Familie von Norrsken ================================================================================ Kapitel 1: Geburtstagsfeier --------------------------- Als Scorpius den Entschluss gefasst hatte, die familiäre Gästeliste um ein paar Personen zu erweitert, war es ihm schon vollkommen klar gewesen, dass es zu diversen Spannungen führen würde. Darauf hatte er schließlich abgezielt. Ewig hatten ihm seine Eltern in den Ohren gelegen, dass sein Geburtstag mit der Familie gefeiert werden sollte. Das taten sie jedes Jahr, es war Tradition und ebenso war es für Scorpius eine Tradition frustriert aufzustöhnen. Was brachte es einem, in den Ferien Geburtstag zu haben, wenn man ihn nicht ausschöpfen konnte, sondern mit der ganzen steifen Familie bei einem Dinner verbringen musste? Als er den Widerstand gegen die vehemente Bearbeitung seiner Eltern aufgegeben hatte, waren diese natürlich äußerst zufrieden und brachten die Planung zum Abschluss. Scorpius hingegen war gleich erst einmal ausgerissen. Er hatte Luft gebraucht und wollte vermeiden, dass er an irgendwem im Haus seine schlechte Laune ausließ. Sein Ziel war die Winkelgasse und als wären sie dort verabredet gewesen, traf er dort seine beiden Freunde Albus Potter und Rose Weasley im Eissalon. Zuerst hatte er sie gar nicht bemerkt, als er mit in den Taschen verstauten Händen und angezogenen Schultern grimmig über die Straße lief. Allerdings erreichte ihn irgendwann die Stimme des Potters, und als er sich umsah, fiel ihm eine winkende Hand und wehendes rotes Haar ins Auge. Die dunkle Miene des Malfoys war sofort aufgehellt und er war der überschwänglichen Aufforderung, sich dazu zu setzen, mit Freuden nachgekommen Nachdem die beiden ihn überredet hatten, ihn einladen zu dürfen (in seinem eiligen Aufbruch hatte er sein Geld daheim vergessen und nach Gringotts ließen die beiden ihn nicht), hatte er sich einen freezing clock bestellt und sich resigniert zurück in seinen Sitz gelehnt. Natürlich war seinen Freunden nicht entgangen, dass ihn etwas beschäftigte und Rose, stur wie es sich für eine Weasley gehörte, hatte ihn gelöchert und nachgebohrt, bis Scorpius von seinem alljährlichen Problem erzählt hatte. Er hatte den beiden angesehen, dass sie es nachfühlen konnten. Klar, sie kamen aus einer riesigen Familie. Sicher galten dort ähnliche Regeln. Wichtige Feierlichkeiten verbrachte man mit den Verwandten. »Ich werde wohl wieder nachfeiern«, hatte Scorpius resigniert verlauten lassen. »Ihr seid dann natürlich eingeladen.« Rose hatte ihm gleich glücklich zugelächelt. Sie hatte damit wohl gar nicht gerechnet. Albus hingegen war kurzweilig in Gedanken versunken gewesen. Als er seinen Kumpel wieder angesehen hatte, lag auf seinen Lippen das spitzbübische Slytherinlächeln. Scorpius hatte gespannt die Augenbrauen gehoben, denn er kannte dieses Lächeln schon sehr genau. »Deine Eltern bestehen doch darauf mit der ganzen Familie zu feiern, oder?« Unüblich hatte Scorpius geblinzelt, weil er von der Frage irritiert war. »Ja«, war seine knappe Antwort gewesen. Genau das hatte er schließlich zuvor erläutert gehabt. »Na. Dann lad auch wirklich die ganze Familie ein.