Amantes amentes von _Delacroix_ (Eine One-Shot-Sammlung) ================================================================================ Hestia ------ Warme, tiefe Töne lagen in der Luft, ergaben eine Melodie und brachten Hestia Carrow zum Träumen. Der Mädchenschlafsaal war fast vollständig verlassen und niemand schien zu bemerken, das sie innerlich auch schon lange nicht mehr auf ihrem Bett lag. Eigentlich war Hestia nicht der Typ Mädchen, der viel träumte. Das überließ sie lieber ihrer Schwester Flora, aber heute war eine Ausnahme. Die allgemeine Valentinstagsstimmung hatte sie erfasst und zusammen mit der traurigen Melodie des Fagottspiels ihrer Schwester einfach fortgetragen. Fort aus dem Mädchenschlafsaal, fort von den ewigen Prüfungsvorbereitungen und hinein in eine rosarote Traumwelt, in der alles genauso war, wie sie es sich gerade ausmalte. Und gerade malte sie sich eine ganze Menge aus. Heißer Atem glitt über ihre Wange hinweg zu ihrem Ohr, hielt dort kurz inne und raunte dann „Du bist wirklich süß, Hestia.“ Das Mädchen begann wie von selbst zu lächeln. Natürlich gefielen ihr solche Komplimente, auch wenn sie insgeheim wusste, dass sie nicht echt waren und das sie nicht gemeinsam zu „Madam Puddifoot's“ gehen würden um dort zwischen einem Haufen frisch verliebter Schüler Händchen zu halten. Würde ohnehin keinen Spaß machen, so überfüllt wie der Laden heute war. „Danke Theo“, hauchte sie der Traumgestalt entgegen und hoffte insgeheim auf weitere Komplimente oder wenigstens einen Kuss, doch was folgte, war einfach nur ein simples „Hestia?“ „Hestia!“, wiederholte die Stimme und war plötzlich viel zu real um noch in ihren Traum zu gehören. Die rosarote Welt begann zu verschwimmen und gab unvermittelt die Sicht auf die grünen Vorhänge ihres Bettes frei. Oh verdammt, immer wenn es gerade spannend wurde! Unzufrieden murrend setzte sich das Mädchen auf, brauchte einen Moment um den Störenfried überhaupt zu erkennen und noch einen Weiteren um zu bemerken, dass das Fagott ihrer Zwillingsschwester tatsächlich verstummt war. „Sag mal, träumst du?“, fragte diese und stemmte ihre Hände in die Hüften, so wie es ihre Mutter immer getan hatte, bevor sie schließlich in Askaban gelandet war. „Ich dachte du hast heute noch ein Date mit Theodore. Solltest du dich dafür nicht langsam fertig machen?“ Ihr Blick glitt über Hestia hinweg und Hestia versuchte der strengen Musterung zumindest mit den Augen zu folgen. Sie wusste nicht, was falsch an ihr war. Immerhin wollten sie sich nur in der Bibliothek treffen, aber die Art wie Flora den Kopf schüttelte, war kein gutes Zeichen. Scheinbar hatte sie kleidungstechnisch in ihren Augen total versagt und als Flora dann auch noch den Zauberstab zückte, dämmerte Hestia langsam , dass sie gerade in ernsthafte Schwierigkeiten geraten war. Helles Kerzenlicht warf flackernde Schatten auf die Bücherregale und normalerweise hätte Hestia das hübsch gefunden. Leider hatte sie eine überdimensionale Schleife auf dem Kopf, die ihr ständig über die Augen rutschte und so bekam sie von dem Spiel aus Licht und Schatten herzlich wenig mit. Ihre Zähne knirschten, während sie versuchte auf den Absatzschuhen das Gleichgewicht zu halten. Inzwischen fürchtete sie ernsthaft, dass Theodore sie auslachen würde. Das Kleid war unbequem, hinderte sie am Atmen und auf den Schuhen konnte sie kaum richtig laufen. Das würde er bemerken. Jeder würde es bemerken, so wie sie gerade durch die Gegend stolperte. Mit düsterer Miene stakste sie an den leeren Tischen vorbei. Wenigstens war niemand hier um sich über sie und ihr selten hässliches Outfit lustig zu machen. Niemand außer - „Hestia, bist du das?