GOD CHILD - The Celtic Cross von Silly-Sama (Das keltische Kreuz (mit Kapitel 6 abgeschlossen - wird aber von Sandy25 fortgesetzt)) ================================================================================ Prolog: Prolog -------------- Prolog Stumm und lautlos erhoben sich die dunklen und bedrohlichen Baumwipfel auf beiden Seiten des Weges und umschlossen ihn mit unheimlicher Schwärze. Kein Geräusch der Nacht war zu vernehmen, als sei alles ausgestorben und tot. Doch in diesem Moment flogen schwarze Raben in die Lüfte, aufgescheucht durch einen keuchend zwischen den Bäumen umherirrenden Mann, der flüchtete . . . Der Schweiß und die pure Angst standen ihm auf der Stirn und sein bleiches Gesicht ließ nur erahnen, welch Schreckliches er hatte mit ansehen müssen. Er rannte immer schneller und immer tiefer in den Wald, in der Hoffnung seinem Verfolger entkommen zu können, doch alles war vergebens. Plötzlich stolperte er. Der Boden war weich und moderig und er verschnaufte einen Moment, doch als es hinter sich seltsame Stimmen, einen eigenartigen Singsang, vernahm, stockte ihm der schwere Atmen und er wandte entsetzt und mit weit aufgerissenen Augen den Kopf. "Gott, erbarme dich . . . ich habe nichts getan!" flüsterte er ehrfürchtig und die Tränen standen ihm in den Augen. Die dunkle, ummantelte Gestalt kam schweigend näher und blieb kurz vor ihm stehen. Ihm wurde schlecht und das Erbrochene quellte auf seinen Mundwinkeln, als er in das grausam entstellte Gesicht der hageren Gestalt blickte. Sie maß ihn seines verächtlichen und unwürdigen Blickes und holte mit dem Schwert aus, das sie in ihren schmalen Händen hielt. Ihr Opfer hatte nicht einmal mehr die Zeit einen gellenden Schmerzensschrei auszustoßen, als sie ihm den Kopf abtrennte und er ins Gras fiel. Kapitel 1: 1 ------------ 1 Der Regen hatte begonnen in einem unermüdlichem Schwall über London hereinzubrechen und die Luft füllte sich mit Feuchtigkeit und Schwüle. Cain saß am Fenster und starrte hinaus in die Dunkelheit der Nacht. Gedankenverloren bemerkte er nicht, wie Riff das Zimmer betrat und ein Teeservice hereinbrachte. Der gut gebaute, hoch gewachsene Butler blieb kurz vor dem Schreibtisch stehen, auf dem es aussah, als hätte man ganze Bibliotheken geplündert. Er lächelte milde und stellte das Tablett auf einem der Bücherstapel ab, der ihm einigermaßen stabil erschien. "Sind sie schon vorangekommen, Master Cain?" fragte er, als er zu ihm hinüber sah. Cain antwortete nicht und blickte weiter mit seinen geheimnisvoll leuchtenden Augen hinaus. "Schläft Merry schon?" fragte er abwesend. Riff nickte knapp, aber statt wieder das Zimmer zu verlassen kam er auf seinen Herren zu und setzte sich ihm gegenüber, um in dessen goldgrünen Augen zu lesen. "An was denken sie, Master Cain?" fragte er besorgt nach und wollte ihm schon eine der wirren Haarsträhnen aus dem Gesicht streifen, als Cain vom Fenster weg und ihn ansah. Riff erschrak, als er dem festen und durchdringenden Blick begegnete. So schaute Cain ihn selten an. Etwas schlimmes musste passiert sein. "Inspector Challenger hat wieder angerufen," meinte er traurig und erschöpft. Riff hielt seinem Blick stand, doch in diesem Moment warf sich Cain erschöpft in die Arme Riffs und schloss die Augen. "Er sagte, es gäbe ein neues Opfer, diesmal in der Nähe von St. Albans." Cain war müde, das merkte Riff und er hielt schützend seine Hände auf dessen schmalen und kalten Schultern. "Die gleiche Weise, die bei den anderen beiden, Riff! Der gleiche Mörder!" Seine Stimme wurde leiser und weniger matt und er schlief bald darauf ein. Riff lächelte freundlich, auch wenn sein Meister das nicht sehen konnte und er tätschelte sanft die Wangen des schlafenden Jungen. Inzwischen war so viel Zeit vergangen, ihm wurde es bewusst, wie lange er ihn schon kannte und nun lag kein kleiner, schwacher Junge mehr in seinem Arm, sondern ein schöner, erwachsener, junger Mann Anfang 20. Behutsam nahm er ihn auf und trug ihn in dessen Schlafzimmer. Dort legte er den tief und fest schlafenden, erschöpften Count in sein Bett und beugte sich über sein Gesicht. Er küsste sanft die helle, weiße Stirn und verließ das Zimmer. Draußen stand Merryweather in ihrem langen, rosa-weißem Nachthemd und rieb sich den Schlaf auf den Augen. "Solltest du nicht schlafen, kleines Fräulein?" fragte er freundlich und kam auf sie zu. Merry schaute ihn vorwurfsvoll an. "Das Gewitter, Riff! Es hat mich wach gemacht, ich habe Angst, wenn es so laut donnert!" In diesem Moment schlug nicht unweit des Hauses ein lauter Blitz ein. Merry zuckte zusammen und rannte zu Riff, der sie schützend in die Arme nahm, als hätte er damit gerechnet. "Keine Angst, kleines Fräulein, das Gewitter ist bald vorbei!" versprach er ihr mit ruhiger Stimme. Merry nickte, aber klammerte sich fester an seiner Jacke fest. "Passt du auf mich auf?" fragte sie ihn ängstlich. Er lächelte freundlich und ruhig. "Aber natürlich, genauso wie dein Bruder!" Merry schlief in seinen Armen ein und er brachte sie zurück in ihr Zimmer. Auch ihr gab er einen Kuss auf die Stirn und verließ den Raum wieder. "Ich bete, dass euch beiden nichts passiert!" meinte er, als er ihr Zimmer verlassen und auf dem Gang hinaus durch das regennasse Fenster in die Dunkelheit schaute, so, als ahne er, dass bald etwas passieren würde, das ihr aller Leben verändern sollte . . . Kapitel 2: 2 ------------ 2 Das Unwetter des Abends hatte sich verzogen, doch die Stürme der Nacht hatten ihre