« Zu Anfang war Scorpius nicht ganz klar gewesen, was sein Kumpel ihm damit sagen wollte, aber nach ein paar kleineren Ausführungen, war auch ihm aufgegangen, was ihm der Wunsch seiner Eltern für Möglichkeiten bot. Wie sie es sich bei ihrem Eis ausgemalt hatte, hatte Scorpius es auch umgesetzt. Ohne, dass seine Eltern etwas davon wussten, hatte er noch ein paar weitere Einladungen aufgesetzt und persönlich ausgeteilt. Hier und da waren ein paar Überredungskünste nötig gewesen, denn die Reaktion der Malfoys erforderte keine sonderlich ausgeprägte Fantasie, aber reden war etwas, was Scorpius schon immer gelegen hatte. Die Überraschungsgäste waren knapp eine halbe Stunde nach den bekannten Gästen eingetroffen. Scorpius hatte es extra so arrangiert und sie in der Eingangshalle von Malfoy Manor empfangen. Seine Großtante Andromeda, deinen Großcousin Ted und seinen - über ein Dutzend Ecken des Stammbaums der Familie Black – Cousin Avior. Scorpius hatte Ted bei der Familie Potter kennenlernen dürfen, als er seinen Kumpel Albus besucht hatte. Ihm war bekannt, dass ihre Großmütter Schwestern waren, aber der Kontakt, noch aus alter Zeit, gemieden wurde. Dies hatte Ted allerdings nicht daran gehindert, Scorpius offensichtlich mit Freude endlich kennenlernen zu dürfen und ihn stolz als seinen Cousin zu bezeichnen. Das hatte bei dem jungen Malfoy Eindruck hinterlassen und er hatte den Kontakt zu dem Älteren aufrechterhalten. Sogar bei seiner Großtante Andromeda hatte er ihn besucht und dies niemals bereut. Avior hatte er über seine Cousine Aurora kennengelernt und keiner wusste anfänglich, dass sie gemeinsame Vorfahren verbanden. Avior war offiziell als Muggelstämmiger in Hogwarts eingeschult worden, doch wie sich herausstellte, war er ein Nachfahre von Marius Black, der ein Squib gewesen war. Scorpius selber hatte dies herausgefunden, als er seine Großmutter nach der Familie Black und einem Stammbaum gefragt hatte. Marius Black war als Squib eine Schande für die stolze reinblütige Familie gewesen und seine Existenz wurde verleugnet. Als Kind versteckte man ihn, bis er mit sechzehn verschwunden war. Für die Familie war es ein Segen und sein Gesicht wurde aus dem Stammbaum heraus gebrannt. Avior war der Erste in seiner Familie gewesen, der eine magische Begabung zeigte. Sein Vorfahre Marius hatte zu der Zeit noch gelebt - auch als Squib lebte man sehr lange - und konnte ihm erklären, was er war. Dass er einer uralten magischen Familie entstammte, behielt er dabei jedoch für sich - was Scorpius verstand. Das Zusammentreffen der Familienmitglieder löste in Scorpius eine innere Zufriedenheit aus, die er so noch nie verspürt hatte. Ein gewisser Triumph. Die Familie Malfoy war schließlich stets auf ihr souveränes Auftreten bedacht - auch Scorpius beherrschte die kühle Maske, für die er von Rose öfter gescholten wurde (dann musste er immer lächeln) – doch dieses entglitt ihnen schlagartig, als sie erkannten, wer da in ihrem Haus stand. Zumindest Andromeda und Ted erkannten sie natürlich. Das Schweigen lag schwer in der Luft bis Scorpius sich vernehmlich räusperte und es so schaffte, die Aufmerksamkeit wieder auf sich, das Geburtstagskind, zu lenken. »Da es euch ein so großes Bedürfnis war, meinen Jahrestag mit der ganzen Familie zu feiern, wollte ich euch entgegenkommen«, verkündete er selbstzufrieden. »Tante Andromeda und Ted Lupin dürften euch ja schon bekannt sein. Tja, und Avior ist nicht nur, wie alle dachten, der Freund von Aurora, sondern auch ein entfernter Verwandter. Ein Black. Aber die Geschichte erzählt er sicher gerne beim Dinner.« Seine Cousins, egal wessen Grades, grinsten mal mehr mal weniger versteckt. Seiner Cousine sah er an, dass sie ein böses Ende kommen sah, aber das würde Scorpius in Kauf nehmen. Tante Daphne und Scorpius‘ Mutter Astoria versuchten die Situation etwas zu entspannen und übernahmen es die unangenehme Stille aufzulockern, indem sie die neuen Gäste begrüßten. Sie waren von der ganzen Situation auch nicht so betroffen wie Narzissa und Lucius Malfoy. Die Gesichter seiner Großeltern waren wie versteinert und allein dafür war es, den Ärger, der kommen würde, wert gewesen. Als Scorpius‘ Blick weiter zu seinem Vater ging, bemerkte