Ich schaffe das auch alleine. Ich weiß nicht, warum er unbedingt darauf besteht, dass ihr mitkommt. Zumal ihr keine Kopfgeldjäger seid.« »Erzähl uns einfach, worum es geht. Es ist nicht so, als ob wir Lust hätten, mit dir zu arbeiten.« Phoenix hatte dies wirklich nicht. Er ist zu naiv für diese Welt. Das hat Niliana ihm deutlich gemacht. Die Leute nutzen jede Schwäche nur aus. Er hatte genug davon. Und würden sie jetzt mit ihr arbeiten, wer versicherte ihnen, dass sie sie danach nicht doch auslieferten? »Es geht um eine bestimmte Person. Nennen wir sie X. X hat einige Versuche unternommen, um an heikle Informationen ranzukommen. X kann unter bestimmten Voraussetzungen, die uns leider nicht bekannt sind, Erinnerungen von Personen sehen. Wie viele und wie kompakt ist unbekannt. Jedoch hat X bereits einige Informationen, die nicht an die Öffentlichkeit sollten. Momentan befindet sich X in Tenrouka.« »Tenrouka? Der Hauptstadt? Du willst allen Ernstes, dass wir in die Hauptstadt gehen?« Phoenix war sich jetzt sicher, dass es eine Falle war. Niemand kommt so einfach aus Hauptstadt, geschweige denn rein. Eevi sah seine Unsicherheit, doch verstand sie sie nicht ganz. »Was ist an Tenrouka so schlimm«, fragte sie etwas zaghaft. »Ich selbst war noch nie in Tenrouka, aber ich habe einige Geschichten darüber gehört. Es soll eine einzige Festung sein. Stadtmauern, die bis in den Himmel ragen, Häuser, besser gesichert als jedes Gefängnis und eine Art Schloss, wo unser König haust. Niemand, der unerwünscht war, soll es je aus der Stadt geschafft haben. Sie ist außerdem einer der größten Handelsplätze für Raksha-Kristalle und dazugehörige Waffen. Das Militär ist ebenfalls gut vertreten. Noch dazu sind wir hier im tiefsten Norden und Tenrouka ist von hier aus recht weit südlich.« »Also zunächst einmal Selbstmord dort hinzugehen und noch dazu komplett die falsche Richtung«, fügte Eevi dazu, »Da können wir auch selbst versuchen nach Nat-Isa zu kommen. Scheinen wir mehr Chancen zu haben.« »Wenn ihr in unserer Begleitung seid, passiert nichts. Zumal eure Steckbriefe nur regionale sind und keine landesweiten. Dort unten werdet ihr nicht gesucht. Wie gesagt, niemand zwingt euch mitzukommen,« zuckte sie mit ihren Schultern. Niliana schien es wirklich egal zu sein. »Was sollen das denn für Informationen sein, die X geklaut haben soll? Und warum nennen wir ihn eigentlich X?« Langsam schob Eevi die Zettel beiseite. Ihre Fragen sollten Niliana nur ablenken, doch brachte es nicht. Sie legte ihr die Zettel wieder vor den Schoß. »Vielleicht sage ich es euch, wenn ihr mir sagt, warum ihr nach Nat-Isa so unbedingt wollt.« »Ich will Eevi nach Hause bringen«, antwortete Phoenix schnell. »Das mag der offizielle Grund sein. Doch was ist der Inoffizielle?« Niliana lehnte sich mehr und mehr nach vorne, bis nur noch wenige Centimeter sie von Phoenix trennte. Dieser lehnte sich immer mehr zurück, um Abstand zu gewinnen. Er sah zu Eevi, doch sah diese sich die Zettel an. Sie schien nachzugeben. »Ähm ... wir wollen nur zu meinem Bruder, mehr nicht,« gab Phoenix schließlich nach. Sie würde nicht locker lassen. Sie ließ ja nicht mal mit den Zetteln locker. »Der da wäre? Komm schon, muss ich dir alles aus der Nase ziehen?« Ihr Ton wurde lauter. Wie damals, als sie mit den ganzen Papieren ankam. »Sein Name ist Noël«, sagte Eevi beiläufig. Ihre Aufmerksamkeit galt doch noch immer den Papieren. »Noël? Noël McNeill? Der ist dein Bruder? Dann werdet ihr wohl mitkommen müssen, weil der ist, schon lange nicht mehr in Nat-Isa.