Das Nero-System von Nightwatcher ================================================================================ Kapitel 2: Rückfall ------------------- Gespannt wie sie reagieren würden ging ich die Treppe hinauf und schloss die Tür auf. Naja, eine große Überraschung wäre die Reaktion nicht. Vor meinem geistigen Auge konnte ich es schon sehen. Mama würde in Tränen ausbrechen und Papa einen seiner berühmten Tobsuchtanfälle bekommen. Hätte ich nicht gewusst, was auf mich zukommt, hätte ich es nicht getan. Ich warf meine Umhängetasche so ab, dass sie quer über die Fliesen in die nächste Ecke schlitterte. So wie ich es immer tat und Mama nicht leiden konnte. Doch einmal angewöhnt brachte ich nicht die Disziplin auf es anders zu tun. „Bin wieder da!“, rief ich laut, so dass auch die Nachbarn von meiner Ankunft hören mussten. Ohne die Schürsenkel zu öffnen schlüpfte ich aus meinen Schuhen und tapste in Strümpfen über den kalten Boden in die Küche. Meine Eltern saßen da und tranken Kaffee. Ich nahm mir eine Tasse aus dem Schrank und goss mir aus der schlichten weißen Kanne auch etwas ein. „Was gibt es neues?“, fragte ich und setzte mich auf meinen Platz. „Hallo, erst mal!“, sagte mein Vater. Ich grinste entschuldigend und sagte: „Hallo!“. Meine Mutter sah mir sofort an, dass was im Busch war. Misstrauisch schielte sie zu mir herüber. Doch ich hielt es nicht für den passenden Augenblick die Bombe platzen zu lassen. Stattdessen schlurfte ich genüsslich mein Getränk. „Wir haben heute von Leos Verurteilung erfahren.“, sagte Vater. In mir zog sich alles zusammen. „Und?“, fragte ich, denn von allein sprach er nicht weiter. Mein Magen krampfte sich zusammen. „Für immer.“, sagte Vater und Mama unterdrückte ein Schluchzen. Das war klar. Leo konnte froh sein, dass die Todesstrafe abgeschafft wurde. Auf der anderen Seite war es wohl besser zu sterben, als sein restliches Leben in einer Plasmazelle zu verbringen. Ich wollte auf jeden Fall lieber sterben. Lustlos kippte ich meinen Kaffee herunter und stellte die Tasse etwas zu wuchtig ab, denn ich handelte mir einen tadelnden Blick von Vater ein. Leo, du Dummkopf! Rebellieren war ja in Ordnung, aber sobald man sich erwischen ließ… Tja, Pech, großer Bruder. Meine Gedanken klangen herzlos, das musste ich zugeben, aber das war meine Art damit umzugehen. Konnte ich es in diesem Augenblick verantworten meine Eltern in meine Pläne einzuweihen? Natürlich nicht, aber jetzt waren sie einmal am Tiefpunkt und warum ihnen Zeit zum Aufbauen geben, wenn sie dann in den nächsten Abgrund gestürzt werden? „Na dann ist das Haus hier bald leer!“, sagte ich. Verständnislose Blicke trafen mich. „Ich hab mich heute verpflichten lassen. In einem Monat beginne ich mit der Grundausbildung und dann reise ich ins Nero-System.“. Schweigen. Zerbrechendes Porzellan. Mutter hatte ihre Tasse fallen gelassen. Ich vermied jeden Blick in ihre Richtung. Stattdessen starrte ich Vater an. Starrten in das richtige Wort. Wir lieferten uns ein Blickduell, wie wir es immer taten, wenn er mit meinen Entscheidungen nicht einverstanden war. Normalerweise gewann er und ich ließ von meinem Vorhaben ab, aber nicht dieses Mal. Abgesehen davon hatte ich sowieso keine andere Möglichkeit mehr. Einmal verpflichtet, immer verpflichtet. Manchmal sogar über den Tod hinaus. Ich glaub, wir würden uns noch heute so anstarren, wenn nicht Mama auf eine höchst eigenwillige Art und Weise den Streit, anders konnte ich dieses Anstarren nicht bezeichnen, beendet hätte. Sie kippte einfach vom Stuhl. Sofort sprangen wir beide, Papa und ich auf und liefen um den Tisch herum, um zu sehen was los war. Ein Glück, sie hatte sich nicht verletzt. „Ohnmacht!