Amputiert von kleines-sama (CrocodileXDoflamingo) ================================================================================ Kapitel 13: Kapitel 12 ---------------------- Auch wenn Crocodile den Menschen, der neben ihm auf dem Boden saß, in seinem Leben noch niemals zuvor gesehen hatte, erkannte er ihn auf Anhieb. Doflamingo hatte ihm nämlich in der Zeit, in der er noch ans Bett gefesselt gewesen war und kaum etwas anderes zu tun gehabt hatte außer zuzuhören, sehr häufig von seiner Piratencrew und darum auch von diesem sonderbaren Mann erzählt. "Gladius", stellte Crocodile mit einer undefinierbar klingenden Stimme fest und musterte den überaus ungewöhnlich gekleideten Untergebenen seines Partners. Gladius' Gesicht wurde von einer Maske bedeckt, die allerdings nicht sonderlich viel dazu beitrug, seinen Träger unkenntlich zu machen. Jeder, der ihn einmal gesehen oder (wie in Crocodiles Fall) sogar nur beschrieben bekommen hatte, erinnerte sich sofort an ihn zurück, wenn er ihm begegnete. Auf dem Kopf trug er einen hohen Zylinder und sein dunkler Mantel, der eng an seinem langen und schmalen Körper anlag, war mit Ornamenten geschmückt, die wie goldene Zahnräder verschiedener Größe ausschauten. Eine wirklich ominöse Gestalt, dachte Crocodile sich und wusste nicht so recht, was er von Gladius und dessen Verhalten, das auf ihn mindestens ebenso seltsam wie sein Äußeres wirkte, halten sollte. Eigentlich hatte Crocodile damit gerechnet, dass er, kaum dass man ihn endlich aufgespürt hätte, sofort zurück zur Villa geschleppt werden würde. Doch Gladius blieb einfach so stoisch und stumm wie eine Statue neben ihm sitzen, und deutete in keiner Weise an, dass er Crocodiles Präsenz deutlicher wahrnahm als die der Sandkörner, die seine bestiefelten Füße umspielten. Bald schon begann Crocodile die Situation als sehr unangenehm zu empfinden. Da Gladius' Gesicht von einer Maske und seine Augen von einer Brille mit undurchsichtigen Gläsern verdeckt wurden, war es ihm unmöglich, den aktuellen Gefühlszustand seines Sitznachbarns einzuschätzen. Bei Doflamingo, der ebenfalls ständig eine Brille mit getönten Gläsern trug, hatte Crocodile mit der Zeit gelernt, dessen Emotionen an anderen Stellen abzulesen: am Mund, an den Händen oder sogar am Faltenwurf der Stirn. Bei Gladius allerdings, dessen Gesicht fast vollständig bedeckt war und der sich (seitdem er sich neben ihn gesetzt hatte) nicht mehr bewegt hatte, gelang ihm dieser Trick natürlich nicht. Soweit Crocodile beurteilen konnte, hätte Gladius genausogut erleichtert wie angespannt, glücklich wie traurig sein können. Irgendwann wurde die Stimmung erdrückend. Als Crocodile die Ignoranz seitens seines Jägers schließlich nicht länger aushalten konnte, sagte er fast schon ungehalten: "Willst du mich nicht zurück zur Villa schleifen? So lautet doch sicher dein Befehl, oder nicht? Von mir aus können wir gehen; ich garantiere dir, dass ich mich nicht gegen dich wehren werde." Bei dieser Aussage handelte es sich nicht um eine Farce; Crocodile meinte tatsächlich, was er da sagte. Er war sich dessen bewusst, dass seine waghalsige Flucht das Ergebnis einer unangebrachten Panikreaktion gewesen war. Und dass sowieso niemals die echte Aussicht bestanden hatte, von Dressrosa zu fliehen. Inzwischen schämte er sich für seine tollkühne Affekthandlung sogar ein wenig: So wenig vorausschauend zu reagieren, war nämlich eigentlich überhaupt nicht typisch für ihn. Er war selbst kaum mehr dazu in der Lage nachzuvollziehen, welche Gründe ihn überhaupt erst zu diesem Wahnsinn verführt hatten. Gladius schien von seiner Aussage allerdings völlig unbeeindruckt zu bleiben. Er schwieg so lange, dass