Second Place Victory von kyouto ================================================================================ Prolog: Eine Begegnung mit Folgen --------------------------------- Langsam schlenderte Phoenix durch die Straßen von Coraque. Es war Nachmittag. Wagen reihten sich an den Kreuzungen, Menschen überquerten die Straßen auf dem Weg zu ihren täglichen Einkäufen. Seine Kopfhörer übertönten den Lärm, der ihn umgab. Musik half ihm beim Nachdenken. Eine Revolution, die scheiterte, eine Nation, die lieber auf altmodische Methoden, statt Moderne aufbaut, ein Volk, das die Schuld an ihrem Elend auf uns schiebt - Das ist Nat-Isa . Dies war der letzte Satz seines Lehrers, der die Stunde beendete. Ein Satz, von dem Phoenix sich nicht sicher war, was er davon halten sollte. Es war ihm und vielen anderen ein Rätsel, weswegen eine ganze Nation auf die Raksha-Kristalle freiwillig verzichtete. Sie erleichterten ihr Leben, gaben Energie – Sie waren essenzieller Bestandteil des Lebens auf Lae-Bai. Alles wurde mit Raksha betrieben: Lampen, Fahrzeuge, sogar in Waffen wurden diese eingearbeitet. Ihre natürliche Magie macht das Leben komfortabler. Mittlerweile wurden sie sogar künstlich erschaffen, auch wenn diese nicht so viel Energie beherbergten, wie natürlich entstandene Kristalle, so hatten diese doch eine höhere Leistungsfähigkeit und zerbrachen nicht so leicht, wie die natürlichen Ursprunges. Phoenix genoss die lauten Töne und Rhythmen seiner Musik. Dennoch vernahm er die Sirenen, die sich ihren Weg durch die Stadt bahnten. Doch die dazugehörigen Fahrzeuge oder Soldaten blieben aus. Lediglich ein kleines Mädchen mit weißen Haaren rannte ihn beinahe um. Die Haarfarbe stach ihm sofort ins Auge. Weiße Haare im Südkontinent sind selten. Er drehte sich um, nur um sicherzugehen, dass sie wirklich weiß waren oder ob er sich nur täuschte. Aber das Mädchen war weg. Phoenix ging weiter auf die Menschenmasse zu. Er brauchte nur eine Straße weiter und dann rechts gehen, doch bezweifelte er, dass er durch diese Masse durchkommt. Jede Minute wurden es mehr. Er würde die Soldaten gerne selbst sehen, doch kamen keine. »Wahrscheinlich werden auch keine mehr kommen... . War wohl nur eine Übung«. Leichte Enttäuschung machte sich breit, dennoch versuchte er weiterzukommen. Phoenix setzte seinen Weg fort. Langsam musste er nach Hause. Sein Tag war anstrengend und er wollte nur noch schlafen. Das tägliche Training auf der Akademie zerrte doch etwas an seinen Kräften. Nach gefühlten fünfzehn Ellenbogen schaffte er es. Langsam rieb er seinen Oberarm. Teilweise schmerzte es doch immer auf dieselbe Stelle einen Stoß zu bekommen, doch er hatte es geschafft. Nicht mehr lange und er würde zu Hause sein, seine Sachen abstellen, essen, sich schlafen legen und damit einen anstrengenden Tag zu Ende bringen. Phoenix gähnte leise, während seine Hand reflexartig vor seinen Mund glitt. Es gehörte zum guten Ton, so brachten es seine Eltern und die Akademie ihm bei. Ein weiteres Gähnen entwich Phoenix, als er zu Hause ankam. Es wurde Zeit, dass er das Bett aufsuchte. Er schloss die Tür hinter sich, stellte seinen Rucksack in die Ecke und machte es sich auf dem Sofa bequem. Lange hielt es ihn nicht auf dem Sofa. Es klingelte. Zunächst ließ er dem Klingeln nur einen Blick vom Sofa zukommen. Er wartete, dass derjenige gehen würde, oder sich erkenntlich machen würde. Zu dieser Zeit kam niemand vorbei, der wichtig sein könnte. Und wenn doch, war es hier gang und gäbe nach dem zweiten Klingeln seinen Namen zu nennen. Es diente der eigenen Sicherheit und der gesellschaftlichen Ordnung, nicht nur in Coraque, sondern in ganz Lae-Bai. Vergebens. Die Klingel läutete ununterbrochen. Ein Name folgte dem nicht. Genervt ging Phoenix zur Tür. Derjenige dahinter schien nicht die Absicht zu haben aufzuhören. Leicht zornig riss er die Tür auf. Da stand sie. Kapitel 1: Das Mädchen mit den weißen Haaren -------------------------------------------- Vor seiner Tür stand ein Mädchen mit weißen Haaren. Sie schaute ihn an, dennoch hörte sie nicht auf mit ihrem Finger auf die Klingel, zu drücken. Phoenix atmete tief durch, packte ihre Hand und zog sie von der Klingel fern. »Was willst du«, fragte er sie genervt, doch kam keine Antwort. Immer noch sah sie ihn nur an, lediglich das Klingeln verstummte endlich. Ihre Hand war immer noch in seinem Griff. Er wollte nicht riskieren, dass sie wieder anfing zu klingeln. Langsam beruhigte sich Phoenix wieder. Erst jetzt fielen ihm ihre Haare auf. Es war das Mädchen, das ihn heute angerempelt hatte. Ein kleines überhebliches Lachen war zu hören. »Wenn du dich entschuldigen willst, wegen heute Nachmittag, nicht nötig. Ist bereits vergessen.« »Kein Bedarf,« schallte es hinter ihm. Der Junge drehte sich um. Sie war hinter ihm in seine Wohnung gegangen, doch wie verstand er nicht. Noch immer hatte seine Hand denselben Griff, in der bis vor einigen Augenblicken ihre Hand war. »Wer hat gesagt, du kannst einfach reinkommen?« Er folgte ihr, nachdem er die Tür schloss. Sie stand mitten im Wohnzimmer und sah sich um. Auf seine Frage reagierte sie nicht. »Hey, ich rede mit dir!« Schnellen Schrittes ging er zu ihr, legte seine Hand auf ihre Schulter und drehte sie zu sich um. Wieder sah sie ihn an, wie kurz zuvor an der Tür. »Noël ...«, sagte sie leise, fast flüsternd. »No-ël? Was hast du mit meinem Bruder zu tun?« Hatte er sie geschickt? Wenn ja, warum? Und wieso gerade sie? Doch wieder blieben seine Fragen unbeantwortet. »Wirklich gesprächig bist du ja nicht«, seufzte er leicht enttäuscht. Er hatte, seitdem sein Bruder dem Söldnerverein beitrat, kaum etwas von ihm gehört. Dieses Mal betrachtete er sie genauer. Sie war mindestens einen Kopf kleiner als er, hatte schneeweißes Haar und blasse Haut sowie einen schwarz-blauen Schal. Alles Merkmale von Nat-Isanern. »Erklärst du mir wenigstens, was eine Nat-Isanerin hier macht und vor allem was du von mir willst? Wenn du was über Noël weißt, sage es. Ansonsten gehe. Ich kriege noch Ärger, wenn jemand rausbekommt, dass du hier bist.« Phoenix lockerte seinen Griff, doch ließ er sie nicht aus den Augen. Noch immer ist es ihm ein Rätsel, wie sie es geschafft hatte in das Haus zu kommen. Er sollte achtsamer sein. Langsam öffnete sie ihren Mund, als ob sie versuchte zu reden, doch kam kein einziges Wort heraus. Allmählich zweifelte Phoenix daran, ob sie ihn überhaupt verstand. »Ich weiß, dass ...« fing sie an, wieder im Flüsterton, »Nat-Isaner nicht beliebt hier sind. Ich habe die Blicke hier bemerkt. Aber ...«. Das Mädchen zögerte leicht. Phoenix Aufmerksamkeit hatte sie noch nicht geweckt. »Aber Noël meinte, du könntest mir helfen.« Ihre Stimme wurde lauter. Ihr Blick wich nicht von Phoenix. Beobachtete sie ihn oder war es ein Teil ihrer Strategie. Es war ihm unklar. »Woher kennst du Noël? Gehörst du auch zum Söldnerverein?« Sie schwieg. »Ich soll dir bei was-auch-immer helfen, aber selbst antwortest du mir nicht mal auf diese Frage?« Langsam regte das Mädchen ihn auf. Sie tauchte einfach auf, sagt kaum etwas, und erwartet auch noch Hilfe? Sie trat zwei Schritte zurück. Das erste Mal wich ihr Blick von Phoenix. Das Mädchen drehte sich um und sah sich die Wohnung nun etwas genauer an. »Ich antworte nicht auf Fragen, die irrelevant sind. Es spielt keine Rolle, woher ich ihn kenne. Fakt ist, dass ich ihn kenne. Das reicht doch.« Ihre Stimme klang monoton. Als wäre dieser Satz vor langer Zeit einstudiert worden. Der junge Mann gab es auf. Sie wich ihm ja doch nur aus. »Wenn du nichts anderes zu sagen hast, kann ich dich dann bitten zu gehen? Ich will mir endlich meine wohlverdiente Pause gönnen.« Phoenix war sich nicht mal sicher, ob man ihn nur auf den Arm nehmen wollte. Es würde jedenfalls zu seinem Bruder passen. Doch würde er sich so viel Mühe machen extra eine Nat-Isanerin zu schicken? Wahrscheinlich ja. »Es ist schon spät. Meinetwegen bleib heute Nacht hier. Solange du keinen Ärger machst. Morgen bring ich dich zu deinem Schiff und Ende.« Noël verstand es wirklich ihn auf dem Arm zu nehmen. Phoenix machte sich auf den Weg in sein Zimmer. Bei der Hälfte der Stufen in die erste Etage blieb er stehen, sah noch einmal zu ihr und sagte: »Das Sofa gehört ganz dir. Sei aber ja leise. Ich will keinen Ärger kriegen.« Er setzte seinen Weg ins Bett fort. »Warum bietest du mir das Sofa an? Lae-Bai und Nat-Isa sind nicht gerade befreundete Nationen. Du könntest Schwierigkeiten kriegen, wenn ich hierbleibe. Also warum?« Es war das erste Mal, dass etwas Betonung in ihrer recht leisen Stimme lag. Mit einem entgeisterten Blick sah er sie an, lächelte und murmelte leise: »Ich antworte ebenfalls nicht auf Fragen, die nicht von Bedeutung sind. Fakt ist, ich biete es dir an, lebe damit. Niemand zwingt dich zu bleiben«. Im Gegenteil ihm wäre es recht, sie würde einfach gehen. Dennoch glaubte er ihr, dass sein Bruder sie schickte. Es passte zu sehr zu ihm. Und Noël wäre enttäuscht, hätte er ihr das nicht wenigstens angeboten, Nat-Isanerin hin oder her. Das kleine Schmunzeln in ihrem Gesicht vernahm der Gastgeber nicht mehr. Das Mädchen betrachtete das ihr angebotene Sofa. Sehr bequem sah es nicht aus, dennoch für eine Nacht würde es reichen. Langsam drückte sie ihre Finger auf die Sitzfläche ihres Ersatzbettes. Zumindest war es nicht zu weich, dachte sie sich, als sie sich gemächlich auf das Sofa legte. »Wie kann er mir helfen ...?« Es war die Leitfrage, die sie sich stellte, seitdem sie Noëls Bruder traf. Noël gab ihr kaum Auskunft darüber, lediglich die Information, dass wenn die ihn treffen würde, sie verstehen würde. Doch sie verstand es nicht. Sie erklärte sich bereit, Noëls Aufgabe zu übernehmen – da war es doch natürlich auf seine Informationen zu bauen. »Morgen verschwinde ich. Er kann mir nicht helfen, leider,« seufzte sie schwermütig. Es war ein letzter Seufzer, der ihr entwich, bevor sie einschlief. Es war noch früh am Morgen, als sein Wecker klingelte. Die ersten Sonnenstrahlen erreichten sein Zimmer gerade, als er aufstand. Phoenix war es gewohnt früh aufzustehen. Er machte sich fertig. Heute war sein freier Tag. Der junge Mann streckte seine Arme nach hinten so weit er konnte, kurz zog er sich an. Erst das T-Shirt, dann die Hose zum Schluss die Schuhe. Langsam ging er Richtung Treppe und Erdgeschoss. Auf der Treppe ging sein Blick Richtung Sofa. Das Mädchen war noch immer da und schließ auf dem Sofa. »Ist wohl kein Frühaufsteher«, murmelte Phoenix. Ein Lächeln zierte sein Gesicht. Allein der Gedanke brachte ihn zum Lachen. Jedoch wurde es Zeit für sie zu gehen. Er ging zu ihr und versuchte sie zu wecken, doch leichtes Schütteln half nicht viel. Das Mädchen hatte einen tiefen Schlaf. Auch weitere Versuche blieben ohne Erfolg. Sie lag da seelenruhig. Das Mädchen atmete ruhig und gleichmäßig. Eine ihrer Haarsträhnen hing in ihrem Gesicht. Erst jetzt fiel ihm auf, dass er ihr gar keine Decke oder Kissen gegeben hatte. Phoenix beobachtete sie noch einige Momente, bevor er sich entschloss in die Küche zu gehen und sie mit Wasser zu wecken. Schnellen Schrittes ging er in die Küche, bereitete einen Eimer mit kaltem Wasser vor und ging wieder zu seinem Besuch. Zu seiner Enttäuschung richtete diese sich gerade auf und drehte ihren Kopf zu ihm, während sie sich immer noch ihre Augen rieb. Auch ein kleines Gähnen unterblieb nicht. »Ist das dein Ernst? Du hast mindestens sechs Stunden geschlafen und bist immer noch müde?« Es war eine rhetorische Frage, er erwartete keine Antwort, besonders nicht von ihr, wo sie doch gestern schon so gesprächig war. Der Blick des Mädchen wandte sich von ihm ab und ging zu dem Eimer in seiner Hand. Langsam stellte Phoenix den Eimer auf den Boden, ging zu ihr und sagte: »Du solltest jetzt gehen. Ich weiß nicht, wobei ich dir helfen sollte, aber ich bezweifle, dass ich der Richtige dafür bin.« »Ich weiß«, sagte sie leise, »er meinte es und ich glaubte ihm. Im Nachhinein ein sinnloses Unterfangen.« Ihr Blick zeigte eine leichte Enttäuschung. Phoenix sah man die Überraschung an. Mit einer Antwort rechnete er nicht. »Noël hat nicht immer... «. Das Klingeln der Haustür ließ ihn seinen Satz nicht beenden. Es wurde dicht gefolgt von einem Klopfen. »Phoenix McNeill,« schallte es von der anderen Seite der Tür, »öffnen sie umgehend die Tür. Es besteht der dringende Verdacht, dass jemand aus Nat-Isa sich bei ihnen aufhält.« »Du musst hier weg!«, flüsterte er ihr zu, »Die sind von der Akademie. Wenn die dich hier sehen, garantiere ich für nichts!« Ein weiteres Klopfen folgte. »Ich wiederhole mich ungern. Öffne umgehend die Tür.« Die Stimme wurde lauter und durchringender. Phoenix warf ihr einen letzten Blick zu, bevor er zur Tür ging. Sie schien keine Anstalten zu machen, eine Flucht überhaupt in Erwägung zu ziehen. Wahrscheinlich war es so besser. Sie hätten sie ja doch gesehen. Er atmete tief ein und öffnete die Tür. Es waren drei Personen, darunter eine Frau. Phoenix trat zur Seite. »Durchsucht die gesamte Wohnung! Sie muss hier irgendwo sein.« Die Frau blieb, während die beiden Männer durch die Wohnung streiften. Das Mädchen war weg, ganz zu Phoenix Verwunderung. Bis vor einigen Sekunden war sie noch hier. Wo ist sie, fragte er sich insgeheim. Und wer sind diese Leute? Er hatte sie noch nie gesehen. Und jemanden von außerhalb zu schicken nur wegen einem Mädchen... Nein das passte nicht. Sie trugen auch Uniformen der Akademie. Dieses tiefe blau-schwarz war die Farbe von Coraque. Phoenix ging Richtung Sofa, die Frau immer an seiner Seite, doch würdigte sie ihm nicht einmal eines Blickes. Ihre Begleiter kamen noch immer nicht. So groß ist die Wohnung nicht. Wo suchen die wohl alles? Er hatte geahnt, dass so etwas passieren wird. Wäre er nur konsequenter gewesen. Hätte sie nur nicht Noël erwähnt. Die Frau schien sich endlich von Phoenix zu lösen. Sie ging hinter das Sofa Richtung Küche. Phoenix war etwas erleichtert. Ihre Anwesenheit beunruhigte ihn. Ihre langen schwarzen Haare, dieser blutrote Lippenstift, alles an dieser Frau erinnerte ihn einfach an einen Sensenmann. Er schaute auf dem Boden. In diesen Momenten solchen Leuten in die Augen zu sehen glich einer Kampfansage. Er behielt lieber seinen Schatten im Blick. Etwas Vertrautes, etwas angenehmes. Umso mehr erschreckte er sich, als eine Hand aus seinem Schatten kam. Er schüttelte den Kopf. »Ich brauche dringend eine Pause. Ich bilde mir schon Sachen ein«, sagte er leise zu sich selbst. Noch einmal schaute er zu seinem Schatten. Er wurde immer blasser. Jetzt verstand er, wo sie war. Langsam und leise kroch das Mädchen aus seinem Schatten empor. Phoenix sagte nichts, viel mehr konnte er nicht. Eine solche Magie hatte er noch nicht gesehen. Das Mädchen hatte dieses Mal etwas Kettenähnliches in der Hand. An beiden Enden waren Raksha-Kristalle befestigt. Sie leuchteten leicht blau. Sie wollte zu der Frau, doch Phoenix hielt sie auf, versuchte sie wieder in den Schatten zu drücken. »Bleib da drinnen! Du kannst die doch nicht im Ernst angreifen wollen?!«, flüsterte er ihr entgegen. Langsam schaffte er es auch sie wieder in den Schatten zu drücken. Der Frau entging dies nicht. Sie wandte sich wieder zu Phoenix, doch sah sie ihn nur, wie er den Boden berührte. Phoenix lächelte sie an, zumindest versuchte er es. Er verstand selbst nicht, warum er das tat. Sollen sie das Mädchen doch kriegen. Ist doch nicht seine Angelegenheit. Doch dadurch, nur durch das Zurückdrücken machte er es zu seiner Angelegenheit. Er wurde ihr Komplize, zumindest sah es so aus. Sie sah auf ihn herab, dennoch antwortete sie ihm. Und ihre Antwort gefiel ihm nicht. »Sie wird beschuldigt, einen Komplott gegen Lae-Bai anzuführen. Wir haben Beweise, dass sie Kontakte zur Regierung von Nat-Isa hat. Außerdem wird sie der Spionage beschuldigt, denn sie beschuldigt uns, dass wir für den Untergang von Nat-Isa verantwortlich sind. Mehr muss dich nicht interessieren.« »Nat-Isa ist nicht untergegangen, Kumi!« Das Mädchen, sie kam aus dem Schatten, wenn auch nur zur Hälfte. Phoenix wurde immer blasser. Er sah bereits seinen Grabstein. »Nicht untergegangen? Pah, lange dauert es nicht mehr. Ihr hättet einfach nachgeben sollen.« Kumi lachte ausgiebig. Das Mädchen trat vor ihr, hielt ihre Kette in ihre Richtung und sagte ungewohnt laut: »Ihr seid schuld! Diese angebliche Revolution, es war nichts weiter als ein Krieg von euch! Ich ...« »Was? Ihr hättet es anders haben können, wärt ihr nur nicht so stur gewesen.« Wieder sah Kumi auf sie herab. Es reichte dem Mädchen. Sie holte aus, wollte ihre Kette werfen, doch Phoenix stoppte sie. »Bist du verrückt? Willst du es noch schlimmer machen, als es schon ist?!« Mit aller Kraft drückte er sie auf den Boden. Die Kette verschwand in ihrem Schatten. »Lass mich! Das hat nichts mit dir zu tun!« Sie versuchte sich zu befreien, doch ohne Erfolg. »Und ob es was mit ihm zu tun hat,« mischte sich nun Kumi ein, »Er versteckte dich und er war deine erste Adresse. Gegen ihn steht genauso der Haftbefehl wie gegen dich. Hey ihr beiden da oben. Hört auf zuzugucken und nehmt die beiden endlich mit!« Mit einem Fingerschnipsen schien sie es den beiden noch einmal signalisieren zu wollen. Kumi sprach mit ihren Begleitern, die länger schon dem ganzen zuschauten. Anscheinend war sie der Boss von ihnen, ganz gegen Phoenix erster Erwartung. Die beiden Männer hielten sie jeweils fest, doch anders als das Mädchen, wehrte sich Phoenix nicht. Es war sinnlos, das wusste er. Beide bekamen Handringe angelegt. Sie unterbrachen den Magiefluss, sprich sie sorgten dafür, dass man keine Magie benutzen konnte. Bei dem Mädchen vielleicht keine schlechte Idee. Beide wurden in ein Fahrzeug gebracht, dessen Türen verschlossen wurden. Ihr Raum war getrennt von der Fahrerkabine. Das Glas der Tür lies zwar Licht hinein, dennoch war es zu verschwommen, um draussen etwas erkennen zu können. Der Kofferraum, wenn man es so nennen konnte, war leer. Beide saßen auf dem kalten Boden sich gegenüber, als das Fahrzeug losfuhr. Kapitel 2: Großer Bruder, kleiner Bruder ---------------------------------------- Der kalte Boden des Wagen ließ jede noch so kleine Unebenheit der Straße durch. Dennoch beschwerten die beiden sich nicht. Sie schwiegen sich gegenseitig an. Immer wieder versuchte das Mädchen mit ihm zu sprechen, doch bevor auch nur ein Wort aus ihrem Mund kam, ließ sie es doch bleiben. Sie wusste nicht, wie sie anfangen sollte. »Wie heißt du eigentlich«, schallte es leise aus seiner Richtung. Sie brauchte einige Momente, um zu realisieren, dass er sie ansprach. »Eevi.« »Eevi? So wie Eve?« »Ja, Eevi ist die alte Form davon. In der alten Sprache heißt es so viel wie 'atmen' oder 'leben'. Dein Name zum Beispiel bedeutet 'Dunkles Rot'.« Phoenix dachte, sein Name wäre ungewöhnlich. Wahrscheinlich war er es auch, zumindest in Lae-Bai. Denn wenn er ihre Ausführungen hört, schien es in Nat-Isa, wo die alte Sprache teilweise noch gelehrt wurde, ein gängiger Name gewesen zu sein. Er hatte ja sogar eine Bedeutung. Es war eine kurze Unterhaltung. Wieder schweigen beide. Eine seltsame Atmosphäre lag zwischen den beiden. Erst nach einigen Minuten unterbrach Eevi jenes Schweigen. »Ich habe seine Aufgabe übernommen ...«, fing Eevi an, »also Noëls Aufgabe. Sie ist meine Abschlussprüfung zur Söldnerin auf eine gewisse Art und Weise.« »Also eine Söldnerin, wie Noël. Wenn auch noch nicht fertig gelehrt.« Er pausierte kurz, bevor er weitersprach: »Und stimmt es, was diese Kumi sagte?« Er wollte es wissen, nein er musste es wissen. Er musste es wissen, um die Situation, in der die beiden steckten, einschätzen zu können. Allein das sie mit Noël, was zu tun hatte, hieß nichts Gutes. Das Fahrzeug fuhr bereits zu lange, als dass sie sich noch in Coraque befinden konnten. Würden sie die beiden bis zur Hauptstadt bringen, wäre es vorbei. Die Hauptstadt Tenrouka war eine einzige Festung ohne Entkommen. »Es stimmt, zumindest aus ihrer Sicht. Es war keine Revolution, die in Nat-Isa stattfand. Revolutionen kommen vom Volk aus, aber das ... Das kam nicht von uns aus. Ich habe die Überlegungen nicht ohne Grund getroffen. Ich habe meine Gründe das zu denken, auch wenn sie dir vielleicht nicht ausreichen werden.« Sie sah ihn an. Eevi meinte es ernst, das sah er ihr an. Sie sprach weiter: »Du hast die Wahl: Flieh mit mir und lass uns zu Noël gehen. Ich bin mir sicher, er kann das alles erklären. Oder bleib hier und zieh deine Sache durch.« »Noël ... Ich hab ihn seit Jahren nicht mehr gesehen,« sprach der junge Mann zu sich selbst. Sein Bruder ging vor sieben Jahren fort, um seine Arbeit als Söldner zu vertiefen,wie er es nannte. Söldner sind hoch angesehen, gerade weil sie stark und loyal sind. Theoretisch schafft es jeder Söldner zu werden, doch nur die Wenigsten gehörten zur Elite, unter ihnen Noël. Loyal ... es widersprach sich, wenn man teils ihre Aufträge sah. Er wusste nur, dass wenn man sich für diesen Weg entschied, es kein zurück gab. Dafür sorgte ebenfalls die Elite und somit auch sein Bruder. »Dennoch ich habe mit dieser Sache nichts zu tun und ich will es auch nicht. Ich mag mein Leben so, wie es ist,« antwortete er, laut genug damit sie ihn verstand. Das Fahrzeug stoppte. Die Tür wurde aufgerissen und die beiden Männer von vorhin gingen zu den beiden, verbanden ihnen die Augen und zogen sie nach draußen. Die beiden Männer führten die beiden weiter in ein Gebäude, doch welche Richtung konnten sie nicht ausmachen. Lange schon hatten sie die Orientierung verloren. Alles, was sie hörten, waren ihre eigenen Schritte auf dem Betonboden. Das Ende der Reise waren zwei Zellen, getrennt voneinander mit einer Mauer. Endlich wurden ihre Augenbinden abgenommen. Sie hatten jeder eine Zelle, nicht sehr groß. Es war nicht viel mehr als ein eingezäunter Raum. Die Männer, die sie herbrachten, waren weg. Niemand war hier, außer die Wachen, die an den Ecken der Wände standen. »Wir sollen nicht lange hier bleiben«, sagte er zu seiner benachbarten Zelle, »Hier ist nichts drin. Kein Bett, kein Waschbecken, wir werden nicht lange hier bleiben.« Phoenix war angespannt. Er wusste, dass das alles hier auch in einer Hinrichtung enden konnte. »Ich habe nicht vor lange hier zu bleiben. Wenn ich nur die Handschellen los werden könnte ...« »Vergiss es. Wenn du nicht den Schlüssel oder den Code besitzt, gehen die nicht auf. Zumal was würden dir deine Schatten hier nützen? Soweit ich weiß, kannst du damit nicht durch Wände gehen.« »Lernt man das alles in dieser Akademie?« Auch wenn Eevi nicht verwundert klang, so war sie es doch. Schattenmagie war Runenmagie und gehörte damit zur alten Magie. Sie sollte in Lae-Bai eigentlich nicht bekannt sein. »Spielt das denn eine Rolle? Hast du eigentlich eine Ahnung, in was für einer Situation wir stecken? Die könnten uns hinrichten lassen!« »Ich dachte, du hast damit nichts zu tun?«, schmunzelte Eevi. Es war ihr bewusst, dass er aus dieser Situation nicht rauskam. Sie wartete nur, dass er es auch einsah. »Wie gesagt«, fing Eevi an, »ohne Handschellen könnten wir hier raus. Die Gitterstäbe sehen nicht stabil aus. Wenn wir beide uns zusammentun, kriegen wir die auf. Ich meine, du bist doch auch ein Beschwörer wie Noël, oder?« »Ja, schon aber ...«, zögerte er. Es gab kein zurück, würde er sich mit ihr zusammentun. Andersherum hatte er überhaupt eine Wahl? Phoenix bezweifelte, dass man ihm glauben würde, er hätte nichts mit ihr zu tun. Dafür weiß sie zu viel über Noël, und es stimmt leider. Er war ihre erste Adresse, weshalb auch immer. »Ich bin nicht so talentiert wie er. Ich habe nur einen Elementargeist, Noël hat über fünf. Er kann sie materialisieren, ich schaffe es lediglich, das Element hervorzubringen, in dem ich den Geist in ein Objekt transferiere. Ich habe mich nicht ohne Grund auf Kampfkunst spezialisiert und nicht auf Magie.« »Und? Dann hat Noël eben mehr Übung. Noël ist nicht hier. Wenn alles, was du brauchst, ein Objekt ist, müsste meine Kette doch reichen, oder? Einziges Problem ist nur, meine Kette ist in den Schatten verborgen. Ich komme mit den Handschellen nicht an sie ran.« »Was uns wieder an den Anfang bringt ...«, fügte Phoenix hinzu. Er lehnte sich gegen die Wand, die ihn von Eevi trennte. Alles war grau, die Wände, das Gitter, der Boden. Fenster waren nicht vorhanden. Einzige Lichtquelle war eine Lampe an der Decke, dessen Licht öfters zu flackern begann und ein dumpfes Geräusch aus der Nachbarzelle. Anscheinend versuchte Eevi die Handschellen mit Gewalt zu öffnen, ohne Erfolg, wenn er ihr leises Fluchen richtig aufnahm. »Wir sollten schlafen. Heute wird nichts mehr passieren und wir werden morgen alle Energie brauchen, die wir haben.« Phoenix Stimme war gelassen. Es überraschte ihn selbst. Schließlich war er es, der sie immer darauf aufmerksam machte, in was für einer Situation sie doch steckten. Das Fluchen hörte auf und mit ihm anscheinend die Versuche die Handfesseln zu öffnen. »Konzentrier dich, so schwer ist das nicht, Phoenix«, seufzte er, während er dem kleinen Jungen wieder auf die Beine half, »Du brauchst nur etwas mehr Konzentration. Schau.« Der Ältere streckte eine Hand aus und murmelte etwas, das der kleine Junge nicht verstand. Eine Art Wasserblase entstand in seiner Hand. Das Wasser in der Blase drehte sich immer um den Mittelpunkt. Es war in Bewegung. »Siehst du? Mit einem Wasserelementar an deiner Seite ist so etwas kein Problem. Natürlich ist das hier nicht so effektiv, wie den Geist komplett zu materialisieren. Dafür kostet es aber weniger Energie. Vielleicht versuchen wir bei dir erst einmal die einfachste Form: Den Geist in Objekte hinein zu transferieren.« »Aber Noël«, zögerte der kleine Junge, »Bei dir sieht das so einfach aus. Ich krieg das aber nicht hin. Ich habe wahrscheinlich nicht mal so einen Geist ...« »Phoenix,« lächelte er ihn an, »Jeder Beschwörer hat einen von Geburt an. Meiner war ein Feuerelementar und deiner ist es auch . Du bist genau wie ich oder unser Vater ein Beschwörer, auch wenn du mehr nach Mom kommst«, sagte Noël, während er ihm in die Wange kniff. Jeder Versuch sich davon zu lösen scheiterte, ganz zu Noëls Erheiterung. Er liebte es, seinen kleinen Bruder zu ärgern. »Du musst stark werden, ich bin schließlich nicht immer hier, um dich zu beschützen. Dein Big Bro geht auch irgendwann einmal weg,« zwinkerte er ihm zu. Phoenix setzte sich zu Noël, seine Beine angewinkelt, während seine Arme diese hielten. »Wie meinst du das, du gehst?« Er sah Noël an, doch dieser blickte nur gerade aus in die Ferne. Er lächelte, doch antwortete er seinem kleinen Bruder nicht ... »Wach endlich auf!