Der Tag, an dem ich deine Welt betrat... von Ryuzaki_L ================================================================================ Prolog: Prolog -------------- Es war nun mehr fast ein Jahr her, dass man sie aus der Versklavung errettet hatte und niemals hätte sie zu jener Zeit daran geglaubt, an einem wolkenbehangenen aber trockenen Tag auf einem Drachen über die wunderschöne Welt von Hoha zu reiten. Neben der jungen Frau befand sich ein junger Mann, der ebenfalls auf dem Rücken eines solchen Geschöpfes weilte. Alanyas blondes langes Haar wurde vom Wind umspielt und ihr roter Bergdrache Liberty schnaubte zufrieden. Der Mann neben hier hieß Lian und gehörte als Drachenreiter den allseits bekannte und verehrten 'Großen Vier' an. Der goldene Aranur Drache Arenos weckte in den meisten Respekt, die ihn am Himmel erkannten. Ihre Vergangenheit war alles andere als rosig gewesen, nein, im Gegenteil. Im Grunde war sie alles Andere als eine Heldin gewesen, die den Blick eines anderen Helden auf sich ziehen würde. Wenn man es genau nahm waren sie und Lian sogar Feinde gewesen. Zwar war es niemals ihr wahres Streben gewesen einer Macht zu dienen, die sich am Schmerz anderer labten, doch die Umstände hatten ihr einfach keine andere Wahl gelassen. Um ihre kleine Schwester zu schützen hatte sie die schlimmsten Dinge getan, Dinge, die sie niemals vergessen würde und konnte. Besonders was das andere Geschlecht anging, hatte sie die schlechtesten Erinnerungen- bis zu jenem Tag als sie dem Drachenreiter begegnete und sein Leben aus einer Laune heraus verschonte und rettete. Sie wusste bis heute nicht, was es gewesen war, dass sie all ihre Sorge hatte vergessen lassen um dieses eine Leben neben dem ihrer Schwester zu schützen. Möglicherweise war es die Hoffnung gewesen, die sie in diesem Augenblick in seinen Augen gesehen hatte. Eien Hoffnung, die sie längst verdrängt hatte. Der junge Mann mit dem etwas längerem braunen Haar warf ihr eines seiner vertrauten Lächeln zu. Alanya errötete etwas. Immer noch konnte sie nicht verstehen, dass ausgerechnet sie diejenige war, mit der er nun offiziell sein Leben teilen wollte. Die Frage, ob sie bereit wäre ihn zu heiraten hatte er ihr letzte Woche ganz förmlich in Beisein der anderen Drei vollzogen und selbstverständlich hatte sie nicht nein gesagt. Trotz dessen das sie mit den Großen Vier umherzog, war sie kein wahrer Teil dieser Hüter über ganz Hoha. Etwas, dass sie nicht wirklich störte und doch fühlte es sich stets etwas seltsam an. Dennoch war sie dankbar für dieses Leben, dass sie nun besaß. Ihre kleine Schwester war mittlerweile noch vor ihr verheiratet und hatte die Jahre der Gefangenschaft weitaus besser verkraftet als ihre ältere Schwester, so sehr sie auch versuchte dies nicht zu zeigen. Geliebt zu werden hatte sie nie erwartet und doch … „Lian!“ Sie deutete ihm hinab. „Ich habe es bereits bemerkt. Die Waldbewohner sind wieder unterwegs... Das verheisst nichts Gutes. Wir sollten uns das ansehen!“ Ihr Blick sagte mehr als tausend Worte, denn er schenkte ihr ein wissendes Lächeln. „Schon gut... ich übernehme das... du bleibst auf Patroullie in der Luft!“ Der Braunhaarige wusste nur zu gut, dass die meisten ihrer Erinnerungen an den Stamm der Waldbewohner mit verknüpft war und die Erinnerungen an ihr altes Leben sie noch immer vereinnahmen konnten. Gütig wie man es von einem Helden erwartete, stellte er ihr Verhalten nicht in Frage, sondern tolerierte es schweigsam und ohne einen bösen Hintergedanken. Kreisend flog der goldene Drache spiralförmig hinab um seine Präsenz anzukündigen. Waren die meisten Bewohner aus Hoha friedliche Geschöpfe, gab es nur zwei Stämme die diesem Ideal nicht entsprachen. Die Dämonen, deren Anführer auch als schwarzer Magier der Unterwelt bekannt geworden war, und die Waldbewohner. Dieser Stamm bestand aus Söldnern, die sich nicht um den Frieden scherten, nur um die richtige Bezahlung. Auch sie selbst hatte des Öfteren mit ihnen agiert und wusste, welch Schlächter unter ihnen zu finden waren, die reine Lust daran empfanden, andere auf die grausamste Art und Weise des Lebens zu berauben. All diese Gedanken verdrängend lehnte sich sie über den langen Hals von Liberty, die Hände an den Stacheln, die ihr und ihren Fingern Halt gaben und trieb ihn damit an, seine Geschwindigkeit zu erhöhen. Seine Flügel lagen nun mehr an seinem Körper an, was den Luftwiderstand drosselte und ihr das Gefühl wahrer Freiheit vermittelte. Unverhohlen setzte sie sich wieder etwas mehr auf, was ihren Drachen dazu veranlasste, auch seine Geschwindigkeit zu drosseln. Die Flügelschläge gaben nun vor, wie schnell sie sich bewegten oder gar in der Luft einfach verweilten. Unter ihr erstreckte sich das Ödland. Eine Ebene, die so trostlos war, dass weder Lebewesen noch Pflanzen darin einen Lebensraum fanden. Geröll... Ödnis, Steine, Berge aus längst vergessener Zeit. Ein Ort, der sich normalerweise nicht lohnte aufgesucht zu werden. Normalerweise. Denn am heutigen Tage verspürte die junge Frau den Drang, einen Fuss in eben jenes Gelände zu setzen und sich einmal umzusehen. Der rote Drache ließ sich geschickt und sachte hinuntergleiten, bevor er behände aufsetzte und sich hinlegte. Den Flügel ausbreitend, ließ er seine in Freundschaft akzeptierte Führerin darüber hinabrutschen, damit sie wieder Boden unter ihre Füße bekam. „Danke dir...“ Für sie war dieses Geschöpf, von denen es nur noch so wenige gegeben hatte, keine Selbstverständlichkeit, sondern ein regelrechtes Wunder, das sie respektierte und schätzte. Einen Bund mit einem solchen Wesen einzugehen geschah in der Geschichte dieser Welt eher selten, daher galten Drachenreiter als Menschen mit dem Potential anzuführen und zu leiten. Doch diesen Bund zu schliessen beinhaltete noch so viel mehr. Man teilte ein Stück seiner Seele mit diesem Geschöpf, es hörte die innere Stimme, ebenso spürte man, welche Gefühle es selbst hegte. Jedenfalls, solange die Vertrauensbasis unerschüttert war. Bis auf Arenos und Liberty hatten sie dafür gesorgt, dass die verbliebenen Drachen, die dem Krieg des letzten Jahrhunderts nicht zum Opfer gefallen waren, in eine abgeschottete ureigene Dimension mit dem Namen 'Dragons Dungeon' in Sicherheit verbracht worden waren und dort friedlich lebten. Eben jene zwei Drachen hatten ihren eigenen Entschluss gefasst Lian und Alanya bis zum Schluss weiter zu folgen. Unter ihr schien die Erde regelrecht zu knirschen und zu ächzen, so leblos wie sie war, als die blonde junge Frau sich fortbewegte. Die Felsen erschienen wie die letzten Überbleibsel eines Wunsches nach Individualität mitten in der Einöde. Umso erstaunter blieb die junge Frau stehen, als mitten vor ihr in einem riesigen Berg ein Tor zum Vorschein kam. Sofort dachte sie an eines der legendären 'Untergrundtore', von denen man sich erzählte, sie führten in eine andere Welt, doch diese Mythen waren immer mehr zu Geschichten geworden, die man Kindern erzählte. Die bekannten zwei Orte, wo solche Tore mal gestanden hatten, waren zusammengebrochen. Das, was sie hier sah, war schlichtweg in ihrer Zeit nicht mehr bekannt. Ein Relikt? Waren die Geschichten vielleicht wahr? Sollte es diese Tore wirklich geben? Der warme Atem ihres Drachen lag nun in ihrem Nacken, denn dieser spürte selbstredend, was sie vorhatte. Ihre angeborene Neugierde war geweckt. „Verzeih mir Liberty... aber ich muss einfach einen Blick darauf werfen!“, erklärte sie ihm und zog an einem tief angebrachten Ring an der riesigen massiven Holztür. Geschätzt hatte diese eine Höhe von 6 Metern und beide Torhälften jeweils eine Breite von eineinhalb Metern. Groß genug, als das ein Drache hindurch passte. Und doch, war es von oben aus der Luft unsichtbar im Fels gelegen und durch die Beschaffenheit des Ödlandes auch vor neugierigen Blicken vom Boden aus geschützt. Es bedurfte einiger Anstrengung und nur Zentimeterweise öffnete sich die schwere Türe. Liberty hingegen nahm sich der anderen Torhälfte an, die für einen kräftigen Drachen wie ihn kaum der Rede wert war. Schließlich, nach all der Mühe, erstreckte sich ein Raum vor ihnen, der wie ein Vorflur wirkte. Breit, magisch tiefer als der Felsen selbst. Sie spürte die Gänsehaut, den Nervenkitzel. Natürlich müsste ihr Gewissen ihr jetzt sagen, dass sie umkehren sollte und die Großen Vier holen, bevor sie auch nur einen Schritt hineinwagte, doch ihre Neugierde siegte. Hätte sie dies an diesem tage nicht getan, wäre vielleicht alles anders gekommen.... Kapitel 1: Erste Begegnung -------------------------- Es war faszinierend! So unglaublich, dass es ihr beinahe den Atem verschlug. Ihr Blick fiel auf zwei unterschiedliche Tore, die wiederum neue Möglichkeiten aufzeigten. Alanya öffnete die linke Türe, die zu knarzen begann und stemmte sich mit einem großen Kraftaufwand gegen die Tür. Auch diese öffnete sich langsam, aber stetig, bis sie gänzlich offen stand. Die junge Frau trat ins Freie. Eine angenehm warme Luft kam ihr entgegen, sie sah auf eine weite Fläche. Das meiste hiervon war Grasland, doch in der Ferne erkannte sie bereits ein riesenhaftes Gebäude, möglicherweise ein Schloss - und selbst ein Dorf war zu sehen. Während sie vorwärtsging bemerkte sie zu ihrer rechten eine Klippe, die gut 800 Meter in die Tiefe zu führen schien, ehe sie in einem Meer endete. Die Wellen brachen sich an dem Felsen, was sowohl hörbar als auch sichtbar war. Plötzlich war da ein weiteres Geräusch. Ein Knarzen, ein leichtes Beben unter ihren Füssen. Sie drehte sich hektisch um, mit pochendem Herzen und einem suchenden Blick. Etwas Großes, Schweres bewegte sich durch das Tor auf sie zu. Erst als die ersten Sonnenstrahlen es trafen, erkannte sie, dass Liberty ihr gefolgt war. „Verflucht Liberty, du hast mich erschreckt! Es wäre bestimmt besser gewesen du wärest drüben geblieben und hättest Lian und die anderen hierauf aufmerksam gemacht!“ Er schnaubte beleidigt und Alanya seufzte. „Schon gut. Ich habe mich ziemlich erschrocken, da ich in Gedanken war und... nun ja... ich weiß nicht welche Gefahren dieses Land hier birgt. Es ist mir gänzlich unbekannt. Ich kann mich nicht daran erinnern, es jemals gesehen zu haben, aber es scheint ein Königreich zu sein... momentan erscheint es mir friedlich. Wenn du möchtest kannst du dich ein wenig umsehen. Aber flieg‘ besser nicht allzu weit weg. Wir sehen uns sicherlich nachher wieder. Wenn es nötig ist, mache ich dich auf mich aufmerksam, also...“, sie drückte ihre eher zierliche Figur an den etwa doppelt so großen Kopf. „Bis später mein Lieber...