“ - Theodore. Hestia presste die Lippen zu einem Strich zusammen und versuchte seinen Platz auszumachen. Etwas, was aufgrund der riesigen Stoffbahnen über ihren Augen eine ganze Weile dauerte. Es war einfach toll. Mitte Februar und sie sah aus wie ein vergessener Weihnachtsbaum und das nur weil sie sich von ihrer Schwester hatte bequatschen lassen. Irgendein Gott musste sie hassen und in Anbetracht des Datums war es wahrscheinlich die Göttin Venus höchst selbst, die einen Groll gegen sie hegte. „Frag bloß nicht“, warnte sie den Jungen, während sie sich unglücklich bis zum Tisch vorwärts kämpfte, nur um dann neben ihm stehenzubleiben. Sie musste Theodore nicht sehen um zu wissen, wie er sie ansah. Skeptisch. Eindeutig skeptisch. Sie hätte ihn auch skeptisch angesehen, hätte er sich Mitte Februar als Weihnachtsbaum verkleiden lassen. Skeptisch und vielleicht auch ein bisschen entsetzt. „Du ähm... Du siehst interessant aus“, versuchte er zu retten was noch zu retten war und Hestia war wirklich dankbar dafür. „Interessant“ klang so viel besser als „grässlich“ und sorgte dafür, dass sie sich nicht mehr ganz so fühlte als müsse sie gleich all ihre Nadeln abwerfen. Nicht das sie Nadeln zum abwerfen gehabt hätte. Höchstens die blöde Schleife auf ihrem Kopf und die hatte Flora vorsorglich festgehext. - „Damit sie nicht abfällt“, hatte sie gesagt, die blöde Kuh! „Willst du dich nicht setzen?“, fragte Theodore aber Hestia schüttelte eilig den Kopf. „Wenn ich mich in diesem Kleid setze, falle ich in drei Minuten wegen Luftmangel vom Stuhl“, klärte sie ihn auf und wusste ganz genau, das der skeptische Blick noch immer nicht verschwunden war. Vermutlich trug sie dazu auch nicht gerade bei – Immerhin, welcher normale Mensch ließ sich schon in ein Kleid stecken, in dem er sich nicht setzen konnte? „Dann gehen wir vielleicht besser ein Stück spazieren“, verbesserte Theodore seinen ersten Vorschlag und dieses Mal nickte Hestia eilig. Spazieren klang gut, auch wenn es sich nur um die Gänge des Schlosses handeln würde. Zumindest würde sie dabei nicht versehentlich ersticken. Höchstens zu Todes stürzen, wenn sie auf ihren viel zu hohen Absätzen umknickte. Vorsichtig versuchte sie zu lächeln, doch so richtig wollte es ihr nicht über die Lippen kommen. Die Vorstellung zu Tode zu stürzen war halt nicht sonderlich erheiternd. „Jetzt schau nicht so traurig“, forderte Theodore, während er eilig die Bücher in seiner Tasche verschwinden ließ und ihr schließlich sogar noch seinen Arm anbot, um sie aus der Bibliothek zu führen. Wahrscheinlich hatte er Sorge, dass sie fallen würde, wenn sie mehr als fünf Fuß ohne eine Möglichkeit zum Festhalten zurücklegen musste. „Sieh es so“, schlug er vor, als sie die Bibliothek hinter sich gelassen hatten und sie die ersten Schritte auf dem Gang machten, „du bist mit Sicherheit das einzige Mädchen an dieser Schule, das es schafft mit einer überdimensionalen Schleife auf dem Kopf noch hübsch auszusehen.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)