« Sie hockte sich auf ihn, verpasste ihm einige Ohrfeigen, doch mehr als ein Murren bekam sie nicht. »Wie fest schläft der?! Phoenix, steh endlich auf, verdammt!« Noch einmal ohrfeigte sie ihn, doch dieses Mal schien es endlich zu wirken. »Au, was soll das? Warum schlägst du mich?« Er pausierte kurz, bis es ihm auffiel, dass Eevi auf ihn saß. »Wie bist du aus der Zelle gekommen?« Eevi stand auf. Die Handschellen waren noch immer an ihren Händen, doch die Zellen waren auf. Erst jetzt fielen ihm die dumpfen Geräusche der Alarmanlage auf. »Ich weiß nicht, was passiert ist. Aber das spielt keine Rolle. Die Zellen sind auf, die Wärter abgelenkt beziehungsweise ausser Gefecht, wir müssen diese Chance nutzen.« Wer ist denn so verrückt, hier einzubrechen, fragte sich Phoenix insgeheim. Doch Eevi hatte recht. Sie mussten diese Chance einfach nutzen. »Ich werde Noël treffen, wenn ich mit dir mitgehe, oder?« »Ja, wirst du. Ich habe selber so einige Fragen an ihn mittlerweile.« »Dann lass uns gehen.« Phoenix stand, so schnell er konnte, auf. Sie durften keine Zeit verlieren. Diese Verwirrung wird nicht lange anhalten. »Woher der Sinneswandel? Doch keine Lust einen sinnlosen Tod zu sterben?« Er lächelte, doch antwortete er ihr nicht, denn es war nicht nötig. ~ ~ ~ »Ich hoffe, du bist jetzt glücklich. Wenn das rauskommt ...«. »Wird es nicht, Avent.« Seine Stimme war ruhig wie immer. Die Frau seufzte. Es brachte nichts, ihm Vorwürfe zu machen. Er hatte ja doch immer eine Gegenantwort parat. Von dem Felsen aus hatten sie das Gebäude gut im Überblick. Es war ein Grenzgebäude, welches nahe am Gebirgsfuß stand, das Nat-Isa und Lae-Bai trennte. Es wäre nur eine Zwischenstation für die beiden gewesen, dennoch verstand Avent nicht, warum er unbedingt darauf bestand, so eine Unruhe hier zu verursachen. »Sind die beiden denn so wichtig, dass wir gleich das gesamte Gebäude infiltrieren mussten, Noël?« »Alleine wären die beiden da nicht lebend rausgekommen. Und ich will sehen, wie weit sie kommen«, lächelte er Avent an, »Ausserdem muss ich meinen kleinen Bruder doch beschützen. Hast du den drei Trotteln das Mittelchen gegeben?« »Ja, habe ich. Wenn die nach der Dosis noch klar denken können, stelle ich mich freiwillig.« Er lächelte sie an. Noch immer sah er in die Ferne. »Wir sollten uns auf dem Weg machen. Der Wind hier oben ist unausstehlich.« Kapitel 3: Auf Wiedersehen, mein altes Leben -------------------------------------------- »Wie werden wir die Handschellen los«, flüsterte sie zu Phoenix. Leicht angespannt sah sie sich um. Es gab zwei Ausgänge: eine Treppe nach oben, eine Treppe nach unten. Der Kellertrakt mit ihren Zellen bestand ledglich aus einem Gang, an deren beiden Enden noch die Wärter standen. Die beiden Wachen waren bewusstlos, die Zellen von außen aufgebrochen. Doch ihre Handschellen zu öffnen, vergaß ihr unbekannter Helfer. »Wir brauchen einen Code oder Schlüssel. Mit Gewalt lassen die sich nicht öffnen. Es sollte hier einen Raum geben, von dem sie uns beobachten. Dort sollten wir etwas finden.« »Weißt du auch, wo der ist?« Der junge Mann schüttelte den Kopf. Er war ratlos, genau wie Eevi. »Lass uns gehen. Die werden nicht lange brauchen, um nach uns zu schauen«. Er zögerte etwas, bevor er sich entschloss weiter zu reden:»Tust du mir einen Gefallen?« Er ging zur Wand, an dessen Ende einer der beiden Wärter lag, ging diese langsam entlang, um sich zu vergewissern, dass niemand von der Treppe kam, die nach oben führte. »Und das wäre«, fragte sie leise, während sie ihm folgte. Etwas enttäuscht, dass der Wärter nichts Brauchbares dabei hatte, fuhr Phoenix sein Anliegen fort:»Wenn wir die Handschellen los sind, werden wir uns wahrscheinlich wehren müssen. Mir ist klar, dass du kämpfen kannst, sonst würdest du wohl kaum Söldnerin werden ... deswegen bitte ich dich, bitte töte niemanden hier, und ich sorge dafür, dass wir hier raus kommen.« Eevi sagte nichts. Seine Bitte einerseits überraschte er sie damit, anderseits dachte sie sich so etwas schon. Anscheinend hielt er sie wirklich für kaltblütig. Dennoch, sie spielte mit. »Meinetwegen, aber ich hoffe du bereust diese Bitte nicht später.« Leise versuchten beide die Treppe hinaufzulaufen. Die Tür am Ende war zu, aber nicht verschlossen. Ein kurzes Nicken zu Eevi, und Phoenix öffnete die Tür einen Spalt, groß genug um etwas zu erkennen. Eevi hockte sich vor ihm und drückte ihren Kopf ebenfalls gegen die Tür und sah durch den Spalt. Es war niemand zu sehen. Sie drückte ihre Hand sanft gegen die Tür, sodass sie sich öffnete. Ein leichtes Knarren war zu hören. Vor ihnen lag ein Raum, am Ende eine Abbiegung, an den Seiten je zwei Türen, die sich gegenüberlagen. »Findest du das nicht seltsam, dass hier keine Menschenseele ist«, flüsterte das Mädchen ihrem Begleiter zu, als sie wieder aufstand und den Gang betrat. »Seltsam auf jeden Fall. Vielleicht ist hier noch etwas, dass mehr Aufmerksamkeit verlangt als wir. Lass die Räume durchsuchen, solange niemand hier ist.« Eevi wurde angespannter. Dass etwas nicht stimmte, war ihr bewusst. Doch das niemand hier ist, war mehr als seltsam. Beide nahmen sich je eine der vier Türen vor. Sie öffneten sie leise. Langsam ließ Phoenix den Türknauf los, drückte die Tür etwas und betrat den Raum. Es war ein Büro mit einem Schreibtisch, einer Pflanze und einem Bücherregal. Einige der Bücher lagen verstreut auf dem Schreibtisch. Die Titel ließen nicht viel über deren Inhalt erahnen. Bis vor Kurzem muss noch jemand hier gewesen sein. Es war kein Staub zu finden, weder auf Schreibtisch noch auf einem der Bücher. Er untersuchte die Schubladen, doch alles was er fand waren Bleistifte, Radierer und weißes Papier. Er ging wieder. Nichts in dem Raum hätte ihnen helfen können. Eevi öffnete die Tür in einem Ruck. Sie rechnete nicht mit Soldaten oder dergleichen. In ihrem Raum befand sich nur ein Tisch mit einer Lampe. Auf ihm waren beschriebene Blätter verstreut. Langsamen Schrittes ging Eevi zu den Blättern und verschaffte sich einen groben Überblick. Sie zögerte nicht lange, sammelte alle losen Blätter zu einem ordentlichen Haufen und nahm sie mit. »Was machst du da? Du kannst doch nicht einfach Unterlagen mitnehmen,« sagte eine Stimme hinter ihrem Rücken. »Ich habe immer noch eine Mission zu erfüllen. Diese Blätter wurden ganz eindeutig zurückgelassen. Also sind sie Allgemeingut,« scherzte sie herum. Phoenix erwiderte nichts. Es war unmöglich, dass etwas Wichtiges auf ihnen stand. So etwas liegt nicht einfach rum und sie zu stoppen ... . Es wäre verschwendete Energie gewesen. Tap Tap Tap Schritte hallten über den beiden. Ihre Blicke richteten sich nach oben. »Da ist jemand. Sollen wir nachsehen?« Eevis Stimme klang ernst. »Und wie wehren wir uns, ohne Waffen und mit Handschellen?« Seine Nahkampffähigkeiten ließen zu wünschen übrig. Es wäre anders, wenn er nur ein Schwert hätte. Eigentlich sollten die Handschellen ihn dann nicht mehr allzu sehr behindern. »Es macht keinen Sinn hier ohne Plan herumzulaufen. Wenn der da oben alleine ist, sollten wir den schaffen und vielleicht eine Kombination für die hier kriegen.« Demonstrativ hielt sie ihre Handschellen vor seinen Augen, schüttelte ihre Hände etwas, damit die Kette zu klirren begann. Sie wendete sich wieder von ihm ab und ging in Richtung Treppe. Phoenix seufzte und tat es ihr gleich. Er wusste, dass sie recht hatte. »Sag mal,« flüsterte Eevi,»Wo genau sind wir hier eigentlich?« Sie lehnte sich an die Wand und beobachtete die Treppe, die sie hinter der Ecke sah. Es musste der richtige Moment sein. »Wer weiß. Es scheint kein allzu großes Gebäude zu sein. Demnach könnte es eine Art Zwischenstopp sein. Scheint nicht so, als ob die hier für Gefangennahmen gemacht worden sind.« Phoenix ging alle Möglichkeiten bereits im Fahrzeug durch, wo sie landen könnten. Dass das hier nicht die Hauptstadt war, ist ihm mittlerweile klar geworden. Wobei er über diesen Fakt doch recht erleichtert war. Er atmete tief ein. Eine seiner Hände legte er auf ihre Schulter und flüsterte: »Lass mich vorgehen. Vielleicht kann ich das klären, ohne zu kämpfen.« Misstrauisch sah sie über ihre Schulter. »Meinetwegen«, antwortete sie, »ich gebe dir zwei Minuten.« Zwei Minuten ... Er war sicher, dass es reichen würde. Der junge Mann ging die Treppe hinauf, öffnete die Tür und betrat den Raum, mit seinen Händen bereits über dem Kopf. Er sah sich um. Auf den ersten Blick erkannte er drei Wachen, doch aus irgendeinem Grund schienen sie nicht bei der Sache zu sein. Eevi wartete weiter oben auf der Treppe im Schutz der Tür. »Wer ist da?!«, schallte es von weiter hinten. Anscheinend hat endlich eine der Wache ihn entdeckt. Auch die anderen beiden wurden aufmerksam auf ihn. »Schüler der Coraque Akademie Phoenix McNeill, Schüler ID 077D9K8. Ich und meine Begleiterin sind durch unglückliche Umstände hier reingeraten. Der Angreifer fesselte uns mit diesen Handschellen und sperrte uns unten in die Zellen. Die Wachen dort befreiten uns, bevor sie das Bewusstsein verloren«. Er drehte seinen Kopf zu Eevi, signalisierte ihr, dass sie rauskommen sollte. Die Verwirrung lag ihr im Gesicht. Leise sagte er 'zwei Minuten'. Es stimmte, die zwei Minuten waren noch nicht um, doch wusste Eevi nicht wirklich, ob das gut gehen würde. Langsam und wachsam kam sie heraus. »Ihr Name ist Eevi«, er zögerte leicht, »Clasfil, eine Söldnerin.« Die Wachen sahen beide an. Eine der Wachen holte einen kleinen Handcomputer raus, tippte etwas ein und senkte die Waffe. »Die ID wurde bestätigt. Über das Mädchen stand nichts.« Etwas verstört sah Eevi die Wache an. Hat er ihm die Geschichte wirklich abgekauft? Trotz der vielen Ungereimtheiten? Phoenix wandte sich zu seiner Begleitung. Er sah ihre Verwirrung. Er flüsterte: »Zeig ihnen irgendetwas, dass dich als Söldnerin ausweist. Die wissen nichts von uns. Anscheinend wurde das in der Datenbank noch nicht aktualisiert.« Das Mädchen deutete auf ihren Schal oder viel mehr ihren Hals hin. Die Wache, die am nächsten stand, zog an ihm und sah auf ihren Hals. Es war ein Symbol zu erkennen, ähnlich wie ein Sichelmond mit einem Speer. Die Wache drehte sich um und gab Entwarnung. »Löst die Handschellen«, sagte die Größte der Wachen. Es waren nur kurze Augenblicke und die Handschellen fielen zu Boden. Eevi richtete ihren Schal wieder und umklammerte ihre teilweise doch schmerzenden Handgelenke. »Wo genau sind wir? Wir suchen den Angreifer und es besteht dringender Verdacht, dass er sich auf den Weg nach draussen begibt.« Eevi spielte mit. Wenn sie nichts von ihnen wussten, sollte ihr recht sein. »Wir sind hier im zweiten Untergeschoss. Es gibt nur einen Ausgang im Erdgeschoss.« »Also zwei Stockwerke unter dem Ausgang«, murmelte Phoenix. »Eevi, wir sollten hier schnell raus. « »Ja«, sagte sie leise,»und je weniger uns sehen desto besser. Ich kümmere mich um die Drei und dann raus hier.« Er nickte. Phoenix war zuversichtlich, dass sie ihr Versprechen nicht bricht, zumal die Situation sich geändert hatte. Das Mädchen zögerte auch nicht lange, doch anders als Phoenix dachte, holte sie nicht ihre Kette raus. Sie stand nur da, hob einen Arm und zeigte auf die Wachen. Ihre Lippen bewegten sich, doch waren es Worte der alten Sprache, die aus diesen kamen. Phoenix verstand nicht, was sie bedeuteten, doch schienen sie ihren und seinen Schatten zu kontrollieren. Die beiden Schatten formten sich zu drei Hände, die die Wachen von hinten überraschten. Die Hände waren groß genug, um die Gesichter der Wachen in ihnen verschwinden zu lassen. Es dauerte nicht lange, bis alle drei bewusstlos auf dem Boden lagen. »Hier ist zumindest keine lästige Sonne, die meine Schatten schwächt. Und keine Sorge, die wachen bald auf. Oder hast du deine Meinung geändert? Etwas gefährlich ist es schon die Drei einfach hier, zu lassen.« Noch einmal blickte sie auf die drei Wachen. »Nein, habe ich nicht. Diese Leute haben nichts damit zu tun, zumal ich bin so oder so bekannt in der Akademie. Und bei dir sie kennen nur deinen Vornamen. Ich denke nicht, dass sie etwas Wesentliches zu dem hier beitragen werden.« »Und meinen schicken neuen Nachnamen«, kicherte sie vor sich hin. »Gefällt er dir nicht? Dabei hab ich mir so viel Mühe gemacht, ihn auszudenken«, schmunzelte er zurück. Vielleicht war sie doch nicht so schlimm, zumindest wurde sie gesprächiger. Eevi und Phoenix gingen weiter. Sie hatten noch zwei Stockwerke vor sich. »Eine Frage hätte ich noch«, wendete sich Phoenix zu Eevi, »Du bist noch keine Söldnerin, dennoch hast du schon das Symbol. Wie kommt's?« »Das ist mit Farbe gemacht. Verschwindet nach ein paar Wochen wieder. Anders hätte ich nicht nach Lae-Bai kommen können.« Also war sie doch illegal hier, dachte sich Phoenix. Die Treppe war schnell gefunden. Anscheinend waren sie aus den Bürokomplexen hinaus. Vor den beiden erstreckte sich eine Lobby wie sie sie im Erdgeschoss erwartet hätten und nicht zwei Stockwerke darunter. Sie hatte alles: eine Sitzecke, ein riesiges Gemälde, Pflanzen und andere Deko an den Wänden. Der Boden glänzte. Man pflegte ihn wirklich, anders als in den vorherigen Stockwerken. »Was ist das eigentlich für ein Gebäude? Unten waren die Gänge so schmal, dass kaum zwei Leute durchpassten, dann ein Stockwerk nur mit Büroräumen und jetzt eine Halle?« Wieder sprach Eevi so leise, dass er sie kaum verstand. Doch ganz unrecht hatte sie nicht. Wirklich schlau wurde auch er nicht aus der Architektur dieses Gebäudes. Langsam bereute er, dass er der Wachen nicht mehr ausfragte. Ruhig sah er sich ein zweites Mal um, doch immer noch fand er nicht den ersehnten Ausgang zum Erdgeschoss. »Täusche ich mich oder gibt es hier keine Treppe nach oben,« wendete er sich zu Eevi, die ihn doch etwas verwirrt ansah. Anscheinend fiel es ihr nicht auf, bis jetzt. Sie seufzte leicht genervt. »Jetzt sind wir so weit gekommen. Und nun sowas? Irgendwo muss es einen Ausgang geben. Einen Lüftungsschacht vielleicht ... .« Ihr Blick schweifte immer wieder durch die Lobby, doch gefunden hatte sie nicht. Einzig die Decke erweckte ihre Aufmerksamkeit. Sie trennte die beiden vom Erdgeschoss. »Und wenn wir einfach die Decke zerstören und hinauf klettern?« »Schlechte Idee. Du hast selbst gesagt, du verstehst die Architektur nicht. Was, wenn die Decke tragend ist und der Rest des Gebäudes miteinstürzt? Wir wissen nicht, wie weit nach oben es geht. Außerdem muss es einen Ausgang geben.« »Den gibt es«, kicherte eine helle Stimme. Ruckartig sahen beide in Richtung der Stimme, doch war dort nichts. Lediglich wieder ein Kichern war zu hören. »Kumi hatte recht. Der Junge ist wirklich süß. Aber dieses Gör stört mich.« »Kumi ... Hieß so nicht Frau, die uns mitnahm?« Phoenix verstand immer weniger, anders als seine Begleiterin. Dieser Name veranlagte sie dazu, ihre Kette aus den Schatten zu holen. Die beiden Enden mit den Kristallen schwankten hin und her, während sie die Kette in ihren Händen hielt. Die helle Stimme stöhnte, dieses Mal jedoch von einer anderen Richtung. »Kumi hatte leider keine Zeit für euch, deswegen übernehme ich das jetzt.« Mitten im Raum entwickelte sich eine Wolke aus Rauch, die kurze Zeit später die Sicht auf eine zierliche Frau mit grünen, schulterlangen Haaren freigab. »Ich bin Stym, erste Offizierin von Kumi und Meisterin des Nebels.« »Wo ist Kumi«, fragte Eevi, doch wurde sie ignoriert. »Kleiner Vogel, noch hast du die Wahl: Komm mit uns und verändere die Welt ...« Sie öffnete ihre Arme, als hieße sie ihn willkommen. » ... oder sterbe mit ihr.« Sie zeigte auf Eevi, während ihr Ausdruck ernster wurde, doch ihr Blick wich nicht von Phoenix. »Ich werde nicht sterben, nicht bevor ich diese Sache geklärt habe. Es ist ein Versprechen, dass ich nicht brechen werde.« Dieses Mal wandte sie ihren Blick Eevi zu. Sie schien genervt. »Dein Schicksal ist bereits besiegelt, also verschwinde. Mit dir rede ich nicht, du naives Gör.« Stym schnippte mit ihrem Finger. Immer schneller füllte sich der Raum mit Nebel, bis man seine eigene Hand nicht mehr vor Augen sah. Ein dumpfes Geräusch, dicht gefolgt von einem Aufprall war alles, was Phoenix vernahm. Seine Rufe nach Eevi blieben ohne Antwort. Erst als der Nebel sich wieder löste und die Frau wieder in der Mitte stand, sah er, was passiert war. Seine Begleiterin lag bewusstlos an der Wand, ihre Hände vor ihrem Bauch verschränkt. Ihre Kette lag noch da, wo sie vorher stand. Schnell lief er zu ihr, hob ihren Kopf etwas an, versuchte sie zu wecken, vergebens. »Sie ist nur bewusstlos. Es ist zwar nicht mein Befehl, aber sie jetzt aus dem Weg zu räumen, beseitigt eins meiner Probleme.« Sie spielte mit ihren langen Strähnen, drehte jene immer um den Finger und wieder zurück. Langsam legte er sie zurück, stand auf und ging zu ihrer Kette. »Also kleiner Vogel, kommst du nun mit? Glaube mir, du wirst es nicht bereuen. Du dürfest sogar direkt unter Kumi arbeiten. Ganz bestimmt.« Stym's Laune, sie ging wieder nach oben, jetzt wo es nur noch sie und Phoenix war. Er hob ihre Kette auf, atmete tief ein und sah zu Stym. »Die Welt verändern, direkt unter dieser Kumi arbeiten, Eevi ... Was wollt ihr alle von mir? Ich habe damit nichts zu tun.« »Du bist sein Bruder«, lächelte sie, »Wir geben nicht jedem die Chance, die du hier bekommst. Dieses Mädchen beschuldigt Kumi, an der Situation in ihrer Heimat verantwortlich zu sein. Du brauchst kein Mitleid zu haben.« »Noël ... Es geht schon wieder um Noël«, redete Phoenix vor sich hin. Ein kurzer Blick zu Eevi und zurück zu Stym. Warum musste er sich überhaupt entscheiden? Sein Leben war gut, wie es war. Jetzt hatte er die Wahl eine Nat-Isanerin, die er gerade traf, doch die vertrauenswüdig schien, oder eine Offzierin, die angeblich die Welt verändern will. »Sie hatte mich aufgesucht, weil Noël meinte, ich könnte ihr helfen. Sie kam nicht zu mir, weil ich sein Bruder bin.« »Wovon redest du?« »Du sagst, du willst die Welt verändern, aber muss sie das denn? Wenn ich es richtig verstanden habe, will sie nur herausfinden, was damals passiert ist. Und das nicht nur, damit sie eine echte Söldnerin wird. Beantworte mir eine Frage: Hatte diese Kumi, was mit der Revolution in Nat-Isa zu tun?« »Natürlich. Es war der erste Schritt zu einer neuen Welt, aber dieses Gör wollte das nicht einsehen. Sie meinte, Nat-Isa kann sich von alleine verändern, auch ohne unser zutun. Wie naiv.« »Wenn das nur der erste Schritt war ... «. Kleine Funken entsprangen seinen Händen und gingen auf die Kette über in seinen Händen. »... Dann ziehe ich es vor meinen eigenen Weg zu gehen, ohne euch. Leon, gib mir die Kraft diese Kette in Flammen zu hüllen.« Die kleinen Funken loderten auf. Das Feuer schien mit den Raksha-Kristallen der Kette zu reagieren. Das schwarze Material der Kette glühte weißgelb auf. Es war ungewohnt für ihn Leon, seinen Elementargeist, zu rufen und das noch mit einer Kette, doch blieb ihm nichts anderes übrig. Er weiß, wie sehr Nat-Isa ins Chaos gestürzt wurde durch diese Revolution. Und das soll erst der erste Schritt gewesen sein? »Du wirst diese Entscheidung bereuen, kleiner Vogel, definitiv«, knirschte Stym mit ihren Zähnen. Seine Entscheidung gefiel ihr nicht. Doch sie hatte klare Befehle. Phoenix machte sich bereit. Ein Kampf war unausweichlich. »Auf Wiedersehen, mein altes Leben.« Kapitel 4: Stym --------------- Auf Wiedersehen, mein altes Leben ... wie treffend er doch diese Wortwahl fand. Er konnte nicht mehr zurück, ob er wollte oder nicht. Entweder er ging und überließ Eevi ihrem Schicksal oder er fand selbst für sich heraus, was richtig war. Doch dafür brauchte er erst einmal eine vernünftige Erklärung von ihr. Phoenix machte sich bereit. Fest hielt er die heiße Kette in seinen Händen. Es hatte Vorteile, dass sein anderes ich ein Feuergeist war. Sein Blick wich nicht von Stym. Sie würde gleich wieder ihren Nebel walten lassen, dessen war er sich sicher. Nur, wie er dann vorgehen sollte, wusste er nicht. Er wusste allgemein zu wenig. Zu wenig über Eevi, zu wenig über seine oder eher ihre Gegner und anscheinend auch zu wenig über seinen Bruder. »Ich hoffe, du hast dir das gut überlegt, kleiner Vogel.« Kaum beendete sie ihren Satz, schien sie wieder sich in Nebel aufzulösen. Dieses Mal würde sie keinen Überraschungsmoment haben. Sie konnte ihn sehen, dessen war er sich sicher. Ruhig sah er sich um. Hast ist unangebracht im Kampf, so lehrte man es ihm auf de Akademie. Links Nebel, rechts Nebel, vor ihm Nebel, hinter ihm Nebel. Er erkannte nichts, bis auf das dichte weißgrau des Nebels. Er nahm keine Laute war, keinen Schatten, lediglich seinen eigenen Atem hörte er. Langsam zweifelte er, dass Stym noch hier war. Phoenix drehte sich in Eevis Richtung. Niemand konnte ihm garantieren, dass sie nicht Eevi angreifen würde. Die Chance dazu hatte sie. Langsam ging er in ihre Richtung, bis er ihre Silhouette wahrnahm. Seine Erleichterung hielt nicht lange. Stym griff von links an. Schnell sprang Phoenix nach hinten, konnte ihr gerade noch ausweichen. Sie hatte nur darauf gewartet, dass er sich zu Eevi umdrehte. Stym war wieder im Nebel verschwunden. Alles, was von ihrem Angriff übrig war, war ein riesiges Loch. Doch so recht glauben wollte er es nicht. Er war sich sicher, dass sie nur mit ihrer Faust angriff. Wenn sie ihn einmal treffen würde ... kein Wunder, dass Eevi das Bewusstsein verlor. Er war klar im Nachteil: Er konnte nichts sehen und musste auf Eevi aufpassen. »Willst du deine Meinung nicht doch noch ändern?«, schallte es in der Ferne »Sollte ich? Es scheint dir doch massig Spaß zu machen«, sagte er mit leicht genervtem Ton. Dieses Mal hörte er Schritte. Sie griff wieder an. Wieder kam eine Faust auf ihn zu, diesmal von links. Reflexartig sprang er nach hinten, doch packte sie ihm am Fuß, schleuderte ihn gegen die Wand und verschwand wieder. Langsam stand Phoenix aus den Trümmern der Wand auf, klopfte sich die letzten Staubreste von der Kleidung und hielt seinen doch recht schmerzenden Kopf. Allmählich wurde er wütend. Sie spielte nur mit ihm und das war es, was ihn zornig machte. »Sie ist eine Nahkämpferin. Sie muss näher an mich ran kommen zum Angreifen. Das ist meine einzige Chance.« Er gab es auf sie finden zu wollen, es brachte ja doch nichts. Stattdessen wartete er lieber, bis sie zu ihm kam. Langsam ließ er die Kette kreisen, sodass das Feuer mehr zu lodern begann. Er fing an durch den Raum zu gehen, die Kette immer wieder kreisend. So konnte er ein wenig seines Sichtfeldes zurückerlangen. Die Kette stoßte gegen die Wand. Es war die Wand mit dem Gemälde, welches nun einen großen Riss hatte. Mehr Sicht ließ sein Feuer im Moment nicht zu. »Glaubst du, es bringt dir was?«, schallte es wieder von weiter weg. »Lass das mal meine Sorge sein,« antwortete er ihr. Mehr konnte er mit der Kette nicht machen. Er war Speere und Schwerter gewohnt, keine Ketten. Wahrscheinlich konnte man nur mit Eevis Schattenmagie diese Kette sinngemäß gebrauchen. Sein Weg führte ihn weiter durch den Raum. Er versuchte die Wärme seines Feuers groß legend zu verbreiten, ohne das Stym es mitbekam. Wieder hörte er Schritt, doch stoppte er nicht. Er konnte nicht ausmachen, von wo die Schritte kamen. Sein schmerzender Kopf ließ ihn nicht in Ruhe nachdenken. Anscheinend blutete er, denn rote Tropfen fielen auf seine Hand, die noch immer die Kette schwenkte. Die Schritte wurden lauter, ihre Abstände kürzer. Stym musste nah sein. Er bereitete sich auf einen Angriff vor, doch es passierte nichts. Die Schritte stoppten, nur um kurz danach wieder hörbar zu werden. Jedoch wurden sie leiser. Phoenix stoppte, drehte sich um, machte einen großen Schritt nach hinten und warf die Kette mit aller Kraft auf die Wand. Der Raksha-Kristall bohrte sich in die Wand. Das Feuer erstrahlte die nähere Umgebung. Links stand eine überraschte Stym, rechts lag eine bewusstlose Eevi. »Vergiss es! Ich lasse nicht zu, dass du ihr etwas tust.« Seiner Stimme hörte man die Wut heraus. Es war ihm egal, wenn sie ihn angriff. Doch Eevi anzugreifen, die sich nicht wehren konnte, ging zu weit für ihn. Selbst wenn sie mit an dieser Situation Schuld hatte. Stym sprang nach hinten. Wieder verschwand sie im Nebel. Schnell rannte Phoenix zu Eevi, nahm die Kette aus der Wand und hockte sich hin. Anscheinend stoppte er Stym rechtzeitig. »Erklär mir mal, was sie verbrochen hat, dass du solche miesen Spielchen treiben musst.« »Frag sie das doch selbst, sofern ihr hier rauskommt.« Ihre Stimme war klar zu hören. Phoenix ließ wieder die Kette kreisen. Er merkte, dass die Temperatur stieg. Es konnten nur noch Augenblicke sein, bis der Nebel sich auflöste. Bis dahin musste er herausfinden, wo sie ist. Ein kurzer Moment freie Sicht würde reichen. Der Überraschungsmoment wäre auf seiner Seite. »Ich weiß, was du vorhast. Aber vergiss es. Dieser Nebel löst sich nicht allein durch Hitze auf. Es ist kein Nebel, wie er in der Natur vorkommt.« Phoenix hörte nur noch das laute Lachen, das sie ihrem Satz beifügte. »Ist mir schon bewusst, dass das hier nicht normal ist«, murmelte er vor sich hin, »ich habe nicht vor den ganzen Raum zu entnebeln.« Wieder kamen Schritte näher, wieder von derselben Richtung wie zuvor. Ein Lächeln zierte Phoenix Gesicht. Sie griff immer nach demselben Schema an. Er lehnte sich zurück, an ihm vorbei ging ihre Faust, er packte ihren Arm, ließ die Kette um ihn drum herum wickeln und zog kräftig an ihr. Mit einem Ruck fiel Stym vor ihm hin. Der Nebel löste sich auf. »Mir ist schon bewusst, dass Hitze allein nichts bringt, aber wenn derjenige, der den Nebel macht, die Konzentration verliert, kommt es auf das heraus, dass du jetzt siehst: Freie Sicht.« Alles, was er für diese Erklärung erntete, war ein gereizter Blick der grünhaarigen Dame, die im zu Füßen lag. Noch immer lag ihr Arm in Ketten. Erst jetzt sah er, dass er den rechten Arm erwischt hatte. Stym richtete sich langsam auf, hatte ihren Gegner immer Blick. Sie nutzte ihre Chance, zog kräftig an der noch heißen Kette und ließ ihren Gegenüber direkt in eine Wand fliegen. Phoenix ließ die Kette nicht los, zog damit auch Stym hinter sich her. Doch anders als sie landete er in der Wand, während Stym es schaffte, sich mit den Füßen abzufedern. Die Offizierin wartete nicht lange. Wieder zog sie an der bereits erkalteten Kette, holte Phoenix aus der Wand und schleuderte ihn gegen den Boden. Phoenix wehrte sich nicht. Er war noch benommen, vom Aufprall gegen die Wand. »Ich brauch keinen Nebel, um einen Neuling wie dich fertigzumachen«, sagte sie, als sie ihren Fuß auf Phoenix Bauch abstellte. Er sah Stym an. Sie lachte, während er auf dem Boden lag. Er hätte einfach nur die Kette loslassen müssen, aber er reagierte einfach zu spät. »Was ist los, kleiner Vogel? Sind wir so sprachlos geworden?