“ Mit diesen Worten erhob sich Libertys anmutiger Körper und stürzte in freiem Fall die Klippe nach unten, bevor er knapp über dem Meer hinwegsegelte. Alanya schüttelte beinahe amüsiert darüber den Kopf, ehe sie sich noch einmal umsah. Sie war verwirrt und irritiert. Wo war sie? Wie sollte es weitergehen? Um sicherzustellen, dass ihr Heimweg jederzeit verfügbar wäre, drehte sie sich wieder um, wurde jedoch bitter enttäuscht. Alles ziehen und drücken war vergebens. Das Tor blieb verschlossen und ließ sich nicht mehr öffnen. Panik breitete sich nun doch in Alanyas Herzen aus, bevor sie tief durchatmete um sich zu beruhigen. In diesem Fall kam sie nicht drum herum, jemanden zu suchen, der ihr helfen konnte und wusste, wo sie sich überhaupt befand. Ihr Weg führte sie etwas eine viertel Stunde geradeaus, in Richtung von Dorf und Schloss, ehe sie einem ersten Lebewesen begegnete. Es war ein Mann, gutaussehend, langes, braunes Haar und spitze Ohren. In seinen Augen spiegelte sich erschreckenderweise nichts. Geschätzt war er vielleicht an die zwanzig Jahre, höchstens zwei Jahre jünger also sie. Mit einem braunen, langen Mantel bekleidet, schien auf dem Weg in Richtung der Klippen zu sein. Die blonde Frau war stehen geblieben um ihn besser zu betrachten. Es schien fast, als hätte er ihre Blicke gespürt, denn auch er blieb stehen und sah zu ihr herüber. Auf seinem Gesicht erschien ein freundliches Lächeln. Sie wusste nicht recht damit umzugehen und stierte ihn kurzzeitig weiter an. Bis auf Lian und den großen Vier hatte sie kaum positive Kontakte zu Männern gehabt. Nach dieser kurzen seltsamen Situation fasste sie endlich den Entschluss ihn anzusprechen. „Entschuldigt vielmals. Ich kenne mich hier nicht aus. Wo befinde ich mich hier?“ Er sah sie abschätzend an. „In Arynia natürlich meine Dame. Ihr kommt wohl nicht von hier nehme ich an?“ Wahrheitsgetreu schüttelte sie den Kopf, ließ den Mann allerdings nicht aus den Augen, unsicher, ob sie ihm trauen sollte. Irgendetwas lag in seinem Gesicht, was sie irritierte. Ihre Fähigkeit aus Gesichtszügen zu lesen, brachte ihr hier weniger als erwartet. „Und... wo kann man hier Hilfe finden?“ „Hilfe finden? Nun, ich könnte euch helfen, wenn ihr es mir erlaubt.“ Alanya fasste sich, zuckte kurz mit den Schultern und murmelte etwas das klang wie: „In der Not frisst der Teufel Fliegen.“ Der Mann lächelte sie weiter freundlich an und sie rang sich dazu durch, ein wenig mehr über ihn in Erfahrung zu bringen. „Wer seid ihr?“ Verblüfft sah der Mann sie neuerlich an. „Ihr scheint wirklich nicht von hier zu sein.“ „Das sagte ich schon. Also, wollt ihr es mir nicht verraten.“ Er grinste breit. „Mein Name ist Alister. Womit kann ich euch denn helfen?“, fragte er hilfsbereit. Sie wartete einen Augenblick, überlegte kurz und beschloss sich ihm anzuvertrauen. „Nun ich kam durch ein Tor hierher. Ich würde äußerst gerne auch wieder zurück.“ Alister schien sichtlich erstaunt. „Durch ein Tor sagtet ihr? Wo befindet sich dieses Tor?“ Es schien ihn ehrlich zu interessieren. „An den Klippen oben rechts.“ Mit der rechten Hand deutete sie den Hügel hinauf zu einer Zitadelle. Gemeinsam machten sich nun schweigend auf den Weg zu eben jenem Ort. Dort angekommen schnitt sich der junge Mann in die Hand, legte diese auf einen Stein und wartete geduldig, wobei er die Augen konzentriert schloss. Alanya hatte keine Ahnung was dieser Mann mit dem äußerst ungewöhnlichen Namen Alister dort tat, doch das Wunder geschah. Das Tor öffnete seine Pforten und er gehieß ihr einzutreten. „So, ihr wolltet also zurück. Wisst ihr noch welche Türe ihr nahmt?“, fragte er sie freundlich. „Nein...“, log sie und musste feststellen, dass er die Stirn runzelte. „Nun dann habt ihr ein Problem, möchte ich meinen.“ Neugierig, aber auch unsicher , erkundigte sich die junge Frau, weshalb sie nicht irgendeine Pforte nehmen könne. Ihr fragender Blick entlockte ihrem gegenüber auch schon eine Antwort. „Nun, dieser Ort ist sehr gefährlich. Viele Gefahren verbergen sich hinter der falschen Tür. Ich bin noch nie hier hindurch gegangen.“ Er sah sie an und begutachtete ihre Reaktion. Einen Augenblick musste sie tatsächlich überlegen, bevor sie beinahe feierlich grinste. „Es war die Rechte.“ Eindringlich sah er sie an. „Seid ihr euch sicher, die falsche Türe und...“ „Ja, ich bin mir sicher!“ Ein zufriedenes Lächeln lag auf ihrem Gesicht - zumindest konnte sie Lian nun von dem unbekannten Land erzählen und konnte zügig wieder zurückkehren, ohne das dieser sich allzu große Sorgen machen musste. Sobald die Türe geöffnet wäre, würde sie auch Liberty zu ihnen rufen. Eiligen Schrittes trat sie auf die Türe zu und versuchte sie erneut zu bewegen. Der junge Mann begutachtete unterdess die runenhaften Schriftzeichen über der Tür. Alanya selbst beachtete diese nicht, es waren schließlich nur mehr Symbole, die für sie keine Bedeutung zu haben schienen. Sie rüttelte auch an dieser Türe, doch wie die vorherige, bewegte sich auch diese keinen Millimeter. Der Braunhaarige ließ einen Seufzer vernehmen. „Das könnt ihr lange versuchen. Es wird keinen Erfolg zeigen.“ Alanya seufzte ihrerseits nun verärgert. Es behagte ihr nicht, dass ihr der Weg zurück nun doch verwehrt zu bleiben schien. „Und warum nicht?“ Sie sprach die Worte langsam und betont aus. „Nun, hier steht das diese Tür auf unserer Seite nur an Vollmond zu öffnen ist. Der nächste Vollmond ist erst in fünf Tagen.“ Sie verdrehte die Augen. „Na toll! Welch eine große Freude... Schaufeln ich mir mein Grab.“ „Dein Zynismus ist wirklich nicht zu überhören.“ „Er gehört eben zu mir...“ „Eine Schande für eine so eine junge Dame...“, sagte er vergnügt. Gemeinsam verließen sie das Tor, wobei sie mit einer leicht säuerlich frustrierten Mine folgte. „Wo fände ich denn einen Platz zum Essen und Schlafen? Wenigstens für heute.“ „Ich könnte Euch da behilflich sein.“ Erneut zuckte sie mit den Schultern. „Wenn man keine Wahl hat... ich bin ganz Ohr.“ Zusammen entfernten sie sich weiter vom Tor und wanderten in Richtung Dorf. „Wie habt Ihr es eigentlich geschafft die Türe zu öffnen?“, hakte Alanya bei Alister nach, nun, wo sie die Zeit zum Reden besassen. „Nun...“, fing er an. „...nur Leute aus meiner Familie kommen durch diese Tür.“ In ihrem Blick lag Verwunderung. „Aus welchem Grund nur eure Familie?“ „Das liegt daran, dass ein uralter Zauber diese Tür bewacht.“ „Und wieso gerade EURE Familie?“ Er schwieg. „ Ihr habt ein Geheimnis vor mir.“, sprach sie das offensichtliche aus. „Woher wollt ihr das wissen?“, fragte er nur abweisend. „Ich lese es in eurem Gesicht...“ Ungläubig schüttelte er den Kopf, während sie ihn ansah. „Aber ich schätze ihr wollt es mir nicht erzählen.“ Nachdem er verneinte herrschte ein erstickend betretenes Schweigen zwischen ihnen, jedenfalls, bis die Blondhaarige es versuchte zu brechen. Sie wollte noch etwas über Alister in Erfahrung bringen. Wenn er also nicht über seine Herkunft sprechen wollte, gab es noch genügend andere Themen für etwas Smalltalk. „Wie alt seid ihr eigentlich?“ Merkwürdigerweise ließ ihn diese Frage lächeln. „Sechsunddreißig.“ Verwundert riss sie die Augen auf. „Sechsunddreißig? Nun ja...“, gestand sie ihm „Ich hätte euch auf etwa Zwanzig geschätzt.“ Er lächelte weiter und sah sie kurz an. „Das kommt häufig vor, dabei ist es üblich bei meiner Rasse.“ Abschätzend sah sie ihn nach dieser Eröffnung an. „Nun, was seid ihr denn, wenn man euch das fragen darf?“ Sie fühlte sich schrecklich dumm, doch hatte sie weder eine Ahnung, wo sie war, noch welche Lebewesen es hier überhaupt gab. „Kratianer. Ich bin ein Kratianer.“, erklärte er ihr kurz und bündig. „Wir Kratianer altern ab einem gewissen Alter nicht mehr. Und ihr?“ „... Zweiundzwanzig...“ Ihr Blick schweifte zur anderen Seite und betrachtete das Land. „Habt Ihr auch eine Frau?“ Sein Blick wurde etwas ernster. „Ich hatte Eine... Sie ist gestorben.“ Beschämt blickte sie zu Boden. „Das tut mir Leid...“ „Ist schon in Ordnung, sie ist während des Krieges gestorben. Ich hatte auch zwei Kinder, mein Sohn hat diesen Krieg ebenfalls nicht überlebt. Sie wären mittlerweile beide 18 Jahre alt. Meine Tochter hingegen ist verlobt, leider haben wir jedoch keinen Kontakt mehr. Wie sieht das bei euch aus?“ Betreten über seinen Lebenslauf, spürte sie Mitleid. „Es tut mir wirklich Leid, was ihr schon erleiden musstet. Nun...Ich selbst bin auch verlobt. Mein Verlobter wird sicher schon auf mich warten...“ Ein Lächeln, gezeugt von Mitleid legte sich auf sein Gesicht, ehe er zu Schweigen begann. Wieder war es die Blondhaarige, die die Stille als Erstes nicht mehr ertrug.„Ich kam mit meinem Drachen hierher, er ist gerade unterwegs. Meint Ihr ich kann ihn unbeaufsichtigt lassen?“ Man sah, dass er nachdenklich wurde. „Mmh... ein Drache sagtet Ihr? Ich denke die meisten Leute werden eher Angst vor ihm haben, sie haben hier noch nie Drachen gesehen. Oder zumindest nicht allzu häufig. Ich denke also schon.“ Wenigstens einigermassen zufrieden nickte sie und drehte sich zu dem Mann um. Erneut folgte eine recht ungewöhnliche Frage ihrerseits, denn sie hatte keinen Überblick, mit welcher Währung man in diesem Lande bezahlen konnte. Möglicherweise glichen sich die Währungen wenigstens soweit, dass sie diese hier einsetzen konnte. Zunächst sah er sie aufgrund der Frage irritiert an, dann besann er sich eines Besseren. Wie sollte sie dies auch wissen.„Mit kratianischen Goldmünzen, weshalb fragt Ihr?“ Ihre Stirn legte sich in Falten.„Weil ich nur Münzen aus meiner Heimat mit mir führe. Hohanische Silbermünzen... “ Diesmal fuhr Alister von sich aus fort: „Nun, ich würde mich freuen, Euch zum Essen einzuladen, ich kenne eine sehr gute Gaststätte.“ Sie zuckte wieder nur die Schultern. „In Ordnung, aber wenn ich euch das Geld irgendwie zurückzahlen soll und kann, dann gebt mir bitte Bescheid.“ Er schüttelte den Kopf. „Nein, das braucht Ihr nicht, Ihr seid eingeladen.“ Ihr Gesichtsausdruck erhellte sich seit langem wieder an diesem Tage. Jetzt erst bemerkte sie, wie hungrig sie tatsächlich war. Wie auf ein Stichwort knurrte ihr Bauch und Alister grinste amüsiert. Seit frühem Anfang diesen Tages hatte sie bereits nichts mehr gegessen und die Aufregung ihren Hunger geweckt... Sie erreichten bald schon die Gaststätte und traten ein. In ihr machte sich ein ungutes Gefühl breit, was einzig und alleine einem solchen Ort zuzuschreiben war. Misstrauisch wanderte ihr Blick von links nach rechts, dann wieder zu dem jungen Mann. Er bemerkte ihr Misstrauen, missachtete es schlichtweg und gebot ihr höflich, sich mit ihm hinten in der Ecke an einen Tisch zu setzen. „Setzt euch.“ Sie sah ihn unsicher an und blieb zunächst stehen. „Ich stehe vielleicht lieber.“ Er selbst setzte sich und wartete einfach geduldig. Zaghaft setzte sie sich bald darauf dann ebenfalls. „Ich habe ...noch nie so viele verschiedene Lebensformen auf einem Fleck gesehen.“, meinte sie ohne den Blick von den Leuten abzuwenden. Weder meinte sie dies boshaft, noch wollte sie rassistisch wirken. Dennoch war es ein allzu unbekannter Anblick. „Nun, das ist hier nichts besonderes, bei uns sind sämtliche Rassen und Lebensformen, die länger als zwei Monate hier verweilen in einer Kartei aufgeführt. Das sind mittlerweile an die 256 Verschiedene.“ Ihr Ausdruck zeugte von Faszination und Verwunderung. „Da wo ich herkomme kennt man nur mystische Tiere, wie Einhörner und Drachen, und unsere Rasse - Terroaner... Ihr seid ein Kratianer, sagtet ihr? Womit ist dies ...vergleichbar? Was macht euch anders?“ Er sann kurz über diese Frage nach, um sie ehrlich zu beantworten. „Habt ihr schon mal etwas von Elfen, oder Elben gehört?“ Sie nickte kurz. „Wir haben eine Schule, die von Elfen und Feen geleitet wird.“ „Seht ihr.“, sagte er beinahe erfreut. „Nun, wir sind mit ihnen vergleichbar. Sozusagen eine Mischung aus Menschen und Elfen.“ Etwas intensiver begutachtete sie seine spitzen Ohren und gestand ihm die Antwort lautlos als plausibel zu. „Was möchtet Ihr denn essen? Etwas Salat? Fleisch?