Crocodile gar nicht mehr mit einer Erwiderung rechnete, ehe er schließlich meinte: "Mein Befehl lautet, dich aufzuspüren, (wenn nötig, medizinische Erstversorgung zu leisten), Meldung über deinen Aufenthaltsort zu machen und dich so lange festzuhalten, bis der junge Lord mit dem Arzt erscheint." Crocodile stutzte angesichts dieser Erwiderung. Nicht etwa, weil es ihn sonderlich überraschte, was Gladius sagte, sondern eher wegen der Art und Weise, wie dieser sich ausdrückte. Eigentlich war Crocodile davon ausgegangen, dass man froh und erleichtert über sein Auffinden sein würde, doch einen solchen Eindruck erweckte Gladius nicht im geringsten: Stattdessen klang seine Stimme verärgert, schroff, ja fast schon unterschwellig zornig. "Ich nehme an, dass du mich bereits gemeldet hast?", mutmaßte Crocodile und fragte sich insgeheim, wieso Gladius -ein Mensch, dem er niemals zuvor begegnet war- so schlecht auf ihn zu sprechen war. Denn auch wenn man es Crocodile auf den ersten Blick nicht unbedingt ansah, war er eine Person, die sehr empfindlich auf Herablassung und Gehässigkeit reagierte. Außerdem ärgerte ihn Sachverhalte, die unsinnig oder unlogisch erschienen; und ihm fiel beim besten Willen kein plausibler Grund für Gladius' Groll gegen ihn ein. "Natürlich", antwortete dieser kurz angebunden. "Das bedeutet also, dass Doflamingo jeden Augenblick auftauchen wird", erwiderte Crocodile und fragte sich, wieso er diese Schlussfolgerung laut formulierte; schließlich wusste Gladius sicherlich selbst sehr gut über die Folgen seines Handelns Bescheid. Vielleicht bemühte er sich darum, ein Gespräch aufzubauen, um mehr über seinen Sitznachbarn und dessen Verärgerung über ihn zu erfahren. Im selben Augenblick, in dem Crocodile zu dieser Erkenntnis gelangte, spürte er einen bitteren Geschmack auf seinen Lippen und in seinem Rachen. Es war nämlich eigentlich überhaupt nicht seine Art, Interesse und Sympathie zu heucheln. Zumindest war es früher, bevor er auf Eustass Kid getroffen war und seine rechte Hand eingebüßt hatte, niemals seine Art gewesen. War er inzwischen so furchtbar verzweifelt, sehnte er sich tatsächlich so schrecklich nach menschlichem Kontakt, dass er sogar schon versuchte mit einer Person anzubändeln, die ihn ganz offensichtlich nicht leiden konnte? Jämmerlich, schoss es Crocodile durch den Kopf, obwohl er zugeben musste, dass sein Verhalten aus psychologischer Sicht womöglich Sinn machte. Wenn man monatelang zu bloß zwei Personen engen Kontakt hatte, dann war es wohl nur natürlich, dass man sich darum bemühte, seinen Bekanntenkreis zu erweitern, falls sich eine Möglichkeit dazu bot. Es ist fast noch jämmerlicher, dachte Crocodile, dass sein Arzt (sein Arzt verdammt nochmal!) gleich nach seinem Partner den zweiten Platz in der Rangliste seiner vertrautesten Bekannten einnahm. Diese unangenehme Erkenntnis spornte Crocodile dazu an, noch nicht aufzugeben, was Gladius anging. Schließlich war es nicht unmöglich, dass er die Verhaltensweisen seines Sitznachbarns schlicht überinterpretierte. Womöglich war dieser ja überhaupt nicht verärgert über ihn, sondern hatte einfach bloß einen schlechten Tag gehabt? Vielleicht ist sein Kopfgeld nicht so weit angehoben worden wie er es sich erhofft hat, überlegte Crocodile, als ihm einfiel, dass es sich bei Gladius um einen Piraten handelte, und als er daran zurückdachte, worüber er sich früher selbst häufig geärgert hatte. Oder irgendeine Mission, die Doflamingo ihm aufgetragen hatte, war schief gelaufen. "Ich habe gehört, dass du Pika unterstehst", versuchte Crocodile das Gespräch in eine andere und vor allem unbefangenere Richtung zu lenken; doch auch diese Aussage kommentierte