« Niliana stand auf und ging in eine Ecke weiter hinten im Raum. Es war ein Haufen Zeitungen und Steckbriefe, die dort verstreut lagen. Phoenix hatte sie vorhin nicht einmal wahrgenommen. Sie holte eine Zeitung kam wieder und legte sie den beiden vor. Es war eine Zeitung von vor zwei Tagen. Die Schlagzeile war mehr als deutlich. »Die Elite in Tenrouka!«, las Eevi vor. Sie nahm sich die Zeitung und las weiter:» Die Elite der Söldner trifft sich in den nächsten Tagen in Tenrouka zu wichtigen Gesprächen. Erwartet werden Hervé mit seiner Partnerin Cierge ... .« Eevi übersprang die nächsten Zeilen, überflog diese und fing wieder an lauter zu lesen, als sein Name fiel. »Noël und Avent werden auch bereits sehnsüchtig erwartet. Sie haben ihr Kommen bereits bestätigt.« »Er ist also in Tenrouka. Das ist mies. Wie lange ist das bereits bekannt?« »Es ist erst vor kurzem offiziell geworden. Aber gerade deswegen müssen wir X finden. Er wird mit Sicherheit bei diesem Treffen sein und Erinnerungen nehmen.« »Aber was hat er davon? Ich verstehe es nicht. Er wird unmöglich an diese Leute rankommen«, wandte Eevi ein. »Wie bereits erklärt, wissen wir nicht, wie er Erinnerungen an sich nimmt. Aber er hat bereits bewiesen, dass er es kann. Wir brauchen ungefähr ein und einen halben Tag zur Hauptstadt, wenn wir fahren. Es wäre genau in dem möglichen Rahmen.« Phoenix grinste. Niliana sah ihn verwundert an. Sie wusste nicht, was so lustig gewesen sein könnte. »Du hast zum ersten Mal von 'wir' gesprochen. Also willst du doch, das wir mitkommen.« »Das war es von meiner Seite. Geht schlafen, essen, macht, was ihr wollt.« Es war ihr sichtlich unangenehm. Sie verließ den Raum so schnell sie konnte. Doch erst als sie die Tür schließen hörte, wandte Eevi sich an Phoenix. »Was machen wir nun? Es wäre sinnlos nach Nat-Isa zu gehen, wenn er nicht einmal dort ist.« »Ich weiß, aber mir ist diese Sache nicht geheuer. Weswegen treffen die sich dort? Ich möchte es eigentlich vermeiden in die Hauptstadt zu gehen.« »Gehen wir mal pro und kontra durch. In Nat-Isa wären wir sicher und du könntest deine magischen Fähigkeiten endlich ausbauen. Allerdings scheint Noël dort im Moment nicht zu sein. Dafür aber in Tenrouka, was jedoch, wie du es beschreibst, reiner Selbstmord wäre. Und ob wir Kopfgeldjägern trauen können, die uns erst hinters Licht führten und dann uns retteten ... Ich weiß ja nicht. Ich persönlich bin immer noch dafür, dass wir nach Nat-Isa gehen. Wer weiß, ob Noël überhaupt noch da ist, wenn wir ankommen.« »Allerdings ist Noël in Tenrouka die einzige brauchbare Info zu seinem Aufenthalsort, die wir haben.Und ich habe mittlerweile eine Menge, was ich Noël fragen möchte. Diese Stym sprach von ihm. Ich denke, es war Zufall, aber ...« Phoenix dachte nach. Wie gern hätte er jetzt Musik gehabt. Sie half ihm beim Nachdenken. Er ging auch Eevi's Argumente durch. Es war definitiv sicherer nach Nat-Isa zu gehen, als zur Hauptstadt. Und sie hatte recht, wer wusste schon, ob Noël wirklich noch in Tenrouka ist? Ob sie überhaupt eine Chance hätten, ihn zu treffen? Aber was ist, wenn das jetzt ihre einzige, greifbare Chance ist, Noël zu treffen? »Mir ist beides recht. In Tenrouka kriegen wir bestimmt Informationen über die Vartija. Noch dazu würde ich gerne wissen, was unser Mister X da für Erinnerungen genommen hat. Ich überlasse dir die Entscheidung Phoenix.« Kurz nach diesem Satz ging auch Eevi aus dem Zimmer. »Damit machst du es mir nicht leichter, Eevi ...«, murmelte er vor sich hin. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)