“ Wie immer blieb er außerordentlich höflich im Umgang mit ihr. Heftig schüttelte sie hingegen den Kopf. „Nur Gemüse bitte!“ Kurz darauf sprach der Braunhaarige mit dem Mann hinter der Theke und bestellte, bevor er sich zufrieden zu ihr setzte und erklärte, dass das Essen jeden Moment kommen würde. Tatsächlich dauerte es keine fünf Minuten. Ein großer Teller, voller wohlduftender Gemüseallerlei stand nun vor ihr. Es roch phantastisch und doch starrte sie den Teller ebenso misstrauisch an, wie alles anderen Menschen in dieser Stätte. Alisters Teller war ebenfalls angekommen und er griff gerade nach dem Besteck, als er ihren Blick bemerkte. „Was habt Ihr? Stimmt etwas damit nicht?“ „Ist dem Wirt zu trauen?“, fragte sie und begutachtete das Essen wie eine giftige Schlange, die jeden Moment zubeissen konnte. Verdutzt sah er sie an. „Natürlich ist dem Wirt zu trauen, er ist ein Freund von mir. Weshalb fragt Ihr?“ „Nun ja... es ist nun einmal so, dass mich viele Leute schon versucht haben umzubringen. Mit der Zeit entwickelt man ein gesundes Misstrauen... Und, woher weiß ich schließlich, das dieses Essen nicht vergiftet ist?“ Zum Beweis nahm ihr Begleiter einen großen Bissen, schluckte und sagte nach ein bisschen Zeit schlicht: „Nun ich lebe noch wie Ihr seht.“ Mit einem Gesichtsausdruck von leichter Beleidigung über diese Sorglosigkeit und dem Bedürfnis diesem Essen Herr zu werden, verzog sie das Gesicht, griff nach Besteck und kostete zunächst einen kleinen Bissen. Es schmeckte fast noch besser als es gerochen hatte. Viele der aufliegenden Gemüsesorten waren ihr fremd und schmeckten dennoch vorzüglich. Einmal überzeugt, dass das Essen genießbar war, schlang sie es beinahe hinunter. Alister schüttelte den Kopf und sah ihr amüsiert beim Essen zu, während er sich selbst alle Zeit der Welt ließ. „Hat es Euch geschmeckt?“, fragte er sie schließlich, als ihr Teller restlos geleert war und erhielt ein Nicken. Gerade konnte sie zufrieden von einem gesunden Völlegefühl sprechen. „Und habt Ihr es überlebt?“, neckte er sie nahezu. „Das Essen ja, aber wer weiß, vielleicht will mich jemand mit Mageninhalt aus dem Weg räumen...“ „Ihr seht wirklich zu schwarz!“ „Lieber schwarz als gar nicht.“, war ihre prompte knappe Antwort. „Außerdem ist schwarz eine sehr schöne Farbe, sie passt zu Allem.“ Alister verdrehte immer noch amüsiert die Augen. Auch wenn diese junge Frau einen stark ausgeprägten Zynismus und eine recht negative Einstellung zu ihrer Umgebung hegte, war sie bei weitem weniger anstrengend, als es den Anschein hatte. Nach einer halben Stunde verließen sie die Gaststätte und Alanya sah ihren Wohltäter dankbar, aber entschlossen an. „Nun denn, ich danke Euch vielmals für das gute Essen, doch ich werde mich nun umsehen für ein Quartier zur Nacht.“ Da er sich von seinem Angebot nicht zurückzog, bot er ihr erneut an, dass sie bei ihm ein Bett zur Nacht finden würde. In seinem Heim schien er genug Platz zu haben, wie er verlauten ließ, doch entschlossen schüttelte sie erneut den Kopf. „Das werde ich nicht annehmen. Ihr habt mir schon Essen ausgegeben, einen Schlafplatz finde ich nun auch alleine. Ich bin schließlich ein großes Mädchen. Ich danke Euch für alles was Ihr für mich bis hierher getan habt, aber ich sollte langsam los, ansonsten ist es dunkel bevor ich das erste Haus erreicht habe.“ Er zuckte nur mit den Schultern. „Solltet ihr es euch anders überlegen oder aber keinen Platz finden, dann seid ihr herzlich willkommen.“ Sie bedankte sich kurz, doch bevor sie das Angebot leichtfertig nicht wenigstens für einen Notfall in Erwägung zog, erkundigte sie sich, wo sie ihn finden könnte. Seine Reaktion erschien belustigt, etwas, dass sie zu diesem Zeitpunkt nicht verstehen konnte. „Nun, fragt einfach nach Alister. Man wird euch den Weg schon nennen können.“ Auch wenn es sich sehr seltsam anhörte, so nickte sie nur knapp. „Auf Wiedersehen.“, sagte sie höflich, wie Lian es ihr beigebracht hatte. „Ja, das denke ich auch...“, sagte ihr bisheriger Begleiter noch, bevor sie ging. Kapitel 2: Der König von Arynia ------------------------------- Es war schon spät geworden und die Dämmerung hatte die Umgebung von Arynia bereits ins Undeutliche gezeichnet. Alanya hatte kein Glück gehabt und somit kein Quartier für die Nacht gefunden. Lag es an fehlendem Platz zur Nacht oder dem Geld, dass sie nicht besaß. Zwar hatte sie sich angeboten dafür in der Schenke auszuhelfen, oder die Unterkünfte zu reinigen, doch auch das hatte seinen Erfolg verfehlt. So beschloss sie notgedrungen Alisters wohlgemeintes Angebot nun doch anzunehmen. Fehlte nur noch, dass sie herausfand, wo sie diesen jungen Mann aufzufinden vermochte. Ein alter mann stand am Wegesrand und wirkte, als lebte er lange genug hier, ihn womöglich zu kennen. Also schritt sie schnurgerade auf ihn zu. Aufgrund seines Alters hielt sich ihr Misstrauen ihm gegenüber in Grenzen.„Entschuldigen sie!“ Er drehte sich zu ihr. Sein von Falten gezeichnetes Gesicht versuchte sie aus eher trüben Augen zu erkennen. „Ja?“ „Ich suche einen gewissen Alister! Haben sie schon mal von ihm gehört?“ Der Alte sah sie verwirrt an und etwas, dass fast wie ein Schmunzeln erschien legte sich auf seine Lippen. „Ob ich schon mal von ihm gehört habe? Aber selbstverständlich!“ Alanya schöpfte Hoffnung. Scheinbar kannte der Mann hier welche mehr Leute, so, wie sie es erhofft hatte. „Wo fände ich ihn denn, würde ich ihn suchen?“ Der alte Mann schmunzelte nun offensichtlich. Seine eher knochige Hand deutete in eine Richtung. „Geht den Weg dort immer weiter geradeaus, ihr könnt ihn nicht verfehlen. Es ist das Gebäude hinter dem Dorf.“ Höflich verbeugte sie sich ein wenig. In dem letzten Jahr hatte man ihr schließlich zumindest versucht etas wie 'Etikette' beizubringen. „Habt Dank.“ Er neigte den Kopf seinerseits. „Keine Ursache.“ Dem genannten Weg folgend, verließ sie bald darauf das Dorf und suchte beinahe vergebens nach anderen Gebäuden. Ob der alte Mann sich vielleicht geirrt hatte? Oder war es einfach so dunkel das es nicht auffiel? Nein. Etwas anderes lag überraschenderweise näher... Schluckend richtete sie den Blick nach vorne auf das einzige verbliebene Gebäude. "Das kann doch nicht...“ Es gab nur noch ein Gebäude – das Schloss, welches in nur weniger Entfernung seine Zinnen erhob und über allem erhaben aufragte.„Er... muss sich geirrt haben, ich mache mich dort noch lächerlich...“, sagte sie zu sich selbst. „Es war ein Irrtum! Ganz bestimmt...“ Aber wie hoch war die Wahrscheinlichkeit eines Irrtums? War es vielleicht eben das gewesen, was sie in seinem Gesicht gelesen hatte? Vielleicht arbeitete er auch nur in diesem Schloss... Sie sollte es jedenfalls bald herausfinden. Bis sie das Schloss erreicht hatte dauert es einen Moment, denn obwohl es so nah wirkte, war die Entfernung größer als angenommen. Ihr Schritte führten sie weiter, hin, zu einem riesenhaften Tor, dass dem in der Zitadelle konkurrieren konnte. Fast lächerlich wirkend hob sie die Hand und ballte sie zur Faust, ehe sie versuchte deutlich anzuklopfen. Neben der Türe hämmerte ebenso ihr Herz. Sie war auf alles gefasst, ob es nun bedeutete, weggeschickt zu werden, ausgelacht oder zu einer Dienerschaft geleitet zu werden. Das Tor schwang einen kleinen Spalt auf und ein Wachmann begutachtete sie skeptisch. Damit hatte sie tatsächlich genauso gerechnet. Auch wenn sie in der Dunkelheit kein Gesicht erkannte, war die Skepsis deutlich zu spüren. "Ja?“, fragte die Gestalt aus dem Inneren. „Womit kann ich euch dienen?“ Sie räusperte sich um nicht ganz so unsicher zu klingen. „Ich bin auf der Suche nach einem gewissen Alister. Ist er euch zufällig bekannt?“ Die Gestalt schwieg zuerst, bevor sie laut loslachte. „Ob er mir bekannt ist? Ihr seid lustig. Mein liebes Fräulein, man könnte fast meinen, ihr kämet nicht von hier... Was wollt ihr denn von diesem Mann?“ Nun, zumindest schien dieser junge Mann von der Mittagszeit tatsächlich hier zu leben! Das kurze Gelächter hatte ihr die Schamesröte ins Gesicht getrieben und sie dankte einer übergeordneten Macht, dass es bereits zu dunkel war, um diese zu sehen! „Er bot mir ein Quartier für die Nacht an und ich möchte sein Angebot demütig annehmen.“ Der Wachmann trat einen Schritt nach vorne und durch die Fackel die er in der Hand hielt , fiel nun ein wenig Licht auf ihrer beider Gesichter. Die Person, mit der sie gesprochen hatte, war ein Mann, womöglich Ende fünfzig. Seine grauen Haare lagen eng an seinem Kopf und er trug einen adretten Anzug. Seine Augen sprachen von einer gewissen Zufriedenheit über die letzten Jahre. Er diente wohl schon länger in diesem Schloss und genoss das Ansehen, ein Diener hier sein zu dürfen. Sie hätte noch viel mehr in seinem Gesicht lesen können, aber es wurde ihr unangenehm Leute bis auf ihr Innerstes zu studieren. Man öffnete ihr die Türe, so dass sie ohne Komplikationen eintreten konnte. Anschließend schloss man das Tor wieder und der zufrieden wirkende Mann ging einfach vor, während sie ihm möglichst unauffällig folgte. Irgendwie war ein Schloss für jemanden mit ihrer Vergangenheit ein seltsamer Ort. Während hier alles prunkvoll wirkte und sich alles fand, was das Herz auch nur begehren konnte, musste sie zurückdenken an die Zeit, wo sie noch unter freiem Himmel geschlafen und lediglich ein Bad in natürlichen Quellen hatte nehmen können. Er führte sie durch einige Flure, bevor er eine weitere, weniger große Türe öffnete und sie hineinbat. Nachdem sie den Saal betreten hatte, wurde die Tür hinter ihr geschlossen. Trotz dessen, dass keine Feierlichkeit hier stattfand, was der Saal voller Menschen. Jedenfalls für ihren Geschmack, denn sie konnte Alister nicht ausmachen. Zofen, Diener, Köche, Wachmänner jeglicher Gattungen. Da man ihr von allen Seiten Blicke zu warf und auch ein Getuschel vernehmbar war, wollte sie diese unangenehme Situation nicht weiter hinauszögern, sondern fragte eine der Personen, wo man Alister zu finden wüsste. Wieder lachte man und die Geste führte hin zu einem Plateau. Ihr Blick wanderte über die Stufen hinauf zu einem großen Stuhl. Nein, es war ein Thron. Doch Alister war keiner der Personen die drumherum standen... denn er saß mitten auf eben jenem Stuhl. Er hatte sie in jenem Augenblick bemerkt und lächelte sie freundlich an, bevor er sich erhob und ihr gebot, zu ihm zu kommen. „Überrascht?“, fragte er sie vergnügt, nachdem sie ihn erreicht hatte. Überrascht war gar kein Ausdruck. Selbst wenn sie diese Möglichkeit in Erwägung gezogen hatte, so war es für sie einfach nicht realistisch genug gewesen, diesen Gedanken weiter zu verfolgen. „Ich.. ich hatte zwar etwas in euren Augen gelesen, was mir sagte das ihr kein gewöhnlicher Bürger sein könntet... und auch eure Haltung war ungewöhnlich, doch hiermit hätte ich offengestanden nicht gerechnet.“ Vergnüglich lachte er leise. „Und...? Habt ihr ein Quartier gefunden? Anscheinend nicht, oder ihr wäret wahrscheinlich nicht gekommen...“ Beschämt und zurückhaltend nickte sie auf seine Annahme. „Ich habe zwar überall nachgefragt, doch ein Quartier habe ich nicht gefunden. Nun wollte ich euch fragen, ob euer Angebot doch noch besteht." "Sicher. Ich habe bereits ein Zimmer herrichten lassen.