Gladius nicht. Anstatt auf seine offensichtlichen Bemühungen, eine Unterhaltung aufzubauen, einzugehen, strafte ihn der Untergebene seines Partners weiterhin mit absoluter Ignoranz. Es schien, als würde er nicht einmal in seine Richtung sehen, auch wenn dies wegen der getönten Gläser seiner Brille natürlich schwer zu beurteilen war. Langsam wurde Crocodile wütend. Er war ein sehr stolzer Mensch und hasste es abgrundtief, wenn man ihn ignorierte. Ignoranz gehörte seiner Ansicht nach zu der allerschlimmsten Sorte von Beleidigungen, die es überhaupt gab. Ignoranz bedeutete nämlich nicht bloß Dissonanz, sondern Geringschätzung, Herablassung, Arroganz, ja im Prinzip Verachtung der übelsten Sorte. Und Crocodile konnte es überhaupt nicht ausstehen, wenn man ihm nicht mit ausreichend Respekt begegnete. Er beschloss, noch einen letzten Versuch zu starten; sollte dieser scheitern, würde er auch seine Bemühungen, sich Gladius zu nähern, aufgeben. Alles Weitere stellte nämlich bloß eine schreckliche Peinlichkeit dar. "Doflamingo spricht in den höchsten Tönen von dir", sagte Crocodile, weil er hoffte, Gladius mittels eines Kompliments (das nicht einmal erlogen war) aus der Reserve locken zu können. Was ihm überraschenderweise auch tatsächlich gelang. Nur leider ging sein Plan komplett nach hinten los: Anstatt sich über sein Kompliment zu freuen, sich vielleicht zu bedanken und eine ähnliche Aussage zurückzugeben, wurde Gladius fuchsteufelswild. Crocodile traute seinen Augen kaum, als er sah, wie der hohe Zylinder, den Gladius auf dem Kopf trug, sich aufzublähen begann als würde er mit Luft gefüllt werden. Träumte er gerade? War er nach seiner Flucht womöglich eingenickt? Wenn Crocodile noch Finger gehabt hätte, dann hätte er sich jetzt vermutlich in den eigenen Unterarm gezwickt, um herauszufinden, ob er träumte oder wach war. Da dies allerdings nicht möglich war, blieb ihm nichts anderes übrig, als davon auszugehen, dass die seltsamen Dinge, die er geschehen sah, überaus real waren. "Genug!", meinte Gladius mit einer empört und aufgebracht klingenden Stimme, während sich sein Hut weiterhin aufblähte wie ein Ballon. Crocodile fragte sich unweigerlich, wann er wohl platzen würde. "Auch wenn du der Geliebte des jungen Lords bist, kann ich deinen Mangel an Respekt nicht länger dulden! Wie kannst du es wagen, wie kannst du dich nur dazu erdreisten, über den jungen Lord zu sprechen ohne dessen Titel zu gebrauchen?! Eine solche Geringschätzung werde ich nicht tolerieren!" Kaum hatte Gladius zu Ende gesprochen, trat tatsächlich der Fall ein, den Crocodile sich in seiner Fantasie bereits ausgemalt hatte: Der Zylinder hielt dem Druck in seinem Inneren nicht länger stand, zerplatze mit einem lauten Geräusch in hunderte kleine Fetzen und offenbarte die bis dato verdeckte Frisur seines Trägers. Crocodile war ein wenig überrascht angesichts des Anblicks, der sich ihm bot. Im Nachhinein konnte er selbst zwar nicht mehr genau sagen, welche Art von Frisur er sich bei einem Menschen wie Gladius vorgestellt hatte, doch sicherlich hatte es sich dabei nicht um eine lange, strähnige, vom Kopf abstehende Menge dunkelblonder Haare gehandelt. Crocodile fühlte sich sowohl von dem seltsamen Schauspiel, das er miterlebt hatte, als auch von den Worten, die Gladius ihm entgegen gespien hatte, so vor den Kopf geschlagen, dass er keinen einzigen Laut über seine Lippen brachte. Er war völlig mundtot. Ein Umstand, den sein erzürnter Sitznachbar für sich ausnutzte, um ihm weitere Vorwürfe an den Kopf zu werfen: "Ich kann es einfach nicht fassen, dass du dich dem jungen Lord gegenüber so furchtbar unverschämt und ungehorsam verhältst! Bist du dir