Spuren hinterlassen. Bäume hatte es entwurzelt, der Strom war zum Teil in den Herrenhäusern der Umgebung ausgefallen, doch wie ein Wunder hatte es den Sitz der Hargreaves verschont. Der Nebel hing wie ein undurchdringlicher Schleier über den Straßen Londons, doch das Wetter des vergangenen Tages und die katastrophalen Versorgungsbedingungen in der Stadt hielten den Inspector nicht davon ab, Count Cain C. Hargreaves schon in den frühen Morgenstunden einen Besuch abzustatten. Cain war noch immer eifrig daran, wach zu werden, da er die vergangene Nacht unentwegt die Bücher der alten keltischen Sekten und Kulte durchstudiert hatte, um nach Erklärungen und Antworten zu suchen, als ihn der Inspector angerufen und um ein schnelles und dringliches Treffen gebeten hatte, das seiner Ansicht nach, Licht ins Dunkel bringen konnte. Cain wusste nicht, was der seltsame, grauhaarige Inspector von Scottland Yard damit meinte und am frühen Morgen war es ihm auch noch relativ egal, sodass er Riff bat den Inspector gleich nach seinem Eintreffen in die große Bibliothek kommen zu lassen, in der er heute ausnahmsweise frühstückte. Vor ihm lag ein großes, eingebundenes, altes Buch mit keltischen Schriftsymbolen auf allen Seiten. Er betrachtete schweigsam das Bild, auf dessen Seite er beim durchblättern verweilt war. Es schien ihm bekannt vorzukommen, sodass er es mit der Lupe eindringlicher musterte und ihm eine eigenartige Phiole in der Hand eines der Druiden auffiel. Was wohl in ihr sein mochte, ging es ihm durch den Kopf. In diesem Moment klopfte es an der großen, schweren Eichentür, die in die Bibliothek führte und Riff öffnete. Hinter ihm betrat der Inspector, Howard Challenger, die großen Räumlichkeiten und die Neugierde und das Erstaunen spiegelten sich in seinem perplexem Antlitz. Cain grinste, als er den älteren Mann ansah. "Sie sehen aus, als würden sie nicht oft lesen!" merkte er schnippisch an, und verwies dabei geschickt auf das faszinierte Gesicht, das der Inspector beim Anblick der vielen Büchern in den Regalen machte. Dieser räusperte sich und wurde leicht rot dabei, was Cain veranlasste zu kichern und sich in seinem bequemen Lesesessel aufzurichten. Der Inspector von Scottland Yard hielt nicht viel von Small Talk und kam gleich zu seinem Anliegen, als er die vielen Bücher über keltische Rituale und Druiden auf dem großen Schreibtisch sah. "Wie ich sehe, haben sie sich gleich nach unseren Gespräch vor zwei Tagen an die Arbeit gemacht, Count Cain!?" merkte er zufrieden und etwas stolz auf sich an. Cain machte ein eher abfälliges Gesicht. "Nehmen sie es nicht persönlich, Inspector Challenger, aber sie sich ja wohl nicht hergekommen, um einem ,laienhaften Detektiv' auf die Finger zu schauen!" meinte er etwas ironisch und mit ungespielter Abscheu, da er sich nur zu gut an die herabsetzenden und etwas überheblichen Worte des Inspectors noch vor wenigen Tagen ihm gegenüber erinnerte. Wohl hätte er sich gerne aus der Arbeit Scottland Yards herausgehalten, aber als es ein Opfer aus seinem Bekanntenkreis zu beklagen gab hatte er seinerseits die Ermittlungen in den Ritualmorden aufgenommen und so die Polizei auf sich aufmerksam gemacht. Challenger war nicht dumm, und obwohl er anfangs eher widerspenstig und mit großer Argwohn zugestimmt hatte, musste er doch zugeben, dass eine Zusammenarbeit mit dem wohl geschicktestem und bestem Detektiv Londons auch seine Vorteile hatte. Zumal er jetzt mehr denn je seine fachkompetente Unterstützung brauchte. Schließlich lächelte er milde und um die von Cain angemerkte Angelegenheit endgültig vom Tisch zu wissen, änderte er sofort das Thema und ging zu seinem Anliegen über. "Wir haben neue Indizieren, was diesen Ritualmörder angeht, wenn wir ihn so nennen wollen!" meinte er und holte aus seiner Jacke einen kleinen Zettel heraus, in dem augenscheinlich etwas eingewickelt war. Riff, der hinter den Inspector getreten war und auf Anweisungen seines Meisters wartete, schaute neugierig über die Schulter des grauhaarigen Mannes, der ihn scharf ansah. Cain winkte beschwichtigend an. "Er ist vertrauenswürdig, Inspector, also was soll diese Geheimnistuerei?" gab er genervt zu bedenken. Der Inspector verwies auf die absolute Geheimhaltungsstufe und öffnete langsam und sehr behutsam das Kuvert. Darin befand sich eine kleine Schatulle, nicht größer als ein Manschettenknopf, die geöffnet war. Riff und Cain schauten den Inspector erwartungsvoll an. "Dieses ,Gefäß' haben wir bei der dritten Leiche in St. Albans gefunden. Sie war geöffnet und der Inhalt verschwunden, aber wir vermuten, dass der Inhalt dem Täter gehörte, vielleicht eine Art Giftschatulle!" Cain maß das blecherne Behältnis mit großer Neugierde und Skepsis. "Könnte sein, es ist durchaus denkbar und möglich, dass man darin ein Serum verstecken kann. Hat man schon überprüft, welche Flüssigkeit darin war?" Der Inspector schüttelte andächtig mit dem Kopf. "Das wollten wir von einer Koryphäe wie ihnen wissen, deswegen bin ich überhaupt hergekommen!" meinte er trocken und schaute verlegen und etwas ratlos nach der Schatulle, die er auf den Tisch vor Cain abgelegt hatte. Dieser grinste ihn hämisch an. "So so, Scottland Yard hat also keinen blassen Schimmer von Giftmixturen und deshalb wollen sie den verschriebenen ,Earl of Poison' um Rat fragen?!" Es war belustigend, dem Inspector zuzusehen, wie er sich den Schweiß von der Stirn wischte und nur mit Mühe die passenden Worte fand, um zu antworten. "Das ist es