“ Kurzzeitig empört sah sie ihn an. Fast schon kam ihr der Gedanke, dieser Mann hätte ihr es gar nicht erst zugetraut ein Quartier zu finden, dann aber lächelte sie dankbar. Natürlich war ihr auch in den Sinn gekommen im Freien zu übernachten, doch eine gewisse Unruhe in dieser Fremde hätte sie niemals Schlaf finden lassen. „Ich hoffe ich falle euch nicht zur Last.“ Man schenkte ihr ebenfalls ein Lächeln. „Gewiss nicht. Kleidung findet ihr in eurem Schrank, das Bett ist hergerichtet und ihr könnt euch wie zu Hause fühlen.“ Im Grunde fragte sich die junge Frau, weshalb er derart zuvorkommend war. Ob er das für jeden tat? Es erschien unwahrscheinlich. Wahrscheinlicher war die Annahme, dass er fasziniert von dem Gedanken war, dass jemand das Portal durchschritten hatte und unter natürlichen Umständen in einer ganz anderen Welt beheimatet war. Vielleicht sollte diese Faszination für sich nutzen, es waren schließlich auch nur noch weitere sechs Tage, die sie in dieser Welt verbringen würde. „Eine Frage... woher bekomme ich Essen? Mein Hunger meldet sich wieder. Das Wandern hat mich wohl erschöpft.“ Er betrachtete sie amüsiert und Alanya war sich fast sicher zu wissen, was er dachte. Nach dem letzten Teller Gemüse hätte ihr Appetit normalerweise für den Rest des Tages getilgt sein sollen. Normalerweise. Hier lag wohl die Wurzel des Übels. Außerdem hatte sie in der Gaststätte nur auf Gemüse zurückgegriffen, da dies in den meisten Ländern die günstigste Alternative eines Essens erschien. Zu der Zeit hatte sie auch keine Ahnung gehabt, dass sie es mit dem König zu tun hatte! „Abendessen wird ebenfalls zubereitet. Zieht euch erst einmal um, dann könnt ihr zum Speisesaal kommen.“ Er winkte einen Diener zu sich, der ebenfalls auf der Empore stand und flüsterte ihm etwas zu, dass die blonde junge Frau nicht hören konnte. Dieser nickte daraufhin, verbeugte sich vor seinem König und anschliessend knapp vor ihrem neuen Gast. „Wenn ihr mir folgen würdet?“ Man führte sie durch weitere Flure, Treppen hinauf und letztlich durch eine Türe zu einem Gemach. „Dies ist euer Schlafgemach, solltet ihr noch einen Wunsch haben, so stehen euch die Diener zur Verfügung. Ihr braucht ihnen nur Bescheid zu sagen.“ Mit diesen Worten verließ er höflich das Zimmer, um ihr die Möglichkeit zu geben, sich in Ruhe umzuziehen. Bewunderung lag in ihren Augen, bei dem Anblick eines solchen Raumes. Es war Raum! Selbst ihre Unterkunft in Hoha war nicht größer, wenn sie es recht bedachte. Und in eben dieser lebten sie zu fünft. Jedenfalls, wenn sie überhaupt einmal die Zeit hatten, sich dort aufzuhalten. 'The Hope' war eher ein Quartier zwischen ihren Reisen und daher nicht auf Prunk und übermässigen Platz ausgerichtet. Der Schrank in diesem Raum maß an die drei mal drei Meter und das Bett sah aus, als wäre es für vier Personen ihres Schlages gemacht worden. Ein riesiger Arbeitstisch fand sich dagegen an der Wand und große Fenster ließen das Sonnenlicht am Tage herein. Sie öffnete eines davon um ein wenig Wind ins Zimmer zu lassen und durchzuatmen. Anschließend erst ging sie bedächtig auf den Schrank zu und öffnete ihn behutsam. Da sie kein Geld dieses Landes besaß, sorgte sie sich ein wenig hier etwas versehentlich in seiner Funktion einzuschränken, wenn sie nicht Acht gab.Das Innere des Schrankes war wohlgefüllt von der unterschiedlichsten Kleidung. Es wirkte fast wie an einem professionellen Händlerstand, auch, was die Quantität anging. Soviel Kleidung auf einem Fleck hatte sie noch nie gesehen. Auf der rechten Seite fand man unter Anderem die schönsten Kleider und Frauenkleidung, die sie je gesehen hatte, während auf der linken Seite einige Kleidung für Männer auf Bügeln hing. Jemand wie sie jedoch trug grundsätzlich keine Kleider, weder wusste sie, wie man sich in solch einer Aufmachung gab, noch empfand sie es als sonderlich sinnvoll, wenn man stets auf Reisen war, oder in Kämpfe und Schlichtungen verwickelt. Ausserdem beinhaltete der Schrank noch Accesoires wie Gürtel und Waffenhalter, was ihr dann mehr zusagte, als die glamourösen Spangen und Haarbänder. Nach einem kurzen Bad, bediente sie sich auf der linken Seite des Schrankes. Die junge Frau nahm ein blütenweißes Hemd mit etwas Rüschen heraus, über dem sie bald eine braune Lederweste trug. Ein Waffengurt verhinderte, dass die Kleidung zu locker saß und sie nutzte ihn, um ihr Schwert in Position zu bringen. Noch fühlte sie sich hier nicht sicher genug es abzulegen, sei es auch nur für das Abendessen. Die Leinenhose befestigte sie ebenfalls mit Hilfe eines Gürtels enger, bevor sie nach einem Paar Stiefel griff, die sie überzog. Ein kurzer Blick in den Spiegel genügte, wobei sie die vorderen Haare zurückband, um im Kampf eine bessere Sicht zu haben. Dies war allerdings lediglich Angewohnheit. Um eine bestimmte Frisur ging es ihr dabei nicht, auch wenn sie besonders heute darauf achtete, dass das Haar anlag und nicht ungepflegt wirkte. Um den Speisesaal zu erreichen bedurfte es mehrere Diener die ihr den Weg wiesen, ehe sie ihn endlich erreicht hatte. Das Schloss war ihrer Meinung nach viel zu großflächig um sich wirklich zurechtzufinden. Als sie den Saal betrat, wartete Alister bereits auf sie und zwinkerte ihr zu. „Setzt euch hinzu.“ Mit einer Handbewegung deutete er auf einen freien Stuhl des langen Tisches direkt neben sich. Langsam und vorsichtig näherte sie sich, wobei man ihre Schritte kaum hören konnte. Es wirkte eher, als würde sie schweben. Eine Angewohnheit, die ihr damals das Überleben gesichert hatte. Kurz ertappte sie sich, wie sie sich wieder misstrauisch umsah, bevor sie wirklich Platz nahm. Ein wenig verloren in diesem riesigen Raum meidete sie etwas beschämt den Blick des jungen Mannes, der sich wohl nur vergewissern wollte, dass alles in Ordnung war. Das Essen wurde von mehreren Dienern des Schlosses serviert. Unter den großen Glocken gab es für jeden einen Fleischteller, einen Gemüseteller, einen Salatteller und etwas, das nach einer Nachspeise aussah. Anscheinend legte man sich die verschiedenen Speisen auf den Teller, ganz so, wie man es sich wünschte, bevor man zu Essen begann. Das erfasste sie jedoch erst, nachdem sie ihren Gönner eine kurze Weile dabei zusah und es ihm dann gleichtat. Auf dem Gesicht des Königs zeichnete sich jedoch ein ebenso hungriger Gesichtsausdruck ab, wie auf dem Ihren und sie spürte Erleichterung darüber, dass sie wenigstens dies gemeinsam hatten, bei einem generell derart unterschiedlichen Lebensstil. Als sie nicht gleich zu Essen begann, selbst, als die Speisen ordentlich auf ihrem Teller hinterlegt waren, deutete er ihr Schweigen bereits richtig. „Das Essen ist nicht vergiftet. Seht her.“ Der König nahm einige Bissen unter ihren wachsamen Augen und schluckte sie ohne zu zögern herunter. Aufatmend und nun überzeugt nahm auch sie das wohlschmeckende Essen zu sich. Es dauerte eine Weile, bis sie letztlich satt war und sich zufrieden räkelte. Bei der Masse an Speisen war es nicht erstaunlich, dass doch einiges übrig geblieben war. Wie sie jedoch erfuhr, würde man es nicht wegwerfen, sondern freistellen, dass sich bedienen konnte, wer Hunger hatte. Das war erleichternd, waren Lebensmittel doch für viele knapp. Sie derart zu verschwenden hätte ihr daher missfallen. Ein wenig noch unterhielten sie sich und die Reisende erzählte von ihrem Land und dessen Geschöpfen, von den Großen Vier und wie sie Liberty begegnete. Doch irgendwann war es Zeit sich in das Schlafgemach zurückzubegeben und sowohl der König als auch sie betteten sich zur Nachtruhe in ihrem jeweiligen Gemach. Eine Weile noch musste die junge Frau darüber nachdenken, was sie an diesem tage alles erlebt hatte. Auch Alister spukte ihr noch eine Weile in ihrem blonden Kopf herum, wobei sie zu dem Ergebnis kam, ihm langsam aber sicher vertrauen zu wollen. Letztlich schlief sie ein … Kapitel 3: Abenteuerlicher Stadtausflug --------------------------------------- Ein Bediensteter des Schlosses weckte die junge Frau am nächsten Morgen, die seit langem nicht mehr so gut geschlafen hatte. Das Bett war angenehm weich und sie hatte ein sonderbares Gefühl der Sicherheit gerade. Als sie ihre Augen aufschlug und sich aufsetzte, erkannte sie, dass der Mann ein Tablett mit Frühstück mit sich führte und wenig später vor sie auf das geräumige Bett stellte. „Oh nein, ich habe verschlafen...“ entfuhr es ihr. „Daher ließ man euch das Essen bringen. Ich hoffe es mündet euch. Wünsche einen guten Appetit!“ Mit diesen Worten verschwand er wieder. Der Rest dieses Tages verlief dagegen sehr ruhig und ohne weitere Zwischenfälle. Der Tag war trüb und regnerisch draussen, doch im Schloss sorgten die Feuer in den verschiedenen Räumen für eine angenehme Wärme. Gemeinsam mit Alister wagte sie eine Führung durch das Schloss, wobei sie die restlichen Mahlzeiten gemeinsam einnahmen. Sie sprachen bisher jedoch immer noch eher über oberflächliche Dinge, es war einfach noch zu früh, vertrauliche Dinge anzusprechen. Sie lernte ein wenig über die hiesigen Gewächse und Lebensmittel und fühlte sich langsam aber sicher etwas wohler in diesem großen Schloss, dass doch so unübersichtlich erschien, wenn man es nicht kannte. Der Tag verging wie im Fluge und als sie sich abends ins Bett legte, bemerkte sie wie lächelte. Die Angst im Schloss wich langsam und sie betrachtete es als eine Art kleine Auszeit von ihrem demnächst wiederkehrenden Alltag, sobald sie in ihre Welt zurückgekehrt war. Der dritte Tag brach bereits an und das Wetter schien sich über Nacht wieder gebessert. Es war bewölkt, jedoch nicht nicht regnerisch und am Frühstückstisch erklärte Alister ihr seinen Plan, sie heute in der Stadt herum zu führen. Um die Stadt jedoch zu erreichen, schlug er vor zu Pferd zu reisen, etwas, dass der Blonden alles andere als behagte. In ihrem Land gab es keine Pferde, wie sie am gestrigen Tage bereits herausgefunden hatte. Sie glichen Einhörnern, nur dass sie in so vielen Farben auftraten und wohl als Transportmittel genutzt wurden. Der einzige in ihrer Welt der ein Einhorn je gezähmt hatte war Renos, einer der Großen Vier. Sein Begleittier war das Leittier der Einhörner. In Hoha nutzte man Ungatz, Tiere, halb Einhorn, halb Stier, die seit jeher statt Pferden unter einem Reiter dienten. Wie es einst zu dieser Vermischung gekommen war wusste heute niemand mehr, doch die Tiere wurden von den Einhörnern verstossen, ebenso von den reinen Rindern. Die Terroaner hatten sich ihrer angenommen und beide Spezies profitierten somit voneinander. Wenn man sich zum ersten Mal auf ein derartiges Geschöpf setzte, dessen Vorderseite dem eines Stiers glich und dessen Rücken dem eines Einhorns – auch farblich -, musste man sich sehr anstrengen, die Balance zu halten. Doch hatte man es einmal gelernt waren diese Proportionen doch sehr angenehm zu sitzen. Die angefertigten Sattel waren die bequemsten Polster, die man sich vorstellen konnte und wurden meist im Reich des Vaters ihres Verlobten hergestellt, der ebenfalls König war. Wenn sie so darüber nachdachte, schien es fast, als führte sie jeder Weg in eine royale Umgebung, trotz ihrer mehr als unroyalen Vergangenheit. Nun, wo sie so darüber nachdachte wünschte sie sich eben so ein Ungatz hier nach Ayrnia, damit sie nicht auf eines dieser hohen Tiere, die man Pferde nannte, steigen musste. Doch alles wünschen half nicht, denn Alister hatte ihr versprochen, eines der ruhigsten und freundlichsten dieser Tiere für sie auszuwählen. Es blieb ihr nichts anderes übrig, als ihm und seiner Entscheidung zu vertrauen. Gerade war sie zurück in ihr Gemach gekehrt, um noch einmal zu überprüfen, ob sie nichts vergessen hatte und wechselte gerade den Gürtel, als der König das Zimmer durch die offene Türe betrat. „Oh Entschuldigt, ich wollte euch nicht stören“, sagte Alister ein wenig peinlich berührt. „Nein, schon in Ordnung...