er, dass dieser nur ihn ansah – nicht die unliebsame Verwandtschaft. Es war der erste Moment am heutigen Tag, an dem sich der junge Malfoy unwohl fühlte. Mit Mühe unterdrückte er das Bedürfnis sich auf die Lippe zu beißen und schluckte nur einmal trocken. Er hatte das Gefühl, als wolle sein Vater ihn fragen warum tust du uns das an?, aber so richtig konnte er den unruhigen Blick von Draco Malfoy doch nicht deuten. Er wirkte insgesamt einfach unsicher. Zu Tisch übten sich die Großeltern und sein Vater weiter in Schweigen - auch Tante Andromeda blieb meistenteils ruhig, außer sie wurde direkt angesprochen. Die jüngere Generation hielt das Gespräch am Leben. Kazran, den Scorpius immer ein bisschen bewundert hatte, verstand sich gut mit Ted. Immerhin waren sie drei Jahre lang gemeinsam zur Schule gegangen und schienen zu der Zeit schon Kontakt zueinander gehabt zu haben. Aurora war schon länger fest mit Avior zusammen, sodass dort sicher kein Eis mehr brechen musste. Von seiner Abstammung wusste sie genau so lange wie Avior und Scorpius, sodass sie nichts Neues mehr erfahren hatte. Ihrer Mutter war es ohnehin gleich, sodass ganz andere Themen anstanden. Nachdem der erste Gang überstanden war ohne irgendeine Eskapade (fast zu Scorpius Leidwesen), vernahm man das Läuten der Tür. Allgemeine Irritation ging durch die Gesellschaft, bis ein kleiner Hauself an der Seite von Scorpius erschien. Mit einem Knicks erklärte er: »Besuch für Master Scorpius steht an der Tür und erwartet ihn.« Schon aus dem Augenwinkel bemerkte Scorpius wie sein Vater alarmiert zu ihm sah und traute sich gar nicht den Blick ratlos zu erwidern. Er hatte selbst keine Ahnung, wer das sein könnte, allerdings wollte er das seinen Vater nicht wissen lassen. »Danke sehr, Dotty. Ich werde sofort zu ihnen kommen, richte ihnen das bitte aus.« Er legte seine Servierte auf den Tisch und erhob sich mit einer Entschuldigung an alle von seinem Platz. An der Tür erwartete ihn wohl die größte Überraschung. Albus und Rose standen am Eingang und sahen ihm freudig und irgendwie auch etwas aufgeregt entgegen. Scorpius erwiderte diese Gefühle. »Und? Wie läuft es bisher?«, fragte Albus mit einem schadenfrohen Grinsen. »Meine Großeltern sind wie versteinert. Die müssen später sicher zur Behandlung ins St. Mungo«, berichtete der Malfoy amüsiert. »Und bei meinem Dad liegen die Nerven auch ziemlich blank. Ich hätte mich nicht gewundert, wenn er an die Decke gegangen wäre, als er gehört hat, dass ich noch mehr Besuch erwarte. Er hat sich aber gut beherrscht.« Kurz zuckte Scorpius mit den Schultern und fragte sich, ob sein Vater das nicht vielleicht noch nachholen würde, wenn Scorpius nun mit Albus und Rose wieder zum Essen erscheinen würde. Die Beiden schienen jedoch ganz andere Pläne zu verfolgen. Kurz schwebten ihre Blicke an ihm auf und ab, was Scorpius dazu veranlasste die Augenbrauen leicht zusammenzuziehen. »Wollt ihr mit rein?«, fragte er unbeirrt und machte auch schon einen Schritt zur Seite, als beide den Kopf schüttelten. »Nein, mein Freund. Du kommst jetzt mit uns«, erklärte ihm Albus immer noch grinsend. Rose stimmte dem mit einem Grinsen zu. Seine kurze Überraschung ausnutzend, zog Rose ihn am Handgelenk aus dem Haus. Albus trat hinter ihn und sorgte dafür, dass er nichts mehr sah. Er spürte wie sie mit ihm apparierten, allerdings nicht gleich zum Ziel, denn sie führten ihn mit verbundenen Augen weiter durch die Straßen. Er hörte den Verkehr und wie er immer etwas leiser wurde. Irgendwann hatten sie ihn in einen Laden rein geschafft. Rose unterhielt sich mit einer Frau oder besser erkundigte sich nach etwas, bevor Albus ihn weiter schob. Okay, Stopp!