« Stym drückte ihren Fuß nun auf seinen Brustkorb. »Du machst denselben Fehler wie ich, Stym«, krächzte er leise. Das Atmen fiel im schwer mit ihrem Fuß auf seinem Brustkorb. Phoenix hielt die Kette mit beiden Armen fest, wieder fing sie an zu glühen. Dieses Mal heißer als vorher. Selbst Stym hielt diese Hitze nicht mehr aus, versucht krampfhaft die Kette zu entfernen. Es gelang ihr, doch war auf ihrem Arm das Muster der Kette regelrecht eingebrannt. Langsam richtete sich Phoenix auf, während Stym immer weiter nach hinten ging, und ihren Arm weiter festhielt. »Du -du verdammter ... Das wirst du bereuen!« Stym holte aus, rannte zu Phoenix, wollte zuschlagen, doch drückte etwas Schwarzes sie gegen die Wand. Es sah aus wie eine Hand. Stym wurde umhüllt von einer Staubwolke. Die schwarze Hand verschwand wieder. Phoenix folgte ihr mit den Augen. Sie kam von Eevi, die mittlerweile wach zu sein schien. Die Staubwolke löste sich auf und übrig blieb eine kaputte Wand und eine bewusstlose Stym. »Ich finde, spätestens jetzt schuldest du mir eine Erklärung Eevi.« Phoenix atmete tief ein. Langsam fing es nicht mehr an, zu schmerzen. »Wenn wir hier draußen sind«, pausierte sie kurz. Noch immer fehlte ihr der Atem. »Beantworte ich dir deine Fragen, so gut ich kann.« Phoenix ging zu Eevi, reichte ihr eine Hand und half ihr hoch. »Diese Hand da eben, das sollen Schatten gewesen sein? Sie schien so fest.« »Schatten können sich komprimieren und so fest werden. Von daher, nicht unmöglich.« Die Magie von Nat-Isa. Sie wurde immer interessanter. Die konnte Schatten formen, wie sie will. Seine Magie ließ nur zu, dass er sich nicht verbrennt oder er verbrennt andere Sachen. Seine Magie konnte nur zerstören, ihre konnte formen. Eevi ging so schnell ihre Beine es zuließen zur Wand, in der Stym lag. Sie sah sich die Offizierin genau an, wandte sich wieder zu Phoenix und fragte: »Wer ist das? Ich sehe sie heute zum ersten Mal. Hat sie wirklich was mit Kumi zu tun?« Die Verwunderung sah man Phoenix aus dem Gesicht. »Wie? Du kennst sie nicht? Irgendwie schien sich das aus ihrem Mund anders anzuhören.« »Ich habe sie noch nie gesehen. Die Einzige, mit der ich was zu tun habe, ist Kumi. Ihre Gefolgsleute kenne ich nicht. Zumindest nicht die, die unter ihr sind.« »Und die, die gleich oder über ihr sind?« Endlich redete Eevi. Endlich hatte er vielleicht eine Chance, dieses ganze Szenario zu verstehen. »Ich kenne die anderen, wenn dann nur vom Namen oder Sehen her. Persönlich nur Kumi.« Diese Stym, sie beunruhigte Eevi. Dass noch andere von ihr wussten, gefiel ihr nicht. Wer weiß, wer alles hinter ihnen her ist. »Lass uns gehen. Die ist nicht lange bewusstlos. Lass uns einen Ort zum Reden suchen und vor allem um zu klären, wie es weiter geht.« »Ich weiß, wie es weiter geht. Ich werde nach Nat-Isa gehen, und Noël treffen.« »Ich komme mit. Noël scheint echt tief in der Sache drin zu stecken. Ich will wissen, warum. Außerdem kann ich jetzt eh nicht mehr zurück.« Er ging zu Eevi, legte seine Hand auf ihre Schulter und zeigte auf das Gemälde mit dem Riss. Dahinter schien ein Schachte entlangzulaufen. »Das sind Verbindungsschächte. Demzufolge sollte das nach oben führen. Ich weiß nicht, welchen Mechanismus sie benutzten, um die Tür verschwinden zu lassen. Doch ist dies der mit Abstand sicherste Weg. Ich denke nicht, dass vor uns noch mehr Soldaten kommen, wie die unter uns, die irgendetwas zu sich genommen haben, dass die nicht vertragen haben.« Eevi begutachtete den Schacht. Er war abgesperrt mit einem Gitter, dennoch war er groß genug für eine Person, zumindest für schmale Leute. Es war einen Versuch wert, Sie streckte ihre Hand aus. Die Schattenhand erschien, greifte nach dem Gitter und zog mit aller Kraft daran, bis es herausfiel. »Diese Hand ... kannst du sie unendlich lang machen?« »Je länger ich sie mache, desto schwächer wird sie. Es ist und bleibt in der Grundsubstanz Schatten. Mit welcher Waffe kämpfst du normalerweise?« Er musste nicht lange überlegen, denn seine Antwort war eindeutig: »Schwerter.« »Schwerter«, murmelte Eevi. »Dann sollten wir dir welche besorgen.« Eevi setzte sich auf die Hand, holte Phoenix herauf und ließ die Hand sie nach oben zur Öffnung tragen. Einzeln kletterten sie hinein. Sie folgten dem schmalen und steiler werdenden Gang bis zum nächsten Gitter. Sie öffneten es und ließen sich nach unten fallen: erst Phoenix, dann Eevi, die von ihm aufgefangen wurde. »Wir sind anscheinend im Nebenraum gelandet.« Flüchtig sah er sich um. »Zumindest gibt es eine Treppe nach oben«, stellte Phoenix letztendlich erleichtert fest. Doch war es keine Lobby, die sie am Ende erwartete. Es war bereits die Außenwelt. Die Sonne schien allmählich unterzugehen. Im Hintergrund konnten sie das Gebirge sehen. Es schien nicht weit zu sein. Die ersten felsigen Erhebungen gab es bereits. »Lass uns Richtung Gebirge gehen. Es müssten fünf Tage sein, die uns von der Grenze trennen. Unterwegs gibt es bestimmt auch ein Dorf ...« »In das Wir nicht ohne Weiteres reinspazieren können«, fügte Phoenix hinzu, »Wir müssen einen Unterschlupf finden, bevor es dunkel wird. Deswegen erst einmal Richtung Westen, wo die ersten Felsen anfangen. Bestimmt gibt es dort eine Höhle.« Eevi nickte. Sein Vorschlag schien vernünftig. Schnell machten sich beide auf dem Weg. Es dämmerte bereits. Noch einmal blickten sie auf das Gebäude zurück, in das sie gebracht wurden. Von außen schien es so unscheinbar. Wie ein normales Lagerhaus, das jedoch nur eine Treppe direkt hinter der Tür besaß. Die Größe war anscheinend nur Tarnung. Der Aufbau des Hauses mehr verwirrend als eindeutig. Sie waren froh, endlich dort raus zu sein. Kapitel 5: Eevis Geschichte --------------------------- Stein für Stein gingen Phoenix und Eevi weiter, doch wirklich näher kam das Gebirge nicht. Zumindest kam es den beiden so vor. Immer wieder drehten sich beide unabhängig voneinander um, nur um sicherzugehen, dass niemand ihnen folgte. Das Gebäude, dem sie entflohen sind, war nichts weiter als ein immer kleiner werdener Umriss. Ein wenig Erleichterung zeigte sich. Sie verlangsamten ihre Schritte, atmeten tief ein und aus, sahen sich beide an und lachten. Sie lachten einfach nur aus tiefstem Herzen. Einfach nur, um die Anspannung loszuwerden, um auch die letzten Fesseln einfach abzuschütteln. Dass es noch nicht vorbei war, war ihnen bewusst. Dennoch, es war genau das, was sie jetzt brauchten. Eevi hatte schon leichte Tränen in den Augen. Lange konnte sie nicht mehr so lachen, dabei tat es einfach nur gut. Zu Phoenix Überraschung lachte sie lauter, als sie sprach. »Da hinten«, sprach sie wieder gewohnt leise, » ich glaube, dass ist eine Höhle.« Ihr Finger zeigte hinter Phoenix. Er drehte sich um, doch auf dem ersten Blick erkannte er nichts. Hinter ihm vernahm er ein Fingerschnippsen. Eine Pfeil geformt aus Schatten zeigte nach unten. Am Ende der Spitze, die vermeindliche Höhle. Phoenix kratzte sich am Kopf, drehte sich um. Wieder wichen ihre Augen nicht vom ihm. »So deutlich hättest du es auch nicht machen müssen«, sagte er, noch immer leicht lachend. Wieder wandte sich sein Blick in die Ferne zum Pfeil, der langsam wieder verschwand. Aber bei genauerem Hinsehen schien sie recht zu haben. Beide setzten ihren Weg fort, in Richtung der Höhle. Sie lag doch gut versteckt. Es wäre ein guter Ort zum Erholen und Reden. »Du musst echt gute Augen haben, dass du das gesehen hast. Dabei wird es schon Nacht.« Das Mädchen sah nach oben. Der am Anfang in Orange getränkte Himmel wurde zunehmend dunkler und schwärzer. »Ich kann im Dunkeln sehr gut sehen, zumindest besser als die Meisten.« »Besser als am Tag?« Er wusste nicht, dass ihre Magie ihren Körper auch direkt beeinflusste. Was bei ihm Hitze ist, ist bei ihr demnach Dunkelheit. »Besser nicht, aber es kommt dem schon nahe. Man kann es so zusammenfassen: Die meisten erkennen nur Umrisse, ich sehe auch Details im Dunkeln.« Die Höhle war nicht sehr hoch, dennoch ging sie relativ tief in den Fels. Es waren die ersten Felsen vom Gebirge, das Nat-Isa und Lae-Bai trennte. Beide setzten sich so tief es ihnen möglich war, in die Höhle. Sie saßen sich gegenüber. Sie kniete nieder, während er im Schneidersitz sie begutachtete. Ihren Schal legte sie auf ihren Schoß, da er durch seine Überlänge mehr auf dem Boden liegen würde. Es wurde dunkel. Er sah kaum noch etwas, weswegen er seine Begleiterin bat, ihm ihre Kette zu geben. Phoenix würde dasselbe machen wie bei Stym. Es war keine große Lichtquelle, aber besser als nichts. Es brauchte keine Minute und die Kette glühte hell auf. Eevi betrachtete ihre Kette aufmerksam. Sie war fasziniert davon, was er mit ihrer Kette machen konnte. »Willst du deine magischen Fähigkeiten nicht ausbauen? Ich kenne da jemanden, der dir bestimmt helfen kann. Und das du kein Talent hast, stimmt nicht.« Eevi ließ ihre Hand langsam zu ihrer Kette wandern, doch stoppte Phoenix sie. »Du verbrennst dich, die ist zu heiß.« Sie wollte ein 'Aber' einwerfen, doch erstickte Phoenix dieses im Keim. »Mir macht Hitze nichts, genau, wie dir die Dunkelheit nichts ausmacht.« Langsam ließ er ihre Hand los. Sie schien es verstanden zu haben, denn ihr Blick wich wieder von der Kette und wechselte zu ihm. »Also«, fing er an, »Erkläre mir, was hier vorgeht.« »Wo soll ich anfangen? Irgendetwas Spezielles, dass du unbedingt wissen willst?« Es gab vieles, zu vieles. Worauf sollte er sich beschränken? »Kumi, Noël und deine Verbindung zu ihnen.« »Okay. Ich erzähle dir alles, was ich weiß. Wenn du Fragen hast, stelle sie ruhig. Aber für das alles, muss ich ein wenig ausholen, okay?« »Mach nur.« Eevi überlegte kurz. Sie musste sich sammeln, überlegen, wo sie anfing. »Du weißt, Nat-Isa ist ein Land, das nicht auf Raksha-Kristalle als Energiequelle baut. Wir verlassen uns lieber auf Dampf und Wasser. Unser Land ist ganzjährig bedeckt von Schnee. Es war für uns die beste Lösung. Gerade weil wir die Kristalle nur selten für medizinische Zwecke nutzen, haben wir auch einen sehr großen Vorrat. Das Gebirge hat ein natürliches Aufkommen an Kristallen.« »Und was hat das mit dir und den beiden zu tun?« »Es war der Grund für diese sogenannte Revolution. Es wurden falsche Gedanken im Volk geschnürt. Uns ging es nicht so gut wie euch, ohne Frage, aber es ging uns nicht schlecht. Wir waren zufrieden und glücklich. Es waren Leute aus Lae-Bai, die die Leute gegeneinander aufhetzten. Sie erzählten Lügen über unseren König und Lae-Bai. Die beiden Königreiche verstanden sich nie sonderlich gut. Aber Nat-Isa hat sich immer aus euren Angelegenheiten rausgehalten. Wir lebten für uns.« »Was für Lügen? Und wieso glaubst du, dass das von Lae-Bai ausging?« »Es wurde erst später klarer, als man die Auswirkungen sah. Sie erzählten von geheimen Bündnissen zwischen den Ländern, von Ausbeutungen und von Verträgen, die mehr als fragwürdig zu sein schien. Ich war noch ein Kind, deswegen habe ich davon nicht viel mitbekommen. Ich habe das alles, erst im Nachhinein erfahren, auch durch Noël. Letztendlich wurde der damalige König mit Einschränkungen bestraft - und sie tauchten auf. Diese Leute für die Kumi arbeitet traten als eine Art Berater für den König auf. Es waren dieselben Leute, die die Einwohner aufhetzten. Es gab immer mehr seltsamer Gebäude in Nat-Isa, die von dieser Gruppierung erbaut wurden. Ich war in einem von ihnen. Da hab ich Kumi zum ersten Mal getroffen.« Bis jetzt deutete nichts auf Lae-Bai hin. Dass diese Revolution nicht ganz normal war, war ihm auch vorher bewusst. Es passte einfach nicht in die Persönlichkeit der Nat-Isaner. »Was sind das für Gebäude? So eines wie das, indem wir waren?« »Nein. Ich weiß nicht genau, was es für Gebäude sind. In dem Haus, in dem ich war, hingen im Keller überall die Fahnen von Lae-Bai: das gelbe Banner mit den drei Sonnen. Es war eine Art Forschungsanstalt, indem Raksha-Kristalle untersucht wurden. Allein das konnte nicht von Nat-Isa sein. Diese Forschungen deuteten auf Waffen hin und nicht auf Medizin.« »Das Banner von Lae-Bai ... Bist du sicher, dass es dort nicht mit Absicht hing?« »Nun, mein Besuch war nicht gerade angemeldet, weißt du.« »Deswegen sucht Kumi dich? Weil du in eines ihrer Häuser eingebrochen bist?« »Oder vielleicht, weil es danach etwas in die Luft geflogen ist ...«, sagte sie mit immer leiser werdender Stimme. »In die Luft?! Was hast du darin gemacht? Ist doch logisch, dass die dich dann suchen!« »Ich habe gar nichts gemacht! Ich habe mir den Keller angesehen, ein paar Dokumente und alles und wollte dann gehen. Dann kam Kumi. Es kam zu einem Kampf, ich musste fliehen, und als ich draußen war, machte es plötzlich 'Bumm'. Ich hatte damit nichts zu tun!« Ihre Stimme wurde lauter, sie zögerte nicht. Ihre Überzeugung hörte auch Phoenix heraus. Phoenix seufzte. Langsam wurde ihm das Ausmaß der Situation bekannt. »Okay, okay. Das erklärt, woher du Kumi kennst. Aber was ist mit Noël?« »Du weißt ja, Söldner gelten als die Stärksten. Sie leben von Kämpfe oder anderen Aufträgen. Sie haben keine Nationalität, normalerweise. Ich war als Kind fasziniert von ihnen. Bei dieser Revolution gab es einen Söldner, der unser Dorf beschützte ohne Bezahlung. Er kam aus Nat-Isa. Ich habe ihn bewundert und auch ein wenig nachgeeifert. Deswegen fing ich an meine Runenmagie auszubauen bei einer guten Freundin. Ihre Mutter lehrte uns, was wir wissen mussten. Es war in der Zeit, wo ich das erste Mal von Noël erfuhr. Einige Jahre später traf ich ihn auch. Er fand meine Magie sehr interessant und schlug mir vor Söldnerin zu werden. Er meinte, ich hätte die richtigen Beweggründe. Noël nahm mich mit auf kleine Missionen, so bekam ich etwas Kampferfahrung. Noël hatte damals die Aufgabe herauszufinden, was mit dieser Revolution war. Diese Aufgabe bekam er im von unserem König, denn diese Gruppierung beobachtete ihn immer noch. Ich war dabei, auch wenn es eine große Ausnahme war. Es war einfach so aufregend. Einige Monate später übertrug Noël mir diese Aufgabe. Er meinte, er hätte noch etwas anderes zu erledigen, dass seine volle Aufmerksamkeit bräuchte. Es ist so etwas wie der Abschluss meiner Ausbildung.« »Und dabei erwähnte er mich?« Langsam setzte sich das Puzzle für ihn zusammen, allmählich zumindest. »Ja, dich und diese Gebäude. Noël meinte, du könntest mir helfen. Ich fragte ihn auch wie, aber er sagte nur, dass ich es sehen werde, wenn ich bei dir bin. Er gab mir eine Adresse und Namen. Was dann war, weißt du ja.« »Ich fasse mal kurz zusammen: Diese Kumi sucht dich wegen eines Einbruches. Den Einbruch hast du begangen, um herauszufinden, was es mit der Revolution auf sich hatte. Diese Information hattest du von Noël, der dich aufsuchte. Noël sagte dir auch, dass du mich treffen sollst. Irgendwie laufen alle Fäden bei Noël zusammen.« »Wir müssen Noël finden. Aber ich weiß nicht, was dieser neue Auftrag von ihm ist.« »Wahrscheinlich wieder irgendetwas Großes. Noël war nie der Typ, der kleine Aufträge annahm. Er gehört immerhin zu den Besten der Besten. Dennoch finde ich es seltsam, dass er dir seinen Auftrag übertrug. Ich meine, der Auftrag war für jemanden seines Kalibers bestimmt und du bist ja eigentlich noch eine Anfängerin. Ist das nicht etwas fahrlässig?« »Er hat Vertrauen in meine Fähigkeiten. Vielleicht deshalb. Oder weil eine einfache Informationsssuche normalerweise nicht so gefährlich ist.« Eevi pausierte kurz. Sie lehnte sich etwas nach vorne zu Phoenix hin, stützte sich mit ihren Armen ab und sprach: »Jetzt aber zu dir. Warum warst du so aufgewühlt, als ich Noël erwähnte? Und was hast du für Magie? Woher hast du kämpfen gelernt?« Die Fragen kamen etwas überraschend für Phoenix, aber er war ihr ebenfalls eine Antwort schuldig. »Noël und ich sind Brüder. Ich war noch relativ jung, als er ging wegen seiner Arbeit. Ich hatte seitdem kaum etwas von ihm gehört. Ich ... Nun ja ich war, glaube ich, einfach überrascht jemanden zu treffen, der ihn persönlich kennt. Was meine Magie angeht, ich habe dieselbe Magie wie Noël, Beschwörungen. Nur habe ich nur einen Elementargeist. Der, mit dem ich geboren wurde. Noël hat mindestens fünf. Ich schaffe es gerade mal, meinen Geist in Gegenstände zu bringen. Ihn zu Materialisieren kriege ich nicht hin, deswegen habe ich mich auf der Akademie für Kriegskünste in Lae-Bai eingeschrieben. In Lae-Bai ist das eine ganz normale Schule. Man lernt alles, eben auch Kämpfen. Man hat einfach Vorteile, wenn man einen Besuch vorweisen kann. Das war es auch schon.« »Lae-Bai legt viel Wert auf Militär, wie es scheint ... .Lass uns nach Nat-Isa gehen, zu meiner Freundin. Wir bringen dir bei, mit deiner Magie umzugehen. Ich bin mir sicher, sie kann dir helfen.« »Groß eine Wahl scheine ich ja nicht zu haben. Dennoch eine Frage habe ich doch noch.« Der Gedanke Leon richtig einsetzen zu können, missfiel im nicht, dennoch ... Phoenix war sich nicht sicher, ob er das auch wirklich wollte. »Welche?« »Deine Waffe ... Sie besitzt Raksha-Kristalle. Du sagtest aber, dass ihr diese nur für medizinische Zwecke einsetzt.« »Es ist keine Waffe, die man in Nat-Isa kaufen kann. Nach der Revolution hatte sich das kleine Militär, das wir haben, Waffen vom namenlosen Kontinent importiert. Diese ist ebenfalls davon. Es sind andere Kristalle, die Raksha-Kristallen sehr ähnlich sind, aber nur Magie speichern können. Es scheint sie nur auf dem Kontinent zu geben«, sagte sie gewohnt leise und monoton. »Du meinst diesen Kontinent im Westen, oder? Ich wusste nicht, dass Nat-Isa zu dem Kontakt hatte. Ich dachte, der ist immer abgeschnitten von den anderen Kontinenten.« Seine Stimme ging deutlich nach oben. Die Verwunderung stand ihm im Gesicht. »Der Kontakt bestand schon länger, aber mehr auf Importe ausgelegt. Die Maschinen, mit denen wir Energie erzeugen, die Baupläne stammen von diesem Kontinent. Im Austausch gaben wir Heilkristalle. Das ist aber alles, was ich weiß.« Eevi pausierte. Sie überlegte, ob sie ihn fragen sollte, oder lieber nicht. »Aber eine Frage, die ich mir schon länger stelle: Warum kommst du mit? Ich dachte, du magst dein Leben, so wie es ist. Du hättest jetzt einfach gehen können, und trotzdem sitzt du jetzt hier bei mir.« Phoenix schwieg. Er wusste nicht, wie er es ihr verdeutlichen kann und ob er es überhaupt sollte. Letztendlich hatte er keine großen Gründe für diese Reise, anders als Eevi. Noch immer sah sie ihn fragend an. Sie schien auf eine Antwort zu warten. »Ich ... ich bin es leid immer in seinem Schatten zu stehen. Selbst auf der Akademie, die er ja auch besuchte, vergleicht man mich mit ihm. Ich bin nicht er und ich will es auch nicht sein. Ich bin nicht so gut als Beschwörer wie er. Ich habe nur Leon und keinen anderen Geist. Er ist geschickter, schneller ...«. Phoenix pausierte. »Dann sei du selbst. Man brauch keine fünf Geister, um stark zu sein als Beschwörer. Leon ist doch theoretisch deine andere Hälfte, nicht wahr? Ich bin mir nicht so sicher, wie das bei Beschwörern abläuft. Du willst nicht wie er sein, und dennoch zieht es dich immer wieder zu ihm.« Phoenix sah sie an und lächelte. Recht hatte sie ja. Sogar jetzt, wo er anders, als sein Bruder die Akademie verließ nur um Eevi zu begleiten, sucht er doch wieder nach ihm. »Bei Beschwörern ist es so, dass man mit einem Geist geboren wird. Es stimmt, wenn du sagst, er ist meine andere Hälfte, aber ganz richtig ist es auch nicht. Es sind so gesehen zwei Seelen, die sich einen Körper teilen. Jedoch ist die eine Seele nicht in der Lage ohne die andere zu leben, sprich ich könnte ohne Leon existieren, er ohne mich aber nicht. Kannst dir ja denken, wie anstrengend es ist, wenn immer mehr Seelen im Körper hausen. Deswegen ist meist das Limit zwei weitere Seelen. Noel hat jedoch fünf davon. Und ja ich mochte mein altes Leben eigentlich. Es hatte einen Alltag, einen immerwiederkehrenden Alltag. Ich glaube, ich bin nicht der Typ dafür. Reisen macht viel mehr Spaß, aber du weißt selbst, dass es nur eingeschränkt geht. Und Söldner werde ich ganz bestimmt nicht«, lachte er mit leicht ironischen Unterton,»Ich will mehr erfahren. Diese Revolution, diese Stym, Kumi ... Ich glaube nicht, dass das keinen Zusammenhang hat. Und Antworten finden wir wohl nur in Nat-Isa oder bei Noel.« Sie hörte ihm aufmerksam zu. Er nannte ihr andere Gründe, als sie erwartete. Er schien nicht so loyal zu Lae-Bai zu sein,wie sie dachte. Wer konnte es ihm verübeln? Ein Land, dass ihn verfolgte, verdächtigte und eigentlich nur den Bruder wahrnahm, statt die Person, die man ist... dafür könnte sie auch keine Loyalität aufbringen. »Wir müssen rausbekommen, wie wir nach Nat-Isa kommen und wo Noël ist. Aber lass uns jetzt schlafen. Ich habe ihn zumindest dringend nötig«, sagte Eevi letztendlich. Eevi machte es sich auf dem sandigen Boden so bequem wie möglich. Sie war Besseres gewöhnt, aber kannte auch Schlimmeres. Für eine Nacht sollte es reichen. Auch Phoenix legte sich hin, starrte noch auf die Decke. Eevis Geschichte ... Er dachte noch länger darüber nach. Einiges ergab Sinn, doch bei Weitem nicht alles. Morgen würden sie wieder aufbrechen. Morgen war ein neuer Tag. »Meine Magie verbessern, hm?« Er schloss seine Augen, versuchte zu schlafen. Auch er hatte Schlaf dringend nötig. Kapitel 6: Für die Wissenschaft ------------------------------- Als der Morgen anbrach, machten sich Eevi und Phoenix auf den Weg. Er war sich sicher, dass eine kleine Stadt hier in der Nähe sein muss. »Vertrau mir, ich kenne mich hier ganz gut aus. Jetzt wo ich ungefähr weiß, wo wir sind«, sagte er ihr übermütig. Er wollte sie damit beruhigen, doch machte sein Ton sie nur noch misstrauischer. Dennoch war es besser als stehen zu bleiben. Der Himmel war klar. Es war ein sonniger Tag. Phoenix genoss jede Sonnenstrahlen, die sein Gesicht trafen, anders als seine Begleiterin. Immer wieder drehte er sich um, bis er letztendlich stehen blieb und sie fragte, ob alles okay sei. Doch mehr als ein Stöhnen bekam er nicht als Antwort. Und mehr als ein kleines Lachen erwiderte er nicht. »Schau«, fing er an, »da hinten ist die Kleinstadt.« Einer seiner Finger deutete in die Ferne. Umrisse von Häusern waren zu sehen. »Es ist nicht mehr weit.« Eevi stöhnte lauter. »Du bist Hitze wirklich nicht gewohnt, oder? Ist es denn nicht mal im Sommer bei euch warm?« »Es sind ... im Sommer ... sommerliche ... -5°C«, schnaufte sie. »Es wäre leichter, wenn du den dicken Schal ausziehen würdest.« Phoenix verschränkte seine Arme hinter seinem Kopf. Es waren vielleicht noch 30 Minuten bis zu Stadt, aber wenn so weiter geht, würde seine Begleitung noch an einen Hitzschlag kriegen. »Niemals ... ziehe ich ... den Schal ... aus.« »Dass ein Stück Stoff einem so viel bedeuten kann.« Phoenix verlangsamte seine Schritte. Er wollte mit Eevi Schritt halten. Das warme Wetter schien ihr wirklich nicht gut zu tun, dabei war es angenehm mild. Eevi lächelte ihn an, wenn auch etwas gequält. »Hätte ich gewusst, dass es so warm wird am Tage, wäre ich nachts losgegangen«, murmelte sie vor sich hin. Das Stadttor kam näher, doch war dieses bewacht. Die Mauer war zu hoch zum Hinüberklettern. Sie setzten sich auf einen Hügel. Eevi lehnte sich unter einem nahegelegenen Baum und nutzte den Schatten aus, den dieser warf. Phoenix dachte nach. »Einfach reinspazieren können wir wohl nicht. Hmm.« Einige Leute gingen zu den Wachen, zeigten ein Stück Papier und wurden durchgelassen. Es waren nicht die Einzigen. »Hey Eevi? Hast du einen Pass?« »Nicht für Lae-Bai«, lallte sie. Er hatte selbst keinen Pass. Das heißt er hatte schon, jedoch zu Hause in Coraque. »Dachte ich mir, also bleibt nur Plan B. Warte hier.« Warten war ihr recht. Nur ungern würde sie den kühlenden Schatten des Baumes verlassen. Ihr Atmen wurde gleichmäßiger, ihr Schnaufen leiser. Die Hitze war erträglicher im Schatten. Eine Stimme riss sie aus ihrer Erholung. Sie kam näher und mit ihr Schritte. »Dort hinten am Baum. Ich glaube, sie braucht dringend einen Arzt.« Erst jetzt realisierte Eevi, dass es Phoenix war, der sprach. Bei ihm eine Fremde. Sie drehte ihren Kopf, doch fand sie niemanden, den er hätte meinen können. Sowohl Phoenix als auch die Fremde lehnten sich über sie. »Sie sieht wirklich krank aus«, sagte die Fremde nach kurzer Betrachtung, »Ohne Pass kommt ihr nicht in die Stadt rein.« »Wer ist das«, fragte Eevi leise wie immer. Vor ihr stand eine Frau mit braunen Haaren, die bis zur Taille gingen. Sie trug eine Brille auf dem Kopf, jederzeit bereit um runtergeschoben zu werden und ihren eigentlichen Zweck zu erfüllen. »Keine Sorge, ich bringe dich und deinen Freund in die Stadt rein.« »Also haben wir einen Deal?« Die Fremde nickte. »Was für ein ...«. Sie hatte ihren Satz nicht einmal beendet, da hob Phoenix sie hoch und trug sie. Er folgte der Fremden. »Was ist hier los? Ich bin nicht krank!« Eevi fand ihre Stimme wieder. Es missfiel ihr, so getragen zu werden. »Weiß ich und jetzt pssst. So kommen wir da rein.« Während Eevis Stimme lauter wurde, wurde seine leiser »Und wie kommen wir später wieder raus?« Er antwortete nicht. Eevis Blick sprach Bände. Sie war verwirrt, zurecht. »Dort hinten ist der Eingang. Du kannst sie jetzt runterlassen. Niemand guckt mehr und es scheint ihr nicht gerade zu gefallen, dass du sie trägst«, kicherte die Frau, während sie einige Bretter davon schob. Eine Öffnung, groß genug für eine Person offenbarte sich. Eevi entwich Phoenix Armen und fragte erneut: »Was für ein Deal?« »Nun, dein kleiner Freund sah meine Bemühen einen kleinen Text zu übersetzten. Ich bringe euch in die Stadt und du übersetzt ihn mir. Du kommst eindeutig aus Nat-Isa. Also gute Chancen, dass du die alte Sprache beherrschst.« Sie sah zu Phoenix, doch dieser senkte nur immer den Kopf und bewegte seine Lippen. Anscheinend wollte er 'Entschuldige' sagen. »Trotzdem solltest du nicht in die Sonne gehen. Du bekommst noch einen Hitzschlag und ohnmächtig nützt du mir nichts. Wir gehen in mein Versteck, da können wir ein bisschen reden.« Wieder kicherte sie am Ende ihres Satzes. Und immer mehr war Eevi diese Situation nicht geheuer. Sie folgten ihr durch die Gassen der Stadt. Vorbei an Marktständen, einem Brunnen, ja sogar eine Villa war hier. Links, rechts, links ... Phoenix hatte schon lange die Orientierung verloren. Eevi ging mittlerweile neben ihn. Ihre Unsicherheit sah er ihr an. »Es ist nur ein Text. Du hast mal die Bedeutungen unserer Namen in der alten Sprache erwähnt. Da dachte ich, du könntest das auch lesen.