“, warf sie hastig ein, denn mittlerweile hatte sie den neuen Gürtel bereits wieder geschlossen. „Ich wollte euch nur sagen, dass wir bald aufbrechen wollten. Nur damit ihr Bescheid wisst natürlich. Ihr sagtet gestern ihr wolltet etwas von dem Land sehen, dann zeige ich euch das Dorf, es ist zwar nicht allzu groß, aber sehr schön.“ Sie nickte freundlich. „In Ordnung. Ich bin so schnell wie möglich unten!“ Ein Lächeln lag auch auf seinem Gesicht und kurz darauf hatte er das Zimmer wieder verlassen. Es dauerte nicht lange, bis sie draußen am Stall angekommen war. Dank der gestrigen Führung verlief sie sich schliesslich nicht mehr ganz so schnell. Der braunhaarige Royale wartete mit ein paar Wachen schon auf dem Hof, zwei Pferde am Zaum in seiner Hand. Als sie in Sichtweite kam, brachte er ihr jenes aus der rechten Hand. „Es ist ein sehr gutes Pferd, bisher hat es noch jeglichen Reiter sicher wieder zurück gebracht, ob er nun reiten konnte oder nicht.“ Ihr Nicken ließ dennoch deutlich ihre Nervosität zum Vorschein bringen. „Na dann hab ich wohl wenigstens eine Überlebenschance.“ Alister lachte freimütig. „Es ist wirklich nicht schwer und ich glaube kaum dass ihr es schafft als erster Reiter herunter zu fallen...“ „Wir werden sehen.“, entgegnete Alanya, die seine Sorglosigkeit nicht ganz teilte. Aufgrund dessen, dass der König sie über Umwege erst zum Dorf führte, dauerte der Ritt einige Stunden, in denen sie die Vorzüge dieses Landes kennenlernen durfte. Es erschien so friedlich und natürlich. Jedenfalls dachte sie dies bis zu jenem Moment noch. Der Stadtrand war erreicht und Alister wies die Wachen an, hier mit den Pferden zu warten. Wie es nun einmal für einen König üblich war, ließ man ihn normalerweise nicht ohne Gefolgschaft aus dem Schloss, solange er als Royaler erkennbar war. Wie ein echter Gentleman half der grossgewachsene Mann ihr aus dem Sattel und schien bei ihrem leicht gequälten Anblick nach dem Ritt doch etwas amüsiert. Ihr Hintern schmerzte leicht und auch ihre Beine fühlten sich sehr seltsam an. „Seht ihr, ihr seid nicht heruntergefallen.“, versuchte er ihr das ganze etwas schmackhafter zu machen. „...Was ein Wunder ist...“, entgegnete sie ihm jedoch nur und hätte jegliche Klausel unterschrieben um nicht noch einmal auf ein Pferd aufsitzen zu müssen. Die Wachen blieben wie angewiesen an der Ecke stehen und würden dort verharren bis zu ihrer Rückkehr. Gerade waren sie um eine Ecke gebogen, wobei ihre Begleitung sich in einen Umhang verhüllt hatte, als sich zwei Männer vor ihnen aufbauten. Die Lumpenkleidung und die verrosteten Messer liessen auf Halunken schließen, wie sie wohl in jeder Stadt am Rande zu finden waren. „Geld her!“ befahl einer der Männer mit heiserer Stimme. Der vermummte König ergriff das Wort, bevor Alanya es tun konnte. „Nein. Ihr wollt uns nichts tun... Jedenfalls rate ich euch das ihr schnellstmöglich von hier fort kommt, sonst wird es ungemütlich.“ Der zerlumpte Mann lachte leise. Ein heiseres Lachen, als würde er dem Alkohol mehr frönen als normalen Lebensmitteln. Es war offensichtlich wohin das gestohlene Geld fliessen würde. „Für euch, nicht für uns. Also, Geld her!“, knurrte der Mann erst noch amüsiert. Das sie ein Schwert am Gurt trug, schien er vollkommen zu ignorieren. Ob es daran lag, dass sie eine Frau war? Alister hingegen rührte sich nicht und widersprach auch nicht mehr, sondern blieb vollkommen ruhig. Die junge Frau war beeindruckt, denn sie selbst hatte mittlerweile eigentlich genug und legte die Hand bereits an ihr Schwert, um es herauszuziehen. Notfalls würde sie die Männer auch richten.„Nein, lasst euer Schwert, wo es ist.“ , gab Alister zu verstehen, ohne seine Begleiterin überhaupt anzusehen. „Diese Männer werden auch gehen ohne das ihr ihnen Schaden zufügt...“ Besagte Männer sahen sich daraufhin an und lachten nervös, als wüssten sie nicht, ob ihnen die Frau vielleicht doch etwas antun konnte. Trotzdessen blieben sie bei ihrem Vorhaben. „Und weshalb sollten wir? Außer ihr gebt uns das Geld, dann ziehen wir fort.“ Alister betonte noch einmal, was er ihnen bereits verkündet hatte. „Ihr werdet ohne das Geld gehen, sofort!“ Um seinen Drohungen nachdruck zu verliehen, trat der Mann mit dem Messer stückchenweise auf den König uns seine Begleiterin zu. Der vermummte König hielt ihm die Handfläche hin und erzeugte auf ihr eine glühend schwarze Flamme. Der Angreifer wich erschrocken zurück. „Magie...!“ Sein Komplize und er sahen sich lediglich an, es war offensichtlich das ihnen bewusst war, dass sie sich mit dem Mann vor ihnen nicht anlegen sollten. Auch Alanya staunte nicht schlecht, schließlich hatte sie selbst nicht wirklich gewusst, wie viel magische Fähigkeiten er besass. Noch kurz schluckend suchten die Männer schließlich das Weite und liefen so schnell sie konnten. Beinahe hätte die Blonde losgelacht, jedoch beließ sie es bei einem verächtlich und stolzen Schnaufen. Der Blick des Älteren wanderte nach oben, wo sein Falke Kreise zog. „Verfolge sie!“ Die Wachen, die sie nicht weit von hier hinter sich gelassen hatten waren dem Trubel gefolgt und bei ihnen angekommen. „Folgt dem Falken! Er führt euch zu den Männern die Unruhe stiften!“ Mit einem Nicken waren die Wachleute des Schlosses bereits dabei dem Falken und damit den Männern zu folgen. Die junge Frau steckte ihr Schwert wieder gänzlich zurück in die Scheide und lächelte Alister zufrieden an. Erst jetzt wandte er sich wieder ihr zu, scheinbar froh, dass alles so glimpflich ausgegangen war. „Ja... mh… was zeige ich euch zuerst?“, überlegte er und kratzte sich etwas am Kinn. „Nun ihr wisst wohl am Besten, für was Arynia bekannt ist, ich sage nichts dazu.“, erwiderte sie und sah ihn fragend an. Ohne Vorwarnung stieß man sie unsacht von hinten an und sie strauchelte etwas seitlich nach vorne, wobei sie versuchte ihr Gleichgewicht wiederzufinden. Glücklicherweise trat Alister hastig vor und fing sie auf, bevor sie stürzte. „Alles in Ordnung?“, fragte er leicht besorgt. Er sah sich nach dem Rempler um, konnte ihn aber nirgends mehr entdecken. „Ja geht schon...“, sagte die Gerettete, wurde unmerklich rot und stellte sich wieder aufrecht hin. „Da habe ich wohl noch einmal Glück gehabt, dass ihr die guten Kleidungsstücke eures Hauses vor Schmutz bewahrt habt.“ Ein beinahe peinlich berührtes Zwinkern und Lachen folgte.„Ich bin nämlich keine gute Wäscherin.“ Der junge Mann lachte leise bei ihrem Kommentar. „Ich bitte euch, ... als wenn mich die Kleidung interessieren würde... Ich bin froh das ihr euch nicht verletzt habt.“ Sein Lächeln hatte eine so angenehme und beruhigende Wirkung auf die Blondhaarige. Am liebsten würde sie ihn in solchen Momenten länger ansehen, wäre es ihr nicht so furchtbar unangenehm. Stattdessen lächelte sie nur zurück und errötete wieder ein wenig. „Als ob...“, räusperte sie sich und ihr lachen klang nun eher beschämt. „Als ob ich hier mehr wert sein könnte als diese Kleidung...“ Es war offensichtlich das die Kleidung, die in dem Schrank gehangen hatte nur von höchster Qualität zeugte. Sie war gewiss einige Goldmünzen wert. Mehr, als sie wohl jemals verdienen würde oder könnte. Mit einem weiteren kurzen Räuspern wandte sie sich etwas von Alister ab, damit er ihr gerötetes Gesicht nicht sehen konnte. „Aber ich werde es bei den Leuten eures Landes womöglich sowieso irgendwann schaffen mit einem Messer im Rücken aufzuwachen.“ Ihr Misstrauen hatte sich schließlich nicht gelegt, nur weil einer dieser Menschen hier sich ihr Vertrauen verdient hatte. Ihr Lachen war recht sarkastisch an dieser Stelle. Ihr Vertrauter dagegen sah sie kurz an und versuchte sie davon zu überzeugen, dass die Leute hier normalerweise recht freundlich waren und es überall Wegelagerer gab. Das war nicht nur alleine Arynia zuteil. Nickend dachte sie über seine Worte nach und erkannte die Wahrheit in ihnen. Es war gewiss unwahrscheinlich, einen Ort zu finden, an dem es keine Menschen gab, die versuchten auf einfachstem Weg ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Manche hatten vielleicht auch gar keine andere Chance. Auf dem Weg weiter in die Stadt, entlang der Nebenstrassen, erzählte sie ein wenig mehr über ihre Heimat. „In unseren Ländern herrscht meist Frieden, wenn nicht, so sind wir dafür zuständig einzuschreiten. Aber eigentlich können allein Leute oder Gestalten aus der Unterwelt in unser Land gelangen und Unruhe stiften. Wir selber sind friedliche Völker, wir, oder die meisten von uns, töten so gut wie gar nicht. Allein... allein die ...'Waldbewohner'... sind grob, töten, stehlen,...“ Man sah ihr an wie schwer es ihr fiel darüber zu sprechen. Dennoch hatte sie das Gefühl, dass sie es ihm erzählen wollte. „Sie waren es auch, die meine Mutter umgebracht haben, noch bevor der große Krieg ausbrach.“ Ihr Blick erschien gequält und traurig. „Jetzt wisst ihr, dass meine Mutter bereits gestorben ist. Und wenn ihr noch mehr wissen wollt: mein Vater lebt ebenfalls nicht mehr...“ Ihr betrübter Blick glitt zu Boden und sie musste sich sehr zusammenreissen, dass die Träne am Rande ihres Auges nicht ihre Wange hinunterlief. Das Thema Eltern war nicht leicht für sie, schließlich hatte ihr Martyrium danach begonnen. Der König trat neben sie und legte ihr tröstend eine Hand auf die Schulter, ehe er seufzte. „Meine eigene Familie lebt auch nicht mehr... weder meine Zieh- noch meine leiblichen Eltern. Ich weiß also wie ihr euch fühlt...“ Aus einem unbekannten Grund, vielleicht dachte sie wieder bei Lian zu sein, ließ sie sich etwas gehen und lehnte sich kurz an diese Person an. All die Gedanken rissen sie gerade wie ein Schwall mit sich. „Ich hatte eine schlimme Zeit hinter mir... ich...“ Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass sie mit dem König- einem beinahe Fremden über Dinge sprach, die ihn gewiss nicht von Interesse sein würden.Also schüttelte sie den Kopf, wenn auch teils verzweifelt, als auch erschöpft. Da sie lieber stark und selbstsicher wirkte schluckte sie auch die Tränen herunter, die beinahe hervorgequollen wären. Nein, sie war stark und würde es auch bleiben. Nach allem was sie durchgemacht hatte und wie sie jetzt ihr Leben in die Hand genommen hatte. Dennoch spürte sie eine Verbundenheit zu Alister, durch ihre gemeinsamen Verluste und fühlte sich verpflichtet, ihm ihr Mitleid auszudrücken über den Verlust, den auch er hatte machen müssen. „Das tut mir leid...“, brachte sie daher mitfühlend und ehrlich hervor. Ihr Begleiter lächelte matt. „Nein, mir tut es Leid...