denn nicht im Klaren darüber, zu welch großer Dankbarkeit du ihm verpflichtet bist? Schließlich hat er dein Leben gerettet! Wäre er nicht zur Stelle gewesen, dann wärst du jetzt längst tot! Und weißt du eigentlich, was für ein riesiger Aufwand nötig gewesen ist, um dich aus deinem Koma zu holen? Wie viel Zeit und Geld der junge Lord in dich investiert hat? Kannst du dir auch nur vorstellen, wie teuer die medizinischen Geräte, die Operationen, die Medikamente und so weiter gewesen sind, die nötig waren, um dich am Leben zu erhalten? Von diesem Betrag hätte man für den selben Zeitraum ein ganzes Krankenhaus unterhalten können. Aber es geht hier nicht nur um das Geld. (Geld hat der junge Lord mehr als genug.) Vor allen Dingen geht es um die große Mühe, die er sich mit dir macht. So oft es ihm möglich ist, kommt er dich an deinem Krankenbett besuchen. Spricht mit dir. Geht mit dir spazieren. Füttert dich sogar. Und zwar trotz der vielen Verpflichtungen, die er als Shichibukai inne hat. Er hat bereits dutzende Termine abgesagt, nur um sich mit dir zu beschäftigen und dich aufzuheitern. Und anstatt ihm deine Dankbarkeit durch Gehorsam und Verehrung zu zeigen, machst du ihm nichts als Kummer! Tust Dinge, die deine Gesundheit gefährden. Bist abscheulich und ekelhaft zu ihm. Fliehst sogar aus der Villa.. Einen solchen Geliebten hat der junge Lord wahrlich nicht verdient. Um ehrlich zu sein, kann ich überhaupt nicht nachvollziehen, was er an dir findet. Du bist entstellt durch deine Narbe im Gesicht und durch deine widerwärtigen Armstümpfe; dünn geworden bist du auch und außerdem siehst du kränklich aus. Vor allen Dingen kannst du ihn ja nicht einmal sexuell befriedigen, so ganz ohne Hände. Ich verstehe nicht, was der junge Lord in dir sieht. Er könnte jeden Mann und jede Frau auf dieser Welt haben. Er besitzt tausende Sklaven und mindestens genauso viele willige Anhänger, die stolz darauf wären, wenn er sich in sie verliebte. Doch nichtsdestotrotz bleibt er einem Widerling wie dir treu, will nur dich haben und niemanden sonst. Er liebt dich von ganzem Herzen. Und du behandelst ihn wie ein Stück Dreck. Der junge Lord verdient jemand besseren als dich. Wenn es nach mir ginge, dann würde ich dich jetzt am Genick packen, ins Meer stoßen und dabei zusehen, wie du qualvoll ertrinkst. Zu schade, dass der junge Lord all seinen Untergebenen den Befehl erteilte, dir keinen Schaden zuzufügen. Ich habe nichts als Verachtung für dich übrig. Also bemühe dich gar nicht erst darum, sympathisch oder einnehmend auf mich zu wirken. Die einzige Möglichkeit, meine Meinung von dir zu ändern, bestünde darin, dass du dem jungen Lord endlich das Maß an Respekt entgegenbringst, das er verdient. Andernfalls bleibst du in meinen Augen für immer eine nichtsnutziger Widerling, der sich nicht einmal seinem eigenem Lebensretter gegenüber dankbar erweist." Es dauerte einige Sekunden, ehe der Inhalt der Worte, die Gladius ihm eben entgegen gespien hatte, tatsächlich bei ihm ankam. Crocodile wusste nicht, wie er auf die Vorwürfe, die dieser ihm machte, angemessen reagieren sollte. Er fühlte sich ein wenig benommen und begriffsstutzig, was normalerweise nur sehr selten vorkam. Hatte ihn seine Flucht so dermaßen verausgabt, dass nun auch seine mentalen Fähigkeiten darunter litten? Oder war er einfach bloß überrascht und fühlte sich überrannt, weil er mit einer solchen Anklage seitens eines Untergebenen seines Partners nicht gerechnet hatte? "Du hast doch keine Ahnung", hörte Crocodile sich selbst sprechen, ohne dass er hätte sagen können, wie er auf diese Aussage gekommen war. "Was verstehst du schon von meiner Beziehung zu Doflamingo? Du weißt rein