«, befahl Albus und hielt Scorpius an den Schultern, dass er abrupt zum Stehen kam. »Da sind wir. Ich denke, du kannst die Augenbinde abnehmen.« Scorpius tat nichts lieber als das. Mit ein paar schnellen Handgriffen hatte er sich von dem lästigen Stück Stoff befreit. Seine Augen mussten sich nicht zu sehr umgewöhnen, denn das Licht war spärlich in dem Flur, in dem sie standen. Mit gerunzelter Stirn sah er in das vor Freude strahlende Gesicht von Rose. »In was für einen dubiosen Schuppen habt ihr mich hier gebracht?«, fragte er grinsend, aber ehrlich neugierig. »Wenn mein Vater davon hört, wird er einen Herzinfarkt erleiden.« »Keine Sorge, mein Freund, hier ist alles ganz jugendfrei.« Skeptisch sah Scorpius zu Albus, der in anlachte. »Zumindest war es das noch, bevor wir gegangen sind«, räumte er ein. Sie überließen Scorpius das Vergnügen die Tür zu dem Raum, der vor ihnen lag, zu öffnen. Durch die Tür hindurch drangen dumpfe Geräusche, die augenblicklich lauter wurden, als SICH nur ein Spalt bildete. Musik schallte ihnen entgegen und ein heiteres Stimmengewirr. In dem Raum befanden sich ein halbes Dutzend Menschen, gemütlich auf eine große Sitzbank gedrängt um einen Tisch herum, auf dem ein Katalog, viele Getränke und Knabberzeug lagen. Zwei standen vor einem Bildschirm mit Mikros in der Hand und jaulten so gut sie konnten zur Musik Verwirrt drehte sich Scorpius zu Rose und Albus um, die ihn aber nur in den Raum schoben. Während Albus die Tür hinter ihnen wieder schloss, erklärte Rose: »James hat für Danielle diese kleine Partyrunde organisiert. Wir dachten, wir nehmen dich mit, damit du deinen Geburtstag nicht so steif wie sonst verbringen musst.« Ehrlich überwältigt verschlug es dem Malfoy erst mal die Sprache. Nachdem er seiner Familie eine nette Überraschung vorgesetzt hatte, taten seine Freunde dies nun mit ihm. Er strich sich mit einer Hand durch sein blondes Haar, während er nach passenden Worten suchte. Dann spürte er den Arm von Albus um seine Schultern und wie er ihn zur Sitzrunde dirigierte. »Setz dich erst mal und dann suchen wir beide einen Song für dich aus, den du singen wirst.« »Ich singe nicht«, widersprach Scorpius sogleich, stieß damit allerdings auf taube Ohren. Langsam bemerkten die anderen, die sich vollkommen darauf konzentriert hatten, über die Scamander-Zwillinge zu lachen, wie sie schief und schräg versuchten die Töne zu treffen, die Neuankömmlinge und staunten teilweise nicht schlecht. »Malfoy gibt sich die Ehre«, pfiff James, was bei Rose dazu führte, dass sie die Augen verdrehte und ihm in die Seite stieß. »Lass ihn. Er hat heute Geburtstag.« Sofort erhielt Scorpius von jedem, der es mitbekommen hatte, herzliche Glückwünsche. Hugo Weasley ließ ein paar kleine Feuerwerkskörper los, die ein leuchtendes Happy Birthday in die Luft zeichneten. »Rosie, du kommst übrigens genau rechtzeitig wieder. Du singst jetzt mit mir«, verkündete James. Danielle rutschte von seinem Schoß, damit er aufstehen konnte. Er nahm Rose am Handgelenk, die sich lachend von ihm auf die Beine ziehen ließ. Die Scamander-Zwillinge ließen sich gerne von ihnen ablösen und reichten die Mikros weiter. Aus den Boxen lief gerade Good Time an, als sich die Zwillinge zu Lily Potter auf die Bank gequetscht hatten und Lorcan einen Arm um die Schultern der Potter legte. Gut zu singen gehörte bei James und Rose definitiv nicht zu ihren Begabungen, aber sie hatten offensichtlich Spaß daran und behinderten sich sogar gegenseitig, um ihr Publikum noch mehr zum Lachen zu bringen. Nach ihnen ging Albus, unter tosenden Anfeuerungen, ans Mikro und sang play my music fast schon besser als das Original war. Dass Albus gut war, wusste Scorpius zwar, da er sicher nicht ohne Grund in der Schülerband war, aber wie sehr er sich reinknien konnte, wusste er noch nicht. Rose hatte vollkommen außer Atem neben ihm auf Albus‘ Sitz platzgenommen und sah Scorpius amüsiert an. »Ich hoffe, es ist zumindest ein kleiner Ausgleich zu einer eigenen Geburtstagsfeier?