nicht, Count, es ist doch recht merkwürdig, dass man ein Opfer erst mittels Gift ermordet, oder es zumindest vor hat, wenn das Gift tödliche Wirkung zeigt, und ihm dann anschließend noch den Kopf abtrennt, finden sie nicht auch?" meinte er nervös, aber sichtlich überzeigt von seiner Aussage. Cain blickte an ihm vorbei zu Riff, dem der Blick nicht entging und der daraufhin das Zimmer verließ, um Tee zu holen. "Nun, ich muss zugeben, sie haben recht. Das wäre sinnlos, oder übertrieben, denn wer riskiert schon, dass man die Spuren zurückverfolgen kann?" Eine rhetorische Frage, wie dem Inspector schien, doch Cain hatte damit eigentlich auf etwas anderes angespielt. Jemand, der wollte, dass die Polizei nach dem dritten Toten endlich Anhaltspunkte und vor allem Spuren zu ihm zurückverfolgen konnte! Wieso wollte das wohl jemand? Weshalb machte er solche Fehler, oder ging es ihm gar nicht um die Polizei? Mit einer kurzen Geste deutete Cain dem Inspector an, dass er sich doch setzen möge, was dieser auch tat. Er legte seinen Mantel, einen langen, braunen Trenchcoat, über die Lehne des Bibliothekssessels und nahm dann Cain gegenüber am Schreibtisch platz. "Fest steht, dass alle drei Morde in und um London, immer auf die gleiche Art und Weise ausgeführt worden und dem Opfer in allen drei Fällen eine Kette mit einem keltischen Kreuz umgehängt war, bevor der Täter ihnen den Kopf abhakte und verschwand, was wir annehmen. Das kann erstens kein Zufall sein und zweitens gehe ich davon aus, dass dieses Kreuz eine tiefere Bedeutung hat, als wie wir bisher glaubten, Inspector!" Er nickte nur, als Cain seine Zusammenfassung beendet hatte. "Gehen sie von einer Sekte aus?" fragte er nach. Cain maß ihn eines scharfen Blickes, so als glaube er nicht, was dieser soeben gesagt hatte. "Haben sie daran noch nicht gedacht?" konterte er noch mit einer Gegenfrage, die dem Inspector wieder den Schweiß auf die Stirn brachte. "Nun ja, wir haben es nicht gänzlich ausgeschlossen, aber zur Zeit scheint es eher ruhig zu sein und von einer neuen Organisation oder Sekte wissen wir nichts. Das wären zu viele ,vielleicht' und ,möglicherweise', verstehen sie. Wir müssen uns auf die Fakten und Beweise stützen, die wir schon haben!" Cain lachte wieder herzlich. "Sie haben recht, aber sie sollten eines nicht vergessen, Inspector," er wurde dabei wieder sehr ernst und gedankenverloren, "diese Art und Weise, wie die Morde ausgeführt worden, zeigt deutlich, dass es sich nicht nur um einen Täter handelt und egal, was die Diagnose des Giftes zeigen wird, fest steht, dass ein so komplexes Versteck für ein Serum nicht auf der Idee eines irren Psychopathen beruht!" Der alternde Inspector schaute ihn mit ausgerissenen Augen an. Ihm wurde schwindelig und schlecht und er hielt sich mit Mühe an der Lehne des Sessels fest. Alles drehte sich auf einmal. Cain schaute ihn aus seinen goldgrünen Augen ausdruckslos und abschätzend an. "Was . . . ist mit mir los?" keuchte der Inspector plötzlich und versuchte aufzustehen, was aber kläglich misslang. Cain stand von seinem Sessel auf und lief zum Fenster. "Sie haben nicht zufällig von den kleinen, rosanen Bonbons im Foyer gegessen?" fragte er vergnügt, wie dem Inspector schien. Dieser wurde etwas rot, da er entdeckt wurde. Dabei dachte er, dass niemand ihn gesehen hatte, als er schnell eines geschluckt hatte. Er nickte nur knapp und Cain lächelte. "Tja, dumm gelaufen!" meinte er nur und deutete auf eine Reihe Giftfläschchen, die im Regal standen. In diesem Moment betrat Riff mit einem Teeservice auf einem Tablett und einer kleinen grünen Schachtel den Raum und stellte beides auf dem Schreibtisch ab. Er schaute auf den nach Luft ringenden Inspector und schüttelte verständnislos den Kopf. Dann schenkte er seelenruhig den Tee ein, eine Tasse für seinen Herren und eine Tasse für den Inspector, der sich immer mehr krümmte und heftig zu zittern begann. Als er fertig war, öffnete er die kleine Schachtel und holte eine gelbliche Pille heraus, die er in das Glas des Inspectors warf und umrührte. Cain stand am großen Bibliotheksfenster und schaute hinaus in den Himmel, der nun vollkommen klar und wolkenlos war und die Sonne sich ihren Weg bahnen konnte. Riff gab dem Inspector die Tasse und ließ ihn nippen. "Trinken sie sie aus, das ist wichtig, sonst werden sie vom Kopf abwärts gelähmt bleiben!" meinte Riff besorgt, doch das entsetzte Gesicht des Inspectors verriet mehr Furcht und Besorgnis, als das es mit Worten beschrieben werden konnte. Als er sie wieder selbst halten konnte, wandte sich Riff wieder dem Tablett zu. Er nahm die Tasse Cains und gab sie ihm. Dieser lächelte. "Wieder einer, der das Naschen nicht lassen konnte!" meinte er zufrieden mit sich. Riff war aber gar nicht zum Lachen zumute. "Wenn sie so weitermachen, Meister, wird bald sogar die Polizei von London ihr Haus meiden!" merkte er an. Cain grinste noch breiter. "Umso besser, dann habe ich meine Ruhe!" Kapitel 3: 3 ------------ 3 Schließlich verließ Inspector Challenger den Wohnsitz der Hargreaves wieder, mit gemischtem und ungutem Gefühl, denn dieses Anwesen würde er so schnell nicht mehr betreten, geschweige denn etwas aus dem Haus essen! Cain war inzwischen, während Riff den Inspector zur Tür gebracht hatte, in den Garten hinausgegangen, in dem Merryweather auf einem weißen Stuhl saß und den Vögeln beim fliegen zusah. Er schlich sich von hinten an sie heran und erschreckte die Kleine, die beinahe vom Stuhl fiel. "Ist der große