gar nichts über uns. Also misch dich gefälligst nicht in Angelegenheiten ein, die dich nichts angehen." Gleichzeitig dachte er allerdings: Gladius hat Recht. Eine sehr ernüchternde Erkenntnis. Wenn Crocodile ehrlich war, dann hatte er niemals an die vielen Kosten gedacht, die seine medizinische Versorgung und seine Pflege verursachten. Daran, dass Doflamingo als Shichibukai und Captain einer großen Piratenbande jede Menge Verpflichtungen hatte, und in dieser Hinsicht vermutlich stark zurücksteckte, um so viel Zeit wie nur möglich mit ihm verbringen und ihm Gesellschaft leisten zu können, hatte er ebenfalls nur selten einen Gedanken verschwendet. Ich bin wirklich ein schrecklich undankbarer Mensch, dachte Crocodile sich und augenblicklich überkamen ihn Schuldgefühle. Stets hatte er nur an seine eigene Situation und sein eigenes Wohl gedacht, ohne die vielen großen Gefälligkeiten, die Doflamingo ihm erwies, zu berücksichtigen, geschweige denn wertzuschätzen. Crocodile verzog den Mund angesichts dieser bitteren Einsicht. Wann nur war er, was seine Beziehung zu Doflamingo anging, so egoistisch und zentrovertiert geworden? Sein Strom von Reue und Gewissensbissen wurde abrupt unterbrochen, als er laute Schritte hörte. Das Geräusch stammte vom Waldrand her, der hinter seinem Rücken lag, und Crocodile wandte sich erwartungsvoll um; es überraschte ihn nicht, Doflamingo zu sehen, der von einigen Sklaven und Sklavinnen sowie vom Arzt begleitet wurde. Der Anblick seines Partners verstärkte Crocodiles schlechtes Gewissen noch um ein vielfaches. Doflamingo ließ ihn medizinisch versorgen, pflegte ihn, leistete ihm Gesellschaft und tat einfach alles, was in seiner Macht stand, um seine Lebensqualität zu verbessern; und zwar ohne irgendetwas zurückzuverlangen. Und auf welche Weise zeigte er sich erkenntlich? Indem er sogar noch vor seinem Partner floh und seine Gesundheit, die so hart erkämpft worden war, waghalsig aufs Spiel setzte. Crocodile spürte, wie sein Herz sich schmerzhaft zusammenzog, als ihm klar wurde, dass wirklich jeder einzelne Vorwurf, den Gladius ihm an den Kopf geworfen hatte, absolut berechtigt gewesen war. Er war ein furchtbarer Patient und ein noch schlechterer Freund. Doflamingo hat es wirklich nicht verdient, dachte Crocodile niedergeschlagen, sich jeden Tag mit einem Menschen, der ihm nichts als Ärger und Kummer bereitet, auseinandersetzen zu müssen. Er sollte lieber wieder ein unbefangenes Leben führen, lachen und sich um nichts sorgen. Ein stechender Schmerz ging von Crocodiles Magen aus und zog nach oben bis zu seinem Brustkorb hoch, als ihm klar wurde, dass er allein den Grund darstellte, der Doflamingo daran hinderte, ein glückliches und zufriedenes Leben zu führen. Ich mache ihn unglücklich, dachte Crocodile, während er dabei zusah, wie sein Partner auf ihn zugelaufen kam, alles wäre viel besser, wenn es mich nicht gäbe. Vielleicht hatte Gladius, der erwiesenermaßen bisher ausschließlich äußerst zutreffende Dinge gesagt hatte, ja auch in diesem einen Punkt recht gehabt: Vielleicht bestünde die beste Lösung tatsächlich darin, ihn am Genick zu packen, ins Meer zu stoßen und ertrinken zu lassen. Zumindest ginge es dann allen Menschen, einschließlich ihm selbst, deutlich besser. Er war nichts als ein Hindernis und eine Last für alle, die mit ihm zu tun hatten. "Crocodile!", rief Doflamingo atemlos, als er endlich bei ihm angekommen war. Crocodile stand auf und ließ zu, dass sein Partner ihn erleichtert in seine Arme schloss, auch wenn er sich innerlich ganz ausgebrannt und unglücklich fühlte. "Ich bin so froh, dass wir dich endlich gefunden haben", fuhr Doflamingo fort und küsste ihn sanft auf