“, stellte ich fest. Papa verscheuchte mich mit einer unwirschen Armbewegung und hob Mutter hoch, um sie in die Stube zu bringen, wo das Sofa stand. Ich folgte unauffällig. Als Papa seine Frau so auf das Sofa gelegt hatte, dass es bequem aussah, wandte er sich zu mir. „Das ist deine Schuld!“, sagte er und Hass schlug mir aus seinen Augen entgegen. Zornig funkelte ich zurück. „Nicht Leos?“, fragte ich. „Er kam nicht munter nach Hause spaziert und konfrontierte seine depressive Mutter mit einer Verpflichtung!“ „Nein, er kam einfach gar nicht Heim, bescherte uns Polizeibesuch und einen Haufen unangenehmer Fragen! Seinetwegen stand unsere ganze Familie unter Verdacht Landesverräter zu sein und deine rassistischen Ansichten haben uns auch nicht wirklich geholfen!“, ich hätte das am liebsten geschrien, aber ich blieb in einem ruhigen sachlichen Tonfall. Jetzt ausrasten brachte nichts, außer noch mehr Ärger. Noch nie zuvor hatte ich mich getraut meinem Vater offen die Meinung zu sagen. Immer duckte ich mich ab. Er hatte Recht und ich meine Ruhe, oder wie ging das Sprichwort doch gleich? Dieses Mal hatte ich keine Ruhe. Dieses Mal spürte ich eine schallende Ohrfeige. Mein Kopf flog von der Wucht herum und ich musste mir die Schmerzenstränen verkneifen. Ich biss die Zähne so stark zusammen, dass es knirschte. Mein Vater holte ein weiteres Mal aus, aber ich duckte mich unter seiner Hand hinweg und verließ auf schnellstem Wege das Zimmer. Nicht nur das, im Flur griff ich nach meiner Tasche, die noch immer in ihrer Ecke lag, schlüpfte in meine Schuhe und war mit einer laut hinter mir zuschlagenden Tür verschwunden. Wenn es nach mir ginge für immer. In diesem Augenblick denke ich daran. Es hätte alles anders verlaufen können. Meine Eltern hätten mich am Flugplatz verabschieden können, so wie die Familien der anderen Soldaten, aber seit diesem Tag bin ich tatsächlich nicht mehr aufgetaucht. Wenn man mich heute fragt, was ich diesen einen Monat getan habe, kann ich es nicht sagen. Wo war ich? Überall und nirgendwo. Was tat ich? Alles und nichts. Zögernd streckt sich mein Finger nach der Klingel aus. Eigentlich will ich das nicht. Wenn ich ehrlich zu mir selbst bin, habe ich Angst. Ich muss mich den Ereignissen stellen, vor denen ich fast acht Jahre geflohen bin. Ding-Dong!, zu meinem Bedauern funktioniert die Klingel. Doch hinter der Tür regt sich nichts. Ich bin mir nicht sicher, ob ich erleichtert oder enttäuscht bin. Erleichtert, weil sich der Zeitpunkt der erneuten Konfrontation so hinausschieben lässt, enttäuscht, weil ich es endlich hinter mir haben will und mir nicht sicher bin, ob ich es schaffe noch einmal hierherzukommen. Ermutigt, weil nichts passiert ist klingele ich noch einmal. Ungehört verhallt das Geräusch im leeren Haus. Unsicher spiele ich mit dem Schlüssel in meiner Jackentasche. Wenn ich aufschließe und einfach hineingehe, dann fühle ich mich wie ein Einbrecher, aber ich möchte heute keinen weiteren Straßenkampf erleben. Einmal pro Tag fast draufgehen reicht im Urlaub, finde ich zumindest. Außerdem will ich mich ausruhen. Meine Familie wird es mir schon verzeihen. Mit zitternden Fingern hole ich den Schlüssel hervor, hoffe, dass er noch passt und schließe die Tür auf. Meine Sporttasche befördere ich nach alter Gewohnheit in die Ecke und als die Tür hinter mir wieder zu ist, rufe ich: „Bin wieder da!