« Phoenix versuchte ihr zuzusprechen. Er wusste, was er tat, doch schien sie es nicht zu wissen. »Schon, aber wer sagt uns, dass wir ihr trauen können?« »Niemand, aber ich will euch nichts Böses. Mich interessieren nur die alten Texte, rein aus Neugier. Da wären wir!« Voller Stolz zeigte die Fremde ihr Haus. Es war runtergekommen. Die Fenster mit Brettern vernagelt, das Dach undicht. Wieder sah Eevi zu Phoenix. Dieses Mal schien auch er überrascht. »Kommt rein, kommt rein. Es ist ein wenig unaufgeräumt, aber nun ja.« Die Frau verräumte einige Sachen, die auf dem Boden lagen, ging zum Schreibtisch, der vor einem der besagten Fenster stand, kramte etwas herum und zog letztendlich ein Stück Papier aus einem Stapel hervor. »Hier«, sagte sie, während sie Eevi das Papier überreichte, »Ihr seid in der Stadt, also bitte übersetze mir das hier.« Sie lächelte Eevi an. Eevi nahm das Papier, überflog es und las etwas daraus vor in der Originalsprache. Die Augen der Fremden strahlten, als sie ihre Worte in alter Sprache hörte. »Ich kann dir das übersetzen, auch wenn ich nicht weiß, was du damit anfangen willst.« »Supi! Bestimmt ist das ein total alter Text, über Geschichte oder über heilige Kristalle. Oder verbirgt sich ein grausamer Zauber hinter diesen Worten?« Wie gebannt starrte sie auf Eevi. »Es ist ein Kochrezept.« Ihre Stimme war monoton. »Ein ... Kochrezept?« »Jap. Schneeballparfait nennt es sich. Sehr beliebtes Dessert in Nat-Isa.« Ein lautes, enttäuschtes Fluchen war von der Fremden zu hören. »Und ich dachte es wäre etwas Wichtiges. So ein Mist.« Lange schwieg Phoenix, doch taten sich ihn ihm bereits Fragen auf, die er gern beantwortet hätte. »Du scheinst dich in dieser Gegend sehr auszukennen, ... ähm wie heißt du eigentlich?« »Nili, also eigentlich Niliana, aber alle nennen mich nur Nili. Und ja tu ich, wieso?« »Wir suchen einen Weg nach Nat-Isa. Das ist doch eine Grenzstadt nicht wahr,« antwortete Eevi. »Nat-Isa? Wenn ihr keinen Pass habt, wie wollt ihr hinter die Grenze kommen? Durch die Gebirgshöhle ist viel zu gefährlich, zu viele Monster, an der Grenze kommt ihr nicht vorbei und Seeweg, keine Chance.« »Sind das alle drei Möglichkeiten? Höhle, Grenze und Seeweg? Und warum hast du uns geholfen, wenn du doch wusstest, dass wir keinen Pass haben? Das hab ich dir nie gesagt.« Phoenix wurde misstrauisch. Sie wusste mehr, als er ihr anvertraute. War letzendlich er es, der reingelegt wurde anstatt sie? »Stimmt, jetzt wo du es sagst. Du wolltest nur einen Arzt haben, aber die Wachen ließen sie nicht durch wegen Nat-Isaner und so. Spielt das denn eine Rolle«, lächelte sie Phoenix an. »Wir sollten gehen.« Nili war ihr nicht geheuer. »Nein! Bitte bleib, ich habe noch so viele Texte zum Übersetzen. Bitte? Es dient doch der Wissenschaft.« Niliana kniete vor Eevi, klammerte sich an ihr Bein und an das von Phoenix, der neben ihr stand. »Vielleicht kann sie uns ja doch noch mal helfen, Eevi.« »Ja genau. Ich kann euch helfen nach Nat-Isa zu kommen. Ganz bestimmt!« Eevis Blick wechselte zwischen Phoenix und Nili. »Wen hast du da um Hilfe gebeten?!«, flüsterte sie ihm zu. »Sind wir in der Stadt oder sind wir in der Stadt?« Phoenix fühlte sich im Recht. Ein paar Texte zu übersetzen war ein kleiner Preis, dafür das ihnen geholfen wurde. »Ich kenne jeden Platz in dieser Stadt, jedes Geschäft, jede Bar. Es gibt bestimmt ein paar Leute, die wissen, wie man dort hinkommt.« »Wenn du das rauskriegen kannst, warum bist du dann nicht nach Nat-Isa gegangen und hast dir wen gesucht zum Übersetzen?« Eevi versuchte sich von ihrem Griff zu lösen. Ohne Erfolg. »Ich bin nur eine einfache Bibliothekarin. Welchen Grund sollte ich für diese Reise angeben? Die würden mich doch sofort wegsperren, wenn ich nur den kleinsten Funken Interesse an der alten Sprache zeigen würde. An der Grenze sind nur gewalttätige Wachen.« Sie sah zu Phoenix. Er nickte. Eevi weiß nichts über Lae-Bai.Warum stellt man gerade solche Leute an die Grenze? »Meinetwegen«, murrte sie nach längerem Zögern. »Danke, danke, danke!« Freudestrahlend sprang Nili auf umarmte die beiden zerdrückte sie fast. Fast simultan drückten beide sie weg. Niliana drehte sich um und durchsuchte ihren Schreibtisch weiter nach Dokumenten zum Übersetzen. »Meinst du, es war richtig zuzustimmen?« »Ich hoffe es. Wenn wir genug Informationen haben, lass uns abhauen.« »Warum werdet ihr beiden eigentlich gesucht?«, schallte es von der anderen Seite des Raumes. Beide schreckten auf. Was sollten sie darauf antworten? Eevi schien auch keine Lösung parat zu haben. »Wie meinst du das, wir werden gesucht?« Seine Stimme zitterte leicht. Phoenix war nicht gut etwas Offensichtliches zu verbergen, das wusste er. »Die Wachen haben überall Steckbriefe verteilt. Ohne Foto zwar, aber die Beschreibung passt genau auf euch beide zu. Hier ist so einer. Bestimmt können die das nicht leiden, dass du mit einer Nat-Isanerin unterwegs bist! Ich rieche Verschwörung!« Nili war wieder Feuer und Flamme. Phoenix nahm den Steckbrief entgegen und überflog ihn. Ein Mädchen und ein Junge, Mädchen: Weiße Haare, langer Schal, kurze Hose mit schwarzen Kniestrümpfen, ärmelfreies Top mit Stulpen ca 1,65m. Junge: rotbraunes Haar, weißes Hemd mit stoffähnlicher, schwarzer Jacke, Hose aus ähnlichem Stoff, ca 1,80m. Bei Hinweisen zu diesen Personen, bitte an die örtliche Wache melden. Sie befinden sich höchstwahrscheinlich in dieser Stadt auf Durchreise. »Sie ahnten also, dass wir hier hingehen«, murmelte Phoenix vor sich hin,»Niliana? Könntest du uns ein paar Klamotten besorgen? Unsere müssen dringend gewaschen werden.« »Ich mache mich sofort auf den Weg! Ach und hier sind noch einige Texte. Keine Sorge, ich habe genug davon«, sagte sie mit einem Grinsen im Gesicht, bevor sie die Texte übergab und nach draußen lief. Phoenix setzte sich auf den Stuhl am Schreibtisch, sah zu Eevi, die sich gegen die Wand lehnte, und zerknüllte den Steckbrief, bevor er ihn gegen eine Wand warf und wieder aufstand. »Wir brauchen neue Kleidung. Das verschafft uns ein wenig Zeit. Ausserdem sollten wir hier echt schnell weg. Ich möchte sie nicht mit reinziehen.« »Dafür ist es schon zu spät. Zumal ich bezweifle, dass wir sie so schnell loswerden. Sieh dir den Stapel an Blättern an, den sie mir gab! Ich bin doch kein Wörterbuch ...« »Hey, war das echt nur ein Kochrezept vorhin? Kann mir nicht vorstellen, dass man so was in alter Sprache aufschreibt.« »Tut man auch nicht. Ich weiß nicht, was es war. Die Worte haben keinen Sinn ergeben in der Reihenfolge. Wahrscheinlich war es ein Rätsel.« Eevi ging zu Nilianas Schreibtisch in der Hoffnung ein Stück Papier zu finden und etwas zum Schreiben. Nach kurzer Suche wurde sie fündig und notierte die Worte des Papiers, die sie noch im Kopf hatte. Den Stapel Blätter in ihrer Hand überflog sie, doch schienen diese wirklich nutzlos. Ihre Worte ... Sie überraschten ihn nicht. Er dachte sich so etwas bereits, weswegen er mehr als ein kurzes Lächeln nicht erwiderte. Ein kurzer Blick über ihre Schulter ließ ihn die Worte Mond, Himmel und Tag lesen, sowie eine Rune, dessen Bedeutung er nicht kannte. Das Mädchen sah zu ihm, schüttelte den Kopf und sagte ihm: »Ich habe diese Rune noch nie gesehen. Ich kann sie kaum lesen.« »Das Dokument war alt. Vielleicht fehlt ein Teil«, erwiderte Phoenix, »Dennoch wir sollten gehen.« Um über die Grenze zu kommen, musste man durch diese Stadt. Sie war eng mit dem Grenzposten verbunden, doch wenn man sie hier schon sucht, wie sollten sie dann über die Grenze kommen? »Hey«, stupste er Eevi an, »Wir sollten etwas gegen unsere Bekanntheit hier machen.« Ein unheimliches Lächeln zierte sein Gesicht, zumindest nach Eevis Empfindung. »Komm. Die Grenze ist nicht mehr weit.« Er streckte seine Hand nach ihr aus. Aus dem ihr unheimlichen Lächeln, wurde ein warmes, einem dem sie trauen konnte. Eevi lächelte, doch nahm sie seine Hand nicht an. Sie stand auf, ging weiter, stoppte kurz hinter ihm und ging weiter. Phoenix, dessen Hand noch immer ausgestreckt war, nickte nur. Sie war seine Meinung, er spürte es. Kapitel 7: Spurensuche Teil I ----------------------------- Immer schneller ging ihre Handfläche auf und ab. Das bisschen Luft, das sie sich zufächelte, war angenehm, wenn auch keine Dauerlösung. Eevi seufzte. Sie beneidete Phoenix. Er ging gemütlich vor ihr, streckte sich, genoss die Sonne ... wieder. Ein weiterer Seufzer entwich ihr. Auch dieser blieb vor Phoenix nicht unbemerkt, doch für mehr als ein Grinsen reichte es nicht. »Egal was du vorhast«, stöhnte sie leise, »mach, dass es schnell geht. Diese Hitze ist unerträglich!« Eevi nutzte mittlerweile beide Hände um Luft zuzuwedeln, doch brachte es immer weniger. Selbst die Luft erhitzte sich zu schnell. Phoenix stoppte, weswegen das Mädchen fast in ihn rein lief. »Wenn du deinen Schal abnehmen würdest, wäre dir schon viel kühler«, fing er an, »Da du aber stur bist, lasse ich das und komm zum anderen Teil.« Phoenix drehte sich zu ihr, ging etwas in die Hocke, um ihr direkt in das Gesicht sehen zu können. »Zunächst reißen wir die Steckbriefe ab. Höchstwahrscheinlich hängen diese an Stellen, wo normale Leute nicht rankommen. So kommen nur die großen Fische hinter uns her. Dann bestechen wir ein paar Leute, dass sie nichts gesehen haben ...« Eevi war sich nicht sicher, ob es sein ernst war. Deswegen wagte sie sich langsam ran. »Ist das dein Ernst?! Ich glaube, du zockst zu viel.« Phoenix klopfte ihr auf die Schulter, lachte herzhaft und sagte: »Natürlich ist das ein Scherz. Was denkst du von mir? Glaubst du wirklich, ich glaube das, was ich in Spielen sehe?« Er versuchte den Satz mit einem Lachen abzuschließen, doch gelang es ihm nicht ganz. Er schien nicht überzeugt zu sein, von dem, was er ihr mitteilte. »Und wie ist dann dein eigentlicher Plan?« Eevi fragte skeptisch nach. Phoenix wich ihrem Blick aus. Er wollte ihr nicht in die Augen sehen. Er war sich sicher, sie weiß, dass er keinen Plan hatte. Oder besser gesagt, sein Plan gerade sehr infrage gestellt wurde. Phoenix schüttelte den Kopf. Am Liebsten hätte er einen kleinen Schrei rausgelassen, doch gäbe das ihr zu viel Genugtuung. Genugtuung, die er ihr nicht gönnte. So wie er sie einschätzte, würde sie ihm das auf ewig vorhalten. »Nun«, antwortete er, um die Stille nicht länger anhalten zu lassen,»Wir ... wir hören uns erst mal um. Geben vor diese Leute finden zu wollen und dann kriegen wir bestimmt Informationen. Auch über den, dem wir das hier zu verdanken haben. Ist das kein Plan?« Zufrieden verschränkte er seine Arme vor seiner Brust. »Hmm. Ich denke, das könnte klappen. Wir sollten uns aufteilen. Geh du ins Stadtzentrum und ich suche dort hinten.« Ihr Finger zeigte in Richtung Stände, genauer auf eine Gasse, die vollkommen im Schatten lag. Ein leises 'Tse' kam auf Phoenix Mund. »Ich mach das schon. Ruh dich aus. Du bist in der Sonne eh nicht zu gebrauchen. Versuch einfach nur nicht aufzufallen. Du könntest auch wieder zurück ins Haus gehen«, kicherte Phoenix. »Nein, nein. Die Gasse ist völlig okay. So kann ich Leute beobachten. Kein Grund unserer kleinen Miss Unannehmlichkeiten zu bereiten.« Sie sagte es, ohne auch nur einmal Luft zu holen. »Ich denke, sie wird es dir verzeihen«, murmelte Phoenix leise, aber laut genug dass Eevi es hörte, bevor er sich umdrehte. Ihre Reaktion hätte er gerne gesehen, doch seine Vorstellung reichte ihm auch. »Wenn die Sonne untergeht, treffen wir uns wieder hier.« Er winkte ihr zu und ging. Sie wird schon nichts anstellen. Immer wieder redete er es sich ein, während er der Straße folgte. Es wird ganz normal sein, ohne Explosionen, Verhaftungen oder Verfolgungen. Nur eine kleine Suche, nichts weiter. Je mehr er es zu sich sprach, desto eher hoffte er, dass es stimmte. Die Geschäfte reihten sich Centimeter für Centimeter an dem Straßenrand. Leute kamen und gingen, kauften ein, redeten über ihre Nachbarn oder eilten einfach nach Hause. An manchen Hauswänden hingen Steckbriefe, darunter auch ihrer. Immer wieder, wenn er einen sah, riss er ihn ab. Sein Plan ... er wusste nicht recht, wie er in Umsetzen sollte. Welche Leute sollte er fragen? Wie verhalten sich überhaupt Kopfgeldjäger?»Ich denke, sie wird es dir verzeihen«, murmelte Phoenix leise, aber laut genug dass Eevi es hörte, bevor er sich umdrehte. Ihre Reaktion hätte er gerne gesehen, doch seine Vorstellung reichte ihm auch. »Ich sollte aufhören zu denken, und einfach machen!« Phoenix sah sich um. Lebensmittelgeschäfte, Bibliotheken, Apotheken und zu guter Letzt Waffengeschäfte. Er ging zu dem naheliegendsten Waffengeschäft, blieb vor der Tür stehen und las das Schild. »Doki's Weaponry.« Das 'Y' hing halb herunter, jederzeit fähig herunterzufallen. Doch seine Auslagen deuteten nicht auf nachlässige Arbeit hin. Barden, Langschwerter, Kurzschwerter, Dolche. Es gab alles. »Eevi hatte recht. Lae-Bai ist ein Militärstaat. Sogar Waffen werden offen verkauft ...« Er flüsterte. Es ist nicht immer gut, seine Meinung offen zu tun, vor allem nicht, wenn man gesucht wird. Langsam öffnete er die Ladentür. Ein kleines Glöckchen klingelte und kündigte seinen Besuch an. Es war niemand im Laden oder hinter dem Tresen. Der Laden war alt. Spinnweben waren in den Ecken, das Holz der Wände splitterte, die Regale staubig. Lediglich die Waffen wurden gepflegt und strahlten, im Gegensatz zum Rest des Ladens. Phoenix sah sich die Auslagen genauer an. »Gefällt dir, was du siehst, Junge?« Ein älterer Herr stand hinter ihm. Es war der Besitzer des Ladens. »Diese Waffen sind wirklich gut gearbeitet.« Phoenix Augen wichen nicht von den Waffen. Besonders die Schwerter haben es ihm angetan. »Du bist auf der Akademie, nicht wahr?« Natürlich war er. Wer in Lae-Bai war das nicht? »Warte hier, ich habe da etwas,das dir bestimmt gefällt.« Der ältere Mann ging hinter den Tresen in einen seperaten Raum. Als er wiederkam hielt er ein Schwert, umhüllt in Tüchern, in seinen Händen. Er legte es auf den Tresen und packte es aus. Phoenix ging näher. Vor ihm lag ein Schwert, schwarz-rot. Fragend sah er den Besitzer an. »Dieses Schwert ist mit einem besonderen Kristall gefertigt. Man bekommt sie in Lae-Bai normalerweise nicht. Sie speichern Magie, nur Magie. Deswegen sind sie für die Regierung uninteressant.« »Der selbe Kristall, wie bei Eevi«, murmelte Phoenix leise. »Darf ich«, fragte Phoenix sachte. Ein Nicken später nahm Phoenix das Schwert in die Hand. Es war leicht und erinnerte stark an ein Katana, auch wenn es breiter war. Das dunkelrote Griffband ließ seine Hand nicht abrutschen. Das Stichblatt erinnerte an einen Drachenumriss. Die Hiebe hatten trotz des leichten Gewichtes Kraft. Dieses Schwert, es war wie für ihn gemacht. Dennoch legte er es sachte in das Tuch zurück. Wie sollte er es bezahlen? »Es ist ein wirklich klasse Schwert, aber ...« »Ich verkaufe keine Waffen, damit man mit ihnen tötet. Sie sollte sinnvoll genutzt werden, um etwas zu beschützen, dass man liebt. Du bist doch auf der Akademie, nicht wahr?« »Ich war«, antwortete er schnell, noch immer konnte er seine Augen nicht von diesem Schwert lassen. Auch wenn er nie offiziell ausgetreten ist, das Reisen sagt ihm mehr zu als das ständige Lernen und vergleichen. »Besser so. Die Akademie dient nur dazu, unsere Leute zu Soldaten auszubilden, nur damit sie dann im Kampf ihr Leben lassen. Es ist eine Schande, Waffen und Menschen so zu missbrauchen.« »Mister, sie sollten das nicht so laut sagen, oder man holt sie.« »Sollen sie doch kommen. Ich bin alt und habe nichts zu verlieren. Du hast dein ganzes Leben noch vor dir. Du solltest das tun, was du für richtig hältst.« »Selbst wenn ich dadurch Feinde mache, die man lieber nicht machen will?« »Solange du für das kämpfst, an das du glaubst, ist es richtig.« Eevi lebte nach diesem Ansatz. Das war ihm klar. Warum hätte sie sonst so viel auf sich nehmen sollen. »Mister, wie viel wollen sie für das Schwert?« Er war fasziniert von diesem Schwert. Und von seinem Besitzer. Einen Waffenladen mit dieser Einstellung zu halten, ist eigentlich unmöglich. Phoenix warf seine Pläne um. Es war keine gute Idee ihn als 'Kopfgeldjäger' entgegenzukommen. »Diese Schwerter kann man nicht mit Geld bezahlen. Man muss sein Herzblut in sie legen, sie pflegen und ihnen einen Zweck zuteilen. Das ist der Preis.« »Darf ich sie noch etwas fragen? Es wurden Steckbriefe ausgeteilt, wo zwei Personen gesucht werden. Eine davon ist eine Nat-Isanerin. Wissen sie, wer die ausgeteilt hat?« Der alte Mann strich seinen Bart mit einer Hand und überlegte. Es dauerte einige Augenblicke, bis er sich erinnerte. »Ich kann dir nichts über diesen speziell sagen, jedoch sind in letzter Zeit seltsame Gestalten in der Stadt, die solche verteilen. Sie kommen definitiv nicht von hier.« Phoenix hatte alles gehört, was er brauchte bis auf dieses Schwert. Er streckte seine Arme aus. »Nehmen sie so viel Blut sie wollen. Ich habe eine gefährliche Reise, mehr oder weniger freiwillig, angetreten. Dieses Schwert ... Es ist als rufe es nach mir. Nehmen sie was sie wollen!« Der alte Mann lachte. »Ich brauche nichts. Ich weiß nicht, warum du diese Gestalten suchst, aber ich habe schon meine Vermutung. Ich weiß nicht, wieso ihr gesucht werdet. Allgemein weiß ich zu wenig über dieses Land. Ich bin irgendwann stehen geblieben, aber auf meine Menschenkenntnis konnte ich mich immer verlassen. Nimm es mit. Lieber du, als jemand der damit zum Spaß andere verletzt.« Der ältere Mann ging wieder in das Hinterzimmer und holte eine pechschwarze Schwertscheide, in die er das Schwert steckte. Durch ein Band an der Schwertscheide konnte man es auf dem Rücken tragen. »Sind sie sicher? Ich könnte auch ein Mörder von nebenan sein.« Phoenix war glücklich und verunsichert zu gleich. Er konnte dieses Geschenk doch nicht einfach annehmen, auch wenn er es wollte. »Ich schätze dich nicht als Mörder ein. Allein schon wie du hierher kamst, wie du Schwert gehalten hast, wie du redest. Es spricht alles gegen Mörder«, sagte er ruhig, während er ihm das Schwert übergab. Strahlend nahm er es an, zog das Band über, sodass das Schwert an seinem Rück anlag, jederzeit bereit gezogen zu werden. Noch einmal bedankte er sich, bevor er den Laden verließ. »Lieber gebe ich ihm das Schwert, als diesen Leuten«, gestand er sich ein, nachdem Phoenix den Laden verließ. Seltsame Gestalten ... . Er musste sie finden. Sie waren sein Anhaltspunkt. »Wie es Eevi wohl gerade geht?« ~ ~ ~ Der kühlende Schatten tat gut. Es waren Temperaturunterschiede von mindesten 10 Grad. Zumindest empfand Eevi es so. Sie setzte sich auf den kalten Boden, lehnte sich gegen die Hauswand und holte tief Luft. Phoenix hatte recht. In der Sonne war sie nicht zu gebrauchen, doch im Schatten ging es ihr gut. Eevi sah nach links in Richtung Stände und Haus. Ihre Augen weiteten sich als sie eine gewisse Frau sah. Es war Niliana. Sie war zurück und schien die beiden zu suchen. Leise richtete sich Eevi auf und ging schnell tiefer in die Gasse rein. »Die ist die Letzte, die ich jetzt gebrauchen kann...«. Sie war am Ende der Gasse angekommen. Vor ihr war ein Platz mit einem Brunnen. Das Wasser so klar, dass Eevi jedes Geldstück am Brunnenboden sah. Die Sonne verschwand hinter Wolken. Menschenleer schien dieser Platz, lediglich einige Leute gingen an ihr mit Abstand vorbei. »Die Leute meiden Nat-Isaner wirklich offensichtlich«, sagte sie leise und unbeeindruckt. Sie hatte es in Coraque auch schon erlebt. Sie nahm es den Leuten nicht übel - Sie wussten es einfach nicht besser. Es war ihr auch egal. Die Leute interessierten sie nicht, interessanter fand sie viel mehr die, die ihr nicht auswichen. Unter ihnen waren seltsame Gestalten mit langen Mänteln. Eevi folgte einen von ihnen. Sie konnte Phoenix nicht die ganze Spurensuche alleine überlassen, das würde er ihr ewig vorhalten. Langsam folgte sie der Person. Erst als sie näher kam, merkte sie das es eine Frau war, hinter der sie her waren. Die Frau drehte sich um. Schnell stoppte Eevi und sah sich Auslagen an einem Stand an. »Ich muss mehr Abstand halten«, flüsterte sie leise. Die Frau setzte ihren Weg fort und bog ab in eine Gasse ähnlich die, aus der Eevi floh. Zögerlich sah sich die Gasse an, bevor sie weiterging. Sie durfte die Frau nicht aus den Augen verlieren. Sie blickte sich am Ende der Gasse um, die Frau ging in einen Laden. Eevi stand vor der Eingangstür. »Nevø. Seltsamer Name.« Sie öffnete die Tür und sah die Frau. Sie unterhielt sich mit jemanden. Eevi setzte sich in die Nähe. Ihr Stuhl war bequemer, als er aussah. Das dunkelblaue Leder war zwar etwas zerrissen, dennoch hielt es stand. Sie verstand die Konversation leider nur teilweise, doch näher konnte sie nicht gehen. »Sie sind hier ... sollen wir?« Die Frau sprach sehr leise. »Abwarten, was ... sagt. Hast du ... Bericht erstattet?« »Noch nicht.« »Dann jetzt ...« Beide standen auf und gingen wieder. »Wen meinten die? Phoenix und mich? Und wem Bericht erstatten?« Eevi stand auf und ging. Beide gingen weiter und bogen ab. Eevi folgte ihnen, doch war niemand am Ende der Gasse. Sie stoppte. Es war zu spät, als sie merkte, wie die Frau hinter ihr und ihre Begleitung vor ihr stand. »Verfolgen muss unsere kleine Freundin hier aber noch üben,« kicherte die Frau, »Also was haben wir dir denn getan?« Eevi schwieg. »Du willst wohl nicht reden. Mir recht.« Ihre Begleitung zog einen Dolch aus seinem Mantel. Sie spielte damit, bis sie ihn vor Eevis Gesicht hielt. »Kennt ihr wen namens Kumi?« Mehr wollte Eevi nicht wissen. Sie war sich sicher, dass die Steckbriefe von ihr kamen. Die beiden Frauen sahen sich ratlos an. »Selbst wenn, warum sollten, wir dir das sagen?« Die Frau mit dem Dolch kam näher. Eevi spürte die Spitze bereits in ihrem Gesicht. »Auf dich ist ein hübsches Sümmchen ausgesetzt«, meinte die Frau hinter ihr. Sie schien in einigen Zetteln zu kramen. »Kopfgeldjäger ... «, seufzte Eevi,»Wenn ihr mich entschuldigen würdet. Ihr seid nicht die, die ich suche.« Eevi wollte sich umdrehen, doch spürte sie wie der Dolch ihre Wange streifte. Etwas Blut floss hinaus. »Du aber, die die wir suchen. Schön hiergeblieben. Es spielt keine Rolle, ob tot oder lebendig.« »Und keine Bange«, sprach die Frau hinter ihr, » um deinen Kumpel kümmert sich unsere Vizechefin. Nili hat uns noch nie enttäuscht. Ich meine, sie hat ja sogar geschafft, dass ihr beide hier herkommt.« Die Frau lachte laut. Es kam Eevi so vor, als lache sie die beiden aus, dass sie darauf hereingefallen sind. Eevi lachte leise vor sich hin. Es machte Sinn. Warum sie die beiden in die Stadt holte, jetzt verstand Eevi es. »Ich wusste, man kann der nicht trauen. Phoenix, du hast auch ein Talent Ärger anzuziehen«, sagte sie zu sich selbst. Eevi stand ruhig da. Sie konzentrierte sich. Ein Kampf schien nicht mehr vermeidbar. Kapitel 8: Spurensuche Teil II ------------------------------ Es war niemand in der Gasse, bis auf Eevi und ihre zwei Begleiter. Noch immer spürte sie den Dolch an ihrer Wange. Mit ihrer Hand fasste sie an den Kratzer. Das Blut stoppte bereits, dennoch klebten Reste davon an ihrem Finger. Langsam legte sie ihre Hand auf die andere, schrieb mit dem restlichen Blut ein Zeichen auf ihre Hand. Die Frau mit dem Dolch sah es, dennoch konnte sie das Zeichen nicht identifizieren. Sie griff nach ihrer Hand und sah es sich genau an. »Was wird das, wenn es fertig ist?« Ihre Stimme war laut und klang wütend. Eevi löste ihre Hand aus dem Griff, schlug mit ihrer anderen Hand auf das Zeichen und war verschwunden. Die beiden sahen sich an und sahen sich um. »Die kann sich nicht in Luft aufgelöst haben! Sei vorsichtig Lana.« Die andere Frau zog einen weiteren Dolch. Rücken an Rücken standen sie und Lana. Sie beobachteten ihre Umgebung. Jedes Detail, bis ihr Blick nach links schweifte. »Der Schatten von der Wand. Findest du ihn nicht auch seltsam?« Dieser Schatten ... etwas stimmte nicht mit ihm. Sie wusste nur nicht was genau. »Die Sonne, er müsste anders aussehen«, stellte Lana fest, »Ich verstehe. Dieses Gör kann Schatten kontrollieren.« Lana pausierte kurz. Sie sah das Zeichen nur kurz und nicht vollständig, dennoch war sie sich sicher, was es war. »Das war eine Rune! Mika, sie ist im Schatten!« Beide ließen den Schatten nicht aus dem Blick. Mika betrachtete ihre Dolche warf ihre beiden Dolche in den Schatten, so fest sie konnte. Es war einen Versuch wert. Sie verschwanden im Schatten, als würden sie im Boden versinken. Beide grinsten. »Sie ist auch im Schatten angreifbar. Aber warum kommt sie nicht raus?« Sie wussten, wo sie war. Die beiden können zwar nicht in den Schatten selbst, dennoch können sie genug Dolche reinwerfen. Ihr Platz da unten ist begrenzt. Lana und Mika waren wieder alarmiert. »Die hat doch irgendetwas vor«, flüsterte sie zu Lana, »Analysiere den Kampf gut. Die Daten könnten uns nützlich werden.« Ein kurzes Nicken und Lana verschwand in der Gasse, wo sie alles gut beobachten konnte. Weiter entfernt hinter ein paar Kisten versteckt, kam Eevi hervor. Sie nutzte den Schatten der Kisten. Ihren linken Oberarm, festgehalten von ihrer Hand. Einer der beiden Dolche hat sie getroffen. Langsam sah sie hinter die Kisten. Da stand sie, wieder mit zwei Dolchen bewaffnet. Sie hatte sie am Oberschenkel befestigt. Es fiel ihr jetzt erst auf. Fünf auf jeder Seite, zwei waren weg, zwei hatte sie in der Hand. Blieben noch sechs übrig. Die Andere stand in der Gasse und sah nur zu. Anscheinend kämpfte sie nicht. Eevi lehnte sich wieder gegen die Kisten, atmete tief durch und riss etwas Stoff vom unteren Teil ihres Oberteils und versuchte die Wunde abzubinden und so zumindest den Blutfluss zu stoppen. Eevi sah sich um. Es gab die Gasse, in der Lana stand und eine Straße. Links mit einigen Kisten, wo sie war, rechts mit ein oder zwei Aufstellern. Am Eingang zur Gasse stand Mika. Hinter ihr eine einzige Gebäudereihe, die sich die gesamte Straße entlangzog. Es waren mehrere Häuser, jedoch ohne Platz zwischen ihnen. Die Häuser selbst schienen leicht verfallen und verlassen. Eevi biss in ihre Lippe. Ihr Oberarm schmerzte. »Ich muss zu Phoenix«, sprach sie leise zu sich. Eevi legte ihre Hand auf den Schatten, der von ihr ausging. Langsam holte sie ihre Kette mit den Kristallen hervor. Fest hielt sie die Kette in ihrer Hand. Wieder riskierte sie einen Blick hinter die Kisten. Mika war weg. Eevis Augen weiteten sich. Sie dachte nicht nach. Schnell sprang sie weg von der Wand auf die Straße. Es war ihr Gefühl, das ihr dazuriet. In der Kiste, wo sie gerade noch war, steckten zwei Dolche. Ihre Gegnerin sah sie an, nahm die beiden Dolche und warf sie auf und ab. Das Sonnenlicht wurde an den Stahlspitzen und Seiten der Dolche reflektiert. »In Verstecken bist du um einiges besser als im Verfolgen. Aber genug gespielt. Lass uns dem endlich ein Ende setzen!