Mann schon weg?" fragte sie ihn heiter, als er ihr wieder auf den Stuhl half und anlächelte. Er nickte. "Inspector Challenger!" meinte er zu ihr. Sie maß ihn eines abschätzenden Blickes. "Er war hier, weil die Polizei mal wieder Hilfe braucht, hab ich recht?" fragte sie nach und zog dabei herausfordernd eine Augenbraue nach oben. Er grinste sie an. Vor ihr konnte man wirklich nichts verbergen. In diesem Moment kehrte Riff in die Bibliothek zurück und betrat ebenfalls über die Terrasse den Garten. Als Cain und Merry ihn kommen sahen lächelten beide, so als erwarten sie einen der üblichen Kommentare, der aber ausblieb, als Riff ihre erwartungsvollen Gesichter sah. Als sie dann beide lachten machte Riff auf dem Absatz kehrt und ging zurück ins Haus. "So leicht hat er noch nie aufgegeben, Bruderherz!" meinte Merry und stand auf. "Ist er vielleicht krank?" Cain sah sie fragend an. In der Tat verhielt sich Riff seit dem vergangenen Abend recht merkwürdig, das war ihm auch aufgefallen, doch bisher dachte er nicht daran, dass es etwas geben könnte, das ihm fehlte oder ihn beschäftigte. Zu sehr war er selbst mit den Morden beschäftigt gewesen, als dass er ihn hätten danach gefragt. Als Merry ins Haus zurückkehrte blieb Cain einen Moment gedankenverloren im Garten stehen und blickte ihr nach. Konnte das sein? Plötzlich spürte er, wie sich seine Nackenhaare sträubten und er wandte erschrocken den Kopf. Hinter ihm stand lediglich der Gärtner, der ihn aus verschlafenen und trüben Augen heraus ansah. "Entschuldigen sie, Count Cain!" verbeugte er sich tief und ging weiter. Cain fasste sich an den Kopf und stützte sich am Stuhl ab. Ihm war doch eben so gewesen, als hätte ihn jemand beobachtet . . . Hatte er sich das nur eingebildet? Im Haus war Riff unterdessen damit beschäftigt, das Teeservice wieder abzuräumen und in die Küche zurückzubringen, als Cain wieder herein trat und ihn konfus und fast orientierungslos anstarrte. Er sagte nichts, doch hielt erschrocken in der Bewegung inne und maß seinen Meister und Schützling mit einem strengen Blick. Cain ließ sich kraftlos auf das Lesesofa sinken und starrte die hohe, mit Ornamenten verzierte Decke an. "Da stimmt was nicht, Riff!" meinte er schließlich mit schwacher und kraftloser Stimme und vergrub das Gesicht unter seinen Händen. Ihm tat der Kopf weh und ihm wurde etwas schwindelig. Riff stellte das Tablett wieder auf den Tisch zurück und lief besorgt zu seinem Herren hinüber, der ihn mit einem sehr ernsten Gesicht empfing. "Du spürst es doch auch, nicht war?" Riff blickte ihn wieder mit diesem enttarntem und entblößtem, aber doch ausdrucksstarkem Gesicht an. "Ich fürchte, dass bald etwas Schlimmes passieren wird, deshalb rate ich ihnen nichts Unüberlegtes zu tun . . ." begann er und fühlte die heiße Stirn Cains, der wirklich beinahe glühte. "Sie haben Fieber!" merkte er an, doch Cain stieß seine Hand einfach weg und setzte sich auf, sodass ihre Gesichter nur eine Handbreit voneinander entfernt waren. Riff wurde rot und schaute ihn entsetzt an, doch Cain verlor fast im selben Augenblick das Gleichgewicht und fiel in Riffs Arme, der ihn überrascht, aber behutsam auffing. "Master Cain?" fragte er nach, doch dieser hörte schon nicht mehr, denn die Dunkelheit der süßen Ohnmacht umschlang ihn und hielt ihn gefangen. Kapitel 4: 4 ------------ 4 Als der Arzt das Zimmer des jungen Counts verließ standen Merry und die Haushälterin Anita aufgeregt und beunruhigt auf dem Gang. Man sah der kleinen Merry an, dass sie kurz zuvor bitterlich vor Sorge geweint haben musste. Sie rieb sich nochmals die roten, verweinten Augen und schaute den Doktor erwartungsvoll an. Er lächelte sie freundlich an und kauerte sich zu ihr hinunter. "Mach dir keine Sorgen um deinen Bruder, ihm geht es bald besser! Es ist ein leichter Schwächeanfall gewesen, wahrscheinlich aufgrund des Wetters!" Die Haushälterin atmete erleichtert auf und begleitete den Arzt zur Tür. "Diese Wetterschwankungen machen uns allen zu schaffen, Doktor, was kann man nur dagegen machen?!" wollte sie mitfühlend und interessiert wissen. Er schüttelte mit dem Kopf. "Das Einzige, was da wirklich hilft, Gnädigste, ist Ruhe!" Merry stand immer noch steif auf dem Gang und ballte die Hände zu Fäusten. Sie hatte wirklich Angst gehabt, es sei etwas ernsteres. Dann rannte sie wie von einer Hummel gestochen ins Zimmer ihres Bruders, der aufrecht in seinem Bett saß und soeben von Riff einen Tee in Empfang genommen hatte. Sie war außer Atem und schaute ihn beinahe wütend und böse an. Er maß sie eines fragenden Blickes, doch dann kam sie auf ihn zu gerannt und fiel ihm um den Hals. "Ich hatte Angst, mach das nicht noch mal, Bruder!" weinte sie wieder in seine Brust hinein. Er schaute zu Riff, der lächelte und das Teetablett aufnahm, um das Zimmer zu verlassen. "Ich verspreche dir, das nächste Mal warne ich dich vorher!" erwiderte er sarkastisch und drückte sie sanft von sich weg. Sie blickte ihn herausfordernd an. "Das ist gemein!" Doch er lächelte nur freundlich. Bevor Riff das Zimmer verlassen konnte, rief Cain ihm noch etwas hinterher. "Bring mir die Unterlagen vom Schreibtisch, dass ich die Arbeit hier fortsetzen kann!" Riff blieb stehen und wandte den Kopf. Seine kleine Stiefschwester blickte Cain mit genau dem selben sorgenvollen und verständnislosen Augen an, wie Riff. "Sie sollten sich besser noch etwas schonen und ausruhen, Master Cain, und nicht gleich wieder in der Arbeit versinken!" gab er zu bedenken. Es war ein lieb gemeinter Ratschlag, der sich in erster Linie an die Gesundheit seines Meisters und Freundes richtete, doch Cain schüttelte bestimmt den Kopf. "Der Mörder wird darauf keine Rücksicht nehmen, Riff, ich muss ihn finden, bevor es eine weitere Leiche zu beklagen gibt!" Riff nickte nur knapp und verließ das Zimmer. Merry setzte sich auf die Bettkante und ließ ihre Beine baumeln. Er schaute zu ihr hinüber. "Wieso machst du das?" wollte sie plötzlich wissen. Er maß sie wieder mit seinem ,was-ist-?'