die Stirn. "Du kannst dir nicht vorstellen, welche Sorgen ich mir gemacht habe. Geht es dir gut?" "Ich bin unverletzt", antwortete Crocodile wahrheitsgemäß. "Ein wenig erschöpft, aber ansonsten fehlt mir nichts, denke ich." "Sehr gut", erwiderte Doflamingo und klang beruhigt. Seine Erleichterung hielt allerdings nicht lange an. Kaum hatte er verdaut, dass es seinem Partner den Umständen recht gut zu gehen schien, wurde er wütend und ließ seiner Empörung und Enttäuschung freie Bahn: "Was ist denn nur in dich gefahren? Wie zur Hölle kommst du auf die Idee, aus dem Fenster zu springen? Bist du dir überhaupt dessen bewusst, was dir hätte passieren können? Du hattest wirklich unverschämtes Glück! Genausogut hättest du dir auch die Beine brechen können und wärst wieder ans Bett gefesselt gewesen. Jag mir bitte niemals wieder einen solchen Schrecken ein, ja? Ich bin krank geworden vor Sorge!" "Es tut mir leid", sagte Crocodile sofort und senkte schuldbewusst den Blick. "Ich habe nicht beabsichtigt, dir Kummer zu bereiten. Meine Flucht war wohl eine Art Affektreaktion. Ehrlich gesagt, kann ich selbst nicht genau sagen, was da in mich gefahren ist. Ich weiß nur, dass ich in Panik geraten und dann abgehauen bin. Inzwischen ist mir aber bewusst geworden, dass ich mich falsch verhalten habe. Es tut mir leid. Ich wollte niemandem irgendwelche Umstände machen." Doflamingo wirkte überrascht angesichts der schnellen Einsicht seines Partners; wahrscheinlich hatte er eher damit gerechnet, er wäre wütend auf ihn, würde sich selbst im Recht wähnen und sich weigern, zur Villa zurückzukehren. Als Crocodile sich dieses peinliche Szenario vor Augen führte, spürte er, wie Schamgefühle ihn überkamen; er schluckte schwer und hielt den Blick noch immer gesenkt. Im Moment fühlte er sich ganz besonders schuldig und verlegen. "Aber was war denn der Grund für dein Verhalten?", hakte Doflamingo nach. "Man gerät in den meisten Fällen schließlich nicht einfach grundlos in Panik. Irgendetwas muss doch der Auslöser gewesen sein." "Da war diese Sache mit dem Arzt", begann Crocodile, der beschloss, bei der Wahrheit zu bleiben. "Mir ist ein bisschen übel gewesen; vermutlich wegen dem vielen Eis, das wir beide uns gestern Abend gegönnt haben. Deswegen wollte ich nichts essen. Eine Sklavin hat dann den Arzt geholt, damit der mich untersucht. Ich habe mich allerdings dagegen gewehrt. Im Nachhinein kann ich nicht mehr genau sagen, wieso; vielleicht, weil ich es für übertrieben gehalten habe, mich gleich einer Untersuchung zu unterziehen, nur weil ich einmal keinen Appetit hatte. Das haben der Arzt und die Sklaven aber nicht durchgehen lassen. Sie sind auf mich zugekommen, um mich festzuhalten und zur Untersuchung zu zwingen... Naja, und in diesem Moment sind bei mir eben alle Sicherungen durchgebrannt. Ich bin in Panik geraten und habe die einzige Fluchtmöglichkeit genutzt, die ich hatte: Das Fenster hinter mir. Ich bin wahllos in irgendeine Richtung davongelaufen, durch den Wald und bis hierhin zum Strand. Dann hat mich irgendwann Gladius aufgespürt und, ja, jetzt sind wir eben hier." Doflamingo seufzte und rieb sich mit einer Hand die Schläfe, wirkte allerdings dennoch nicht sonderlich zornig oder verdrossen. Er schwieg für eine Weile, ehe er schließlich sagte: "Gut, das kann ich vielleicht verstehen. Ich hätte in derselben Situation vermutlich ähnlich reagiert. Ich bin nur froh, dass wir dich jetzt endlich wiedergefunden haben und dass es dir gut geht." Crocodile zog verwundert eine Augenbraue hoch, als er hörte, was sein Partner da sagte. Er hatte damit gerechnet, dass Doflamingo furchtbar wütend auf ihn wäre, ihn mit Hausarrest oder Ähnlichem