« Scorpius schenkte ihr ein Lächeln. »Es ist allemal besser, als bei meiner Familie daheim zu versauern. Danke.« Die Gruppe von Teenagern feierte ausgelassen weiter in der Karaokebar, bis es langsam zu dämmern begann und die Knabbereien sich dem Ende neigten. James verabschiedete sich mit Danielle vom Rest und Scorpius musste wieder Gebrauch von seiner Redekunst machen, da Rose und Albus ihn bis nach Hause begleiten wollten. »Ich bin kein kleines Kind. Geht lieber mit Lily mit, sonst stellt die mit den Scamanders noch sonst was an.« Das hatte zumindest bei Albus gefruchtet, denn der warf sogleich ein argwöhnisches Auge auf die Dreierclique. Rose interessierte das zwar weniger, aber sie gab trotzdem nach und wollte seinen Wunsch respektieren. »Gut, dann komm gut heim, ja?« Mit einem Nicken verabschiedete sich Scorpius und disapparierte. Vermutlich wäre es für seine eigene Haut besser gewesen, wäre er sofort in sein Zimmer appariert, aber es hätte die Standpauke nur aufgeschoben – und vielleicht bekam er jetzt noch eine gewisse Gnade, da er ja Geburtstag hatte. Mit einem leicht mulmigen Gefühl im Magen öffnete er die Tür zum Manor, versicherte den Hauselfen, dass er nichts bräuchte und wartete, dass ihn jemand empfing. Insgeheim hatte er auf seine Mutter gehofft, aber natürlich war es sein Vater, der aus dem Salon heraustrat, um seinen Sohn entgegenzutreten. Tief atmete Scorpius durch und kam dem Mann ein paar Schritte entgegen. Stumm wies der Malfoy ihn an in den Salon zu treten. Niemand war hier - und auch als er rüber in den Speisesaal blickte, war dieser leer. Die Gäste waren schon gegangen. Vermutlich war das auch besser so. »Möchtest du mir vielleicht verraten, wo du warst?« Die Stimme von Draco Malfoy klang beherrscht, doch war sie eine Spur schärfer als normal. Scorpius würde sich mit vorwitzigen Antworten zurückhalten, denn mit Humor hatte es sein Vater nicht so. »In einer Karaokebar. Albus und Rose hatten die Aktion heute ein bisschen weiter geplant als ich.« Aus Unsicherheit schob er seine Hände in die Hosentaschen und konnte ein ratloses Schulterzucken noch vermeiden. Sein Vater ließ ein entrüstetes Schnauben verlauten. »Ach, war das deren Idee gewesen? Sehr charakteristisch darfst du ihnen ausrichten. Möchtest du mir noch erklären, was du dir dabei gedacht hast? Sollte das witzig sein?« Anfangs hatte Scorpius selbst noch geglaubt, er hätte das alles nur aus Spaß machen wollen, wollte seinen Eltern eins auswischen in einer rebellischen Phase, aber noch am Vorabend hat er sich einmal länger Gedanken darüber gemacht und es war alles sehr viel Ernster, als es anfänglich schien. »Nein, sollte es nicht. Ich dachte nur- Ihr sprecht immer von der ganzen Familie, aber«, nervös strich sich der junge Malfoy durch sein blondes Haar und starrte auf das alte Gemälde seines Vorfahren Pontius Malfoy, »wie können wir behaupten, dass uns Familienbande wichtig sind, wenn wir einen Teil unserer Familie verleugnen?« Vorsichtig sah er zu seinem Vater und merkte, wie die Anspannung dessen Schultern verließ. Resigniert ließ er sie sinken. »Du magst recht haben«, gestand Draco ein und überraschte seinen Sohn damit ehrlich. »Aber du hättest uns ruhig sagen können, dass dir etwas daran liegt, statt uns so ins offene Feuer rennen zu lassen!« Entschuldigend grinste Scorpius und zuckte leicht mit den Schultern. »Das war vielleicht doch etwas trotzig von mir, tut mir leid.