« Mika hätte nicht gedacht, dass sie noch hätte ausweichen können. Dabei hatte sie sich extra leise bewegt. Eevi stand auf, klopfte den letzten Staub aus ihrer Kleidung mit der freien Hand und richtete ihre Kette gegen Mika. Mika lachte laut. »Was ist das denn für eine Waffe?! Willst du mich fesseln, damit kann man doch niemanden bekämpfen.« »Es ist auch keine Waffe, die zum Kämpfen gedacht ist. Sie ist mehr ein Verstärker, weißt du. Ich brauche keine Waffen zum Kämpfen.« Kette gegen Dolche? Anscheinend kannte Mika diese Art von Kristall nicht, dachte sich Eevi. Es war zu ihrem Vorteil. Sie nahm die beiden Enden der Kette und verhakte ihr Finger in den letzten Kettenglieder. Der längere Teil der Kette war hinter ihr. Mika fackelte nicht lang. Wieder warf sie die beiden Dolche, doch dieses Mal war Eevi schneller. Gezielt lehnte sie sich nach hinten, sprang mit ihren Füßen ab, stützte sich mit ihren Händen ab und landete wieder mit den Füßen auf dem Boden. Die beiden Dolche steckten in der Hauswand fest. Ihre Finger schmerzten etwas von dem Druck der Kette durch den Sprung, doch war es ihr kleinsten Problem. Eevis Lippen bewegten sich, leise Laute kamen heraus, während Mika sich ihr näherte, erneute mit Dolchen in der Hand, doch dieses Mal zwei in jeder Hand. Ein Schritt trennte die beiden voneinander. Mika holte aus, sie musste sie ganz nah treffen, denn dieses Mal sollte sie nicht ausweichen können. Mika wollte werfen, doch wurde sie gegen die Wand geschleudert. Lana traute ihren Augen nicht. Eine riesige schwarze Hand kam aus Eevis Schatten, schleuderte Mika gegen die Wand und drückte sie dagegen. Eevis Hand war ausgestreckt und zu einer Faust geballt. Die vier Dolche lagen vor ihr verstreut. Mika sah sie wütend an, doch konnte sie sich nicht bewegen. Es war ein Schuss, der Eevis Schulter streifte, der die Hand verschwinden ließ. Eevi drehte sich um. »Dich hatte ich ganz vergessen«, gestand Eevi ein. Ihre Konzentration war weg, genau wie die Hand. Mika kniete sich hin, umklammerte mit ihrer Hand ihren Hals und rang nach Luft. Das leise 'Danke' kam nur krächzend heraus. Lana hatte noch immer die Pistole auf Eevi gerichtet. Eevi sah es selbst von der Entfernung, dass Lana zitterte. Sie schien die Waffe nicht oft zu benutzen. Anscheinend war sie noch unsicher im Umgang mit ihr. Eevi biss in ihre Lippe, doch dieses Mal blutete sie. Sie nutzte das Blut und schrieb wieder dasselbe Symbol auf ihre Hand, wie auch zuvor. Mika bemerkte es, warf einen ihrer Dolche mit letzter Kraft, doch war Eevi bereits weg. Wieder kreisten ihre Blicke auf die Schatten, aber keiner der Schatten am Gebäude änderte sich. Es war zu spät als Lana merkte, dass Eevi hinter ihr war. Sie nutzte den Schatten der Gasse, in der Lana noch immer stand. Es war Schatten, eingerahmt in Gassenmauern. Selbst mit Eevi in ihm, würde er sich nicht verändern. Lana drehte sich um, doch ein gezielter Schlag mit Eevis Schattenhand in den Bauch und Lana war bewusstlos. »Was diese Nebelidiotin kann, kann ich schon lange«, betonte Eevi für sich selbst. Es war dieselbe Gegend, in der Stym sie unvorbereitet traf. Sie hat am eigenen Leib gemerkt, wie effektiv dieser Schlag im Überraschungsmoment ist. Mika hatte sich etwas erholt, lief zu Lana und sah nach, ob es ihr gut ginge. Ein erleichtertes Seufzen erklang von ihr. »Ich frage noch einmal: Kennt ihr Kumi?« Eevi stand weiter weg von ihr. Sie ging auf Nummer sicher. »Nein, kennen wir nicht! Wir sind Kopfgeldjäger. Wenn auf ihr kein Kopfgeld ausgesetzt ist, ist die uns egal.« Eevi sah Mika genau an. Konnte sie ihr trauen? Sagte sie die Wahrheit? Oder wollte sie nur ablenken? »Und woher habt ihr die Steckbriefe? Wer hat sie verteilt?« Eevi glaubte nicht, eine ordentliche Antwort zu bekommen. Dennoch fragte sie, schließlich war es der Grund, weswegen sie die beiden verfolgte. »Das musst du Niliana fragen, sie brachte die mit. Aber vergiss es, Nili ist lange schon in dem Geschäft. Lana und ich sind Anfänger. Ihr habt keine Chance.« Noch immer hielt sie Lana fest, die regungslos war. »Wo ist Niliana?« Eevi nahm nicht an, dass sie noch bei ihr zu Hause war. Wenn es überhaupt ihr Haus war. Zumal sie sagten, sie würde sich um ihren Kumpel kümmern. Leise flüsterte Mika etwas, von dem Eevi nur die Hälfte der Beleidigungen und des Fluchens mitbekam. Die letzten beiden Dolche flogen auf Eevi zu. Schnellen Schrittes ging das Mädchen zu Mika, die immer noch vor Lana hockte. Ein gezielter Tritt und Mika lag bewusstlos neben Lana. Es war nicht Eevis Art so zu kämpfen, dennoch empfand sie es als angemessene Art sie schlafen zu legen. Sie durfte keine Zeit verlieren. Wer weiß, ob Phoenix nicht bereits Besuch hatte. ~ ~ ~ »Seltsame Gestalten, hmm.« Was genau verstand der alte Mann unter seltsam? Er würde es schon herausfinden, und wenn alles geklärt ist, kommt er mit Eevi wieder und bedankt sich noch einmal persönlich. Eevis Kette interessiert ihn bestimmt auch. So konnte er sich noch einmal bedanken für die Freundlichkeit, die heute selten geworden ist. Er hatte es sich fest vorgenommen. Phoenix ging durch die Straßen der Stadt, zusammen mit seinem neu erworbenen Schwert, das fest eingepackt und auf dem Rücken verstaut war. Seine Aufmerksamkeit galt den Leuten hier: Sie kauften ein, plauderten, beeilten sich. Nichts war auffällig daran. Er ging weiter, folgte einigen Leuten spontan, um zu sehen, wo er landete. Vorbei an Marktständen, hinein in Sackgassen, entlang an alten Häusern. »Das ist wohl die Altstadt«, schlussfolgerte er letztendlich. Die Häuser hier waren bewohnt und dennoch sahen sie verwahrlost aus. Die Farbe blätterte von den Wänden, die Marktschreier verstummten. Es war eine ruhige Gegend. »Hey, Phoenix!« Jemand winkte ihm zu von weiter weg. Erst als die Person näher kam, fiel ihm auf, dass es Niliana war. Sie rannte zu ihm und schnappte nach Luft. »Ich war zu Hause und ihr wart nicht da. Ich hatte schon Angst, dass euch etwas passiert ist«, teilte sie ihm erleichtert mit. »Wir suchen uns nur einen Weg nach Nat-Isa«, richtete er ihr aus. »Ich habe doch gesagt, ich helfe euch.« »Brauchst du nicht. Überhaupt ist alles in Ordnung? Du wirkst so angespannt«. Angespannt war das falsche Wort, verkrampft traf es eher. Etwas stimmte nicht, das wusste er. »Ich habe mir nur Sorgen gemacht. Ich meine, Eevi ist doch auch nicht hier. Was ist, wenn jemand hinter ihr her ist?« Wieder hielt Niliana ihn fest. Dieses Mal jedoch an den Armen und nicht an den Beinen, wie bei ihr zu Hause. Sie sah Phoenix in die Augen, und so tat er es. »Überleg es dir gut«, sagte Phoenix so monoton, wie er es von Eevi gewöhnt war. Überrascht sah sie Phoenix an. »Wie bitte?« Ihre Stimme wurde ungewöhnlich hoch. »Ich sagte, überlege es dir gut, ob du das tun willst.« Seine Stimme klang tiefer als sonst. Niliana lachte, ließ Phoenix los und hielt ihren Bauch fest. Einige Tränen liefen ihr über das Gesicht. »Wann hast du es gemerkt?« »Deine Augen. Sie zeigten mehr einen Killing intent, als Sorge.« Er wa lange genug auf der Akademie, um diese Augen richtig zu deuten. Und er schien recht zu behalten. Ein breites Grinsen zierte ihr Gesicht. Sie zog ihre Jacke aus, griff nach hinten und zog ein Kurzschwert heraus. »Sorry, aber du und deine Freundin ihr bringt zu viel Geld ein, als das ich euch laufen lassen könnte.« »Also hast du bis eben deinen kleinen Freunden Bescheid gesagt. Hast du wirklich gedacht, wir bleiben in deinem Haus?« Phoenix sah sich immer wieder um. Er wollte die Passanten nicht mit reinziehen. »Nun, ihr wart dumm genug mit mir hier reinzugehen, also warum nicht?« Sie zuckte mit den Schultern. Sie verkaufte ihn wirklich für dumm. »Mach dir keine Gedanken um die Leute hier, die hauen schon ab, wenn es losgeht.« Sie richtete ihr Schwert auf Phoenix. Die Passanten um sie herum blieben stehen und entfernten sich langsam von den beiden. Phoenix hatte bereits seine Hand am Griff seines Schwertes, doch zögerte er. Noch immer sah er sich um. »Können wir das nicht anders klären?« Er ging Konflikten eigentlich gerne aus dem Weg. Und diesen hier besonders. Kaum ausgesprochen griff Niliana ihn an. Instinktiv zog er sein Schwert und blockte ihren Angriff. Die Spitze des Kurzschwertes traf die Seite von seinem Schwert. Sie hatte mehr Kraft in den Armen, als er dachte. Er musste sich anstrengen, um sie zurückzuhalten. Immer wieder griff sie ihn an, immer wieder blockte er. Sie schien ihn zu testen, immer wieder griff sie mit derselben Folge an: Links, rechts, links, Mitte. Er war genervt. Sie nahm ihn nicht ernst. Wieder griff sie von links an, Phoenix blockte und schlug zurück. Nili wich nach hinten, schmunzelte, warf das Schwert in ihre linke Hand und konterte. Knapp konnte Phoenix blocken. »Oh, hast ja doch ein bisschen was drauf. Wer hätte das gedacht.« Wieder verspottete sie ihn. Phoenix Geduld war langsam am Ende. Machte sie das mit Absicht? Hatte diese Frau wirklich zwei so verschiedene Persönlichkeiten? »Ich habe kein Interesse an einem Kampf, aber wenn du unbedingt darauf bestehst, meinetwegen!« Eigentlich war es ihm recht, so konnte er das Schwert ausprobieren. Er musste wissen, wie viel es aushält und wie es sich im Kampf verhält. Dennoch wäre es ihm auch lieber, das anders zu klären. Die Passanten waren bis auf ein paar Schaulustige, alle verschwunden. Wer jetzt noch blieb, tat es auf eigene Gefahr. Beide gewannen wieder Abstand zueinander. Phoenix hielt das Schwert vor sich, streifte mit einer Hand vom Griff bis zur Spitze und setzte diese wieder am Griff an. Kleine Funken sprühten, das Schwert wurde heißer, aber seine Farbe blieb. »Ein kleiner Feuermagier, interessant. Aber du bist nicht der Einzige, der zaubern kann.« Niliana setzte ihre Brille auf. Phoenix verstand nicht, was sie damit bezweckte, doch dauerte es nicht lange, bis er es merkte. Das Feuer seines Schwertes war verschwunden. Das Erstaunen war ihm anzusehen. »Alles, was ich mit dieser Klinge berühre, ist unfähig Magie einzusetzen. Ich kann sie neutralisieren.« Phoenix lachte auf. Jetzt standen ihm die Tränen im Gesicht. »Du hättest gegen Eevi kämpfen sollen. Ich bin wirklich der Falsche für so eine Magie«, lachte er noch immer. Der Junge machte sich wieder bereit. Ein Schritt nach vorne, um halt zu bekommen, das Schwert fest in den Händen, jederzeit bereit anzugreifen. »Ich falle nicht auf deine Spielchen rein. Zumal sich um die Kleine bereits, wer kümmert.« Phoenix Lachen erlöschte. Er machte sich Sorgen, doch konnte er es unmöglich vor ihr zugeben. Sie würde es ausnutzen. Dieser Kampf muss enden, das stand fest für ihn. Wieder war es Nili, die den ersten Schritt tat. Sie lief auf ihn zu, griff ihn frontal an. Phoenix duckte sich, riss ihr die Beine mit seinem Weg und stand über ihr mit der Klinge auf ihren Hals gerichtet. »Es ist kein Spielchen. Es ist die Wahrheit. Du kannst mir doch bestimmt etwas über die Zettelchen sagen, die hier verteilt werden.« Sichtlich wütend lag Nili auf dem Rücken. Sie griff nach ihrem Schwert, doch Phoenix kickte es weg. »Gib auf und lass uns in Ruhe«, lag er ihr ans Herz, während er zu ihr runter ging. »In diesem Geschäft muss man hartnäckig sein. Die Zettel haben wir von einem Mann in Uniform. Er meinte, er zahlt sehr gut. Also kann es weitergehen?«Sie wusste, das die Beschreibung wage war, aber mehr brauchte ihn nicht zu interessieren. Niliana schlug ihren Kopf so fest sie konnte gegen seinen. Dieser verlor das Gleichgewicht und fiel nach hinten. Niliana nutzte es, holte ihr Schwert und griff ihn wieder an. Noch immer benommen konnte er nicht rechtzeitig ausweichen. Ihr Schwert verletzte seine Schulter. Phoenix ohrfeigte sich selbst. Er versuchte wieder zu sich zu kommen. Niliana griff erneut an, doch dieses Mal war es Phoenix, der konterte. Er blockte ihren Angriff, drehte sein Schwert und griff ihren Kopf an. Nili blockte ab. »Warum greifst du mit der stumpfen Seite an?! Willst du mich verspotten?« »Ich habe bereits gesagt, ich habe kein Interesse daran, gegen dich zu kämpfen oder dich umzubringen!« Noch immer kreuzten sich beide Klingen. Phoenix atmete tief ein, ließ sein Schwert los und duckte sich, um ihrem Schlag auszuweichen. Niliana fiel nach vorne, während Phoenix hinter sie ging und ihre Handgelenke festhielt. Sie konnte sich nicht befreien. Phoenix holte aus und schlug seinen Kopf so stark er konnte gegen Nilianas Hinterkopf. Ein dumpfes Geräusch war zu hören, gefolgt von dem Aufprall eines bewusstlosen Körpers. Phoenix griff nach seinem Schwert und verstaute es wieder auf dem Rücken. Mit seiner Hand wischte er das Blut von seiner Stirn, das in seine Augen floss. Er drehte sich um, fasste sich mit einer Hand an den Kopf und ging auf Eevi zu, die weiter hinten stand. »Wie lange bist du schon hier«, fragte er sie. »Gerade erst eingetroffen.« »Sag nichts, ich weiß, was du denkst, also sage nichts.« Erst jetzt bemerkte er ihre Verletzungen. Bestürzt sah er sie an und sah sich die Wunde am Arm näher an. Eevi winkte ab. »Es ist nichts Schlimmes, nur Kratzer. Was ist mir dir?« Schuldig lächelte er sie an. »War unvorsichtig. Halb so wild«, meinte er zu ihr. Es wurde langsam Abend. Der Himmel wurde immer dunkler, die ersten Sterne waren zu sehen. »Wir müssen schauen, dass wir heute Nacht irgendwo bleiben können. Morgen sollten wir hier raus. Ich nehme mal an, du hast auch keine wirklich brauchbaren Information?« Sie schüttelte den Kopf. »Bis auf, das du uns Kopfgeldjäger bescherrt hast, nichts«, kommentierte sie mit einem kleinen Lächeln. Phoenix seufzte. Wahrscheinlich hatte er es verdient. Aber dafür hatte er sich doch persönlich um sie gekümmert. »Woher hast du das Schwert«, fragte Eevi verwundert. Sie war doch gar nicht so lange weg und Geld hatten sie auch keins. »Von einem Schmied. Wir gehen da morgen hin. Das ist derselbe Kristall, wie bei deiner Kette. Vielleicht kann er sie noch aufbessern«, sagte er ihr mit freundlichem Unterton. »Die muss nicht aufgebessert werden«, sagte sie leicht schmollend. »Nah«, war alles, was Phoenix rausbrachte, bevor er den Tritten von ihr ausweichen musste. Beim Letzten verlor sie das Gleichgewicht und fiel hin. Phoenix ging zu ihr und reichte ihr die Hand. Eevi zog eine Mischung aus Lächeln und Schmollmund, doch nahm sie seine Hand an. Er half ihr auf und gab ihr einen kleinen Klaps auf den Hinterkopf. Er ging bereits in Deckung, denn er rechnete bereits wieder mit Tritten. Doch kamen keine. Stattdessen hetzte sie viele kleine Hände auf ihn, die ihn kitzelten und zwickten, bis er selbst auf dem Boden lag. Phoenix stand wieder auf, legte seinen Arm um sie und lächelte einfach nur noch. Sie machten einen großen Schritt über die bewusstlose Niliana und gingen in Richtung Altstadt, um eine Unterkunft zu suchen. Noch einmal blickte Phoenix zurück. Ein leises 'Sorry' entwich seinen Lippen. Die Häuser schienen verlassen und marode. Es dauerte nicht lange, bis beide ein Haus fanden für die Nacht. Es lag etwas abseits hinter der Hauptstraße. Der Eingang, versteckt in einer Seitengasse. Das Dach schien undicht, man konnte den Himmel durch ein kleines Loch sehen. Doch für eine Nacht sollte es reichen. Kapitel 9: Vartija ------------------ Phoenix schien bereits zu schlafen. Eevi sah zu ihm, ihm schienen seine Schulterwunde und Kopfverletzung nicht viel auszumachen. Ganz anders als bei. Ihr Arm pochte noch vor Schmerz und hielt sie wach. Im Kampf merkte sie es nicht, erst jetzt, wo sie Ruhe hatte, schmerzte er. Langsam nahm sie den Stofffetzen von ihrem Arm, sah zur Wunde und war erleichtert. Zumindest die Blutung stoppte. Wieder sah sie zu Phoenix. Sie erinnerte sich nicht daran, dass er seine Wunden versorgte. Leise kroch sie auf allen vieren zu ihm und lehnte sich über ihm. Er schlief tief und fest. Langsam hob sie seine Haare, die seine Stirn verdeckten, hoch. Es schien nur eine kleine Platzwunde zu sein. Sie blutete auch nicht mehr. Dennoch wunderte sich Eevi, dass er so seelenruhig schlief. Hatte er wirklich so einen Dickschädel, dass er nicht einmal die Kopfschmerzen spürte? Wieder riss Eevi ein Stück ihres Oberteils ab, dieses Mal vom Rücken. Langsam tupfte sie auf seiner Stirn, um zumindest den letzten Schmutz zu entfernen. Sie war keine Ärztin, dennoch erinnerte sie, dass man es bei ihr auch tat, als sie sich als Kind verletzte. Langsam tupfte sie weiter, während ihr Blick weiter nach unten ging. Der kleine Blutfleck auf seinem weißen Hemd erregte ihre Aufmerksamkeit. Vorsichtig zog sie seine Jacke nach hinten, knöpfte sein Hemd auf und zog auch dieses herunter, um die Schulter freizulegen. Das Mädchen sah sich die Wunde genauer an. Es war ein gerader Stich, der jedoch nicht durch die gesamte Schulter ging. Anscheinend war nichts Schwerwiegendes verletzt, bewegen konnte er den Arm schließlich noch. Eevi ging näher heran. Sie wollte sich die Wunde näher ansehen, doch auch wenn sie im Dunkeln sehr gut sah, schadete etwas Nähe nicht. Sie hoffte dadurch mehr erkennen zu können. Eevi spürte ihren Atem, der von Phoenix Schulter abprallte. »Was wird das, wenn es fertig wird«, murmelte ein halb-verschlafender Phoenix. »Ich sehe mir deine Wunden an«, sagte sie, während sie weiter die Wunde betrachtete. »Kannst nicht schlafen?« Phoenix richtete sich auf, zog sein Hemd und Jacke wieder an und gähnte. »Mach dir keine Gedanken. Das heilt von alleine. Du solltest schlafen.« Er legte sich wieder hin, drehte sich zu Seite und schloss die Augen. Eevi, die inzwischen vor ihm hockte, sah ihn noch immer an. Wieder richtete sich Phoenix auf, drückte ihr Gesicht fest mit beiden Händen zusammen und sagte: »Ich kann beim besten Willen nicht schlafen, wenn ich weiß, dass du mich die ganze Zeit so anguckst.« Sein eines Auge zuckte. Eevi war sich nicht sicher, ob es der Schlafmangel war oder die Wut, die in ihm hochkam. »Dann vergiss einfach, dass ich dich angucke«, murmelte sie so deutlich sie konnte. Er war gerade dabei, sich etwas zurechtzulegen und zu erwidern, doch wurde er unterbrochen von einem lauten Knall außerhalb. Beide sahen aus der Richtung des Geräusches. Durch das Fenster sahen sie Rauch und Feuer. »Was ist da passiert?« Eevi stand auf, ging zum Fenster und versuchte mehr zu sehen, doch sie war zu weit entfernt, um Genaueres zu erkennen. Noch einmal gähnte er, stand auf, drückte Eevi nach unten und sah ebenfalls aus dem Fenster. »Lass uns nachschauen, vielleicht können wir helfen.« »Hältst du das für eine gute Idee? Wir werden gesucht, vergiss das nicht.« »Ob wir jetzt hier versauern oder dorthin gehen und vielleicht sogar einen Weg nach draußen finden: Wo ist der Unterschied?« Phoenix nahm sein Schwert und ging vor. Eevi folgte ihm. Die Explosion schien auf dem Marktplatz gewesen zu sein. Viele Schaulustige gingen dorthin oder sahen aus dem Fenster. Sie mussten nur den Leuten folgen und waren da. Das Feuer hatte einen der Läden erwischt. Die Menschen versuchten es zu löschen, doch gelang es nur mit kleinem Erfolg. Eevi und Phoenix kämpften sich durch die Masse bis zur vordersten Reihe durch. Ein Mann mit schwarz-rotem Mantel stand auf einigen Kisten, zur Menschenmasse gerichtet. Er richtete den kleinen Zylinderhut auf seinen blauen Haaren zurecht, klopfte den Staub aus seiner schwarz-roten Hose und sprach zu den Menschen. Phoenix beachtete ihn nicht, er sah nur das Feuer und den Laden, den es traf. Es war der kleine Waffenladen, wo er sein Schwert herbekam. Die Waffen waren weg, der Laden brannte, doch von dem alten Mann noch keine Spur. Er lief zum Laden, doch Eevi stoppte ihn und zeigte auf dem Mann auf den Kisten. Er sprach zur Masse. Phoenix mag ihn ignoriert haben, doch Eevi tat es nicht. Der Mann setzte seine Rede fort:» Dieser Laden kooperierte mit Verbrechern. Er gab unseren Leuten, die euch schützen wollen, keine seiner Waffen. Stattdessen verschenkte er sie an Gesuchten. Seht, wie sich diese Verbrecher bei ihm bedankt haben! Sie zündeten seinen Laden an, nahmen die anderen Waffen und ...« Er pausierte. Betroffen sah er hinter sich, deutete auf einige Leute hin, die den Ladenbesitzer wegtrugen. »Er wird es wahrscheinlich nicht überleben. Bewohner seid vorsichtig. Die beiden sind noch immer hier. Unsere Kopfgeldjäger haben sie unschädlich gemacht. Sie mögen wie Kinder aussehen, doch behandelt sie nicht so. Ihr seht, wie es endet.« Einige Männer und Frauen gingen auf die Menschen zu und verteilten Zettel. Es waren die Steckbriefe von Eevi und Phoenix. »Das Mädchen, eine Nat-Isanerin, der Junge, ein ehemaliger Schüler Lae-Bais. Dieser Junge ist ein Verräter, der mit Nat-Isa kooperiert. Er nutzt seine exzellente, von euch finanzierte, Ausbildung, um dieses Land in den Ruin zu stürzen. Wir von den Vartija tun alles, um eure Sicherheit zu gewähren und mit eurer Hilfe finden wir diese Verbrecher!« Eevi zog Phoenix weg. Er war wütend, seine Hände zu Fäuste geballt, jederzeit bereit diese Leute anzugreifen. »Wir müssen hier weg, so schnell es geht! Bitte Phoenix reiß dich zusammen!« »Wir waren das nicht«, flüsterte er, »Warum sollte wir das tun?« Noch immer geschockt, sah er den Leuten, die den alten Mann wegtrugen, hinterher »Die versuchen uns das anzuhängen, und ich glaube nicht, dass es förderlich ist, wenn wir hier gesehen werden!« Immer weiter entfernten sich die beiden. Immer wieder kämpften sie sich durch die Massen, immer mit gesenktem Haupt. »Da«, schallte es von hinten, »Seht, das sind die beiden. Bewohner verschwindet, ich, Asya, werde mich höchstpersönlich um die beiden kümmern.« Schnell löste sich die Menge auf. Sie rannten alle in verschiedene Richtungen. Eevi blieb stehen. »Weglaufen ist zwecklos«, murmelte sie leise. Asya stieg von den Kisten runter und sah sich um. Die Menschen waren weg. »Endlich! Ich dachte schon, das Gesindel bleibt auf alle Ewigkeit.« Zwei der Frauen, die vorhin die Zettel verteilten, stellten eine Tasse und einen Kessel vor Asys auf. Eine der beiden goss heißes Wasser in die Tasse, in der die andere einen Teebeutel legte. Asya setzte sich hin, trank einen Schluck und atmete aus. »Es geht doch nichts über eine Tasse Tee. Möchtet ihr auch eine?« Er hielt eine weitere Tasse in seiner Hand. »Warum muss ich das hier eigentlich machen«, nippte er an seinem Tee, »Ich bin nicht gut darin, jemanden anzuschwärzen. Die hätten Luca oder Kumi schicken sollen.« Die beiden Frauen nickten ihm zu. Mit einer Handbewegung verdeutlichte er ihnen, dass sie gehen sollen. »Du kennst Kumi?« »Natürlich, kleine Söldnerin in Spee. Kumi ist vom selben Rang wie ich. Wir sind beides, nennen wir es, Generäle.« »Vartija, so heißen die also«, murmelte Eevi. »Mir ist egal, wer ihr seid. Der alte Mann hatte damit nichts zu tun! Warum habt ihr ...« »Darüber regst du dich auf? Über einen alten Mann, der sowieso gestorben wäre? Ein alter Mann kann die Welt nicht verändern, wir schon. Und wenn sein Tod dafür nötig ist, sollte er sich eher glücklich schätzen. Er wird in eine neue, bessere Welt wiedergeboren. Du mein lieber hast dich der falschen Partei angeschlossen. Aber auch eurer Tod kann uns helfen.« Phoenix zog sein Schwert und rammte es in den Boden. Ein Feuerkreis entstand und mit ihm kleine Funken aus Feuer. Eevi sprang zurück, hielt sich eine Hand vor das Gesicht, um ihre Augen vor dem Feuer zu schützen. »Ihr habt euch den falschen Feind ausgesucht.« Asya stellte die Tasse hin, seufzte und stand auf. »So kann ich meinen Tee nicht genießen. Hey, Weißhaar willst du ihn nicht lieber zurückpfeifen? Du weißt, wie stark Kumi ist. Du müsstest doch wissen, dass das hier keine gute Idee ist?« Eevi hatte bereits ihre Kette aus den Schatten gezogen und saß auf eine ihrer Schattenhände. »Ich nehme an, deine Vartija-Kollegen werden uns suchen, wenn wir hier gegen dich kämpfen? Ich finde, es ist doch ein schneller Weg zu Kumi. Zumal ihn zurückzupfeifen keine Option ist.« »Ihr unterschätzt mich gewaltig. Meinetwegen, es war eh nie vorgesehen, euch entkommen zu lassen. Zu eurem Pech können wir nicht sagen, wie viel ihr eigentlich wisst. Da ist das doch die sicherste Methode. Auch wenn es schade um den guten Tee ist.« Asya nahm einen letzten Schluck von seinem Tee, bevor er diesen zur Seite stellte. Heißer Dampf stieg noch immer aus der Tasse hinauf. Phoenix umklammerte seinen Schwertgriff immer fester. Sein Gegenüber nahm ihn nicht ernst. Die Funken wurden immer größer. Sein Atem zitterte. Langsam verstand er, warum Eevi diese Leute nicht mochte. Er musste sich beruhigen, doch wie sehr er es auch wollte, er schaffte es nicht. Diese Person, wenn sie das verkörpert für das diese Leute stehen, dann hatte er definitiv die richtige Entscheidung getroffen, sich Eevi anzuschließen. Noch immer saß Asya da. Gelangweilt sah er zu den beiden. Er wartete ab. Phoenix nahm sein Schwert und lief los. Er wollte nicht mehr warten, oder vielmehr er konnte nicht mehr. Mit beiden Händen hielt er sein Schwert fest. Ihn trennten nur wenige Schritte, als er ausholte und sein Schlag in der Luft gestoppt wurde. Egal wie viel Kraft er hineinsteckte, sein Schwert bewegte sich keinen Centimeter weiter. Asya saß weiterhin nur da. Er sah ihn nicht einmal an. Seine Augen waren auf Eevi gerichtet, die noch immer nur auf ihrer Hand saß. Langsam richtete er seinen Blick auf Phoenix und pustete. Es war dieser kleine Windhauch der Phoenix nach hinten fliegen ließ, wo er von einer Schattenhand aufgefangen wurde. Eevi klatschte in ihre Hände. Zwei Schattenhände bewegten sich von links und rechts auf Asya zu, doch rollte sich dieser nach hinten, woraufhin die Hände lediglich gegeneinanderdrückten und verschwanden. Wieder griff Phoenix an, sein Schwert in Feuer umhüllt, doch immer trafen seine Schläge ins Leere. Wieder hauchte Asya ihn hinfort, während die Flammen seines Schwertes aufloderten. Phoenix klopfte sich den Staub aus der Kleidung und stoppte bei Eevi. »Windmagie, hmm? Kannst du etwas machen? Wenn das so weiter geht, kommen wir nicht sehr weit.« »Ich überlege bereits die ganze Zeit. Nicht nur, dass wir ihn nicht direkt angreifen können, nein er hat auch verdammt gute Reflexe.« Eevi stieg von der Hand runter. »Hast du dich beruhigt?« »Nicht wirklich, nur bringt es nichts ...