bestrafte, aber beim besten Willen nicht damit, dass er angesichts seines Verhaltens Verständnis zeigen würde. Ich habe eine viel zu schlechte Meinung von ihm, schoss es Crocodile durch den Kopf. Ich tue immer so, als wäre er ein furchtbarer Gefängniswärter, obwohl er sich mir gegenüber doch meistens rücksichtsvoll und verständnisvoll verhält. Crocodile selbst allerdings dachte von seinem Partner stets bloß das Schlechteste. Diese Erkenntnis ließ sein sowieso schon schmerzhaften Gewissensbisse noch schlimmer werden. "Tu mir aber bitte den Gefallen, und bemühe dich darum Ruhe zu bewahren, falls dich erneut eine Panikattacke oder so etwas in der Art überfallen sollte, ja?", fuhr Doflamingo fort, der gar nicht mitzubekommen schien, was gerade im Inneren seines Partners vor sich ging. "Ich war wirklich schrecklich besorgt um dich. Wieso hast du denn nicht darauf bestanden, mich dazu holen zu lassen? Wir hätten die Situation doch sicher klären können." "Naja", meinte Crocodile und stockte dann für einen kurzen Moment. Ob es wohl ratsam war, Doflamingo den wahren Grund mitzuteilen, wieso er nicht auf dessen Eintreffen gewartet hatte? Nach raschem Überlegen entschied Crocodile schließlich, dass sein Partner verdiente, die Wahrheit zu erfahren. Außerdem war Crocodile sowieso ein Mensch, der nicht besonders gerne oder oft log. "Ich bin davon ausgegangen, dass du nicht auf meiner Seite, sondern auf der des Arztes stehen würdest", gab Crocodile also zu. "Du weißt schon, weil du mich in letzter Zeit immer so stark bevormundest. Ich dachte, dass du mich ebenfalls dazu zwingen würdest, mich untersuchen zu lassen; notfalls auch gegen meinen Willen." Crocodile spürte sofort, dass er Doflamingo mit dieser Beichte tief getroffen und ehrlich verletzt hatte. Der Shichibukai schluckte schwer und Crocodile sah, dass dessen Mundwinkel unmerklich auf- und abzuckten. Augenblicklich fühlte er einem überaus realen Schmerz im Magen: Anscheinend war er zu nichts anderem in der Lage als seinen Partner zu verletzten. Ganz gleich, ob er log oder die Wahrheit sagte: Immer wieder sorgte er dafür, dass Doflamingo unglücklich wurde. Es war, als könnte er einfach nichts richtig machen. Alles, was er tat, jede gute Bemühung, ging sofort nach hinten los. "Was hältst du davon, wenn wir zur Villa zurückkehren?", schlug Crocodile vor, um das Thema zu wechseln und der unangenehmen Situation, die sich gerade anbahnte, so schnell wie möglich zu entfliehen. Er merkte bereits, wie die Luft zwischen ihnen beiden dicker zu werden schien. "Ich fühle mich furchtbar erschöpft. Und hungrig. Jetzt, wo mir nicht mehr übel ist, wird mir erst richtig bewusst, wie sehr mein Magen knurrt. Das letzte, was ich gegessen habe, war unser Eis gestern Abend." "Gute Idee", erwiderte Doflamingo, der sich seine Kränkung anscheinend nicht anmerken lassen wollte. "Bist du denn noch dazu in der Lage, zu laufen? Bis zur Villa ist es ganz schön weit." "Weiß ich nicht", meinte Crocodile wahrheitsgemäß. Er fühlte sich entkräftet, seine Knie schmerzten noch immer ein wenig wegen seines Sprungs aus dem Fenster und außerdem hatte er sich bei seiner Flucht durch den Wald einige juckende Verletzungen an den Füßen zugezogen. Rührten wahrscheinlich von den vielen Dornen her, die an seiner Kleidung hängen geblieben waren und ihm die Haut aufgerissen hatten, mutmaßte Crocodile. "Dann wollen wir lieber nichts riskieren", entschied Doflamingo für ihn. "Du gehörst auf dem schnellsten Weg zurück in dein Bett." Er schwieg für einen kurzen Moment, ehe er schließlich fragte: "Sag mal, du hast doch keine Höhenangst, oder?" Crocodile zog angesichts dieser unerwarteten Frage verwundert eine Augenbraue