-Blick und lehnte sich entspannt zurück. "Wenn ich schon mal im Bett liegen bleiben soll, dann kann ich auch genauso gut etwas lesen, oder?" meinte er trotzig, um sie nachzuäffen, doch Merry war es ernst und sie hatte auch etwas anderen mit ihrer Frage gemeint, sodass sie ruckartig den Kopf wandte und ihn anbleckte. "Das meinte ich nicht, Cain, ich meine, warum dich diese Mordfälle so interessieren? Du bist vor zwei Tagen wie auch heiterem Himmel einfach losgefahren, ohne ein Wort zu sagen und ohne auch nur mal an andere zu denken. Als du dann wiedergekommen bist, hast du dich gleich in Berge von Zetteln und Büchern vergraben! Denkst du auch mal an mich oder Riff?" schrie sie ihn wütend an. Er schaute sie überrascht und irritiert an, doch dann entspannte er sich und nahm sie in den Arm, als er bemerkte, wie sie zitterte. Merryweather hatte sich endlich Luft gemacht. Das war es, was ihr und wahrscheinlich auch Riff die ganze Zeit auf dem Herzen gelegen hatte. Sie fühlte sich von ihm vernachlässigt. "Mach dir keine Sorgen, Merry!" meinte er mit sanfter Stimme zu ihr. Sie weinte wieder. "Hab ich dir schon mal von Mrs. Larson erzählt?" Sie schüttelte mit dem Kopf und vergrub sich tiefer in seinem Hemd. "Sie war einmal in unserem Haus tätig. Eine sehr freundlich, liebevolle Frau die es verstand ihre Mitmenschen aufzuheitern, wenn es ihnen mal schlecht ging. Dann zog sie allerdings weg und mit ihr verlor dieses Haus an Farbe und Fröhlichkeit. Ich habe mit ihr Kontakt gehalten, da sie mit der Zeit zu einer sehr guten Freundin für mich geworden war." Merry schaute zu ihm auf. "Was ist passiert?" fragte sie dann. Cain schwieg eine Weile und schaute sie dann wehleidig an "Mrs. Larson war das zweite Opfer dieses Mörders, der sie auf bestialische und grauenhafte Weise beinahe hingerichtet hat. Als ich das sah, schwor ich mir, um ihren Tod zu rächen, diesen Mörder zu finden." Merry setzte sich neben ihn, sie sah bedrückt und mitfühlend aus. "Deswegen bist du vor zwei Tagen weggefahren?!" meinte sie eher zu sich selbst gerichtet. Er nickte leicht. "Verstehst du, es war ein Versprechen!" Sie nickte auch und sprang von der Bettkante. "Und die muss man halten, Bruderherz!" ergänzte sie, jetzt aber wieder in ihrer gewohnten fröhlich-heiteren Art. In diesem Moment betrat Riff mit einigen Büchern das Zimmer. "Ah, die Arbeit ruft!" meinte Cain gespielt aufgeregt und lustig, doch Riff verzog verärgert das Gesicht. "Ich hoffe, sie wissen, was sie tun!" gab er zu bedenken. Er nickte nur und nahm ihm die Bücher ab. Merry schaute beiden beim sortieren zu. "Wenn du Hilfe brauchst, dann frag' nur, machst du das?" Cain sah sie an. "Mach ich!" Und mit diesen Worten verließ Merry fröhlich hüpfend das Zimmer. Riff schaute ihr hinterher. "Was haben sie ihr erzählt?" Cain lehnte sich zurück. "Die Wahrheit, mehr nicht, Riff, nur die Wahrheit!" Kapitel 5: 5 ------------ 5 Draußen hatte es inzwischen zu dämmern begonnen und der einsetzende, heftige Regnen ließ die Luft in einer schwülen Hitze keimen. Ein Sturm zog erneut über London hinweg und verwüstete alles. Das Blattgrün, das von den Bäumen nicht mehr getragen werden konnte, flog durch die Luft und suchte sich neuen Halt in den zahllosen Zäunen, die im starken Wind zu schaukeln begonnen, so als brachen sie bald auseinander. Ein Mann mit ins Gesicht gezogenem Trenchcoat lief mit hastigen Schritten über die breite Straße und eilte, sobald es ihm in dem Wetter möglich war, in einer schützenden Haltung zum Eingang des großen, auffälligen Hauses ganz am Ende der regennassen Straße. Es war ihm anzusehen, dass er seinem Aufenthalt sichtlich wenig Elan und Freude zumaß und lieber zu Hause auf seinem Sofa vor einem warmen Kamin sitzen würde, wenn möglich noch mit einem warmen Tee und einer Times in den Händen. Doch sein zeitaufwendiger Beruf verlangte es nun einmal, dass er an einem solchen heiß-regnerischen Sommertag den Sitz der Hargreaves aufsuchte und das noch nach Feierabend in den frühen Abendstunden. Wieder einmal! Der Schauder lief ihm über den Rücken, als er klopfte und der hoch gewachsene Butler, Rivere, öffnete. „Ah, Inspector, so schnell?“ fragte er irritiert, ließ ihn aber mit einem kleinen Lächeln hinein. Ohne Zweifel spielte Riff auf den Vorfall vor drei Tagen an, als der alte Inspector Challenger beinahe durch ein genaschtes Bonbon aus dem Foyer gestorben wäre, da Master Cain es präpariert hatte. Howard Challenger lächelte künstlich zurück und zog seinen nassen Mantel aus, um ihn Riff zu geben. „Ich hoffe doch sehr, dass ihr Meister Antworten hat und ich nicht umsonst hergekommen bin!“ knurrte er mürrisch und setzte das ungeduldigste Gesicht auf, was er zu bieten hatten. Riff erkannte, dass dies nur gespielt war und lächelte wieder. Challenger war durchaus ein netter Mensch, aber auf seine alten Tage etwas ‚seltsam’. Nichtsdestotrotz ein fähiger Polizist, auch wenn Cain noch daran zweifelte! „Dieses Wetter ist nichts für mich und ich wäre zehnmal lieber zu Hause, als hierher zu kommen!