« »Was tuschelt ihr beiden denn da«, fragte Asya neugierig. Er stand hinter ihnen, schaute ihnen über die Schulter und sie bemerkten ihn erst jetzt. Beide drehten sich um, doch setzt Asya bereits seine Hände an, berührte die beiden und ließ sie nach hinten fliegen. Eevis Flug bremste eine Hausmauer, während Phoenix von der Straße gebremst wurde. Das Zusammenbrechen der Mauer schallte tief in die Gassen hinein. Langsam richtete sich Phoenix auf. Noch leicht benommen hielt er seinen schmerzenden Kopf. Erst jetzt bemerkte er sie kaputte Hauswand aus der Eevi langsam herauskam. Asya stand noch immer am selben Fleck, beobachtet die beiden und tippte mit dem Fuß auf und ab. »Der spielt nur mit uns. Wenn der wollte, könnte er uns leicht erledigen«, gab Phoenix verstimmt zu Eevi sah Phoenix unbeirrt an. Sie wusste, dass er recht hatte, dennoch ... »Wir müssten nur wissen, wie seine Magie funktioniert. Jeder hat eine Schwachstelle.« Eevi lehnte sich leicht nach hinten. Ihr Rücken schmerzte. Phoenix ließ Asya dieses Mal nicht aus den Augen. Noch immer stand er da. Phoenix Augen weiteten sich, als er sah worauf er stand. Es war das Symbol, das er mit dem Schwert machte. Wie er es tat, wusste er nicht, aber wie er es nutzen, kann schon. »Eevi, kannst du ihn ablenken? Ich muss bis zu dem Feuerkreis kommen. Ich habe eine Idee.« »Ich hoffe eine Gute, sonst sehe ich schwarz.« Mit einem Finger streifte sie etwas Blut von Phoenix Wunden und schrieb ein Symbol auf ihre Hand. »Wann waren meine Ideen mal nicht gut«, scherzte Phoenix. Eevi erwiderte nur den Namen 'Niliana' und Phoenix verstummte. Sie ging zu Phoenix und verschwand in seinem Schatten. Phoenix hielt sein Schwert fest. Eevi näherte sich Asya. Dieser beobachtete die Schatten in seiner Umgebung, doch war es bereits Nacht. Lediglich das Feuer des Hauses und der Mond spendeten Licht. Es war zu dunkel für ihn, um Veränderungen zu erkennen. »Deine Magie ist eindeutig mehr auf Nacht ausgelegt, stimmt's?« Asya drehte ihm den Rücken zu. Phoenix nutzte es, griff an, doch wurde er wieder weggeweht mit einer Handbewegung. Eevi kam aus Asyas Schatten, hielt seine Beine mit ihrer Kette fest und zog die andere Hälfte in den Schatten. Asya schickte einen Windstoß nach unten, doch Eevi war weg und seine Beine noch immer angekettet. »Na super«, murrte Asya, »Ich weiß genau, dass das hier nicht lange hält und ich weiß genau, dass du mich da unten hören kannst.« Er sah nach unten. Er wusste, dass sie ihn festhielt. Asya hoffte, dass der Windstoß sie zum Loslassen brachte, doch war er im Schatten nicht so wirkungsvoll wie oben. Die Kette hatte nicht einmal Kratzer. Es wunderte ihn nicht, schließlich schickte er die Windstöße nur mit der Hand los und nicht seiner Sense, die er nicht mitnahm. »Du kannst nicht ewig da unten bleiben. Irgendwann würde dich die Dunkelheit da zerdrücken, also sei ein liebes Mädchen und komm raus.« Asyas Blick war wieder nach vorne gerichtet. Phoenix war näher gekommen, dennoch war genug Entfernung zwischen ihnen. Phoenix stand am äußersten Kreis des Symbols. Er rammte sein Schwert in den Boden. Das Symbol glühte wieder auf. »Ich hoffe, das klappt. Hoffentlich ist sie in den Schatten sicher«, murmelte er vor sich hin, »Leon, bitte mach das es funktioniert.« Er hoffte der Appell an seinen Geist kam an. Sein Schwert wurde in Flammen gehüllt, die auf die Ränder des Feuerkreises übergingen. Asya sah sich um, hob seine Hand und schickte erneut Luftstöße, doch Phoenix klammerte sich an sein Schwert. Der Wind entfachte die Flammen nur noch mehr. Funken flogen durch die Luft. Die Kette an Asyas Beinen löste sich und verschwand in den Schatten. Leicht außer Atem kam Eevi aus Phoenix Schatten. »Länger hielt ich es nicht aus, sorry,« schnaufte sie. Ein weiter Schub Flammen schoss durch das Schwert in den Boden. Das Symbol wurde greller. Eine riesige Feuersäule entstand im Inneren des Kreises, die wenige Sekunden später wieder erlosch. »Wir müssen weg. Jetzt!« Eevi griff Phoenix Arm und stützte sich ab. Sie fiel auf ihre Knie und rang nach Luft. »Alles in Ordnung?!« Phoenix hockte sich nieder. Sie war blass. »Ja ... Alles gut. Ich war nur ... zu lange da ... unten.« Die Feuersäule war verschwunden, doch Asya sah er nicht. Langsam nahm Phoenix Eevi und trug sie huckepack. Sein Schwert verstaute er waagerecht auf seinem Rücken. Er biss in seine Lippe, sah zurück und lief so schnell er konnte mit ihr auf dem Rücken. Es war die beste Entscheidung. Asya sah vom Dach eines Hauses zu. Er konnte gerade noch entkommen. »Wenn der Junge seine Magie trainiert, wird es kompliziert. Ich sollte dem Ganzen jetzt endlich ein Ende bereiten.« Asya hob seine Hand und richtete sie auf die beiden. »Tu es nicht, Asya«, schallte es von hinten, »Wir brauchen ihn noch.« Asya drehte sich um. Zu seiner Überraschung stand eine Frau mit leicht rosanen Haaren hinter ihm. »Und warum sollte mich das interessieren, Avent?« Avent kicherte und stellte sich neben Asya. »Weil wir einen Deal haben, mein Lieber. Wenn die Kleine ihn über die Grenze gebracht hast, ist mir persönlich egal, was du mit ihr anstellst. Aber Noël will ihn sicher wissen.« »Zunächst haben diesen Deal dein Chef und mein Chef, nicht wir. Dann habe ich leider Gottes die Anweisung, die beiden eben nicht über die Grenze zu lassen. Es ist einfach schwerer die beiden in Nat-Isa zu verfolgen. Also wenn du mich entschuldigst.« Asya richtete seinen Blick wieder nach vorne, doch waren die beiden weg. Ein leichter Seufzer war zu hören. »Und ich habe meine Anweisungen Asya. Können wir keinen Kompromiss finden?« »Ich würde das gerne bei einer Tasse Tee mit dir besprechen, doch ist mir leider der gute Tee ausgegangen.« Avent's Oberteil wehte im Wind. Es lag oben eng an und wurde nach unten hin immer breiter. Sie kramte in ihrer Tasche, holte einen Bleistift heraus und zeichnete zwei Tassen, einen Kessel mit dampfendem Wasser sowie zwei Teebeutel. Sie setzte ihre Unterschrift darunter und die Sachen materialisierten sich. »Ich hoffe 'Weißer Tee' ist okay?« Sie nahm das Teekesselchen und übergoss den Teebeutel in der Tasse mit Wasser, sowohl bei ihm als auch bei ihr. Asya nahm einen Schluck, setzte die Tasse ab und ließ ein leises 'Ahh' ertönen. »Perfekt. Jetzt können wir reden.« Kapitel 10: Liam ---------------- Noch immer lief Phoenix mit ihr auf dem Rücken. Er wunderte sich, dass Asya nicht angriff, doch umdrehen und nachzuschauen warum, missfiel ihm auch. Phoenix nahm jede Abbiegung, die sich ergab, blieb immer im Schutz der Häuser, bis er sich letztendlich weit genug entfernte und langsamer wurde. Er rang nach Luft, setzt Eevi an einer Hauswand ab und setzte sich dazu. Sein Blick wurde verschwommener. Die Auswirkungen des Kampfes machten sich langsam bemerkbar. Sein Kopf schmerzte, als ob jemand ständig darauf einhämmerte. Eevi war noch immer bewusstlos. Noch immer schnaufend hielt er seine Hand an ihre Stirn und die andere als seine. »Leicht erhöht«, keuchte er leise. Langsam ließ er seinen Kopf nach hinten fallen. Er betrachtete seine Hand, doch erst nach einigen Augenblicken bemerkte er die rote Färbung, die seine gesamte Hand einnahm. Anscheinend war seine Kopfwunde wieder aufgegangen. Oder war es eine Neue? Er war sich nicht sicher. Klar denken konnte er nur erschwert. Immer wieder fielen seine Augen zu, doch versuchte er wach zu bleiben. Er musste wach bleiben. »Ihr beiden seht furchtbar aus«, sagte eine Frauenstimme. Phoenix Blick richtete sich nach vorn. Auch wenn die Person nur einen Meter wegstand, erkannte er nur schemenhaft die Umrisse. Ihm machte mehr Sorgen, dass er sie erst jetzt bemerkte. Die Frau hockte sich vor den beiden hin und kam näher. Instinktiv zog er sein Schwert und hielt die andere Hand schützend vor Eevi. Sein Schwert jedoch sank immer mehr und mehr zu Boden. Er hatte keine Kraft mehr, es zu halten. »Ich verstehe es nicht. Ich habe euch auf dem Marktplatz gesehen. Du warst wütend, wegen dem, was dem alten Mann passiert ist. Aber warum, wenn es doch angeblich ihr gewesen seid. Du besitzt sogar eine seiner Waffen,« sprach die Frau erneut. Ihre Stimme sie kam ihm bekannt vor. »Erkläre es mir. Ich möchte wissen, wer im Unrecht ist, Phoenix.« Doch eine Antwort bekam sie nicht. Noch immer hielt er seinen Arm schützend vor ihr. »Wenn du das Kopfgeld willst, jetzt ist deine Chance, Niliana.« Seine Stimme wurde leiser. Die Verletzungen machten ihm mehr zu schaffen, als er dachte. Niliana stand auf. Ihr Blick war emotionslos. »Euer Kopfgeld können wir uns immer noch holen, wenn ihr uns unsere Fragen beantwortet habt. Ich habe den leisen Verdacht, dass dieser Typ uns nur ausnutzte. Und das kann ich absolut nicht leiden.« Phoenix wollte lachen, doch wurde dies zu husten. Hatte sie Mitleid mit ihnen? Phoenix bemitleidete sich bereits selbst, wenn sogar Kopfgeldjäger Mitleid mit ihnen hatten. Waren sie wirklich in so einer schlechten Verfassung? Niliana holte mit einer Handbewegung zwei ihrer Kollegen heran. »Wir kümmern uns erst einmal um eure Wunden. Tod können die Wenigsten reden. Irgendwelche Einwände?« Sie wusste, dass es eine rhetorische Frage war, denn Phoenix hatte bereits das Bewusstsein verloren. Je einer ihrer Kollegen nahm einen der beiden. Niliana ging vor und sie folgten. ~ ~ ~ Es waren die ersten Sonnenstrahlen, die ihn trafen und ihn zum Umdrehen bewegten. Erst der daraus resultierende Schmerz ließ ihn aufwachen. Allmählich öffnete er seine Augen und hielt schützend seine Hand vor diesen. Langsam richtete er sich auf und sah sich um. Er war alleine in dem Raum. Sein Schwert war an eine der Wände angelehnt. Die Holzwände schienen alt und hatten Löcher. Phoenix versucht sich zu erinnern, doch gelang es ihm nur bruchstückweise. Er erinnerte sich an Asya und Niliana und ... »Eevi ... .« Er sah sie nicht. »Ist die Schlafmütze auch endlich wach?« Phoenix sah in Richtung Tür. Niliana stand im Türrahmen mit einigen Tüchern und Wasser. »Die Kleine redet gerade ein wenig mit unserem Boss, keine Sorge.« Sie ging näher zu ihm, setzte sich vor ihm und wollte seine Wunde am Kopf betrachten, doch Phoenix wich zurück. »Wo sind wir?« Er ließ sie nicht aus den Augen. Sie stellte das Wasser und die Tücher vor ihr ab und warf mit einer Handbewegung ihren seitlichen Pferdeschwanz wieder nach hinten, bevor sie ihm antwortete. »Bei uns im Versteck«, sagte sie recht gleichgültig, »Lass mich deine Wunden ansehen. Es wäre alles umsonst, wenn sie sich jetzt entzünden würden.« Niliana holte ein grünliches Pulver aus der Tasche ihrer Ballonhose, vermengte es mit Wasser und verteilte es auf den Tüchern. Das Ergebnis war so grün wie ihre Hose. Sie deutete auf Phoenix Hemd, welches er kurz darauf behutsam auszog. Zumindest so weit, dass seine verletzte Schulter freilag. Er bemerkte erst jetzt, dass die Bandagen sich bereits lösten. Überhaupt dass Bandagen da waren, wunderte ihn. »Es ist pulverisierter Raksha-Kristall aus Nat-Isa. Es wird als Heilmittel benutzt, unter anderem um zu verhindern, dass sich Wunden entzünden. Könnte etwas brennen.« Nachdem sie ihre Brille aufsetzte, tupfte sie mit den Tüchern Phoenix Stirn und Schulter ab. Er ließ sie machen. Auch wenn es brannte, verzog er keine Mine. »Sie ist bei eurem Boss? Warum?« Es waren immer noch Kopfgeldjäger. Was könnte jemand wie er für einen Grund haben, mit ihr zu reden? »Liam ist ein ehemaliger Söldner. Er hat gehört, dass sie Söldnerin werden will, und schien wohl Interesse zu haben. Keine Sorge, wir verkaufen euch schon nicht ... noch nicht«, kicherte sie. ~ ~ ~ »Verstehst du, worauf ich hinaus will, Kleine.« Noch immer saß er in seinem Sessel, stützte seinen Kopf mit seiner Hand und sah sie an. »Du warst einmal Söldner. Bist ausgestiegen und jetzt Kopfgeldjäger und willst mich überreden, keine Söldnerin zu werden.« Liam seufzte. Er richtete sich auf und sah zu Eevi. »Söldner sind nicht die noblen Gestalten, die du dir darunter vorstellst. Sie tun alles für Geld: Mord, Diebstahl. Natürlich gibt es Ausnahmen, aber ...« Seine Stimme wurde leiser. »Warum sollten mich einige schlechte Beispiele davon abhalten? Wenn diese Leute meinen, dass tun zu müssen, meinetwegen. Ich habe nicht vor solche Dinge zu tun.« Während Liam leiser wurde, zog Eevi ihren Schal von ihrem Mund, damit sie lauter wurde. Liam seufzte erneut. Sie war stur. »Beantworte mir eine Frage: Warum willst du Söldner werden? Du hast Talent, du könntest so viel anderes machen, ohne dein Leben aufs Spiel zu setzen.« Eevi strauchelte ein wenig. Was sollte sie ihm sagen? Die Wahrheit? Eine Lüge? Er war ein Söldner, aber dennoch ist er jetzt ein Kopfgeldjäger. Andererseits hat er sie gerettet. »Ich ... ich will stark werden. Ich möchte nicht immer beschützt werden müssen. Söldner sind stark. Die Leute vertrauen ihnen. Ich will ... wie er sein.« »Und wer ist 'er'?« Langsam weckte sie sein Interesse. Liam dachte sich bereits, von wem sie sprach. Sie log nicht. Anscheinend reichte ihr allein die Tatsache, dass er mal Söldner war, um Respekt vor ihm zu haben. Oder bildetet er sich das nur ein? »Ein Söldner. Er beschützte unser Dorf damals und mich, als wir angegriffen wurden. Wir hatten nichts, womit wir ihn bezahlen konnten. Er meinte, ein Lächeln wäre ihm Bezahlung genug. Er war so stark und ... und« »Diese Person war aber eher eine Ausnahme unter den Söldnern, ich denke ich weiß auch, von wem du redest.« Liam's Stimme wurde ruhiger. Er schob eine seiner Strähnen wieder aus seinem Gesicht. »Sein Name? Wie ist sein Name? Und wo ist er? Ich würde ihm gerne danken.« Eevi sprach schneller. Sie sah ihre Chance, mehr über ihn zu erfahren. Noël wusste nichts über ihn, aber er tat es anscheinend. »Du bist zu den Söldnern gegangen, um ihn zu finden. Deswegen schmerzt es mich ein wenig dir zu sagen, dass er nicht mehr unter uns weilt. Sein Name war Ryoga.« Zum ersten Mal wandte sich Liam's Blick weg von Eevi. »Er ist ... gestorben?« Sie brauchte etwas, um zu realisieren, was er ihr sagte. Liam schwieg. Seine Erinnerungen kamen wieder. »Wie ist er gestorben?« Liam schwieg weiter und Eevi dachte sich ihren Teil. Er hätte es ihr gesagt, wenn es ein natürlicher Tod gewesen wäre. Es brauchte ein wenig Zeit, bis Liam weitersprach: »Ich bin nach diesem Vorfall ausgestiegen. Aber du weißt selber ganz genau, dass man nicht aussteigen kann. Deswegen schlage ich mich jetzt mit Steckbriefen rum.« Sie merkte, dass er dem Thema ausweichen wollte. Sie wollte mehr wissen, doch beließ sie es lieber dabei. Sie waren immer noch Gefangene. »Sie suchen dich also. Willst du mich deshalb überzeugen? Damit ich ihnen nicht sage, wo du bist?« Ihre Stimme zitterte etwas. Sie war sich unsicher. Wollte er sie wirklich überzeugen? »Nein, im Gegenteil ich würde mich freuen, wenn so eine niedliche Söldnerin hinter mir her wäre. Dennoch wäre es eine Schande, wenn dir dasselbe Schicksal widerfahren würde.« Sein Lächeln kam wieder, wenn auch etwas gezwungen. Eevi wollte ihm antworten, doch wurde sie unterbrochen. Die Tür hinter ihr ging auf. Eevi drehte sich um. In ihrem Gesicht machte sich ein kleines Lächeln breit, zusammen mit einem doch recht besorgten Blick. »Phoenix«, sagte sie leise, »Bist du endlich aufgewacht?« Phoenix sah sich erst einmal um. Niliana führte ihn quer durch das Gebäude, um am Ende hier zu sein. Es war ein großer Raum, dennoch stand nur eine Art Sessel in der Mitte, in der ein Mann saß. Er war bereits etwas älter und seine gräulichen Haaren unterstützten diesen Eindruck. Immer wieder war eine gräuliche Strähne in seinem Gesicht, die er mit der Hand aus seinem Gesicht entfernte. Phoenix ging zu Eevi, während Niliana hinten blieb. »Was meinst du mit 'endlich'?« Erst jetzt fiel ihm ihr Shirt auf. Es war wieder ganz oder eher sie hatte ein neues, schwarzes Shirt an. »Du hast zwei Tage durchgeschlafen, Junge«, wandte Liam ein. Phoenix sah zu der Gestalt im Sessel. Er saß gelassen, eine seiner Hände stützte sein Gesicht, die andere ruhte auf der Lehne. Sein langer schwarzer Mantel ging bis zum Boden. »Ich nehme an, du bist Liam? Was wollt ihr von uns?« »Kaum wach und schon so neugierig. Wir haben nur ein paar Fragen an euch bezüglich einiger Sachen. Von der Kleinen habe ich mir bereits ein Bild gemacht, deswegen würde ich gerne von dir hören, was passiert ist in der Stadt«, pausierte er, »Niliana, lass uns alleine.« Niliana neigte ihren Kopf und verließ den Raum. Es waren nur noch Eevi, Phoenix und Liam im Raum. »Also erkläre mir, was ihr hier in der Stadt macht.« Phoenix zögerte, doch sprach Eevi ihm Mut zu. »Er ist ganz in Ordnung, denke ich. Sie haben uns geholfen, auch wenn ich den Gedanken nicht mag«, flüsterte sie, »Sie hätten schon längst unsere Köpfe einlösen können, wenn sie wollten.« Es schien ihr besser zu gehen, doch was erwartete er nach zwei Tagen? Anscheinend schien sie sich mehr Sorgen um ihn gemacht zu haben. »Wir wollten nach Nat-Isa, mehr nicht.« Phoenix antwortete ruhig. »Warum?« »Wegen Eevi.« Seinen Bruder ließ er lieber unerwähnt. Liam hakte nicht weiter nach. Der Grund schien ihm zu genügen, oder es interessierte ihn von Anfang an nicht. »Und der Brand im Waffengeschäft«, hakte Liam nach. »Das waren wir nicht.« »Woher hast du das Schwert?« »Vom alten Mann im Waffengeschäft.« »Dass, das abgebrannt ist?« »Ja.« Phoenix Faust ballte sich langsam. Warum erinnerte er ihn daran? Er fühlt sich wie in einem Verhör. Kurze Fragen, kurze Antworten. Verhielten sie sich denn so verdächtig? »Er hat niemanden seine Waffen anvertraut.« »Wir haben damit nichts zu tun gehabt.« Er drückte seine Faust noch fester zusammen. »Warum wart ihr dort und wurdet von den Vartija angegriffen?« Phoenix wurde langsam wütend. Sie drehten sich im Kreis. Wenn er der Meinung war, dass die beiden es waren, dann sollte er es einfach sagen und nicht diese Fragerei bevorzugen. »Ich sagte doch bereits, wir haben damit nichts zu tun!« Er wiederholte sich, doch anders schien er es nicht zu verstehen. Liam lachte. Eevi wechselte ihren Blick immer zwischen den beiden. Sie mischte sich nicht ein. Sie wusste, weshalb, Liam diese Fragen stellte. »Was ist so verdammt witzig?!« »Du hast verdammt viel Temperament, das du unter Kontrolle kriegen musst. Ich weiß, dass ihr damit nichts zu tun habt. Ich weiß, wie die Vartija solche Sachen handhaben. Ihr wollt nach Nat-Isa? Wir können euch helfen.« Warum diese ganzen Fragen, wenn er wusste, dass sie unschuldig waren? Jetzt wurde auch Eevi hellhörig. Dass er ihnen helfen möchte, hatte er bei ihrem Gespräch nicht erwähnt. »Und was willst du dafür?« Eevi wusste genau, umsonst gibt er nichts. »Ich möchte, dass ihr mit Niliana jemanden sucht. Auf ihn ist ein recht hohes Kopfgeld ausgesetzt und ich will sie ungern alleine gehen lassen. Schafft ihr es ihn zu schnappen, bringen wir euch nach Nat-Isa. Solltet ihr etwas versuchen, um uns zu schaden, wird Niliana euch, nennen wir es weiterreichen. Was sagt ihr? Hört euch die Details von Niliana an. Ich erwarte morgen eine Entscheidung.« »Was ist, wenn wir ablehnen«, fragte Phoenix misstrauisch. Er hatte es satt auf andere angewiesen zu sein. Aber im Moment wusste er leider auch, dass sie kaum eine Wahl hatten. »Dann könnt ihr gehen und schauen, wie ihr alleine an den Grenzposten und den Vartija vorbeikommt. Tot können wir euch immer noch übergeben«, kicherte Liam. Er dachte sich, dass er das sagen würde. Die Steckbriefe blieben erhalten, auch wenn Brandstiftung nicht noch dazukam. »Was weißt du über diese Vartija?« Eevi musste nachhaken. Sie brauchten dringend Informationen über diese Gruppierung. »Genug meine Kleine, genug um zu wissen, dass ihr im Moment keine Chance habt. Asya hat nur mit euch gespielt. Er hatte ja noch nicht einmal seine Sense dabei. Ohne eine Strategie kommt ihr bei denen nicht weit.« »Phoenix«, flüsterte sie, »wir sollten uns das anhören. Vielleicht erfahren wir so etwas mehr.« Liam schien mehr zu wissen, doch verriet er nichts davon. Sie wusste nicht, ob sie ihm wirklich trauen konnte, auch wenn er ein Söldner war. Phoenix nickte. Sie machten sich auf den Weg. Nilana wartete noch vor der Tür. Sie wollten es sich zunächst anhören, worum es genau ging. Abhauen können sie immer noch, hoffte er. »Sag mal, wie war der Kampf gegen Kumi bei dir? War der genauso wie mit Asya,« flüsterte er zu Eevi. Es interessierte ihn schon länger. Und gerade nach dem Kampf mit Asya musste er es wissen, ob alle dort so sind. »Ähnlich. Sie hat Wasser kontrolliert, damit kam ich eher klar, als mit Wind. Dennoch ...« Eevi biss auf ihre Lippe. Die Erinnerung an den Kampf kam hoch. Es schmerzte sie einfach, dass sie flüchten musste. Sie hasste es, wenn man sie nicht ernst nahm und nun taten dies schon zwei von der Organisation. »Wieso müssen wir jetzt eigentlich Kopfgeldjäger spielen«, seufzte Phoenix ein wenig frustriert. Er hätte nicht gedacht, dass es so schwer wird, nach Nat-Isa zu kommen. Phoenix öffnete die Tür und ging vor. Eevi drehte sich noch einmal um, bevor sie ihm folgte. Sie wurde nicht schlau aus Liam. Wollte er sie wirklich nur schützen oder war es einfach Taktik, wie bei Niliana damals? Niliana wartete bereits auf die beiden. Sie schien von Liam's Absicht bereits gewusst zu haben. Mit einer Handbewegung verdeutlichte sie den Beiden, dass sie ihr folgen sollten. Sie kamen in dem Raum, in der Phoenix bis vor Kurzem sich noch erholte. Niliana setzte sich und die beiden taten es ihr gleich. Eevi und Phoenix warteten darauf, dass Niliana anfing zu reden, doch schwieg sie. Es lag eine Anspannung in der Luft. Niliana kramte in ihrer Hosentasche herum, holte einige zusammengefaltete Blätter heraus und legte sie den beiden vor. Eevi wurde deutlich blasser als sie diese sah. »Ich weiß genau, dass du damals das Blatt falsch übersetzt hast, mit Absicht. Deswegen wäre es supernett von dir, wenn du diese übersetzen könntest. Einige Runen kannte ich, aber bei Weitem nicht alle.« Sie war wieder dieselbe, wie am Anfang. Diesselbe, die Eevi als Wörterbuch missbrauchen wollte. »Wir sind nicht hier um irgendwelche Zettel zu übersetzen, Niliana«, wandte Phoenix schließlich ein, was Eevi mit einem zustimmenden Nicken unterstützte. »War ja einen Versuch wert. Ich bin immer noch sehr interessiert daran, was auf diesen Zetteln steht. Vielleicht können wir uns ja doch einig werden.« Sie zwinkerte mit einem Auge. »Nun gut«, fing Niliana schließlich an, »Dass, wovon Liam sprach. Ich schaffe das auch alleine. Ich weiß nicht, warum er unbedingt darauf besteht, dass ihr mitkommt. Zumal ihr keine Kopfgeldjäger seid.« »Erzähl uns einfach, worum es geht. Es ist nicht so, als ob wir Lust hätten, mit dir zu arbeiten.« Phoenix hatte dies wirklich nicht. Er ist zu naiv für diese Welt. Das hat Niliana ihm deutlich gemacht. Die Leute nutzen jede Schwäche nur aus. Er hatte genug davon. Und würden sie jetzt mit ihr arbeiten, wer versicherte ihnen, dass sie sie danach nicht doch auslieferten? »Es geht um eine bestimmte Person. Nennen wir sie X. X hat einige Versuche unternommen, um an heikle Informationen ranzukommen. X kann unter bestimmten Voraussetzungen, die uns leider nicht bekannt sind, Erinnerungen von Personen sehen. Wie viele und wie kompakt ist unbekannt. Jedoch hat X bereits einige Informationen, die nicht an die Öffentlichkeit sollten. Momentan befindet sich X in Tenrouka.« »Tenrouka? Der Hauptstadt? Du willst allen Ernstes, dass wir in die Hauptstadt gehen?« Phoenix war sich jetzt sicher, dass es eine Falle war. Niemand kommt so einfach aus Hauptstadt, geschweige denn rein. Eevi sah seine Unsicherheit, doch verstand sie sie nicht ganz. »Was ist an Tenrouka so schlimm«, fragte sie etwas zaghaft. »Ich selbst war noch nie in Tenrouka, aber ich habe einige Geschichten darüber gehört. Es soll eine einzige Festung sein. Stadtmauern, die bis in den Himmel ragen, Häuser, besser gesichert als jedes Gefängnis und eine Art Schloss, wo unser König haust. Niemand, der unerwünscht war, soll es je aus der Stadt geschafft haben. Sie ist außerdem einer der größten Handelsplätze für Raksha-Kristalle und dazugehörige Waffen. Das Militär ist ebenfalls gut vertreten. Noch dazu sind wir hier im tiefsten Norden und Tenrouka ist von hier aus recht weit südlich.« »Also zunächst einmal Selbstmord dort hinzugehen und noch dazu komplett die falsche Richtung«, fügte Eevi dazu, »Da können wir auch selbst versuchen nach Nat-Isa zu kommen. Scheinen wir mehr Chancen zu haben.« »Wenn ihr in unserer Begleitung seid, passiert nichts. Zumal eure Steckbriefe nur regionale sind und keine landesweiten. Dort unten werdet ihr nicht gesucht. Wie gesagt, niemand zwingt euch mitzukommen,« zuckte sie mit ihren Schultern. Niliana schien es wirklich egal zu sein. »Was sollen das denn für Informationen sein, die X geklaut haben soll? Und warum nennen wir ihn eigentlich X?« Langsam schob Eevi die Zettel beiseite. Ihre Fragen sollten Niliana nur ablenken, doch brachte es nicht. Sie legte ihr die Zettel wieder vor den Schoß. »Vielleicht sage ich es euch, wenn ihr mir sagt, warum ihr nach Nat-Isa so unbedingt wollt.« »Ich will Eevi nach Hause bringen«, antwortete Phoenix schnell. »Das mag der offizielle Grund sein. Doch was ist der Inoffizielle?« Niliana lehnte sich mehr und mehr nach vorne, bis nur noch wenige Centimeter sie von Phoenix trennte. Dieser lehnte sich immer mehr zurück, um Abstand zu gewinnen. Er sah zu Eevi, doch sah diese sich die Zettel an. Sie schien nachzugeben. »Ähm ... wir wollen nur zu meinem Bruder, mehr nicht,« gab Phoenix schließlich nach. Sie würde nicht locker lassen. Sie ließ ja nicht mal mit den Zetteln locker. »Der da wäre? Komm schon, muss ich dir alles aus der Nase ziehen?« Ihr Ton wurde lauter. Wie damals, als sie mit den ganzen Papieren ankam. »Sein Name ist Noël«, sagte Eevi beiläufig. Ihre Aufmerksamkeit galt doch noch immer den Papieren. »Noël? Noël McNeill? Der ist dein Bruder? Dann werdet ihr wohl mitkommen müssen, weil der ist, schon lange nicht mehr in Nat-Isa.« Niliana stand auf und ging in eine Ecke weiter hinten im Raum. Es war ein Haufen Zeitungen und Steckbriefe, die dort verstreut lagen. Phoenix hatte sie vorhin nicht einmal wahrgenommen. Sie holte eine Zeitung kam wieder und legte sie den beiden vor. Es war eine Zeitung von vor zwei Tagen. Die Schlagzeile war mehr als deutlich. »Die Elite in Tenrouka!«, las Eevi vor. Sie nahm sich die Zeitung und las weiter:» Die Elite der Söldner trifft sich in den nächsten Tagen in Tenrouka zu wichtigen Gesprächen. Erwartet werden Hervé mit seiner Partnerin Cierge ... .« Eevi übersprang die nächsten Zeilen, überflog diese und fing wieder an lauter zu lesen, als sein Name fiel. »Noël und Avent werden auch bereits sehnsüchtig erwartet. Sie haben ihr Kommen bereits bestätigt.« »Er ist also in Tenrouka. Das ist mies. Wie lange ist das bereits bekannt?« »Es ist erst vor kurzem offiziell geworden. Aber gerade deswegen müssen wir X finden. Er wird mit Sicherheit bei diesem Treffen sein und Erinnerungen nehmen.