“, sagte er. „Um mich braucht ihr euch keine Sorgen zu machen... Ich habe soviel Leid in meinem Leben gesehen, das ich meines beinahe vergaß. Und außerdem trage ich die Verantwortung für die vielen Völker in meinen Händen,... sie sind also meine Familie.“ Auf einmal registrierte sie, das sie trotz allem immer noch eine Hand an Alisters Mantel liegen hatte, die sie nur allzu schnell wieder zurückzog. „Nein.. ist schon gut. Ich glaube ich habe mich gerade einfach etwas gehen lassen. Entschuldigt mein Verhalten, das ist mir seither so gut wie noch nie passiert. Zumindest nicht so. Es tut mir leid, dass ihr soviel Leid erlebt habt.“, man konnte hören, dass jedes Wort aus tiefstem Herzen kam, da sie glaubte, einen möglicherweise ähnlichen Schmerz durchgestanden zu haben und die Schmerzen eines solchen Lebens kannte. „Ich wünschte ich könnte euch einen Teil abnehmen, ich könnte für euch die Last tragen, die so etwas mit sich bringt... – Ihr scheint ein sehr netter Mensch, entschuldigt, Kratianer zu sein... Ein Ehrlicher..., so jemandem wie euch bin ich bisher kaum begegnet.“ Vor Lian war sie nie jemandem begegnet, der ihr Herz berührt hatte, oder bei dem sie je ein solchen Gefühl von Vertrauen verspürt hatte. Auch wenn sie sich noch nicht lange kannten, war es, als würden sie ewig kennen. „Aber das hört ihr nicht noch einmal!“ Mit diesen Worten lächelte sie gequält und doch herausfordernd, um von ihrem kleinen 'Missgeschick' abzulenken. Alister lachte leise, wobei man sah, wie seine Schultern amüsiert unter dem Umhang auf- und abhoben.. „Gut, dann bin ich froh es wenigstens einmal gehört zu haben...“, gestand er ihr dann. „Wohin jetzt,- eure Majestät?“ Für die letzten Worte senkte sie die Stimme und lehnte sich ein wenig zu ihm vor, damit niemand anderes es hören konnte. Der König lehnte sich ebenfalls ein wenig zu ihr, blickte sie an und lächelte. „Bitte lasst die Förmlichkeiten, dann müsst ihr auch nicht leiser sprechen. Nennt mich Elias. Darunter kennen mich die Meisten hier, die nicht wissen wer ich bin.“ Er sah ein wenig von ihr weg. „Folgt mir... Ich zeige euch gerne den Markt. Wir haben nämlich Glück und heute ist Markttag.“ „Markttag? Nein, was habe ich mir doch für eine gute Zeit ausgesucht um vorbeizuschauen... Was kann man denn alles so bei euch kaufen?“, antwortete sie noch auf seinen Vorschlag, ehe sie stockte und über den Namen nachdachte. „Elias.. Woher stammt der Name?“ Sie legte den Kopf zur Seite und blickte ihn forschend an, versuchte in seinem Gesicht zu lesen. „Diesen Namen gaben mir die Leute, die mich damals fanden. Ich hatte mein Gedächtnis verloren. Das war vor etwa 18 Jahren...Elias ist kratianisch und bedeutet soviel wie: ‚Wiederkehrer‘.“ Alanya nickte langsam mit dem Kopf und dachte nach. „Ah... Ein treffender Name...“ Neugierig versuchte sie das Gespräch aufrechtzuhalten. „Wie habt ihr euer Gedächtnis verloren? Darf jemand wie ich so etwas fragen?“ Der Mann neben ihr lächelte zwar, winkte jedoch ab. „Aber natürlich dürft ihr das. Nur nicht hier...“ Er sah sich unsicher um. „Viele Leute hier kennen die Geschichte als eine Art Legende um den König. Den Namen Elias kennen sie jedoch nicht, aber... den Rest der Geschichte.“ Alanya zuckte mit den Schultern. „Wie ihr wollt... wir haben noch ein paar Tage...“ Sie blickte ein wenig missmutig drein. „Tage... Ich glaube man wird mich sicherlich schon vermissen. Lian wird sich wahrscheinlich große Sorgen machen. Arenos und er durchsuchen wahrscheinlich ganz Hoha nach mir...“ Sie sah wieder zu ihrem hiesigen Retter. „Aber wir wollten den Markt sehen. Also- kommt ihr nun, oder wollt ihr hier Wurzeln schlagen?“ Alanya dachte über ihre eigenen Worte nach. Nein, nicht nur Arenos und Lian würden sich sorgen und sie suchen, sondern auch Vent, Nestor und Renos, wie auch ihre geliebte Schwester... Alister schien nichts von ihrem Gedankengang bemerkt zu haben und schien nun gut gelaunt. „Wird die Dame jetzt ungeduldig?“ fragte er sie neckisch, woraufhin sie sich spielerisch verwundert umsah. „Aber ja - ich weiß zwar nicht von welcher Dame ihr sprecht, meine Wenigkeit jedoch auf alle Fälle. Schließlich möchte ich euer Land betrachten, und sehen, wie es dem Volk ergeht...“ Sie stupste ihn vergnügt an und lächelte fast wie ein kleines Mädchen, bevor sie seine Hand ergriff und ihn hinter sich her in Richtung Getümmel schleifte.Lachend ließ der König von Arynia dies zu, der es nicht gewohnt war, dass die Leute so frei und unbeschwert mit ihm umgingen. Auf dem Marktplatz angekommen sah er sich um. „Nun wo liegen eure Interessen? Dann könnte ich euch die richtigen Stände zeigen...“ Die junge Frau schmunzelte und sah ihm auffordernd in die Augen. „Ich weiß nicht... Strengt euch mal ein bisschen an, vielleicht erkennt ihr dann, was mich interessieren könnte. Ansonsten ratet einfach...“ Sie war nur allzu gespannt auf welche Ideen er käme. Pflegeprodukte waren beispielsweise manchmal zwar nützlich, jedoch nicht, für das sie sich wirklich interessierte. Ein große Gegensatz zu den meisten Frauen. Ebenfalls fand sie keinen Gefallen an Kleidern. Alister nahm nun seinerseits frei heraus ihre Hand und führte sie quer über den Platz. In einer Ecke stand eine kleine, gemütliche Waffenschmiede, die ihre Ware draußen feil bot. Dort angekommen blieb der junge Mann mit ihr stehen, während sie ihn begeistert ansah. „Wow! Ich glaube ihr solltet immer die Führung übernehmen. Ihr habt richtig geraten.“, gab sie anerkennend von sich, da er dieses Lob wirklich verdiente. Neugierig sah sie sich an dem Stand um und ihr Blick fiel auf die verschiedensten Schwerter, Degen, Beile, Morgensterne und blieb letztlich lange an einem reichverzierten Langbogen haften. Sie blickte ihn sehnsüchtig an, war sich aber gleich wieder bewusst, dass sie kein Geld besaß um ihn sich leisten zu können. „Bisher durfte ich nur ein einziges Mal mit einem Langbogen von Vent schießen. Er meinte ich wäre ein Naturtalent, doch ich habe ihm auch schon damals nicht geglaubt...“, schwelgte sie in Erinnerungen. Naturtalent war schließlich etwas, dass im Auge des Betrachters lag. Sie traf ein Ziel... nur nicht unbedingt dort, wo sie hinzielte... Elias lächelte zufrieden und deutete auf einen weiteren Stand mit Dolchen, der sich etwa einen Meter weiter befand. „Dort drüben findet ihr die besten Dolche weit und breit...“, erklärte er, um sie dazu zu bewegen, hinüber zu gehen. Anoch ein letztes Mal legte sich ihr Blick auf den wunderschönen Bogen, ehe sie seufzte und sich umwandte. Eigentlich ging sie davon aus, dass ihr Retter sie auch begleitete, als sie den Stand aufsuchte. Sie hob einen der Dolche vom Tisch, drehte ihn etwas in ihrer Hand und nickte anerkennend. „Ihr habt tatsächlich recht... Es ist eine gute Arbeit... Sie haben eine gute Härte und ihr Gewicht ist dafür passabel...“ Sauf dem Tisch befanden sich noch einige kunstvolle Arbeiten, die wirklich nicht zu verachten waren und in vielen Schmieden gewiss Neid geweckt hätten... Vertieft in die unterschiedlichen Angebote des Standes, hatte die Blonde nicht gemerkt, dass ihr Begleiter ihr nicht gefolgt war, sondern erst wenige Minuten später zu ihr trat. „Ja, wenn es darum geht könnt ihr mir ruhig glauben!“ Dank seinem guten Gehör hatte es für ihn keine Schwierigkeiten bereitet, sie auch noch am Nachbarstand zu hören. Die Fremdländische warf ihm einen immer noch begeisterten Blick zu, als der ihr gerade erst Bekannte mit einem Lächeln den so sehr begehrten Bogen hinhielt. „Ich haben ihn eben zufällig.... gefunden... wollt ihr ihn vielleicht... nehmen? Ich kann auch gar nicht damit umgehen!“ Mit einem Zwinkern deutete er an, dass er durchaus nicht scherzte, ihr den Bogen überlassen zu wollen. „...Wow...“ Überwältigt wusste Alanya nicht, was sie darauf antworten sollte und starrte statt dessen den Bogen ungläubig an. Diese filigrane Arbeit... diese Anmut in der Verarbeitung. Ihre Finger fuhren über den Holzschliff, als hätte sie nie etwas schöneres zuvor gesehen. „Für... für mich?!“, fragte sie immer noch ungläubig. Ein solch edles Geschenk hatte selbst Lian ihr bisher nicht gemacht. Der Thronerbe nickte und hielt ihr den Bogen weiter hin, bevor sie ihn endlich annahm. „...D-Danke! Ich meine...“ Es war so unglaublich, was gerade in ihr geschah. Ihr Herz pochte wie verrückt, sei es nur wegen des wunderschönen Bogens, oder aber auch durch diese unglaublich nette Geste. In einem kleinen Adrenalinrausch der dadurch ausgelöst worden war, umarmte sie ihn kurz, lehnte sie sich vor und küsste zum Dank nahezu unbeschwert seine Wange. „ Wie kann ich euch jemals für all das danken, was ihr bereits für mich getan habt?! Obwohl ich eine Fremde war!“ Ihre Augen funkelten selbst jetzt noch und ihr Blau schien viel heller als sonst. Alister schmunzelte ein wenig über diese überschwängliche Freude, mit der er dann doch kaum gerechnet hatte. Ihr kurzer Anflug von Vertrautheit hatte ihn seltsamerweise alles andere als gestört. „Ihr braucht mir wirklich nicht zu danken, ich habe euch diese Freude sehr gerne gemacht.“ Die junge Frau hatte beinahe ein schlechtes Gewissen, da sie sich kaum erkenntlich gezeigt hatte bisher. „Sagt mir wie ich mich revanchieren kann und ich werde es gerne tun.“ Kurz überlegte er, hob dann aber nur die Schultern und stellte für sich selbst fest, dass er gar nicht das Bedürfnis verspürte, eine Gegenleistung dafür zu erhalten. „Eigentlich bin ich schon glücklich, wenn ihr es seid.“ Ein letztes Mal glitten ihre Finger ehrfürchtig den Schliff entlang, bevor sie den Bogen vorsichtig an ihrem Rücken befestigte. Vertieft noch in ihre neue Errungenschaft schnitt sie sich tollpatschigerweise an einem der Dolche des Standes, bevor sie kurz nur einen Schmerzenslaut von sich gab und den Finger in den Mund nahm. Mit Hilfe eines Lächelns versuchte sie ihm zu vermitteln, dass er sich keine Sorgen machen müsse, doch mit einem Kopfschütteln, griff er bestimmt ihr Handgelenk und zog die Hand etwas zu sich. Seine andere Hand kramte unterdess in seiner kleinen Umhängetasche nach einem Pulversäckchen, aus dem er etwas auf ihre Wunde streute. Sofort wurde der Schmerz gelindert und es bildete sich ein schützender Film über der Wunde, ehe die Wunde heilte. Es war beeindruckend. Derartig schnell wirkende Kräuter oder Medizin hatten sie in Hoha nicht! Gerade erst hatte er ihre Hand losgelassen, als er hinter sich versehentlich einen Fremden anrempelte. Er schien nicht aus diesem Land zu kommen, dass bemerkte der König sofort. Ein Durchreisender also, den der Markt wohl angezogen hatte. „Oh, verzeiht...“, entschuldigte Alister sich höflich. „HEY!“, schnauzte der Mann jedoch sogleich und schien alles andere als friedlich gestimmt. Zudem würde sich herausstellen, dass er nicht alleine unterwegs war. Doch zunächst, versuchte dieser alleine den Ton anzugeben. Ein unangenehmer Zeitgenosse. „Niemand stößt MICH ungestraft an! Verstanden?! NIEMAND! Außer du willst einen Kopf kürzer werden!“ Beschwichtigend sah der Kratianer zu dem Fremden, hochgewachsenen Mann auf, der ihn durch die Kapuze nur grob erkennen konnte. „Ich habe mich dafür entschuldigt mein Herr... und es tut mir aufrichtig Leid.