“ ergänzte er noch, um sein Unwollen zu bekräftigen. „Keine Angst, Inspector Challenger, ich werde ihre kostbare Zeit nicht zulange in Anspruch nehmen,“ hörten beide Männer plötzlich eine Stimme vom oberen Treppengeländer. Dort stand er, in gewohnt hochnäsiger Pose: Count Cain C. Hargreaves. Er grinste den Inspector von Scottland Yard an, eine Art Anspielung auf das Geschehene vor ein paar Tagen, doch dieser räusperte sich nur und verzog abfällig das Gesicht. „Geht es ihnen wieder besser, Count Hargreaves? Ich hörte, sie hätten einen Schwächeanfall gehabt, nachdem ich das Haus verlassen hatte?“ erkundigte sich der Inspector und Cain war durchaus bewusst, dass etwas Schadenfreude in seiner Frage lag. Er grinste nur und winkte ab. „Was uns nicht umbringt, macht uns für gewöhnlich stärker, nicht Inspector?“ entgegnete er schnippisch und beendete das Thema. Der Inspector begriff diese Antwort schnell und lenkte auf seine durchaus berechtigte Anwesenheit um. „Sie sagten, ich solle schnell kommen, also was ist so dringend und wichtig, dass es nicht Zeit bis morgen hat?“ fragte er ungeduldig und kam auf die Treppe zu. Riff gab der Haushälterin Anita den regennassen Mantel des Inspectors und folgte diesem zum Treppenansatz. „Ich habe herausgefunden, was das Gift aus der Schatulle beinhaltet, sie werden es nicht glauben, Inspector Challenger! Kommen sie, ich zeige es ihnen!“ Der alte Polizeiinspector schaute angespannt und überrascht die Treppe zu Cain hinauf, der auf dem Absatz kehrt machte und in die Bibliothek ging. Dann maß er Riff mit einem fragenden Blick, doch dieser zeigte nur zur Treppe und lächelte freundlich. „Die Jugend versteh’ einer!“ maulte er unzufrieden und stapfte die breite und lange Treppe in die erste Etage hinauf. Riff folgte ihm. Oben angekommen verschnaufte er etwas und betrat dann wieder die Bibliothek, in der Cain eine Art Apparatur aufgebaut hatte, mit der er Giftmixturen untersuchen konnte. Außerdem lagen zahllose Bücher auf dem Boden und den Tischen verstreut, alles medizinische Lehrbücher. Der junge Count stand an dem seltsamen Gebilde aus Fläschchen, Röhrchen und anderen Behältnissen und betätigte soeben einen Schalter, der eine rote Flüssigkeit durch die dünnen Röhrchen des Apparates fließen ließ. „Erinnern sie sich noch an unser Gespräch vor drei Tagen?“ fragte Cain den alten Inspector, der daraufhin nickte. „Als ich ihnen sagte, dass ein so komplexes Verbrechen von keinem Psychopathen begangen werden könnte?“ erinnerte er ihn. Der Inspector kam näher und hob eines der Bücher auf dem Boden auf. Auf der Seite des medizinischen Buches war der menschliche Körper dargestellt mit seinem Muskeln, Organen und Nervensträngen. Einige der Nervenbahnen hatte man mit grüner Farbe gekennzeichnet. „Worauf wollen sie hinaus?“ fragte der Inspector von Scottland Yard skeptisch und beäugte die Zeichnung genauer. Nun erkannte er plötzlich, dass die grün markierten Stellen diejenigen Nervenstränge darstellten, die der Körper brauchte, um seine Bewegungen zu koordinieren. Würden sie gelähmt oder ausgeschaltet werden, dann könnte sich der Körper nicht mehr bewegen, er wäre taub! „Das Gift, was sie ebenfalls vor drei Tagen unbewusst eingenommen haben, basiert auf der gleichen Grundlage, wie das Serum, das in der kleinen Manschettenschatulle war, Inspector!“ meinte Cain und schüttelte ein kleines Fläschchen. Er starrte ihn ungläubig an. „Ein lähmendes Gift?“ fragte er unsicher nach, doch Cain nickte zustimmend. Der Inspector schlug wütend mit der Hand auf den Schreibtisch. „Das hätten sie mir auch am Telefon sagen können, Count Cain! Sie beanspruchen meine kostbare Zeit!“ keifte er ihn an, doch fast im selben Moment, wie die von ihm im Zorn gesprochenen Worte seinen Mund verließen, bereute er ihre Wahl, da er genauso gut wie Cain wusste, dass seine kostbare Zeit nichts weiter war wie ein Vorwand und eine unglaubwürdige Erklärung! Er schaute dennoch wütend zu Cain hinüber, der das Glas mit der grünen Tinktur abstellte und zum Schreibtisch ging. „Das war bei weitem nicht alles, Inspector, weshalb ich sie persönlich so schnell wie möglich sprechen wollte!“ meinte er ruhig und kramte unter einem Stapel Papieren, die bis zum Rand mit Zeichnungen und wirrem Gekritzel voll geschrieben waren, ein altes, eingebundenes Buch hervor. Challenger schaute ihn fragend an, bis Cain ihm eine Seite aufschlug und das aufgeklappte Buch reichte. Eine alte Zeichnung, ein Kupferstich, einer keltischen Druidenzeremonie war dargestellt. Auf dem Bild befanden sich drei Personen, wie der Inspector erkannte. Trotz mangelndem Wissen, was er auf diesem Gebiet leider zugeben musste, erkannte er, dass es sich um einen alten, bärtigen Druiden und zwei Ritter handelte. Der Druide wurde von einem der Ritter mit einem Schwert enthauptet. Der zweite Ritter trug eine Art Flasche, die er dem Druiden in den Rachen kippte. „Das ist . . .“ begann der Inspector seine Überraschung kundzugeben, „ . . . bemerkenswert, Count Hargreaves!“ Cain sah ihn verwundert an, doch dann gab er dem Inspector das Vergrößerungsglas und zeigte auf die Hand des Druiden. „Sehen sie noch einmal genauer hin!“ empfahl er ihm. Der Inspector nahm die schwere Lupe und schaute die Konturen der Zeichnung entlang, bis er plötzlich stoppte und sich seine Augen enorm vor Schrecken weiteten. Der Druide hatte tatsächlich in seiner rechten Hand eine Art Medaille mit einem Kreuz, das durch keltische Symbole und ornamentale Verzierungen umschlungen war. „Ein keltisches Kreuz!