« Draco gab nur ein zustimmendes Nicken zurück, bevor er zögerlich begann: »Ted sagt, du hast schon länger mit ihm und - Tante Andromeda Kontakt.« Seine Stimme war kratzig und unsicher. Scorpius konnte nicht sagen, was sein Vater damit sagen wollte und überlegte daher sorgfältig seine Antwort. »Ja, ich habe ihn bei den Potters einmal getroffen. Er war sehr herzlich – familiär – zu mir und erzählte von seiner Großmutter. Ich wollte sie kennenlernen.« Verstehend nickte Draco und betrachtete seinen Sohn wieder aufmerksam. »Und das Avior ein waschechter Black ist, hast auch du herausgefunden, nicht wahr?« Die Frage machte den Jungen glatt etwas verlegen und er massierte sich unwohl den Nacken. »Er heißt Black. Da überkam mich die Neugier und Großmutter hat ja alles von ihrer Familie aufbewahrt.« »Unserer Familie«, korrigierte Draco. »Auch wenn wir nicht Black heißen, sind sie auch ein Teil unserer Familie.« »So wie Tante Andromeda, Ted und Avior auch«, entgegnete Scorpius ihm und wieder bekam er ein stummes Nicken zurück. »Ja, sie gehören auch zur Familie.« Diese Antwort löste in Scorpius einen Knoten, den er schon sehr lange mit sich getragen hatte. Die innere Zerrissenheit seiner Familie hatte ihn oft ins Grübeln versetzt. Schließlich hatten weder seine Mutter noch sein Vater ihm jemals verboten den Umgang mit Ted und Andromeda zu pflegen, trotzdem hatte er das Gefühl gehabt, etwas zu tun, was ihnen missfallen würde. Nun begriff er, dass seine Eltern wirklich nichts gegen diese Bande hatte und es nur nicht schafften, über ihren Schatten zu springen, um den ersten Schritt zu wagen. Er kratzte sich an der Nase, um das euphorische Grinsen hinter seiner Hand verstecken zu können. »Wie verlief das Essen noch so?« Natürlich erntete er für die Frage gleich wieder ein entrüstetes Schnauben, bevor nach einem kurzen Schweigen die Antwort kam: »Es wurde besser.« Nun traute sich Scorpius das Grinsen auch offen zu zeigen. »Werden wir so ein Essen wiederholen?« Draco erwiderte ein schmales Lächeln. »Sicher, nächstes Jahr zu deinem Geburtstag.« Scorpius verstand den leichten Seitenhieb und wusste, dass er ihn verdient hatte. »Natürlich, Vater.« Damit war die Unterredung beendet und Draco entließ ihn auf sein Zimmer. Morgen würde er von seiner Mutter sicher aufs Genauste ausgehorcht werden, womit er eine kleine Schonfrist erhielt. Er lief mit schnellen Schritten die Treppe rauf und ging gleich in sein Zimmer. Im Kopf ließ er den Tag schon Revue passieren und entschied, dass es der beste Geburtstag seit Langem war, obwohl der Tag noch nicht vorbei sein sollte, wie er feststellen durfte. Gerade hatte er sich auf sein Bett fallen lassen, als am Fenster ein Klopfen ertönte. Irritiert schaute Scorpius auf und konnte nicht verhindern, dass ihm die Überraschung anzusehen war. Albus und Rose wieder – diesmal auf Besen und schwebend vor seinem Fenster. Ungläubig schüttelte er einmal den Kopf, bevor er sich dazu aufraffte aufzustehen, um ihnen das Fenster zu öffnen. »Was soll das werden, wenn es fertig ist?«, fragte er amüsiert und rechnete schon mit dem Schlimmsten. »Lass uns erst mal rein«, verlangte sein bester Kumpel von ihm und wartete nicht mal, bis er aus dem Weg gegangen war, damit er ins Zimmer hereinkommen konnte. Rose folgte Albus sogleich. »Wir hatten vorhin was zuhause vergessen und da kam es uns ganz gelegen, dass du dich nicht von uns bringen lassen wolltest. So konnten wir es nämlich eben holen gehen«, erklärte die Weasley freudig und löste nur noch mehr Unglauben bei Scorpius aus. »Weil ihr irgendetwas vergessen habt, seid ihr jetzt noch mal mit dem Besen hergekommen? Weasley. Potter. Ihr seid verrückt.