“. Sogar nach acht Jahren und dem Gefühl nicht mehr hierher zu gehören kann ich diese alte Gewohnheit nicht ablegen. Alles ist so vertraut und wenn ich nicht so genau auf mich achte, könnte tatsächlich nicht ein Tag vergangen sein, seit ich weg war. Nur meine Schuhe kann ich nicht so einfach abstreifen und das Gewehr setze ich vorsichtig ab und lehne es gegen die Wand. Während ich die Schuhe öffne, lausche ich ins Haus hinein. Es ist alles still. Anscheinend ist wirklich niemand da. Endlich gewinne ich den Kampf mit den Schnürsenkeln und ich kann meine Füße aus ihrem Gefängnis befreien. Erleichtert atme ich aus und strecke meine Zehen. Ich liebe diese Schuhe. Sie sind resistent gegen so ziemlich alles und nach dem ersten Einsatz in der Regenperiode passen sie sogar. Sie sind das einzige meiner Ausrüstung, das ich noch von meiner Grundausbildung habe. Mein Offizier hat schon oft versucht mir andere zu geben, aber was diese Teile angeht, bin ich noch sentimentaler, als beim Gewehr. Sie haben mich schon aus so viel Scheiße herausgetragen… Nur beim An- und Ausziehen verfluche ich sie. Ich schaue in die Küche und in die Stube, ob vielleicht doch jemand da ist, der sich nicht getraut hat auf sich aufmerksam zu machen. Niemand. Ich nehme meine Gewehrtasche und steige die Treppe hinauf in mein Zimmer. Die Tür steht offen. Automatisch greift meine Hand nach dem Messer, dass noch von der grünen Flüssigkeit der Doraners benetzt ist, wenn sie auch schon trocken ist. Doch als ich vorsichtig die Tür öffne, starren mich nur zwei müde grüne Augen an. „Bastet…“, flüstere ich. Also lebt dieses zähe Vieh immer noch. Die Katze war doch schon alt, als ich von hier weg bin! Ich betätige den Lichtschalter. Mein Zimmer ist aufgeräumt und einige Sachen fehlen. Mama konnte es wohl nicht lassen. Ich schiebe die Gewehrtasche in den Bettkasten, lasse mein Messer achtlos fallen und werfe mich neben sie Katze. Sie protestiert erst, doch als ich anfange sie hinter den Ohren zu kraulen, akzeptiert sie mich neben sich und schnurrt. Langsam fallen meine Augen zu. Eigentlich muss ich mir das grüne Sekret von der haut schruppen und mir Zivilkleidung anziehen, aber ich bin so… Ich wache von einem Schrei wieder auf. Bastet hat sich an mich gekuschelt und ist jetzt ebenfalls wach. Der Schrei wiederholt sich nicht. Jemand zieht sich die Schuhe aus. Das muss Vater sein, denn Mama macht das immer schon draußen, damit die Fliesen nicht schmutzig werden. „Elena?“, höre ich einen zaghaften Ruf. Ja, das ist Mutters Stimme. Ich lächle. Wie lange habe ich diesen Klang nicht mehr gehört? Mir wird bewusst, wie sehr ich ihn vermisst habe. Mühsam erhebe ich mich und mit mir die Katze. Sie rennt herunter. Erholt fühle ich mich von dem Schlaf nicht. Leise verlasse ich mein Zimmer und gehe zur Treppe, bevor Mama noch mal ruft. Ich merke gar nicht, wie ich die Stufen herabsteige. Alles fühlt sich an wie ein Traum. Ohne, dass ich es will gehe ich auf meine erstaunt und vielleicht auch geschockt blickende Mutter zu und finde mich in ihrem Armen wieder. Ich beiße einmal mehr die Zähne zusammen, um nicht losheulen zu müssen. Über die Schulter meiner Mutter blicke ich in die Augen meines Vaters, nur, dass es nicht dessen sind, sondern- „Leo?