“ hauchte er. Cain nickte. „Tja, sie sagten doch, dass sie es zwar nicht gänzlich ausschließen, aber auch nicht bekräftigen können, dass es sich augenscheinlich bei den Morden um das Werk einer Sekte handelt. Hier haben sie den Beweis, Inspector Challenger!“ Er schaute ihn fragend an. „Das beweist gar nichts, Count Hargreaves!“ meinte er störrisch und gab ihm die Lupe zurück. „Das könnte alles purer Zufall sein, oder ein Fanatiker, der sich auf keltische Riten beruft!“ Cain blieb ernst. „Glauben sie das wirklich, Inspector?“ Der Angesprochene maß den jungen Count eines wütenden, aber festen Blickes. „Das sind keine Beweise, Count, nur Vermutungen!“ behauptete er noch einmal und der Schweiß stand ihm erneut auf der Stirn. Cain seufzte enttäuscht und nahm dem Inspector das Buch wieder aus den Händen. „Nun gut“, sagte er schließlich und legte es resignierend auf den Schreibtisch zurück, um sich dann dort abzustützen. „Es könnte wirklich purer Zufall sein . . .“ schloss er die Vermutungen des Inspectors in seine Schlussfolgerungen mit ein. Dieser nickte sichtlich zufrieden und wandte sich an Riff, der mit undurchschaubarer Miene hinter ihm stand und seinen Herren gleichermaßen erschrocken, wie entsetzt ansah. „Ich möchte ihre Zeit nicht länger in Anspruch nehmen, Count Hargreaves. Sollten sie noch etwas Anderes herausfinden, was sich auch beweisen lässt, dann lassen sie es mich, oder einen anderen Mitarbeiter im Revier wissen. Im empfehle mich nun. Guten Abend!“ und er verließ das Zimmer hastigen Schrittes und ging zur Treppe, die ihn hinunter zurück ins Foyer führte. Riff stand immer noch steif an der Tür der Bibliothek und schaute Cain an. Diesem entging der Blick keinesfalls, doch er lächelte matt und setzte sich auf den Lesesessel. Auch Cain stand der Schweiß auf der Stirn. Erneut schien er einem Schwächeanfall zu erliegen, doch als Riff näher kommen wollte, hob er abweisend die Hand und lächelte gekünstelt. „Geht gleich wieder! Bring den Inspector zur Tür!“ Riff nickte, auch wenn es ihm nicht recht war, doch er befolgte die Anweisung seines Herren und eilte dem Inspector hinterher. Challenger hatte soeben von Anita den inzwischen etwas getrockneten braunen Trenchcoat in Empfang genommen und umständlich angezogen, wobei sie ihm noch helfen musste. Als er Riff die Treppe herunterkommen sah machte er eine abfällige Geste und öffnete die Tür nach draußen. „Passen sie auf den Jungen auf, Riff! Er sieht Gespenster! Der verrennt sich in was!“ und dann zog er den Mantel tiefer ins Gesicht und ging. Anita schloss die Tür hinter ihm und schaute Riff fragend an. „Was meinte er?“ fragte sie beunruhigt nach, doch als plötzlich ein gellender lauter Schrei von oben zu vernehmen war, eilte Riff ohne zu antworten hinauf zurück in die Bibliothek, dicht gefolgt von Anita, die vor Schreck das Putztuch hatte fallen lassen. Oben saß Merryweather neben ihrem Bruder, der auf dem Boden in der Bibliothek zusammengebrochen war. Riff kauerte sich ebenfalls neben dem bewusstlosen Cain und fühlte seinen Puls. Beunruhigt schaute er zu Merry, die weinte und dann zu Anita, die mit bleichem Gesicht im Türrahmen stehen geblieben war. „Holen sie Doktor Richardson und schaffen sie die junge Lady in ihr Zimmer!“ befahl er ihr scharf und riss sie so aus ihren Gedanken. Merry sah ihn aus großen, verweinten und angsterfüllten blauen Augen an und weigerte sich, als Anita ihre Hand nehmen wollte. Sie klammerte sich an ihrem Bruder fest und schrie. Doch Riff legte ihr die Hand auf die Schulter und sagte in sanfter, aber sehr bestimmter Tonlage, dass sie sich keine Sorgen machen sollte. Merry war daraufhin bereit auf ihn zu hören und verließ mit Anita den Raum. Er nahm Cain in den Arm und befühlte seine Stirn. „Wieso habt ihr es selbst eingenommen?“ fragte er irritiert, als er die Viole auf dem Boden neben dem Versuchstisch liegen sah und das kleine Fläschchen öffnet und Cain in den Mund tröpfelte, dass dieser ihm wenige Minuten zuvor gegeben hatte. Cain lächelte und öffnete langsam wieder die Augen. „Um es zu testen!“ meinte er bestimmt und schaute Riff zufrieden grinsend an. „Dieser Trottel von Scottland Yard weiß doch gar nicht, was uns noch bevorsteht!“ Riff half ihm hoch, als Cain versuchte allein aufzustehen. Er maß seinen Herren mit einem vorwurfsvollem Blick. „Das haben sie sich aber selbst zuzuschreiben, Master Cain, schließlich sind sie nicht gerade sehr beliebt in den hiesigen Polizeigefilden!“ Er grinste Riff an. „Mag zwar sein, aber dennoch ist es doch eine arge Zumutung, dass er es gleich völlig ausschließt, dass es sich um eine fanatische Sekte handeln könnte!“ Er lief um den Schreibtisch herum und kramte unter dem Stoß von Papieren ein paar Skizzen hervor. „Trottel, sagte ich ja!“ Plötzlich stürmte Merry wieder ins Zimmer hinein und erkundigte sich sehr besorgt und im immer noch weinerlichen Tonfall nach dem Befinden ihres Bruders, der sie liebevoll anlächelte und gleich wieder aufzog. Sie blickte ihn erst fragend an, doch dann begriff sie seinen Witz und bäumte sich wütend vor ihm und Riff auf. Als sie ihn angeschrieen hatte, stapfte sie wieder aus dem Zimmer und eilte die Treppe hinunter. Cain lachte, doch Riff blieb nachdenklich und verharrte auf dem Gesicht seines Meisters. „Was werden sie jetzt machen?