« »Das liegt uns in den Genen«, gab Albus leichthin zurück und winkte ab. »Und was war so wichtig, dass es keinen Aufschub dulden konnte?« Scorpius konnte die Aktion nur mit leichtem Spott begegnen. Es war doch wirklich nur bescheuert, wegen irgendetwas noch mal mit dem Besen vorbei zu fliegen. »Na, deine Geburtstagsgeschenke!« Albus und Rose grinsten ihn euphorisch an und zogen aus einer Umhängetasche, die an Rose Hüfte baumelte, zwei Päckchen heraus, um sie dem Malfoy zu überreichen. Sprachlos nahm dieser sie entgegen. Sie waren noch einmal vorbei gekommen, wegen seiner Geschenke? Nur deswegen? »Geschenke sollte man, wenn möglich, wirklich an seinem Geburtstag bekommen. Nicht irgendwann später«, war Rose‘ Devise und setzte sich prompt auf sein Bett. »Pack schon aus!« Scorpius ließ sich nicht zwei Mal bitten. Schnell hatte er sich neben die Weasley auf sein Bett gesetzt und auch Albus war schnell dazu gesprungen, um zuzuschauen, wie er die Geschenke sorgfältig von dem knallbunten Papier befreite. »Rose hat eingepackt«, erklärte Albus knapp. Zum Vorschein kamen ein Fotoalbum, dessen Einband mit vielen verschiedenen Fotos beklebt war, und ein kleines Säckchen, indem sich eindeutig etwas befand. Es wog nicht viel und es ließ sich auch nicht erahnen, was es sein könnte. Gerade als Scorpius es öffnen wollte, hielt Rose ihn davon ab. »Das ist ein Talisman. Du darfst nicht rein sehen, was drin ist!« Zwar verstand der Malfoy diesen Aberglauben nicht ganz, trotzdem nickte er und versprach, dieser Anweisung folge zu leisten. Als Nächstes zog Rose einen selbstgebackenen Kuchen von ihrer Großmutter Molly aus der Tasche hervor. Den Flug hatte er nicht einwandfrei überstanden, aber das schmälerte seinen Geschmack überhaupt nicht. Herzhaft langten die drei Teenager zu und stopften sich die Münder so voll mit Kuchen, dass sie kein Wort mehr sprechen konnten. Einmal verschluckte Rose sich vor Lachen an einem Krümel, sodass ihr die Tränen in die Augen schossen und ihr Gesicht puterrot anlief. Albus gab ihr eine Flasche Kürbissaft zur Hand, um nachzuspülen. Auch wenn es schade war, mussten die beiden Gäste bald wieder gehen. Es war inzwischen schon fast stock dunkel und ihre Eltern wussten auch nicht, wo sie sich aufhielten. »Mein Dad hätte meinen Besen angekettet, wenn er wüsste, dass ich zum Malfoy Manor wollte«, war Rose‘ Entschuldigung gewesen, aber grinste dabei so sehr, dass es wohl kaum ihr ernst war. Albus stieg zuerst auf seinen Besen und sprang aus dem Fenster. »Warte noch eben kurz«, bat Rose ihn und der Potter nickte nur und flog ein paar Achten, um die Bäume, die das Gebäude umsäumten. Fragens blickte Scorpius das Mädchen an, das nun etwas unbeholfen vor ihm stand und ihre Bluse zu Recht zu zupfen schien. »Ist noch was?«, fragte, er offen und überlegte, ob sie etwas liegen gelassen haben könnte. »N-nein, nein.« Eine Rose, die stotterte? Das war eigenartig. Sie machte einen Schritt auf ihn zu, ließ ihren Besen beiseite stehen und schaute zu ihm auf. »Ich hab noch was für dich«, flüsterte sie und wäre sie ihm nicht schon so nahe gewesen, hätte er es wohl kaum verstanden. Er war etwas größer, deshalb trat Rose auf ihre Zehenspitzen, hielt das Gleichgewicht, indem sie sich an seinen Schultern Halt suchte, und legte sanft ihre Lippen auf seine. Sie schmeckten süß – nach Kuchen. »Alles Liebe zum Geburtstag, Scorpius«, hauchte sie ihm heiser entgegen, bevor sie sich ihren Besen gegriffen hatte, um Albus in die Nacht zu folgen. Scorpius' Resümee war definitiv zu früh gewesen. Aber es blieb dabei. Das war der beste Geburtstag seit Langem. Hosted by Animexx e.V. 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