“. Kalt schaut mich mein Bruder an. Ich verstehe nicht. Er darf nicht hier sein! Er sitzt doch für den Rest seines Lebens in den Plasmazellen! Zögernd befreie ich mich aus den Armen meiner Mutter. Nur ungern lässt sie mich los. Sie mustert mich von oben bis unten. „Dünn bist du geworden!“, sagt sie, als wäre es selbstverständlich, dass ich nach acht Jahren wieder da bin. „Und dreckig!“, fügt Leo unnötigerweise hinzu. Ich schaue an mir herab und muss ihm Recht geben. Ich hätte mir das grüne Sekret abwaschen sollen. Es fängt schon langsam an zu müffeln. „Wo ist Vater?“, möchte ich fragen, aber ich tue es nicht. Liegt es daran, dass ich ihn gar nicht sehen will oder, dass ich merke, dass hier etwas nicht stimmt? „Hat man dir endlich Urlaub gegeben?“, fragt Mama. Sie will das Gespräch nicht abreißen lassen, ein Gespräch, das niemals wirklich anfangen wird. Ich nicke. Wenn ich ihr sage, dass ich nicht freiwillig hier bin, bricht vielleicht ihr Herz. „Ist Kelly auch da?“, frage ich. Bastet streicht mir um die Beine. Mama schüttelt den Kopf „Sie ist direkt nach der Beerdigung gefahren. Sie muss sich um die Kleinen kümmern.“ „B… Beerdigung?“, das Wort kommt mir fast nicht über die Lippen. „Du weißt es gar nicht?“, fragt mich Mutter entsetzt. „Was wissen?“, hilfesuchend huscht mein Blick zu Leo. „Vater starb vor drei Wochen!“, teilt er mir mit. Ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll. Viele meiner Kameraden sind gestorben und zu einigen hatte ich ein engeres Verhältnis aufgebaut, als zu meinen eigenen Vater. Doch es handelt sich eben um Papa. Plötzlich sehe ich nicht mehr, wie es zuletzt zwischen uns war, sondern ich erinnere mich an den liebvollen Papa, der mit seiner kleinen Tochter spielte und sie gern neckte. Ich stehe unter der Dusche. Heiß prasselt das Wasser auf meine Schultern und statt meine Haut abzuschrubben, starre ich in die Leere. Sollte mein Offizier etwas geahnt haben und hat mich darum heim geschickt? Das ist unmöglich! Ich weiß nicht, wie Vater gestorben ist, ich habe nicht nachgefragt, aber wenn er wirklich schlimm krank gewesen wäre, hätte Mama mir geschrieben. Dann ist da noch die Sache mit Leo. Die plötzliche Nachricht von Papas Tod kann den Gedanken, dass hier etwas Seltsames vor sich geht nicht verdrängen. Ich mache das Wasser aus. Mechanisch seife ich meinen Körper ein. Meine Hände und das Gesicht schrubbe ich besonders gründlich. Ich werde nicht weinen, nicht wegen ihm! Nicht wegen so einen engstirnigen Idioten. Wegen Leo habe ich nicht geweint und auch nicht, als Fay neben mir fiel, oder Tony oder Alex oder… Da sind so viele Gesichter, so viele Namen. Unbewusst balle ich meine Hände zu Fäusten. Ich zittere. Schnell mache ich das Wasser wieder an, aber es nützt nichts gegen die Kälte, die meine Glieder befällt. Ich kann Schreie hören. Unzählige Schreie! Doch noch schlimmer sind das Stöhnen und Röcheln. Ein ersticktes Schluchzen bahnt sich den Weg über meine Lippen. Ich sinke auf die Knie und vergrabe mein Gesicht in den Händen. Gerade als ich loslassen will, klopft es an der Tür. Ich taste nach dem Wasserhahn und drehe das Wasser ab. „Elena?“, dumpf schallt Mutters Stimme durch die Tür. „Ja?“, rufe ich mit erstickter Stimme und hoffe, dass sie nicht hört, dass ich den Tränen nahe bin. „Es gibt Abendessen, wenn du fertig bist!“ „Ja! Ich komme gleich runter!