“ fragte er sehr gedankenverloren und wartete sichtlich auf seine Antwort. Cain blickte ihn irritiert an. Das war wohl die einzige Frage, die Riff selten so konkret stellte. „Nun, da ich mit der Unterstützung von Scottland Yard nicht mehr rechnen kann, werde ich diesem Mörder wohl selbst das Handwerk legen!“ Er kratzte sich dabei verlegen, denn so eine konkrete Antwort hatte er Riff auch noch nie gegeben. Dieser nickte nur. „Ich helfe ihnen dabei, Master Cain.“ Wie er diese Worte gesagt hatte, gefiel Cain irgendwie, er lächelte ihn freundlich an und Riff erwiderte dieses schelmenhafte Grinsen. Kapitel 6: 6 ------------ 6 In der Tat hatte sich Cain recht viel zugemutet. Kaum, dass er zusammengebrochen war und ein sonst tödliches Gift an sich selbst ausprobiert hatte, war er zusammen mit Riff hinaus in den Arlington Wood gefahren, unweit von der Stelle, wo man die letzten Leiche gefunden hatte. St. Albans war wirklich ein schönes Fleckchen Erde, wie Riff fasziniert zugeben musste, auch wenn an diesem Abend der Nebel tief auf den Wiesen und Dächern der Stadt hing. Cain hatte für zwei Tage ein Zimmer in einem kleinen Hotel gemietet, doch ihm war klar, dass er in diesen Tagen wenig Schlaf, bzw. das Zimmer vielleicht nur selten zu Gesicht bekommen würde. Riff hingegen machte sich unterdessen sehr große Sorgen um den gesundheitlichen Zustand Cains, der sich seiner Meinung nach einfach zuviel zugetraut hatte. Ein Schwächeanfall reichte ihm anscheinend noch nicht aus, um ihn zur Vernunft zu bringen! Doch er musste sich schließlich den Anweisungen Cains beugen, der nur noch die Überführung des Mörders vor Augen hatte und der geheimnisvollen Sekte – dem Keltischen Kreuz – auf der Spur war. Am ersten Abend, nach einem Tag vergeblichen Suchens, hatten sich Cain und Riff im Foyer des Hotels ‚Saint Rose’ niedergelassen und einen Tee bestellt. Cain bestand darauf, dass Riff hier nicht als sein Bediensteter und Buttler agierte, denn das würde Aufsehen erregen. Er bat ihn schon bei ihrer Abreise aus dem Hause Hargreaves darum in St. Albans als sein Freund aufzutreten – zwei Freunde, die einfach mal Abstand gewinnen wollen und hinaus aufs Land fahren, fernab der Großstadt! Natürlich dachten sich die Leute dann ihren Teil, als sie Cain, den jungen, gut aussehenden Mann und seinen größeren, schlanken, ebenfalls hübschen ‚Freund’ auf der Straße erblickten. Mit erröteten Gesicht hatte Cain die getuschelten Botschaften verstanden und zu seinem Vorteil ausgenutzt indem er Riff um die Taille gefasst und so getan hätte, als seien sie tatsächlich ein Liebespaar, das ungestört auf dem Lande ein paar ruhige Tage, gemeinsam, verbringen wollte. Riff, der ehr gequält und abgespannt dreinschaute und die überraschende Aktion Cains erst noch verdauen musste, griff nur sehr zaghaft zur Tasse, die ihm diesmal Cain reichte. Es kam ihm so vor, als hätten die beiden ihre gewohnten Rollen vertauscht, doch Cain grinste nur zufrieden. Riff seufzte tief. „Ich verstehe nicht, was in ihrem Kopf vorgeht, Ma . . ., Cain!“ berichtigte er sich selbst noch und nahm ihm die Tasse ab. Der frische Tee duftete ausgezeichnet und versetzte ihn irgendwie in einen Rauschzustand, den er nicht beschreiben konnte. Cain lächelte milde und ließ sich äußerst ungraziös in den Sessel direkt vor Riff niederfallen. Im offenen Kamin des Foyers knisterte ein Feuer und das gedämpfte Licht hüllte den Raum in ein geheimnisvolles, aber durchaus beruhigendes Ambiente, dass beide vergessen ließ, dass unweit im kleinen Vorraum des Hotels noch der Portier hinter seinem Tresen saß und ein Buch las. Draußen hatte es schon vor mehreren Stunden zu dämmern begonnen und nun herrschte Ruhe und Frieden im angrenzenden Wald. Nur vereinzelt drangen die Rufe der nächtlichen Tiere an die Ohren der Wachenden. Cain verharrte eine Weile auf dem Gesicht Riffs, das im Wechsel der lodernden Flammen permanent in Veränderung zu sein schien. „Hab ich dir schon einmal gesagt, wie schön du bist?“ fragte Cain, ohne auf die vorangegangene Bemerkung Riffs einzugehen. Dieser schaute ihn irritiert an und wurde etwas nervös. „Ich . . . nein, das haben sie noch nicht. Aber das ist auch nicht . . .!“ Cain stand auf und ließ sich in Riffs Arme fallen, der ihn behutsam auffing. „Ma . . . Cain? Was ist?“ fragte er automatisch sehr besorgt und ließ den ersten Satz im Raum stehen, ohne ihn zu beenden. Er fühlte die Stirn Cains und behielt recht in der Annahme, dass sich der Zustand wieder verschlechtert hatte - das Fieber war wieder zurück! Er stellte den Tee ab und versuchte Cain von sich abzustreifen, um ihn auf die Couch zu legen, doch Cain klammerte sich an ihm fest und zog sich nach oben. „Cain! Was ist? Das Fieber, es ist . . .“ stammelte Riff immer unbeholfener und ihm wurde selbst ganz unwohl, als er das fast weiße Gesicht Cains im Licht sah. Doch dann geschah etwas, dass der groß gewachsene Rivere nicht kommen sah: Cain hatte sich soweit an ihm hochgezogen, dass er nun auf gleicher Höhe zu seinem Gesicht war und gab ihm einen langen und sehr leidenschaftlichen Kuss. Riffs Augen weiteren sich aus lauter Überraschung, doch er ließ es geschehen, denn ausgerechnet diese Geste war das Einzige, was er niemals auf der Welt in diesem Moment hätte eintauschen wollen. Fast automatisch umschlungen seine breiten Arme den zierlichen Körper Cains, der Riff tief in die tiefblauen Augen sah, als wolle er darin lesen. „Wenn du nicht immer bei mir wärst, würde ich sterben, Riff!“ meinte er beinahe beschwörend und ließ sich in die Umarmung Riffs fallen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)