“ Die Blondhaarige dagegen ertappte sich, wie sie spürte, dass eine derartig ungehobelte Art Alister gegenüber ihr nicht behagte. Verärgerung machte sich bereits jetzt in ihr breit, was bei einem impulsiven Menschen, wie sie es sein konnte nicht unbedingt förderlich war. Nur schwer hielt sie sich zurück, als ihr Begleiter sich derart klein machte, um einem Streit aus dem Weg zu gehen. Ihr Gegenüber hingegen schien den Streit eher provozieren zu wollen. „Dennoch ändert es nichts daran, DASS ihr mich angestossen habt! Vielleicht sollte ich euch ein paar Manieren beibringen...!“ Sollte sie raten, glaubte sie fast, dass er mit dieser Masche häufiger Erfolg hatte, als es sinnvoll war. Selbstbewusst ballte dieser daher auch die Hand zur Faust. Genug war genug und Alanya trat an Alisters Seite, die Hand am Schwertgriff liegend und bereit, wenn nötig zu kämpfen. Sie hoffte beinahe, dass er ihr einen Anlass dafür gab um ihrer Verärgerung Ausdruck zu verleihen! Ohne Vorwarnung fand sie sich plötzlich mit einem Messer an der Kehle bedroht, als hinter ihr ein weiterer Mann erschienen war, der scheinbar den Ersten auf seiner Reise begleitete. Man hielt ihr ein Messer an die Kehle, nur Millimeter von ihrer Haut entfernt. Jedoch spürte sie bei kräftigerem Schlucken bereits, wie die Klinge ihr Fleisch berührte, daher war sie sich sicher, dass diese Männer skrupelloser waren, als die Bürger Arynias, die man ihr beschrieben hatte. Wiederum ein anderer Mann bedrohte nun Alister mit einem Messer am Rücken. Es handelte sich hierbei scheinbar um einen Trupp professioneller Banditen, wenn sie einen Tipp abgeben sollte. Menschen, die ihren Hass aufkeimen ließen und ihren Puls höher schlagen ließen. In Hoha wäre sie möglicherweise bei einer solchen Bedrohung bereits zur Tat geschritten, einzig und alleine, dass sie Gast in diesen fremden Land war, hielt sie zurück. Sie überließ die Entscheidungen ihrem Begleiter. Würde er ihr erlauben, ihr Schwert zu ziehen, würde sie es ohne Zögern tun. Doch Alister blieb wie angewurzelt ruhig stehen. „Ihr tätet gut daran, euer Messerchen wegzustecken...“, gab er ihnen finster bekannt. „Messerchen?“, lachte der Mann hinter ihm amüsiert. „So nennt ihr das? Wenn es erst einmal mit eurem Blut getränkt ist, nenne ich es ein Blutmesser!“ Über seinen eigenen Scherz lachend, regte er immer mehr Unmut in der Blonden, die ihr Schwert fester umfasste und dem Braunhaarigen einen Blick zuwarf. //Bitte erlaube mir ihn zum Schweigen zu Bringen...//, flehte sie beinahe innerlich. Alles lechzte in ihr danach und sie hörte das Rauschen in ihren Ohren. Leider erhob er eine Hand in ihre Richtung und sie verstand sofort, dass er ihr diese Erlaubnis verwehrte. „Nicht hier...“, gab er ihr ausführend an und deutete auf die Menge, die sich langsam um sie herum scharte. Stattdessen wandte er sich wieder ihren Angreifern selbst zu. „Ich schwöre euch...mein Blut mit dieser Klinge zu benetzen bringt euch den sicheren Tod!“ Erneut erklang ein weiteres dreckiges Lachen von einem der Männer. „Ach so... Natürlich! Wie wollt ihr das anstellen, wenn ihr tot seid? Wer will uns dann schon noch richten? Kein toter Mann kann einen anderen anklagen... das haben alle Dörfer gemein...“ Langsam aber sicher verlor Alanya ihre Geduld. Es war schwer sich zurückzuhalten. Viel zu schwer! Dieses Geschwätz ging ihr auf die Nerven und die Art, wie sie den König behandelten brachte sie zur Weissglut! Nervös spielten ihre Finger an ihrem Schwertgriff, schlossen sich, öffneten sich und schlossen sich erneut. Man hörte wie sie versuchte tief durchzuatmen. Auch der Mann hinter ihr schien das mitzubekommen, denn das Messer lag nun an ihrem Hals und drückte sich ins Fleisch. Sie spürte wie etwas warmes ihren Hals hinablief und vermutete, dass das Messer die obersten Hautschichten geschnitten hatte. Nichts lebensbedrohliches und nichts, dass der rede wert war. Doch ihr Blut kochte und für ihren Begleiter war dies wohl unschwer zu erkennen, da er sie versuchte zu beschwichtigen. „Ich bitte euch... bleibt ruhig... Kein Blut soll fließen! Nicht hier.“ Seinerseits wandte er sich wieder den bewaffneten Männern zu. „Das selbe gilt für euch.“ Ohne das Messer im Rücken, hätte er die Kapuze abgenommen und sich zu erkennen gegeben, doch in dieser Ausgangslage blieb er lieber still und höflich. „Nun denn... was kann ich tun, um mich zu entschuldigen für meine 'Missetat'. Ich erhöre euren Vorschlag zur Güte.“ Der Mann, den er angestossen hatte lachte nur hämisch und unbeeindruckt. „Was, wenn ich es geniesse Köpfe rollen zu sehen?“, fragte er mit einem überaus widerlichen Grinsen. „Allerdings würde ich mich auch durch eine nette großzügige Bezahlung beschwichtigen lassen... seid nur nicht zu sparsam! Andernfalls nehme ich doch wieder die Köpfe, die passen gut zu meiner Sammlung“ Sich bei solchen Worten weiterhin zusammenzureißen ließ Alanya beinahe ohnmächtig werden, denn ihr Blutdruck sprengte jede Skala. Dennoch hatte sie sich oberflächlich genug beruhigt, um Alister keine Scherereien zu machen. Ihr Hals brannte ein wenig an der Stelle, wo das Messer auflag. Der Blick des Mannes, der scheinbar diese kleine Gruppe anführte, schweifte zu ihr hin. Ein großer Fehler, wie sich bald herausstellen sollte. „Oder ihr gebt mir das Fräulein... für sie bekomme ich eine gute Stange Geld auf dem Schwarzmarkt.“ Er scheute sich nicht einmal etwas derartiges auszusprechen, auch, wenn es ihn in seinen illegalen Machenschaften bloßstellte. Der König versuchte es ein letztes Mal mit Höflichkeit. „Ihr wisst, dass Menschenhandel in diesem Land verboten ist?“, fragte er nur kalt. „Und?“ Amüsiert verzog der Mann beinahe herausfordernd vor ihnen das Gesicht. „Es gibt trotzdem genug Käufer... und der Verkauf hinter der Grenze ist legal... wer will es mir auch schon vorhalten? Es ist eine gute Einkommensquelle! Ihr habt also die Wahl... eure Köpfe... das Geld.. oder das Fräulein...“ Die Gelassenheit des Braunhaarigen war mittlerweile unnatürlich und die Blondhaarige spürte, dass dieser bald alles andere als höflich bleiben würde. „Meine letzte Warnung.“, betonte der König mit deutlicher Stimme. „Wenn nicht sofort das Messer von meinem Rücken verschwindet... und von ihrer Kehle... dann gnaden euch die Götter!“ Ein weiteres Mal lachte der Anführer vor ihnen, während dessen Komplizen scheinbar ein wenig verunsichert schwiegen. „Das sagt der Richtige... natürlich werde ich das NICHT tun. Und nun zu eurer Entscheidung...“ damit hatte der Mann ihr weiteres Schicksal besiegelt. Ein Grinsen huschte über Alisters Gesicht, was man unter der Kapuze mehr erahnen konnte. „Ihr habt diese Entscheidung selbst getroffen...“ Mit diesen kühlen Worten, die ruhig ausgesprochen wurden, fuhr er mit beinahe übermenschlicher Geschwindigkeit herum, packte den Arm des Mannes hinter sich und brach ihm mit einem eindeutigen Geräusch das Handgelenk. Beinahe im selben Moment stieß er ihn auch schon zur Seite und schlug dem Mann hinter seiner Begleiterin die Handkante in den Nacken, so dass dieser bewusstlos zu Boden sackte. Seine kalten Augen legten sich auf den Anführer, der als einziges noch stand. In wenigen Sekunden fällte dieser daraufhin die Entscheidung, dass es besser war, die Beine in die Hand zu nehmen und rannte, so schnell ihn seine Füße trugen. Die Männer auf dem Boden keuchten nun beide, nachdem der Bewusstlose langsam wieder zu Bewusstsein kam. Die Hand der jungen Frau ging an ihre Kehle und wischte ein wenig das Blut weg. „Wartet bitte kurz hier!“, erklärte der Royale ihr, ehe er dem Mann hinterhersetzte und seinen Falken erneut herbeipfiff. Zum zweiten Mal an diesem Tage setzte der Falke dazu an, dem Mann kurz zu folgen, ehe er herniederflog und diesen durch ein Flugmanöver zu Fall brachte. Statt zu warten war die Jüngere ihrem Gastgeber gefolgt, um ihn gegebenenfalls zu unterstützen, was scheinbar nicht mehr nötig war. Dieser saß bereits auf dem Rücken des Geflohenen und hielt dessen Hände auf dem Rücken fest. Einen kleinen Kommentar konnte sich die Blonde nicht verkneifen. „Das dauerte aber lange- ist eure Reaktion langsamer geworden?“ Während er den Mann weiterhin am Boden fixierte, wandte er sich entschuldigend lachend ihr zu. „Es tut mir leid... Eigentlich wollt ich Handgreiflichkeiten vermeiden...“Sie wurde nun etwas ernster, wenn auch ihr Sarkasmus nicht verschwand. „Nun.. es hätte keine zwei Minuten mehr dauern dürfen, ansonsten hätte ich ihn tatsächlich mit meinem Schwert niedergeschlagen...“ Ihr Lächeln wirkte beinahe gequält. Die Stadtwachen kamen in Sicht, die sich zügig näherten und nicht zu Alisters Gefolgschaft gehörten, die immer noch die letzten Schergen verfolgten an diesem recht turbulenten Tag. Zwar trug er immer noch seine Kapuze, sprang jedoch von dem sich nicht mehr rührenden Mann auf und wartete nur kurz, dass die Wachen ihn festnahmen. Als diese sich jedoch dem König zuwandten, ergriff dieser Alanyas Handgelenk und zog sie mit sich. „So... schnell jetzt...!“, flüsterte er dabei, während ein paar Wachen ihnen eilig nachsetzten. „Was habt ihr denn?“, beschwerte sich die junge Frau unsicher. Etwas stolpernd und nach all der Aufregung außer Atem zog ihr Begleiter sich achtlos hinter sich her, bis sie schließlich die Wachen abgehängt hatten. Erst hinter einer Ecke schlug er dann auch die Kapuze endlich zurück. Die Landesfremde japste nach Luft, als ihr schwindelig wurde. Das ihr Blut derart in Wallungen gekommen und sie schließlich derart unsanft mitgezerrt worden war, forderte langsam seinen Tribut. Das sie nun sassen, änderte daran nichts. „Was sollte das? Wieso … sind wir weggelaufen?“ Ihre Stimme hielt sie nur mit Mühe aufrecht, ehe sie ein Seufzen erhielt. „Könnt ihr euch vorstellen, was es für einen Aufruhr gegeben hätte, wenn man mich erkannt hätte?“ Nur kurz fragte sie erneut, weshalb er dies glaubte, ehe sie sich versuchte aufzustellen. „Könnt ihr euch das denn nicht vorstellen?“ Noch als Alister begann ihre Frage zu beantworten, brach ihr Kreislauf kurzzeitig zusammen. Dieser schien jedoch ein wenig abgelenkt, da er weiter Ausschau hielt, dass keine Wachen ihnen gefolgt waren. „Der König fängt eine Schlägerei mitten auf dem Marktplatz an... Zwar habe ich nicht angefangen, aber so würde es nachher heißen!...“ Erst jetzt warf er einen Blick zu ihr und erschrak deutlich, bevor er sich zu ihr hinabbeugte. Die Blondhaarige kam bereits wieder langsam zu sich. „Alles in Ordnung mit euch?“, fragte der Ältere besorgt und stützte sie leicht. Kapitel 4: Liberty in Gefahr ---------------------------- Fast augenblicklich nachdem ihr Kreislauf kurz zusammengebrochen war, kam sie bereits wieder zu Bewusstsein. Bis auf ein kurzes Keuchen jedoch, schaffte sie es nicht gleich wieder zu sprechen. Mit einem schlechten Gewissen, meldete sich stattdessen Alister zu Wort. „Es tut mir sehr Leid, aber es musste sein...“ Leicht bedrückt seufzte er. Scheinbar hatte er sie wirklich nicht in eine solche Lage bringen wollen. Mit aller Kraft stemmte sich die junge Frau selbstständig nun auf und schüttelte die restliche Benommenheit ab. „Schon gut... ich verstehe euch ja.“ Dennoch musste sie sich beim aufstehen noch ein wenig an ihn stützen, der sich ihr hilfsbereit sofort anbot. Kurz noch sah er sich erneut um, um festzustellen, dass auch weiterhin niemand in Sicht war, der ihnen bis hier her gefolgt war. „Was machen wir jetzt? Wo ist die nächste Herausforderung? Eure Stadt ist wirklich ruhig...