« »Aber was hat er davon? Ich verstehe es nicht. Er wird unmöglich an diese Leute rankommen«, wandte Eevi ein. »Wie bereits erklärt, wissen wir nicht, wie er Erinnerungen an sich nimmt. Aber er hat bereits bewiesen, dass er es kann. Wir brauchen ungefähr ein und einen halben Tag zur Hauptstadt, wenn wir fahren. Es wäre genau in dem möglichen Rahmen.« Phoenix grinste. Niliana sah ihn verwundert an. Sie wusste nicht, was so lustig gewesen sein könnte. »Du hast zum ersten Mal von 'wir' gesprochen. Also willst du doch, das wir mitkommen.« »Das war es von meiner Seite. Geht schlafen, essen, macht, was ihr wollt.« Es war ihr sichtlich unangenehm. Sie verließ den Raum so schnell sie konnte. Doch erst als sie die Tür schließen hörte, wandte Eevi sich an Phoenix. »Was machen wir nun? Es wäre sinnlos nach Nat-Isa zu gehen, wenn er nicht einmal dort ist.« »Ich weiß, aber mir ist diese Sache nicht geheuer. Weswegen treffen die sich dort? Ich möchte es eigentlich vermeiden in die Hauptstadt zu gehen.« »Gehen wir mal pro und kontra durch. In Nat-Isa wären wir sicher und du könntest deine magischen Fähigkeiten endlich ausbauen. Allerdings scheint Noël dort im Moment nicht zu sein. Dafür aber in Tenrouka, was jedoch, wie du es beschreibst, reiner Selbstmord wäre. Und ob wir Kopfgeldjägern trauen können, die uns erst hinters Licht führten und dann uns retteten ... Ich weiß ja nicht. Ich persönlich bin immer noch dafür, dass wir nach Nat-Isa gehen. Wer weiß, ob Noël überhaupt noch da ist, wenn wir ankommen.« »Allerdings ist Noël in Tenrouka die einzige brauchbare Info zu seinem Aufenthalsort, die wir haben.Und ich habe mittlerweile eine Menge, was ich Noël fragen möchte. Diese Stym sprach von ihm. Ich denke, es war Zufall, aber ...« Phoenix dachte nach. Wie gern hätte er jetzt Musik gehabt. Sie half ihm beim Nachdenken. Er ging auch Eevi's Argumente durch. Es war definitiv sicherer nach Nat-Isa zu gehen, als zur Hauptstadt. Und sie hatte recht, wer wusste schon, ob Noël wirklich noch in Tenrouka ist? Ob sie überhaupt eine Chance hätten, ihn zu treffen? Aber was ist, wenn das jetzt ihre einzige, greifbare Chance ist, Noël zu treffen? »Mir ist beides recht. In Tenrouka kriegen wir bestimmt Informationen über die Vartija. Noch dazu würde ich gerne wissen, was unser Mister X da für Erinnerungen genommen hat. Ich überlasse dir die Entscheidung Phoenix.« Kurz nach diesem Satz ging auch Eevi aus dem Zimmer. »Damit machst du es mir nicht leichter, Eevi ...«, murmelte er vor sich hin. Kapitel 11: Die Reise beginnt ----------------------------- Phoenix schlief kaum in der Nacht. Immer wieder wägte er die Wege ab, die Vorteile, die Nachteile, die Konsequenzen. Heute sollte er sich entscheiden. Und er hatte eine Entscheidung gefällt. Eevi nahm sie hin, ohne etwas zu sagen. Was hätte sie auch sagen sollen? Sie war sich selber nicht sicher, welchen Weg sie einschlagen sollten. Deswegen überließ sie ihm doch die Entscheidung, dessen war er sich bewusst. Niliana holte die Beiden ab. Wieder befanden sie sich im Raum von gestern. Wieder saß Liam nur da und wippte mit seinem Finger auf und ab. Und wieder war niemand sonst im Raum. Langsam fragte Phoenix sich, wo die ganzen anderen Kopfgeldjäger waren. Die Truppe bestand doch nicht nur aus den beiden, auch wenn es bisher den Anschein machte. »Nun, ich erwarte eure Entscheidung.« Liam's Stimme war ruhig wie immer. »Ich habe lange darüber nachgedacht. Es war keine leichte Entscheidung. Doch vorher möchte ich einen Beweis haben, dass wir euch trauen können. Dass, wenn wir mitkommen, ihr uns helft und wenn wir nicht mitkommen, ihr uns nicht jagt.« Liam's Gesicht zierte ein Grinsen, dass seines gleichen suchte. Er erhob sich aus seinem Sitz, ging langsam zu Phoenix, legte seine Hände auf seine Schultern und beugte sich nach unten, sodass Phoenix ihm in die Augen sehen konnte. »Mehr als mein Wort kann ich dir nicht geben, mein Junge. Wenn du ihm nicht traust, verstehe ich das. Allerdings vertraue ich darauf, dass ihr die richtige Entscheidung getroffen habt. «Seine Hände lösten sich von seinen Schultern und mit ihnen der Druck, der auf ihnen lastete. »Wärt ihr wirklich so kaltblütig, wie diese Leute es darstellen, wären Niliana, Lana und auch Mika jetzt nicht mehr.« Phoenix schwieg. Seine Augen ... Sie schienen nicht zu lügen. Doch konnte er wirklich den Worten eines Kopfgeldjägers oder vielmehr eines ehemaligen Söldners trauen? Er war sich nicht sicher. Sein Kopf sagte Nein, doch sein Gefühl meinte ja. »Wir werden nach Tenrouka gehen. Versteh mich nicht falsch. Uns ist es egal, was dieser X gemacht hat, das hat nichts mit uns zu tun. Uns geht es nur um ..« »Um Noel«, beendete Liam seinen Satz, »Es geht euch um Noel. Niliana erzählte es mir.« Liam seufzte. Auch wenn ihm ihre Entscheidung nicht missfiel, so tat es doch der Grund dafür. »Wo ist das Problem«, mischte sich auch Eevi nun ein. Sein Wandel in der Stimme entging ihr nicht. »Nichts. Ihr müsst selbst herausfinden, ob es die richtige Wahl ist. Ich rede euch da nicht rein.« Liam drehte sich um und setzte sich wieder in seinen Sessel. »Niliana, sorg dafür, dass ihr noch heute aufbrecht.« »Phoenix, Eevi hinter der Tür biegt ihr links ab und trefft euch mit Mika. Sie trifft die letzten Vorbereitungen. Ich muss mit unserem Chef noch kurz unter vier Augen reden.« Eevi nickte und zog Phoenix hinter sich her. Er schien noch nicht gehen zu wollen, doch beugte er sich ihrem Willen. Erst als die Tür sich hinter ihr schloss, ging Niliana langsam zu Liam. »Was hat es mit diesem Noel auf sich? Kennst du ihn«, fragte sie neugierig, wie sie ist. »Nicht direkt, auch wenn ich ihn bereits öfter traf. Er ist kein schlechter Kerl.« Seine Stimme hatte einen Unterton, den Niliana nur schwer zu ordnen konnte. »Aber wo ist dann das Problem? Ich muss wissen, worauf ich mich da einlasse«, sagte sie energisch. Es war mehr ihre Neugier, die sie trieb, als die Sorge um sie selbst. »Seine Ansichten, sie missfallen mir. Und ich bin mir sicher, er wird ihn überzeugen wollen, doch wird das Mädchen ihm sicher einen Strich durch die Rechnung machen. Sie scheint sich nicht so leicht bereden zu lassen,« er pausierte kurz, »Niliana, wenn diese beiden Noel treffen sollten, halte dich fern von ihnen. Ich will nicht, dass du etwas mit diesem Mann zu tun bekommst.« »Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Ich kann auf mich aufpassen, Vater. Dennoch wovon wird er versuchen ihn zu überzeugen?« Sie blieb hartnäckig. Welche Ansichten kann ein einzelner Mann haben, dass selbst Liam sich Sorgen machte? »Du musst nicht alles wissen, meine Liebe. Diese beiden stecken da bereits zu tief drin, ohne es zu merken. Du jedoch hast damit nichts zu tun. Und dabei soll es auch bleiben.« Niliana nickte und folgte Phoenix und Eevi. Mehr würde sie ja doch nicht erfahren, zumindest nicht von ihm. Phoenix und Eevi bestaunten bereits den Wagen, mit dem es zur Hauptstadt gehen sollte. »Fährt der ganz ohne Hasen«, fragte Eevi recht spontan und erntete einen doch eher skeptischen Blick von Phoenix Seite aus. »Willst du mir sagen, dass in Nat-Isa solche Fahrzeuge mit kleinen, süßen Hasen betrieben werden?« »Klein und süß ist relativ. Die Hasen von denen Eevi spricht, nennen sich Pukos. Das sind wahre Kampfhasen. Die sind größer als du und eigentlich sehr aggressiv, wenn sie nicht gerade an Menschen gewöhnt sind«, antwortete Niliana. »Nili weiß eben sehr viel. Die Fahrzeuge werden mit Raksha-Kristallen betrieben.« Mika öffnete eine Klappe an der Seite des Autos. Zwei rötliche Kristalle kamen zum Vorschein, die an verschiedenste Kabel verbunden waren. »Wir werden ungefähr einen und einen halben Tag brauchen bis zur Haltestelle. Unterwegs machen wir, wenn überhaupt, nur kurze Pausen. Also wenn ihr noch etwas vorhabt, tut es jetzt.« Mika schloss die Klappe wieder mit einem Ruck und verschwand unter dem Auto. »Mika kennt sich ganz gut mit so etwas aus. Sie macht das Auto startklar.« »Was gab es denn noch zu klären mit dem Chef?« Phoenix Frage klang wie nebenbei gestellt, als ob es ihm eigentlich egal war. Die Tatsache, dass Kampfhasen in Nat-Isa waren, schockierte ihn noch immer. »Nichts«, kicherte Niliana, »War lediglich etwas Organisatorisches.« Ein leises 'Aha' von Phoenix war alles, was er erwiderte. Er blieb vorsichtig. Oder war es eher die Skepsis in den Wahrheitsgehalt der Antwort? »Also wer ist dieser Mister X«, wandte sich Eevi an Niliana, »Was für Erinnerungen hat er 'geklaut?« Es waren ihr zu wenig Informationen. Und sie war sich sicher, dass Niliana dies geheim hielt, solange sie sich nicht entschieden hatten. Auch Phoenix wurde hellhörig. Hätte Eevi nicht gefragt, hätte er dies übernommen. »Ich erkläre euch alles, wenn wir unterwegs sind. Und ungestört.« »So! Alles gewartet. Ihr könnt losfahren.« Ein breites Grinsen zierte Mika's Gesicht. Niliana nickte ihr zu und stieg als Erste ein. »Nili, sei vorsichtig. Ich habe kein gutes Gefühl bei der Sache«, flüsterte sie ihr zu. »Ich komm zu recht.« »Ich traue den beiden aber nicht.« Eevi und Phoenix folgten ihr kurz darauf. »Es sind wohl eher wir, die misstrauisch sein sollten« maßte sich Eevi an Mika entgegenzubringen. Mika wollte etwas erwidern, doch ließ sie es sein. Sie wollte die Szene vom letzten Mal nicht wiederholen. Zumal sie Anweisungen hatte, so etwas bei den beiden zu untersagen. Der Wagen fuhr los, jedoch ohne Fahrer, ganz zu Eevi's Verwunderung. Phoenix sah es ihr an und kicherte. »Solche Wagen fahren mit ein wenig Blut. Man gibt einen Code bei den Kristallen ein, sprich das Ziel und besiegelt das mit ein wenig Blut. Solange derjenige, der den Code eingab und somit auch das Blut den Wagen nicht verlässt, fährt der Wagen, quasi wie von selbst.« Eevi war immer wieder überrascht, was Lae-Bai alles aus Raksha-Kristallen machte. Es wunderte sie immer weniger, warum Lae-Bai so auf die Kristalle aus war. Ihre gesamte Technologie basierte auf ihnen. Einzig die Aussicht auf grüne Landstriche und Wälder faszinierte sie mehr, auch wenn sie weißen Steppen und Wiesen in Nat-Isa bevorzugte. »Heißt allerdings auch, dass wir ohne Niliana das Fahrzeug nicht bedienen können«, fügte Phoenix noch hinzu. Phoenix stützte seinen Kopf mit seiner Hand ab und tat es Eevi gleich. Die Aussicht war wirklich wunderschön. Ganz im Gegenteil zu ihrem Ziel. »Lasst mich euch die Details besprechen. Danach könnt ihr gerne so lange ihr wollt aus dem Fenster schauen.« Sowohl Eevi als auch Phoenix drehten sich wieder um. Niliana saß ihnen gegenüber. Sie sahen sie an. Niliana hatte ihre gesamte Aufmerksamkeit. »Ihr könnt euch mit jedem treffen, den ihr wollt, sobald wir den Auftrag hinter uns haben. Ihr habt danach genug Zeit. Wir werden nicht unmittelbar nach der Festnahme aufbrechen. Es gibt noch einige organisatorische Dinge vorher zu klären.« »Komm auf den Punkt. Wie viel Zeit haben wir nach dem Auftrag?« Phoenix hasste es, wenn Leute nur drum herum reden, statt auf den Punkt zu kommen. Für ihn war es Zeitschinderrei. »Einen Tag«, seufzte Niliana, »Dann brechen wir wieder auf. Mit oder ohne euch liegt bei euch.« »Einen Tag ist aber nicht viel Zeit, wenn man bedenkt, wen wir treffen wollen«, wandte Eevi ein. »Glaube mir, nachdem wir fertig sind, wird euch der Tag länger vorkommen, als er ist. Ihr werdet dankbar sein, wenn die Sonne untergegangen ist.« »Wieso? Ist es so illegal, was wir tun«, scherzte Phoenix. Doch wurde seine Frage unerwarteterweise sogar beantwortet. »Nicht direkt. Da wir aber unbemerkt alles tun müssen und somit niemand weiß, dass wir Kopfgeldjäger sind, ist es in dem Moment etwas illegal. Also lasst euch nicht erwischen. Alles zu erklären kostet zu viel Zeit. Zeit, die wir nicht haben.« »Also was genau hat er an Erinnerungen genommen und wie sollen wir ihn finden?« Etwas anderes wollte Eevi nicht wissen. Sie hoffte, dass es nützliche Informationen seien. Informationen, die ihr helfen könnten. »Er wird bei dem Treffen der Söldner sein, davon gehen wir aus. Aber wir müssen ihn vorher finden. Er könnte genauso gut im königlichen Palast sein.« »Also wissen wir nicht, wo er genau ist«, fügte Phoenix hinzu. Er zweifelte langsam an der Planung für dieses Unternehmen. »Ich muss mich nur mit unseren Kontaktpersonen in Verbindung setzen und wir wissen es. Was die Erinnerungen angeht. Ich weiß es nicht genau. Du erinnerst dich an die Schriften, die du übersetzen solltest für mich? Ich nehme an, er hat solche Erinnerungen gestohlen. Liam hatte die Vermutung, dass sie etwas der Verbindung zu Nat-Isa und Lae-Bai zu tun haben. Es ist nur eine Vermutung. Und letztendlich spielt es keine Rolle, denn Auftrag ist Auftrag.« »Was genau unterscheidet euch von Söldnern? Du hast keinerlei Informationen über die Dinge, die er weiß. Es interessiert dich nicht, solange die Kohle stimmt. Also was unterscheidet euch? Liam ...«, sprach Eevi, doch unterbrach Niliana sie sofort. »Liam redet viel, wenn der Tag lang ist. Ich habe nie gesagt, dass wir sehr anders sind. Söldner werden immer als sehr loyal dargestellt, doch sind sie das nicht. Sie geben ihre Nationalität auf. Kopfgeldjäger nicht. Wir sind loyal zu unseren Wurzeln. Das ist der Hauptunterschied.« »Auch Söldner bleiben ihren Wurzeln treu. Sie tun alles für die Leute. Auch ohne Geld. Die Anerkennung ist ihnen genug. Kopfgeldjäger denken nicht nach, sie tun es einfach.« »Wir denken sehr wohl nach. Warum seid ihr beide sonst hier? Wäre es, wie du es sagst, wärt ihr längst eingeschlossen. Denn vergiss nicht, auf euch ist auch ein Kopfgeld ausgesetzt.« »Für etwas, dass wir nicht getan haben!« »Soweit ich weiß, seid ihr aus dem Gebäude ausgebrochen. Du bist illegal hier und er hilft dir Informationen gegen Lae-Bai zu finden. Meiner Meinung nach ist jeder Punkt gerechtfertigt. Die Strafe vielleicht nicht, aber das spielt keine Rolle.« Niliana's Blick wich zu Phoenix. Dieser wollte gerade etwas erwidern, doch erwürgte es Niliana im Keim. »Und natürlich haben wir uns in den zwei Tagen, in den du geschlafen hast, über euch informiert. Oder glaubst du Liam, schickt euch mit, ohne auch nur ansatzweise etwas über euch zu wissen?« Niliana holte Luft. Sie hasste es, wenn man sie anzweifelte. Und Eevi zweifelte an Kopfgeldjägern und somit zweifelte sie an ihr. Für sie war die Sache gegessen. »Schon gut. Zurück zum Thema o. k.? Wie fangen wir den Typen, wenn wir wissen, wo er ist.« Phoenix wollte nicht weiter darauf eingehen. Es hätte nichts gebracht, selbst wenn er versucht hätte, sich zu rechtfertigen. Letztendlich wusste er, dass er ihr nicht half, Informationen gegen Lae-Bai zu finden, sondern für Lae-Bai. Doch beließ er es dabei. »Seine Magie funktioniert nicht gegen mich, aber gegen euch. Und wenn er mit euch in Kontakt kommt, erfährt er dann, wie wir ihn fassen wollen. Deswegen greift ihn an und überlasst den Rest mir. Es wäre zu fahrlässig euch mehr zu erzählen.« Allmählich verstand Phoenix, warum Niliana für diesen Job ausgewählt wurde. Er vergaß, dass sie Magie annullieren konnte. Sie war die Einzige, die ihn festnehmen konnte, ohne unfreiwillig Informationen preiszugeben. Dennoch könnte sie ihnen ruhig mehr erzählen. Anscheinend ging sie davon aus, dass Eevi und er seiner Magie zum Opfer fallen werden. Die restliche Fahrt schwiegen sie. Niliana schien es ihr echt übel zu nehmen, dachte sich Phoenix. Dennoch verging die Zeit schneller als gedacht. Phoenix und Eevi wechselten sich ab mit dem Schlafen, bis sie letztendlich die Stadtmauern ihres Zieles sehen konnten: Tenrouka, die Festungsstadt. Kapitel 12: Tenrouka, die Festungsstadt --------------------------------------- Hohe Mauern waren bereits vom Weitem zu sehen. Niliana parkte den Wagen etwas abseits. Den restlichen Weg gingen sie. Bereits jetzt, obwohl sie noch 10 Minuten Fußweg entfernt waren, schien die Stadtmauer sich bis in den Himmel zu erstrecken. Eevi zupfte an Phoenix Jacke und zeigte mit ihrem Finger auf den Hügel, der selbst hinter der hohen Mauer herausragte. »Das ist der königliche Palast«, entgegnete er ihr. »Es ist auch der Ort, an dem das Treffen der Söldner stattfindet, auch wenn der König nicht im Hause ist, im Moment.« Nach Langem sprach Niliana wieder. Sie schien sich beruhigt zu haben, zumindest äußerlich. »Der Palast selbst ist einige Hundert Jahre alt. Er wurde oft renoviert, dennoch erkennt man die alte Struktur. Ein wahrhaftiges Meisterwerk. Diese Säulen, die Figuren auf ihnen. Jede einzeln reingemeißelt ...«. Niliana hörte gar nicht mehr auf zu schwärmen. »Sie hat wieder auf Wissensbestie umgeschaltet«, seufzte Phoenix. Langsam näherten sie sich dem Stadttor. Die Wachen kamen bereits auf sie zu. Eevi stupste Niliana an, die noch immer vom Schloss schwärmte. Wie aus einer Trance erwacht, sah sie sich um und kramte in ihrer Tasche. Nach kurzem Suchen holte sie drei Papiere heraus, die Liam hier mitgab. Die Wachen sahen sie sich an und schauten wieder zurück zu den Dreien, bevor sie erneut auf die Papiere sahen und letztendlich wichen. Nach einigen Schritten wandte sich Niliana zu Phoenix und Eevi. »Ich werde unsere Kontaktperson aufsuchen. Wir treffen uns später an dem Ort. Verhaltet euch so lange unauffällig.« Sie überreichte Phoenix einen Flyer mit einer Adresse von einem Gasthof. Phoenix nickte und Niliana ging. Es waren nur noch Phoenix und Eevi. »Sollen wir Noel suchen gehen«, fragte Eevi leise. »Denke nicht, dass das etwas bringt. Er wird wohl kaum in der Stadt rumlaufen.« »Sollen wir uns die Stadt anschauen?« Phoenix kratzte sich am Kopf und sah zu Eevi. Ihre Augen hatten einen leichten Glanz. Anscheinend wollte sie sich wirklich die Stadt anschauen. Sie war bereits so fasziniert von der Umgebung gewesen, er hätte nicht gedacht, dass sie sich auch für Städte interessierte. »Können wir machen. Ich war vorher auch noch nie in Tenrouka. Es kann uns nur helfen, wenn wir uns ein wenig zu orientieren wissen.« Phoenix sah sich um. Vor ihnen erstreckte sich eine schmale Straße, die sich in viele Abzweigungen aufteilte. Sie schienen alle in die Stadt hinein zu führen. Die Straße war zu überfüllt, als das man dort hindurch kommen könnte. Einer nach dem Anderen reihte sich an den Nächsten. Eevi nahm Phoenix Hand und zog ihn die Masse rein. Sie nutzten die erste Abzweigung, die sie finden konnten. Die Gasse hatte wieder Abzweigungen, die jedoch alle nach rechts führten. Sie folgten den Menschen, die in die zweite Straße einbogen. Sie landeten bei einigen Läden, an denen wieder Gassen vorbei führten. »Diese Stadt ist ein einziges Labyrinth,« bemerkte Eevi leicht überrascht, » auf eine Abbiegung folgen drei Neue.« »Diese Stadt ist einfach riesig. Wie sollen wir denn da den Gasthof finden? Niliana hätte uns ja ruhig mal eine Karte geben können.« Phoenix schloss nicht einmal aus, das es Absicht war. Sie schien von Anfang an nicht begeistert zu sein, dass die Beiden mitkamen. So konnte sie Eevi und ihn loswerden und es war noch nicht einmal ihre Schuld. Offiziell zumindest. »Kann man ... euch helfen?« Es war ein junger Mann hinter ihnen, der die Frage an sie richtete, mit einem leichten Lächeln auf den Lippen. »Sehen wir so verloren aus«, antwortete Eevi, während ihr Kopf immer mehr in die Höhe ging, denn ihr 'Helfer' war sogar größer als Phoenix. Ihr Gegenüber hockte sich hin, sodass Eevi ihm ins Gesicht sehen konnte. Er legte seine Hand auf ihren Kopf, näherte sich ihr, damit sie verstand, was er ihr zuflüstern wollte:» An deiner Stelle würde ich von dem anderen Boden gehen, sonst verlieren wir dich noch aus Augen.« Leicht verwundert sah Eevi ihn an und blickte auf den Boden. Es waren tatsächlich zwei verschiedene Böden. Ihr einer Fuß stand auf ockerfarbigen Boden, wie Phoenix und der Fremde, während ihr anderer auf Rotbraunem stand. Sie wollte ihn fragen, was er damit meinte, doch wurde sie von Glockenschlägen übertönt. Sie ließen sogar den Boden vibrieren. Der Fremde fasste Eevi am Arm und zog sie zu sich. Er hielt sie fest im Arm. Ihr ganzer Körper kribbelte leicht, als wenn sie elektrisch geladen war. Der rotbraune Boden erhob sich nach dem dritten Glockenschlag. Vor ihnen lag nun eine Mauer aus Stein. »Es ist ein Verteidigungsmechanismus der Stadt. Zu bestimmten Zeiten verändert sich die Stadt. Die verschiedenen Böden zeigen an, welcher Teil auf oder ab geht. Wenn ihr genau hinseht, seht ihr, dass keines der Häuser auf zwei verschiedenen Böden steht.« Noch immer hielt er Eevi fest. Wieder neigte er sich zu ihr und sagte: »Entschuldige, ich hätte dich vorwarnen sollen, bevor ich dich einfach wegziehe. Ich habe einfach eine Schwäche für Nat-Isaner«, zwinkerte er ihr zu. »Diese schneeweißen Haare, im kompletten Gegensatz zu meinem schwarzen, diese blasse Haut, einfach wunderschön.« Eevi drückte sich etwas weg, dennoch war Phoenix sich sicher eine leichte Röte in ihrem Gesicht gesehen zu haben. Eevi löste sich letztendlich aus seinem Griff und stellte sich neben Phoenix. Der Fremde sah ihr hinterher und wechselte dann seinen Blick zu Phoenix. »Also soll ich euch etwas rumführen?« »Ich wäre jedenfalls dankbar dafür. Diese Stadt ist wirklich verwirrend«, antwortete Phoenix, während Eevi sich weiter hinter ihm stellte. Die Situation schien ihr wirklich unangenehm zu sein. So kannte Phoenix sie gar nicht. »Aber nur ohne System,« grinste der Fremde, » ich heiße übrigens Emari. Und hier seid?« »Phoenix und sie heißt Eevi.« Mit einer Handbewegung deutete er auf Eevi, die langsam hinter ihm zum Vorschein kam. »Ein Feuervogel, unterwegs mit einem Mädchen aus dem Schneeland. So ungleich und doch so gleich. Entschuldigt, ich schweife mit den Gedanken ab. Gibt es etwas Bestimmtes, dass ihr zuerst sehen möchtet?« »Da wäre tatsächlich etwas.« Phoenix kramte den Zettel hinaus, den Niliana ihnen gab. »Dieser Gasthof weißt du, wo er ist? Wir wollten uns später dort mit jemanden treffen.« Emari sah sich die Adresse genau an, überlegte kurz, legte seine Hände auf je eine Schulter von Eevi und Phoenix und flüsterte ihnen nur leise ein 'folgt mir' zu. Schnellen Schrittes ging Emari vor und Eevi und Phoenix folgten ihm. »Er scheint sich hier echt auszukennen. Wir haben Glück ihn getroffen zu haben«, flüsterte Phoenix Eevi begeistert zu. »Ich weiß nicht so recht. Irgendwie ist er seltsam, findest du nicht?« Eevis gesamter Körper schauderte. Phoenix jedoch grinste sie nur an. »Dir sind solche Dinge echt unangenehm, oder? Weißt du, nicht jeder hat Hintergedanken. Einige wollen einfach nur helfen.« Eevi schwieg. Sie wusste, wie er es meinte, dennoch. Allerdings schien Emari wirklich zu wissen, wo er lang ging. Vielleicht lag sie falsch. Zuversichtlich bogen sie ab und blieben vor einer Kreuzung stehen. »So«, sagte Emari. »Sind wir da?« Phoenix sah sich um. Er sah nichts, was auch nur einem Gasthof ähneln könnte. »Nope, wir haben uns etwas verlaufen«, gab Emari zu, dennoch lag eine Zufriedenheit in seiner Stimme, die Eevi ihm am liebsten ausbringen wollte. Doch schlug sie lieber ihren Ellenbogen in Phoenix Seite. »Er scheint sich hier auszukennen. Wir haben echt Glück ...«, flüsterte sie. »Aber du weißt, wo wir jetzt hinmüssen, nicht wahr?« Phoenix rieb sich seine linke Seite. Wer hätte gedacht, dass der Ellenbogen von jemand so Kleines so weh tun konnte. »Nicht ... Wirklich,« lachte er, während er sich eine Hand hinter dem Kopf hielt,»Ich hab vergessen, dass die Stadt sich ja veränderte. Aber von hier aus kommen wir zumindest zum Kolosseum«, fügte er zuversichtlich hinzu. »Kolosseum«, fragte Eevi ungläubig nach. Die Stadt war groß genug für ein Kolosseum? »Jap. Morgen veranstalten die Söldner dort eine Art Show-Kampf, bevor sie sich zurückziehen, wegen ihrer Besprechung. Viele Touristen kamen extra nur deswegen nach Tenrouka.« »Ein Show-Kampf«, murmelte Phoenix, »Ich nehme nicht an, es gibt eine Möglichkeit mit ihnen zu reden?« »Für normale Leute jedenfalls nicht. Dennoch lohnt es sich wirklich das anzusehen. Gerade euch zwei müsste das doch interessieren.« »Wie kommst du darauf?« Eevi blieb misstrauisch. Sie war nicht Phoenix, die jeden blind vertrauen konnte. Misstrauen ist nicht immer schlecht. »Wenn ich euch so ansehe ...« Emari musterte zunächst Phoenix von Kopf bis Fuß. »Ein erstklassiges Schwert auf dem Rücken, Feuer in den Augen, sportlicher Körper. Du scheinst viel zu kämpfen.« Bei Eevi ließ er sich mehr Zeit zum Mustern. Langsam glitten seine Augen von den Haaren, zu ihrem Gesicht, auf ihren Schal, runter zu ihrem Bauch, bis er letztendlich ihre Beine betrachtete und ihre Füße. »Und dich schleift er bestimmt gerne mit. Außerdem wer sieht sich nicht gerne Freundschaftskämpfe an? Man kann eine Menge von ihnen lernen.« Er pausierte. »Puh, ist ja doch ganz schön warm in Lae-Bai.« Emari knöpfte langsam seinen Mantel auf und zog ihn aus. Erst jetzt sah man den langen Pferdeschwanz, den er unter dem Mantel versteckte. Auch seine schwarz-weiße Hose fiel erst jetzt auf. Seine Sachen allgemein wirkten jetzt nicht wie jemand, der aus Tenrouka kommt. »Du bist doch aus Tenrouka, nicht wahr?« Die Skepsis hörte man Eevis Stimme heraus. Die Leute, die hier rumliefen, hatten alle andere Klamotten an. Eher unauffällige, wie Phoenix. Aber seine hatten teilweise schon zu viele Farben, um in dieses Schema zu passen. »Nope, habe ich je den Eindruck erweckt? Tut mir leid«, lachte er wieder. Er lachte oft, das fiel auch den beiden auf. »Aber ich kann euch dennoch zum Gasthof bringen, ich brauch nur etwas Orientierung, wie die Stadt jetzt aufgebaut ist.« Emari sah sich um. Er suchte einige Leute, die er befragen konnte. Als er welche sah, eilte er zu ihnen und rempelte sie glatt um. Eevi und Phoenix blieben hinten stehen. »Sag mal, liegt es an dir oder an mir, dass wir solche Leute anziehen? Der ist ja eine richtige Frohnatur«, stellte Eevi fest. »Ich weiß es nicht. Da bin ich überfragt. Immerhin hat er was zu lachen«, antwortete er ihr. Mittlerweile wurde er sogar ihm etwas suspekt. »Aus Nat-Isa ist er aber auch nicht, oder?« »Denke nicht. In Nat-Isa haben eigentlich alle sehr blasse Haut. Und helles Haar. Schwarze Haare findest du dort eigentlich nicht, zumindest nicht von Natur aus. Er sagte, er nicht aus Tenrouka. Schließt ja Lae-Bai nicht aus.« »Lae-Bai schließe ich aber aus. Lae-Bai legt viel wert auf Kämpfe und Militär. Er ... passt da nicht wirklich rein, finde ich.« Emari kam wieder und das Gespräch der beiden verstummte. »Wir müssen dort lang. Wir sind nur einmal falsch abgebogen.« Seine Hand zeigte in die Richtung, aus der sie kamen. Sie folgten ihm. Eine andere Wahl hatten sie nicht. Wirklich auskennen taten sie sich in der Stadt nicht, genau wie er, eigentlich. »Und kommt ihr morgen zu dem Show-Kampf? Eintritt ist umsonst. Ich kann euch gute Plätze besorgen.