hoch. "Höhenangst?", wiederholte er und konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, wieso die Frage, ob er schwindelfrei war oder nicht, von Bedeutung sein sollte. Trotzdem beantwortete er sie ehrlich: "Nein, habe ich nicht." Dann fügte er rasch hinzu: "Wieso möchtest du das denn wissen?" Die einzige Antwort, die er erhielt, war das breite und unheilverheißende Grinsen, das sich prompt auf die Lippen seines Partners schlich. "Nun sag's schon!", forderte Crocodile ungeduldig. Er konnte es nämlich überhaupt nicht leiden, wenn er sich unwissend fühlte, weil er irgendwelche Sachverhalte nicht begriff. "Warum ist das wichtig?" "Das wirst du schon merken", sagte Doflamingo und balancierte mit dieser Erwiderung geschickt um eine echte Antwort herum. Er bückte sich und schob eilig den linken Arm unter Crocodiles Knie und den rechten hinter dessen Rücken; dann hob er seinen Partner (ganz im Brautpaar-Stil) hoch in seine Arme. Crocodile war so überrascht, dass er sich im ersten Moment überhaupt nicht gegen diese Behandlung wehrte; ganz im Gegenteil: Er genoss das unerwartete Gefühl, Doflamingo so unfassbar nah zu sein. Er konnte die Körperwärme seines Partners spüren und das Herz in dessen Brust laut schlagen hören. Kaum allerdings hatte er sich gefasst, reagierte er natürlich auf die Art und Weise, die von Sir Crocodile wohl erwartet wurde: "Hey, was soll das? Lass mich runter, Doflamingo! Verdammt nochmal!" Er versuchte sich aus dem festen Griff seines Partners herauszuwinden, doch leider war dies ohne Hände nur sehr schwer möglich; außerdem war Doflamingo ziemlich kräftig. Im Endeffekt konnte Crocodile nicht das geringste dagegen auszurichten, dass sein Freund ihn trug. Das war ihm zwar furchtbar unangenehm, doch es blieb ihm wohl oder übel nichts anderes übrig, als sich in sein Schicksal zu fügen und sich zumindest darum zu bemühen, die aufkommende Röte zu unterdrücken. (Schließlich waren noch immer sowohl Gladius als auch der Arzt und die Sklaven, die Doflamingo mitgebracht hatte, unmittelbar anwesend.) "Wehr dich nicht, fufufu", meinte Doflamingo breit grinsend und Crocodile kam nicht umhin sich zu fragen, ob sein Partner ihn wohl absichtlich in diese peinliche Position gebracht hatte; vermutlich genießt er die ganze Situation, dachte Crocodile leicht verärgert und bereute es bereits, dass er ein schlechtes Gewissen gehabt hatte, weil er so oft schlecht von seinem Partner dachte. Manchmal verdiente er es ja vielleicht doch, der blöde Mistkerl, sagte Crocodile sich. Er seufzte, schloss für einen Moment die Augen und schmiegte seinen Kopf in Doflamingos Halsbeuge. Der angenehme Körpergeruch seines Partners strömte wie ein betörender Duft in seine Nase und für eine Weile fühlte Crocodile sich so geborgen wie schon lange nicht mehr. Er vergaß völlig, dass sie beide nicht allein waren und ließ sich von Gedanken an den gestrigen Abend hinreißen: Er erinnerte sich an ihr gemeinsames Abendessen, den Sex, das leckere Eis, das sie beide sich als Nachtisch im Bett gegönnt hatten... Allerdings wurde Crocodile in seinen wohligen Erinnerungen abrupt gestört, als er mitbekam, dass Doflamingo sich bewegte. Oder um ein wenig genauer zu werden: Dass Doflamingo Anlauf nahm. "Oh mein Gott!", brüllte Crocodile, als ihm schlagartig klar wurde, wieso sein Partner ihn gefragt hatte, ob er womöglich Höhenangst hätte. "Lass mich sofort runter! Doflamingo!" Leider kam seine Forderung zu spät: Crocodile hatte den Namen seines Partners kaum zu Ende ausgesprochen, als dieser sich mit einem kräftigen Sprung vom Erdboden abstieß und gemeinsam mit ihm in die Lüfte stieg. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)