“ Ich höre, wie Mutter von der Tür weggeht. Noch einmal wische ich mir über die Augen. Hoffentlich sind sie nicht allzu gerötet. Ich stehe auf und greife nach meinem Badetuch. Gründlich trockne ich mich ab und gehe zum nächsten Spiegel. Er ist ganz beschlagen und so kann ich nicht viel erkennen. Meine Hände zittern noch immer. Ich kann nichts tun. Meine Gedanken drehen sich im Kreis. Bilder aus meinem alten Leben vermischen sich mit denen von der Front. Blut, Schreie, Tränen, Streit, Hass… Ich weiß nicht, wie lange ich den Schemen im Spiegel angestarrt habe, doch irgendwie gelingt es mir mich von ihm loszureißen. Schnell ziehe ich mich an. Es gibt keinen Grund Mama noch länger warten zu lassen und die Nacht ist schon fortgeschritten. Es sind meine alten Sachen. Sie sind mir zu weit. Doch es erscheint mir nicht richtig mit der Uniform diese friedliche Welt zu stören. Ich verlasse das Bad und gehe die Treppe hinab, in die Küche. Bleierne Müdigkeit steckt mir in den Gliedern, aber nach der Dusche fühlt sich mein Körper zumindest ein wenig besser. Ich fühle mich unwohl in meiner alten Kleidung. Der dünne T-Shirt Stoff kann unmöglich Schutz bieten vor… Ich wische den Gedanken beiseite. Wer soll mich hier schon angreifen? In der Küche lasse ich mich auf meinen Stammplatz fallen. Mama hat den Tisch reichlich gedeckt. Doch der Appetit bleibt aus. Aufmunternd schiebt sie mir den Brotkorb zu. Ich nehme mir eine Scheibe und bestreiche sie mir mit Butter und streue etwas Salz darüber. Lustlos nage ich an der Kruste. „Wo ist Leo hin?“, frage ich. „Er ist zu Bett gegangen. Es war ein langer Tag.“, Mama schüttelt den Kopf. Verständnisvoll nicke ich, jedenfalls hoffe ich, dass es so wirkt. Den Tee, den Mama gekocht hat trinke ich gerne. Niemand von uns beiden sagt ein Wort. Ich spüre, dass Mama gerne mit mir reden möchte, sie sitzt wie auf heißen Kohlen, doch sie traut sich nicht. Nachdem ich die halbe Scheibe gegessen habe wird mir schlagartig übel. Ich lasse das Brot fallen und kann mit Mühe ein würgen unterdrücken. Eine kühle Hand streicht mir über die Stirn. „Du bist heiß Kind!“, stellt Mama fest. Ich drücke ihre Hand weg „Mir geht es gut!“. Ich muss nicht einmal in Mutters Gesicht schauen um zu wissen, dass sie mir nicht glaubt. Ich stehe auf und fange an abzuräumen. Meine Mutter nimmt mir den Teller aus der Hand. „Geh bitte hoch und ruh dich aus. Ich räume das hier weg!“. Einen Augenblick sehe ich ihr in die Augen, doch ich muss sie senken. Den Kampf hat sie gewonnen. Ich fühle mich viel zu ausgelaugt um noch etwas anderes zu tun, als mich in mein Bett zu werfen. Ich verlasse die Küche und starre die Treppe hinauf, als sei sie ein unüberwindliches Hindernis. Die Welt dreht sich. Ich stütze mich an der Wand ab, um nicht zu stürzen. Mein Magen zieht sich zusammen und ich würge erneut. Langsam rutsche ich die Wand hinunter. Mir ist kalt. Eine Tür geht auf und ich höre aufgeregte Rufe. Jemand hebt mich hoch. „Lass mich!“, nuschle ich „Mir geht es gut!“. Die Worte klingen seltsam verzerrt und falsch in meinen Ohren. Die Welt dreht sich immer weiter. Wenn ich die Augen schließe, wird es noch schlimmer, also lasse ich sie offen. Ich werde abgeladen. Der Untergrund ist weich und bequem. Ich werde auf die Seite gedreht. Kurz regt sich in mir Widerstand. Ich hasse es nicht Herr meiner selbst zu sein, aber ich kann mich nicht bewegen. Nur die Übelkeit bleibt. Meine Augen fallen zu und ich in die Tiefe der Dunkelheit. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)