« »Wir werden kommen«, sagte Eevi schneller, als Phoenix es realisieren konnte. Sie sah zu ihm und nickte, in der Hoffnung, dass er sie verstand. »Ja, klingt recht interessant. Weißt du, welche Söldner kämpfen werden?« Es stand fest, dass sie hingehen würden, als Emari es erwähnte. »Es wird ausgelost heute im Stillen. Also keine Ahnung. Aber ich bin mir sicher, es lohnt sich, auch wenn euer Favorit nicht antreten sollte. So da sind wir«, grinste er die beiden an. Erst jetzt realisierten sie, dass das ihr Gasthof war. Sie achteten gar nicht darauf, wohin sie gingen. Sie sind ihm nut gefolgt. »Und wie finden wir hier wieder zurück, wenn wir wohin gehen?« »Merkt euch einfach den Boden. Das hilft. Es gibt hier überall Karten, wo nur die Farbe eingetragen ist und die Straßen. Ihr müsst ein wenig umdenken, wenn auf den Karten sind natürlich keine Veränderungen eingezeichnet. Ich muss dann auch. Wir sehen uns morgen,«winkte er ihnen zu, bevor er kurz später verschwand. Eevi ging zum Gasthof mit dem Zettel in der Hand, während Phoenix sich noch von ihm verabschiedete. »Phoenix. Das ist nicht unser Gasthof,« sagte sie schnell und leise. »Was meinst du damit? Der Name ist doch derselbe?« Er riss ihr den Zettel aus der Hand, sah auf den Namen und beugte sich etwas vor, um den Namen des Hauses zu erkennen. Sein Gesicht wurde blasser, je öfter er sich die Namen ansah. Es war nicht nur ein Buchstabe, der anders war, es war ein ganzes Wort. »Vielleicht haben sie ihren Namen geändert«, lächelte er. Er versuchte sich selbst zu überzeugen, doch wirkte es nicht. Phoenix drehte sich um, doch Emari war bereits weg. »Dieser Kerl kennt sich hier noch weniger aus als wir«, seufzte er, »Lass uns weitersuchen. Niliana macht uns fertig, wenn wir dort heute Abend nicht auftauchen.« Kapitel 13: Kolossale Größen ---------------------------- Lange Schlangen bildeten sich vor dem Kolosseum. Das Jubeln der Masse innerhalb drang bis nach draußen. Leicht übermüdet kamen Phoenix und Eevi an. Der junge Mann sah sich immer wieder um. Wieder und wieder versuchte er einen Mann mit langem, schwarzen Pferdeschwanz zu finden, dessen Mantel bis an die Füße ging, doch bisher ohne Erfolg. Dabei wollte er doch heute hier sein. »Er ist wahrscheinlich schon drin«, meinte Eevi. Sie sah zum Eingang, an dessen Pforten sich die Leute versammelten. Lediglich zwei Wachen hielten die Massen auf. »Schon erstaunlich wie viele sich diesen Kampf ansehen wollen ...«. Ihr Blick richtete sich nach oben. Eine Art Leinwand wurde aufgebaut. Phoenix missfiel ihr misstrauischer Blick nicht. »Eine Raksha-Leinwand. Sie wird den Kampf wohl übertragen. Kein Wunder, bei der Masse.« Er lächelte sie an. Er hätte nicht gedacht, dass Lae-Bai anderen Ländern in Sachen Technologie so voraus sei. »Hey, ihr beiden!« Mit einem Ruck umarmte jemand die beiden, je ein Arm auf einen der beiden. Sein ganzes Gewicht in ihrem Rücken, zusammen mit dem Schreck. »Ach, meine kleine, süße Eve. Ich wusste, dass du kommen würdest.« Beide befreiten sich aus Emaris Griff. Doch Emari zog sie Richtung Eingang. Die Wachen ließen ihn ohne Weiteres durch, ganz zu ihrer Überraschung. Jegliche Fragen oder Beschwerden erdrückte er sofort im Keim. Erst auf der Tribune ließ er die beiden los. »Ich hab uns gestern Abend bereits angekündigt«, zwinkerte er ihnen zu. Doch alles, was Phoenix erwiderte, war ein Schlag auf den Hinterkopf. Mit schmerzverzerrtem Gesicht streichelte Emari über die Stelle, an der kurz zuvor Phoenix Hand noch war. »Wofür war das?«, quengelte er ein wenig. »Wofür? Wofür?! Weißt du, was wir wegen dir durchgemacht haben? Du orientierungsloser Idiot hast uns zum falschen Gasthof gebracht. Weißt du eigentlich, wie sauer Niliana war?! Die hat uns nicht mal schlafen lassen! Wir haben bis Mitternacht gebraucht, um den Gasthof zu finden ... und ... und«, stotterte Phoenix. Er wollte sich nicht zurückerinnern. Niliana war sehr konsequent, wenn es um Unpünktlichkeit ging. Eevi war noch leicht davon gekommen. Sie bot ihr schließlich ihre Kenntnisse in alter Schrift an. Aber er ... er konnte sich nicht rausreden. Selbst als er versuchte zu erklären, warum, hörte sie nicht zu. Ihre Argumentation war einfach nicht zu widerlegen. Er wollte es einfach vergessen. »Habt ihr denn wenigstens die Informationen bekommen, über die Person, die ihr sucht?« »Wie kommst du darauf, dass wir jemanden suchen?« Emari sah zu Eevi und lächelte sie an. Mit einer Handbewegung deutete er auf den Kampfbereich. Anscheinend fing die Auslosung an. Eevi nahm es erst einmal hin, doch vergessen würde sie die Frage nicht. Er war ihr suspekt. »Meine Damen und Herren«, schallte es von unten,»Erlebt den Show-Kampf des Jahres, wenn nicht sogar Jahrtausends! Zwei der besten Söldner treten gegeneinander an. Ihre Partner spielen hier nur eine beistehende Rolle, darauf wurde sich zuvor geeignet. Schließlich wollen wir das Kolosseum noch eine Weile behalten.« Das Publikum war ruhig. Alle hörten dem Sprecher gespannt zu. »Doch nun zu unseren Kämpfern!« Wie außerhalb, war dort eine riesige Leinwand. Auf ihr waren alle sechs Söldner zu sehen. Es waren die sechs, die sich dafür bereits erklärten: Unter ihnen auch Noël. »Ihr könnt euch sicher sein, Noël kämpfen zu sehen. Er bestand regelrecht darauf anzutreten«, sagte Emari gespannt. Seinen Gegner schien auch er nicht zu kennen. »Unser erster Söldner, wie viele es bereits wissen, Noël mit seiner Partnerin Avent!« Gespannt sahen alle zu einen der beiden Ausgänge. Und tatsächlich trat ein Mann mit einer Frau heraus. Er trug einen dunkelblauen Mantel mit Gürtelschnallen, während ihr weißes Kleid mit ihren hellrosanen Haaren abgestimmt schien. »Das ist Noël!«, sagte Phoenix freudestrahlend. Er hatte seine Bruder lange nicht mehr gesehen. Euphorisch klammerte er sich am Geländer der Tribüne fest. Eevi war skeptischer. Nur weil Noël da unten ist, sind sie immer noch hier oben, versuchte sie ihm klar zu machen. Avent ging zu Noël, sprach mit ihm und zeigte in ihre Richtung. Noël winkte ihm, typisch für ihn, mit einer Hand zu. Anscheinend wusste er, dass sie hier sind. Es konnte kein Zufall sein, dass er in ihre Richtung grüßte, versuchte sich Phoenix einzureden. »Und nun zu seinem Gegner: Raoûl mit seiner Partnerin Chanté!« »Interessant, der schwarze Engel Noël gegen den blauen Teufel Raoûl«, stellte Emari leicht überrascht fest »Wer ist dieser Raoûl? Ich habe noch nie von ihm gehört.« Eevi stellte sich neben Phoenix, der immer noch am Geländer stand. »Der blaue Teufel Raoûl... Er ist ungefähr solange im Geschäft wie Noël. Er gilt als erbarmungslos. Außerdem heißt es, er mache die Aufträge für die Andere zu viel Moral und Gewissen besitzen. Wegen dem und seinen blauen Haaren wird er auch der blaue Teufel genannt. Anders als Noël mit seiner Beschwörungsmagie, hat Raoûl ... nun ja«, Eevi stockte etwas. »Er hat Runenmagie. Und wie die meiste Runenmagie ist auch seine schattenbasierend. Seine Spezialität sind zum Beispiel riesige Giganten aus Schatten. Oder seine eigene Kraft durch Runen zu stärken«, setzte Emari fort. »Er hat also die selbe Magie wie du, Eevi. Das ist ja fast so als würden wir da unten gegeneinander kämpfen«, scherzte Phoenix. »Seine Magie ist auf einem vollkommen anderen Level als meine. Aber sieh selbst.« Der Sprecher ziehte sich nach hinten zurück. Es waren nur noch Noël und Raoûl in der Arena. Avent und Chanté standen an der Wand außerhalb des Kampfringes und redeten miteinander, während ihre Partner sich die Hände reichten, bevor es los ging. Sie entfernten sich wieder einige Schritte voneinander und warteten die ersten Glockenschläge ab, die den Kampf beginnen sollten. Die Spannung im Publikum war deutlich zu spüren. Auch wenn es nur ein Freundschaftskampf war, so starrten alle wie gebannt auf die beiden Söldner. Es war vermutlich ihre erste und letzte Chance so einen Kampf zu sehen. So angespannt die Zuschauer waren, so entspannt waren die beiden Söldner. Endlich ertönten die Glockenschläge. Noël stand nur da, seine Hände in seiner Jackentasche. »Fang an Raoûl! Ich komme mit allem klar«, sagte er ihm mit einem Grinsen zu. Raoûl wartete nicht lange. Er streckte seinen rechten Arm aus, schnippte mit dem Finger und grinste. Sein Schatten formte sich zu einem Wolf, der so groß wie Raoûl selbst war. »Fass«, sagte Raoûl und zeigte auf Noël. Der Wolf stürmte los und griff Noël an. Dieser wich mit einem gezielten Sprung nach hinten aus, doch war der Wolf ihm immer noch auf den Fersen. Kurz bevor er vor Noël war und bereit zum Angriff, holte Noël aus und trat ihn mit voller Kraft gegen die Wand. Der Schattenwolf verschwand, doch erschien bereits ein weiterer hinter ihm. Und noch zwei weitere links und rechts neben ihm. Raoûl grinste. Er sah sich das nicht nur untätig an. Schließlich wusste er, wer sein Gegner ist. »Glaubst du denn, deine kleinen Schoßhunde könnten etwas gegen mich ausrichten? Ich zeige dir mal, was ein wirklicher Wachhund ist, mein kleiner Teufel.« Noël biss in seinen kleinen Finger, sodass dieser blutete. Er schrieb ein Zeichen auf seinen Handrücken, das sich bis über seinen gesamten Unterarm erstreckte. Es war ein Wort, dass das Zeichen zum Glühen brachte. Unter ihm entstand ein Kreis mit demselben Zeichen. Die Schattenwölfe sprangen nach hinten. Aus dem Kreis stieg eine Art Hund mit zwei Köpfen empor. Der Hund war pechschwarz mit roten Augen und Pfoten, sein Schweif bestand aus Feuer. »Es wäre Verleumdung ihn Cerberus mit nur seinen beiden Köpfen zu nennen, deswegen sag Hallo zu Kerberus.« Noël streichelte Kerberus sanft über den Kopf. Der Feuerschweif wedelte hin und her, zündete dabei fast Noëls Mantel an. »Schnapp ihn dir, mein Kleiner«, flüsterte er Kerberus zu. Dieser ließ ein ohrenbetäubendes Jaulen ertönen, dass die Schattenhunde auflösen ließ. Selbst das Publikum hielt sie die Ohren zu, so laut war es. Raoûl jedoch schien unbeeindruckt. »Weißt du, was das Problem an euch Beschwörern ist? Ihr lasst immer Andere für euch kämpfen.« Raoûl ballte seine Hände zu Fäusten und klopfte auf den Boden. Sein Schatten legte sich um die Fäuste wie Handschuhe. Er deutete Noël mit einer Geste an, dass er kommen sollte. Er ließ sich dies nicht zwei Mal sagen und schickte Kerberus los. Kerberus lief auf ihn zu, sein Feuerschweif wurde größer. Raoûl machte sich bereit. Kerberus griff an, wollte ihn beißen, doch alles, was er zwischen die Zähne bekam, war eine Platte geformt aus Schatten. Raoûl wandelte seinen einen Handschuh um. Mit der anderen Faust schlug er den Feuerhund von sich weg. »Oh, ich vergaß. Deine Schatten können hart wie Stahl werden. Schon interessant, was so ein paar Buchstaben alles Machen können.« »Spar dir deine Heuchelei Noël. Runen sind alte Magie. Die können Dinge anstellen, von denen kannst du, Mister Perfect, nur träumen.« »Runenmagie ist ein Witz gegen meine Beschwörungen! Du wirst niemals die Vielfalt haben, die ich habe Raoûl!« »Und trotzdem wirst du gerade von dieser Eintönigkeit fertiggemacht!« Sie diskutierten weiter. Auch Kerberus Versuche anzugreifen, störten Raoûl nicht. Er griff Kerberus nebenbei an, schenkte ihm nicht einmal einen Augenblick Aufmerksamkeit. »Diskutieren die gerade über die Magie«, fragte Phoenix verwundert. Er wusste, dass Noël viel von Beschwörungsmagie hielt, dennoch ... »Die beiden können sich nicht wirklich leiden, weißt du. Die geraten ständig aneinander, nicht nur wegen deren Einstellungen zu der Magie des jeweils Anderen«, warf Emari ein, »Aber, ich habe die Befürchtung, dass das gerade etwas ausartet, sieh selbst!« Noël rief Kerberus zurück. Er löste sich, wie Schattenwölfe, auf. »Dir ignorantem Idiot zeige ich, zu was Beschwörungsmagie fähig ist!« Noël zog seinen Mantel und T-Shirt aus und warf diese in die Ecke. Er biss sich in beide Daumen, bis sie bluteten, und schrieb verschiedene Symbole auf seinen gesamten Oberkörper. »Noël! Tu das nicht! Hier sind noch andere außer euch zwei«, schrie Avent ihm zu, doch wurde sie ignoriert. Raoûl zögerte nicht lange und tat es ihm gleich. Auch er schrieb Zeichen auf, jedoch nicht auf seinen Körper, sondern auf dem Boden mit Schatten geformt. Er verschwendet sein Blut nicht für so was. Er kann das zivilisierter aufschreiben, anders als der Möchtegernbeschwörer ihm gegenüber, dachte er sich. »Erhebe dich, Fornica«, sprach Noël. Wieder entstand ein Kreis, wie schon zuvor bei Kerberus. Doch dieses Mal kam eine Art grüner Drachen heraus. Er sah aus wie eine Mischung aus Drache und Fee. Im Gegensatz zu Kerberus, sah Fornica friedlich aus. Raoûl schnippte mit dem Finger. Der Schatten und die Runen wandelten sich zu einem Ebenbild von Fornica. Phoenix trat vom Geländer zurück. Sein Gesicht wurde blasser, seitdem er den Namen hörte. »Phoenix, was ist los«, fragte Eevi ihn. »Emari hat recht. Das artet gerade so was von aus! Wir müssen hier weg!« »Wieso? Was ist denn so schlimm?« Eevi verstand ihn nicht. Die beiden machen doch nicht ernst. »Wenn Noël Fornica ruft, ist das nicht gut. Der macht gerade sowas von ernst! Fornica ist sein stärkster Geist. Es ist der, mit dem er geboren wurde, wie bei mir Leon. Wir müssen hier weg!« Phoenix wurde sichtlich nervöser. »Er hat recht. Und das Raoûl mit dem Ebenbild kontert, spricht auch dafür, dass das kein Spaß mehr ist. Ich wusste, die können ihre Konflikte nicht zu Hause lassen! Das Ebenbild dient mehr als eine Art Schutzschild. Schau auf Raoûl, der schreibt weiterhin Zeichen. Der hat noch mehr vor.« »Du weißt genau, deine Geister nützen dir gegen mich nichts.« »Glaubst du wirklich, dass deine billigen Kopien gegen das Original gewinnen können? Fornica, Angriff!« Ein leichtes Jaulen, das wie Gesang klang, kam aus Fornicas Richtung. Es breitete seine Flügel aus und flog empor. Es war zunächst ein leichter Windstoß, der aufkam, gefolgt von einem heftigen, der sogar einige Zuschauer von den Plätzen wehte. Fornicas Ebenbild schützte die meisten Zuschauer, doch bei Weitem nicht alle. Fornicas Attacke wurde immer stärker. Phoenix hielt Eevi am Arm fest, während er sich an das Geländer klammerte. Der Wind peitschte den beiden in das Gesicht. Raoûl schlug mit seinen offenen Handflächen auf den Boden. Der Boden verfärbte sich schwarz. Eine Art Kuppel entstand. Dieses Mal war es Eevi, die blasser wurde. Phoenix fragte nicht nach, er könnte sich denken, dass diese Kuppel nichts Gutes zu bedeuten hatte. Die Luft wurde immer angespannter, Fornicas Windangriffe immer stärker und die Kuppel fing an sich zu schließen, auch wenn Fornicas Angriffe nun direkt die Kuppel anvisierten. Einige Stücke der Kolosseumswand flogen durch die Luft, durch die Angriffe. Die Zuschauer taten sich schwer, den Steinen auszuweichen und sich auf den Plätzen zu halten. Doch rausstürmte keiner, zu Eevis Verwunderung. Im Gegenteil, sie schienen alle begeistert zu sein, trotz der Gefahr, die da unten sich abspielte. Oder schätzten sie das alle falsch ein? Der Wind hörte abrupt auf und auch die Kuppel verschwand. Es waren Avent und Chanté, die sich nun einmischten und ihre Partner stoppten. Anscheinend war es wirklich nicht harmlos, was die beiden vorhatten. Avent drehte sich zum Sprecher und signalisierte, dass der Kampf vorbei ist. Es brauchte einige Augenblicke, bis der Sprecher das Wort ergriff. »Der Show-Kampf ist nun vorbei. Was für ein Freundschaftskampf! Sie sind wirklich zurecht, die Besten der Besten!« Avent und Chanté zogen ihre Partner aus der Arena. Raoûl und Noël waren wütend, dennoch konnte Noël immer noch ein Grinsen auf dem Gesicht zeigen. »Hast du gesehen? Phoenix und Eevi sind mit ihm unterwegs«, zischte Noël. »Du meinst Emari? Vielleicht war es Zufall. Du solltest glücklich sein, dass die beiden überhaupt hier sind«, entgegnete ihm Avent. »Zufall? Als ob! Der steckt doch mit diesem blauhaarigen Idioten unter einer Decke. Avent, lade sie doch zu unserem Treffen ein, da können wir alles in Ruhe besprechen. Und schicke auch Emari eine Einladung. Er soll sehen, was es ihm bringt, sich einzumischen.« ~ ~ ~ »Chanté? Hast du rausbekommen, ob es stimmt?« Raoûls Stimme war leise. Auch wenn Noël weit weg war, war er lieber vorsichtig. »Emari berichtete mir, dass er die beiden getroffen hat. Es sind wirklich sein kleiner Bruder und eine Nat-Isanerin.« »Sorg dafür, dass sie ihn auf keinen Fall treffen. Er darf sie nicht auch noch für sich gewinnen.« Chanté nickte. Sie gingen beide aus dem Kolosseum heraus. ~ ~ ~ »Gott sei Dank haben die das unterbrochen. Wer weiß, was sonst passiert wäre«, seufzte Phoenix erleichtert, »Geht's euch gut? Eevi? Emari?« Beide nickten, während Emari seine Haare noch richtete. »Phoenix? Warum sind die Leute nicht panisch rausgerannt? Im Gegenteil, sie waren sogar begeistert, als es ernst wurde.« »Anders als Nat-Isa, ist Lae-Bai ein Militärstaat, wie du bereits weißt. Die Leute lieben den Kampf. Überlege mal, warum hier ein Kolosseum ist. Die meisten von ihnen können nicht kämpfen, weswegen sie gerne dabei zu sehen. Der Kampf ansich wird in Lae-Bai sehr gefördert. Es gibt sogar Belohnungen und Vorteile, wenn man auf die Akademie für Kampfkünste geht. Offiziell ist es freiwillig, doch meist hat man keine andere Wahl, als auf diese Schule zu gehen«, antwortete Emari ihr. »Du weißt ganz schön viel, woher kommt's«, fragte Phoenix ihn schließlich. »Ich bilde mich gerne weiter, das ist alles«, grinste er sie wieder an, »Ich glaube Noël zu treffen, könnt ihr im Moment knicken. Lasst uns erst mal rausgehen.« Beide nickten. Die Masse an Leute saßen noch in ihren Plätzen. Wahrscheinlich hofften sie auf eine Art Zugabe. Emari führte sie denselben Weg hinunter, wie sie heraufkamen. Vor dem Kolosseum lichteten sich bereits die Massen. Avent erwartete die Drei bereits. Sie ging auf sie zu und stellte sich erneut vor:»Mein Name ist Avent, Noëls Partnerin und ebenfalls Söldnerin. Wir haben uns noch nie in Person gesehen, freut mich euch kennenzulernen.« Ein warmes Lächeln zierte ihr Gesicht. Eevi und Phoenix freuten sich,während Emaris Gesicht unbeeindruckt blieb. »Noël trug mir auf, euch drei auf das Söldnertreffen im Palast einzuladen. Natürlich könnt ihr Niliana mitbringen.« »Woher kennst du Niliana? Sie ist doch gar nicht hier«, fragte Phoenix verdutzt. Avent kicherte. »Liam, ihr Vater, war einst ein Söldner, natürlich kennen wir sie.« Eevis und Phoenix Augen weiteten sich. Sie trauten ihren Ohren nicht. »Die ist mit dem verwandt?!«, sagten beide fast zeitgleich. »Nun habt ihr Intere-« »Nein, danke. Wir wollen nicht kommen«, unterbrach Emari sie, »Zivilisten sind nicht erlaubt bei diesem Treffen. Und wir haben vor uns an diese Regeln zu halten.« »Zivilisten? Ihr seid keine Zivilisten. Phoenix ist Noëls kleiner Bruder, und Eevi ist sogesehen Noëls Schülerin und du bist doch mit Raoûl sehr eng befreundet. Und Niliana stammt von einem Söldner ab. Glaube mir, ihr seid dort herzlich willkommen. Nun denn ich sehe euch am Palast. Keine Sorge, wir lassen die Wachen wissen, dass ihr kommt.« Avent verbeugte sich und ging. »Leute, wir sollten da wirklich nicht hingehen. Ich habe da kein gutes Gefühl bei.« »Hey, aber sie hat uns so nett eingeladen. Außerdem können wir dann endlich mit Noël reden. Und glaube mir, wir haben eine Menge mit ihm zu besprechen. Du kannst Raoûl sehen, Niliana ihre Sachen erledigen und alle sind glücklich. Wo ist das Problem Emari?« Emari schwieg. Er schien nicht glücklich darüber zu sein, dennoch stimmte er letztendlich zu. »Phoenix, geh schon mal vor und sag Niliana Bescheid. Ich muss noch ein paar Besorgungen erledigen.« Etwas verwundert sah Phoenix sie an, doch nickte er letztendlich zu und ging vor. »Also, wie kamst du darauf, dass wir jemanden suchen?« Sie hatte ihre Frage nicht vergessen. Und sie wusste, dass er nicht Noël meinte. Emari sah sie an. Er dachte nicht einmal daran, Ausflüchte zu suchen. Es hätte keinen Sinn gehabt. »Was wäre, wenn ich dir sage, dass ihr mich sucht?« Emari duckte sich etwas, er fürchtete sich etwas vor ihrer Reaktion. »Du? Du sollst der ach so Böse sein, der Erinnerungen stiehlt?« Ihre Verwunderung war ihr ins Gesicht geschrieben. Mister X hätte sie sich ... nun anders vorgestellt. Dennoch warum sollte er lügen? Zumal er Gefahr läuft, dass sie ihn gleich zu Niliana bringt. »Ich stehle sie nicht. Ich leihe sie mir aus, sehe sie mir an und bringe sie zurück. Wie ein Filmverleih. Ich habe deine Erinnerungen gesehen und ich weiß deshalb, dass ihr das hier mehr oder weniger freiwillig macht. Wenn du mir hilfst, dann bringe ich euch hier raus. Ich bin glücklich, ihr seid die Kopfgeldjägerin los und alle sind zufrieden.« Noch immer ging Emari in Deckung, jederzeit bereit zu rennen, wenn es nötig war. »Moment mal, wann hast du meine Erinnerungen gesehen?!« Eevi dachte nach, und dennoch es viel ihr keine Möglichkeit ein. »Als ich dich vor den Steinboden rettete, da ist es ausversehen passiert«. Noch immer duckte er sich, erst als er ihr etwas verduztes Gesicht bemerkte, erhob er sich. »Was weißt du alles«, fragte sie, noch leicht misstrauisch. »Ich weiß, dass ihr mich nicht aus freien Stücken sucht. Und keine Sorge, in so einer kurzen Zeit kann ich nicht alles sehen. Ihr wollt zu Noël. Ich kann euch hier rausbringen, ihr müsst mich nur vor Niliana schützen. Ich bin ein Beobachter und kein Kämpfer. Die macht mich fertig.« Seine Stimme zitterte. »Nicht nur dich«, murmelte Eevi, »Ich hätte dann aber noch ein persönliches Anliegen, wenn du Erinnerungen einsehen kannst.« »Ich habe versucht an Informationen ranzukommen über die Revolution, aber bisher ohne großen Erfolg. Auf dem Treffen kann sich das ändern. Wenn du mir hilfst, dann gebe ich dir alle Informationen, die ich bis dahin haben werde.« »Du hast also wirklich meine Erinnerungen gesehen. Ich werde mit Phoenix reden. Versprechen kann ich nichts. Wir müssen erst abwegen, was gefährlicher ist: Dir zu helfen und sich gegen Niliana stellen oder dir nicht helfen und von Niliana ...«. Sie stoppte. Was Niliana hier nach mit ihnen machen würde, war noch nicht einmal sicher. Einsperren? Doch nach Nat-Isa? Oder würden sie sie für mehr Aufträge missbrauchen? Sie wollte weder Kopfgeldjäger sein, noch ein Wörterbuch auf zwei Beinen. Eevi drehte sich von Emari weg und ging. Sie musste Phoenix alles erzählen. Das Mädchen lächelte. Es war später Abend als Eevi im Gasthof ankam. Niliana und Phoenix erwarteten sie bereits im Eingangsbereich. Eevi schloß leise die Tür hinter sich. Niliana schien bereits von der Einladung zu wissen, denn sie winkte Eevis zögerlichen Versuche zu sprechen bereits ab. Sie wusste nicht wirklich, wie sie das Thema ansprechen sollte. Vorallem allein mit Phoenix ohne Verdacht zu schöpfen. »Niliana, könnt ich mal kurz mit Phoenix allein reden? Ist etwas persönliches«, brachte sie letztendlich heraus. »Wenn du mir sagst, wer dieser Emari wirklich ist, gerne«, entgegnete sie ihr. »Das hab ich dir doch ...«, fing Phoenix an, doch wurde er von Niliana unterbrochen. »Ich will es von ihr noch einmal hören.« Eevi schnaufte durch. »Ein Bekannter, der uns durch die Stadt führte. Er ist gut mit einem Söldner befreundet«, lächelte sie ihn letztendlich an. »Ist das alles? Wolltest du nicht noch erwähnen, dass er derjenige ist, den wir suchen? Ich wurde ja schon misstrauisch, als Phoenix mir das alles sagte und das du noch da geblieben bist, spricht nicht für ihn. Und auch nicht für dich.« »Selbst wenn er es sein sollte, was ändert das? Ist es dann nicht sogar besser, wenn wir hingehen. Dann kannst du ihn gut beobachten. Er kann keine Erinnerungen einfach nehmen, wie er will.« Niliana lächelte. »Das reicht mir schon. Danke für die Gewissheit, dass er es wirklich ist. Ihr habt einen guten Job gemacht. Entschuldigt mich, ich muss noch was zu Ende bringen. Wir bringen euch dann danach nach Nat-Isa.« Eevi und Phoenix sahen ihr hinter, als sie den Gasthof verließ. »Sie hat dich reingelegt. Und du hast ihr bestätigt, dass sie Emari sucht. Wir sollten ihr nie helfen, den Typen festzunehmen. Wir sollten ihr nur helfen ihn zu finden«, wandte Phoenix ein. Er stand auf, ging zu Eevi, die immer noch Niliana hinterher sah. Er legte seine Hand auf ihre Schulter und flüsterte:»Mach dir nichts draus. Was wolltest du mit mir besprechen?« Seine Stimme wurde lauter. Eevi brauchte einige Zeit, bis sie wieder bei sich war. Sie ist auf so etwas simples reingefallen. Noch immer stand sie fassungslos da. Erst als Phoenix sie packte und auf seine Schultern warf, kam sie zu sich und protestierte. Doch ließ Phoenix sich nicht beirren, ging die Treppe zu ihrem Zimmer hinauf und setzte sie auf das Bett. »Also«, fing er an, »was wolltest du besprechen?« Er setzte sich neben ihr. »Emari .. er kann an Informationen über die Revolution kommen, doch dafür müssen wir ihn vor Niliana schützen. Was sagst du?« »Deine Entscheidung ist eh schon gefallen. Du würdest dich auch mit Noël anlegen, wenn du so an Informationen ran kommst. Was ist da schon Niliana?« Phoenix kreuzte seine Arme hinter seinen Kopf und ließ sich nach hinten in eine weiche Bettdecke fallen. »Ich frage nicht, was ich mache, sondern du. Ich habe ein schlechtes Gefühl bei der Sache. Ich glaube, die Antworten, die Emari uns geben könnte...« »Hast du Angst, dass die Söldner was damit zu tun haben könnten? Ich habe nicht vor dich da hängen zu lassen. Zumal ich gerne mehr über die Vartija erfahren würde. Wie macht Emari das eigentlich und woher weißt, du eigentlich, dass er es kann?« Phoenix dachte nach. Ihm fiel nichts ein, wo er die Möglichkeit gehabt hätte, Erinnerunge zu klauen. »Ich glaube, er macht es durch Berührung gekoppelt mit Elektrizität. Und er wusste Dinge, die konnte er gar nicht wissen - Ich glaube nicht, dass er dabei log.« Sie ignorierte seine Frage zu den Söldnern, doch hatte Phoenix darauf eh keine Antwort erwartet. »Niliana wird ihn zwar suchen, doch bezweifle ich, dass sie ihn heute findet. Lass uns schlafen und morgen zu dem Treffen gehen. Wir können Noël direkt fragen. Ich bin mir sicher, er weiß mittlerweile mehr als damals.« Eevi stand auf, nickte Phoenix zu und drehte sich noch einmal um. »Hast du sie eigentlich auf Liam angesprochen«, fragte sie zaghaft. Phoenix sah sie an und schüttelte den Kopf. »Hab mich nicht getraut. Die war sowieso schon wütend und mittlerweile traue ich ihr alles zu, was sie mit uns machen könnte oder vielmehr ihr Vater.« Eevi lächelte und verließ das Zimmer. Er hatte recht. Morgen könnten sie Noël von Angesicht zu Angesicht befragen und jegliche Zweifel beseitigen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)