“, lächelte sie sarkastisch, wenn auch mit ein klein wenig Amüsement. Scheinbar etwas beschämt über die Ereignisse seufzte er. „Verzeiht... normalerweise ist es wirklich ruhig hier...“ Ein klein wenig spöttisch grinste sie. „Ich tue mal so, als würde ich euch glauben schenken... Dann liegt es bestimmt an mir, die ich Störenfriede magisch anziehe.“ Wieder sah der König um die Ecke, diesmal jedoch drückte er sie beide eng gegen die Wand, als eine Wache in der Nähe die Strasse entlang ging. Sein Körper drängte sich dabei an ihren und sie spürte, wie sie errötete. War es schon die ganze Zeit so heiß? Er atmete auf als diese wieder außer Sicht war und sorgte wieder für Abstand zwischen ihnen. „Entschuldigt... Geht es euch denn gut?“ Zügig fasste sie sich wieder, denn es wäre ihr unsäglich unangenehm, wenn er sehen würde, wie sie errötet war. „Nun... fassen wir zusammen... Man hat mir ein Messer an den Hals gedrückt, bevor man mich durch die halbe Stadt zerrte und ich letztlich Bewusstlos zusammenbrach...“, tadelte sie ihn ein wenig provokant. Beinahe bereute sie es, als sie seinen reumütigen Gesichtsausdruck sah, der beinahe gequält schien. „Bitte verzeiht mir doch... aber... wie ich schon sagte... es ging nicht anders...“ Sie überlegte schon kurz ein wenig beleidigt zu spielen und ihn noch etwas zappeln zu lassen, entschied sich dann aber für ein mattes Lächeln. „Schon gut... Ich bin weitaus schlimmeres gewohnt, glaubt mir.“ Aufatmend und ein wenig schmunzelnd hob Alister die Augenbraue. „Ah... na wenn das so ist.“ „Das war nun aber kein Freifahrtschein!“ Man hörte wie der König ein Lachen unterdrückte, bevor er erneut um die Ecke sah. „Vielleicht sollten wir für heute zurück zum Schloss gehen...“, schlug er nachdenklich vor und Alanya ihrerseits nickte etwas erschöpft. „Das war dann der Markt... Aber zumindest habe ich etwas neues zum... Spielen“, lächelte sie erneut dankbar und blickte über die Schulter zu ihrem Rücken, an dem der Bogen seinen Platz gefunden hatte. „Ich betone aber erneut, dass ich nicht der beste Schütze bin, solltet ihr in die Lage kommen, mir einmal zuzusehen!“ Man merkte, dass es ihr fast unangenehm war, dies auszusprechen, doch höflich wie er war, erklärte der Ältere erneut, dass er seinerseits überhaupt nicht damit umgehen könne. Auch, wenn er dies so sagte, konnte die junge Frau sich dies kaum vorstellen. Irgendetwas sagte ihr, dass er dies eher sagte, damit sie sich nicht schämte. Eine überaus nette Geste, dass er ihr sein Können nicht unter die Nase rieb. „Kennt ihr denn jemanden, der es mir beibringen könnte?“ Selbstredend war ihre Frage, die sie auf dem Rückweg nun stellte, äußerst provokant, wo er doch behauptete, dass er nichts davon verstünde. „Ähm...“ Damit saß er in einer Zwickmühle, entweder er offenbarte sich, oder seine Begleiterin suchte sich jemand anderen, der mit ihr trainierte. Das Schloss war bereits ins Sicht. „Nun ja... vielleicht... verstehe ich mich doch ein wenig darauf...“ Wissend schmunzelte die Blondhaarige, ehe sie darauf einging. „Dann könnt ihr es mir gewiss auch beibringen, oder?“ Ihr Begleiter atmete tief durch. „Nun ja... ob ich es so gut kann... aber gerne möchte ich es mit euch versuchen.“ Da sie bereits am Schloss angekommen und nun abgesessen waren, während jemand die Pferde in die Stallung verbrachte, fiel sie ihm erneut freudig um den Hals. Es fiel ihr mit diesem Menschen viel einfacher, ihm zu vertrauen und eine Bindung aufzubauen, als jemals zu einem Menschen zuvor. Sie strahlte, wenn auch müde, über das ganze Gesicht. Er selbst hoffte nur, dass sie nicht bemerkte, wie er selbst bei ihrem freudestrahlenden Blick und ihrer Geste errötet war. Da es bereits dämmerte, verschoben sie das Training auf den nächsten Tag. Im Schloss versorgte man kurz ihre Wunde an der Kehle, welche ebenso schnell heilte wie jene am Finger und nach einer letzten Mahlzeit an diesem Tage, ging Alanya erschöpft, aber zufrieden in ihr Gemach. Sie duschte nur noch kurz, schlüpfte in ein Nachtkleid, legte ihr Schwert neben sich ans Bett sank beinahe unmittelbar danach bereits in einen tiefen Schlaf. Am nächsten Morgen nach dem Frühstück wippte sie bereits vergnüglich von einem Bein auf das Andere, als der König ihre Hand ergriff und sie an diesem Tage vorsichtiger hinter das Schloss führte. Im Gegensatz zum gestrigen Tag, ließ sie sich auch wesentlich unkomplizierter mitziehen. Sie kamen an einen Platz, der anscheinend für ein Bogenschützentraining ausgelegt worden war und noch ein wenig aufgeregter, wippte sie nun von rechts nach links, als sie den Platz überblicken konnte. „Was ist das hier?“ „Es ist eine Art Übungsplatz für die Soldaten und Schlosswachen.“, erklärte er beinahe stolz. „Na los...“, deutete er auf eine Zielscheibe. „macht einfach ein paar Übungen... ich sehe euch erstmal nur zu.“ Leuchtendrot legte die junge Frau einen Pfeil an, ganz so, wie Vent es ihr einst gezeigt hatte und spannte den Bogen. Der Pfeil zuckte ein wenig vor Nervosität und zittrig ließ sie die Sehne schließlich los. Der Pfeil überquerte die Distanz zügig. Zwei Meter, drei Meter... vier Meter... Und traf zumindest sein Ziel. Doch statt dem schwarzen Bullseye in der Mitte der Zielscheibe, traf er lediglich den innenliegenden Ring in dessen Nähe. Trotzdem klatschte ihr neuer Lehrmeister anerkennend. „Das war doch bereits sehr gut! Wirklich! Dafür das ihr selbst behauptet, eine Anfängerin zu sein!“ Mit einem glühend roten Gesicht richtete sie ihm ihren dank für seine Anerkennung aus. Lächelnd trat der König zu ihr. „nein wirklich, das war beeindruckend.“ Peinlich berührt sah sie schweigsam schnell zu Boden und schob mit dem Fuß ein wenig die Erde umher. „Nun ja... er hat nicht genau getroffen... Also könntet ihr... es mir beibringen... ich meine... wirklich zu treffen?“ Beinahe etwas zu schnell hob er seine Hände. „Ähm...“, begann er unsicher. „ich glaube kaum.. das ich es SO gut kann.“ Insgeheim wusste er, dass er es dank Mattias Hilfe sehr wohl ausserordentlich gut beherrschte, doch er wollte nicht, dass sie sich deshalb unwohl fühlen konnte. Den Kennerblick hingegen hatte die Blondhaarige sofort erkannt, ob er es nun verbergen wollte oder nicht. Ihr konnte er nichts vormachen. Dennoch schwieg sie über ihre gewiss zutreffende Vermutung und übergib ihm lediglich mit einem Grinsen den Bogen. „Hier... Meister!“ „Meister...“, wiederholte er schmunzelnd ihre Betitelung und nahm den Bogen gespielt ungeschickt entgegen. „Dann wollen wir mal sehen...“ Alleine ihn zu beobachten unterstützte sie in ihrer Annahme, dass er es ausserordentlich gut beherrschte. Nicht nur sein Blick, sondern vor allem die Art wie er versuchte gerade NICHT mit dem Bogen um zu gehen, um so zu tun, als wäre er nur mittelmässig. „Nun, Meister... ich warte gespannt auf meine erste Lektion.“, erklärte sie, während Alister den Bogen ansetzte. Kurz schien er zu überlegen, ob er sich wissentlich zurücknehmen sollte, entschied sich dann aber wohl doch, dass es ihr auffallen würde. So spannte er den Pfeil grazil in den Bogen und schoss, nach nur kurzem zielen. Der abgeschossene Pfeil traf exakt den Mittelpunkt der Scheibe. Begeistert klatschte sie in die Hände und hüpfte ein wenig von einem Bein aufs Andere. „Ach... Anfängerglück!“, behauptete er, wobei sie ihn lachend ansah. „Noch einmal!“, verlangte sie und mit einem Seufzen spannte er den Nächsten Pfeil ein. Kurz sah man ihm an, dass er wieder überlegte, wobei er erneut zum selben Entschluss kam, dass es sinnlos war, ihr etwas vorzumachen. Der nächste Pfeil schoss durch die Luft und spaltete den vorherigen. Ihr begeisterter und erstaunter Beifall war ihm dafür sicher. „Wow...! Ich wusste von Anfang an, dass ich den richtigen Lehrmeister gefunden habe!“, erklärte sie stolz, bevor sie wieder ernster wurde und unsicherer. „Meint ihr... ihr könntet es schaffen es mir beizubringen?“ Alister seufzte. „Euch kann man wirklich nichts so einfach vormachen.“, stellte er fest. „Nun gut...“ Der Ältere zog sie zu sich heran und legte die Arme um sie herum, damit er den Bogen mit ihr gemeinsam halten konnte. Alanyas Herz pochte wie wild, als er ihr derart nahe war. Sie spürte seine Muskeln in ihrem Rücken, von denen er erstaunlicherweise für einen König beachtlich viele besaß! Ihr Lehrmeister übernahm die Führung des Bogens, während sie diesen langsam spannte und sich versuchte zu konzentrieren. Dies war alles andere als leicht, musste sie sich eingestehen, denn immer wieder ertappte sie sich das ihre Konzentration auf seine Nähe zurückschweifte. Letztlich überwand sie diese kleine Hürde jedoch und hielt ihre Konzentration stetig auf Pfeil und Route. So langsam spürte sie, wie es sich besser anfühlte während des Zielens. Es erschien... leichter. Kurze Zeit später ließ sie den Pfeil los und dieser zerteilte erneut den letzten Pfeil. Ungläubig zunächst und wie erstarrt starrte sie die Zielscheibe an, dann küsste sie ihm erneut begeistert die königliche Wange. „Es hat geklappt!“ Der Meister erschien stolz auf seine Schülerin und lächelte ebenso freudig nach ihrem Erfolg. „Seht ihr... es ist gar nicht so schwer.“ Erst jetzt bemerkte sie, dass ihre Kurzschlusshandlung, in der sie seine Wange küsste, sich eigentlich nicht ziemte. „E...entschuldigt!“, sagte sie beschämt errötend. Mit einer Hand winkte er ab und lächelte. „Ach... macht euch keine Sorgen. Das ist schon in Ordnung.“ Sich zusammenreissend räusperte sie sich und versuchte es nun erneut. Diesmal ganz ohne seine Hilfe. Wieder spannte sie den Bogen, atmete tief durch und konzentrierte sich. Es war, als könne sie spüren, wo der Pfeil eintreffen würde. Dieses Mal verschwand das Gefühl jedoch abrupt als sie die Sehne einfach losließ und der Pfeil meilenweit am Ziel vorbeischoss. Sie selbst sank währenddessen schmerzgeplagt auf die Knie und hielt sich ihren Kopf. „Ahh...“ Es tat weh. Es schmerzte. Sehr sogar. „Es... es gibt Schweirigkeiten!“ Sein fragender und besorgter Blick traf sie. „Welche Schwierigkeiten?“ Tränen standen der Blondhaarigen in den Augen und der Schmerz nahm ihr beinahe die Sicht. „Es ist Liberty...“ Unverständlich sah der König sie an. „Wer?“ „Liberty! Mein... mein Drache...! Er ist … in... Schwierigkeiten und hat Schmerzen! Ich höre seine Schreie! En..entschuldigt mich... ich muss weg...!“ Noch immer verwirrt nickte der Braunhaarige, als sie schon aufgesprungen war. „Ich werde euch nicht aufhalten.“ Mit einem knappen Dank, ließ sie den Bogen, der ihr aus den Händen gefallen war unachtsam liegen. Ihr einziger Gedanke galt dem Tier, mit dem sie ihren Bund teilte. Ihre Füße trugen sie in nördlicher Richtung, in der sie seine Anwesenheit immer deutlicher vernahm. Ohne auf irgendetwas anderes zu achten, rannte sie, so schnell sie konnte. Nun erst recht irritiert sah Alister ihr nach, ehe er den Bogen aufhob, den sie normalerweise niemals liegengelassen hätte, und ihr eilig nachlief. Es war anzunehmen, dass sie Hilfe gebrauche konnte. Immer weiter rannte sie über die Hügel, während ein kalter Schauer über ihren Nacken lief, genährt von Angst und Schmerz. Sie musste sich beeilen! Ihr Atem ging immer schneller und sie schnappte immer mehr nach Luft, umso weiter sie lief. Sie spürte eine hereinbrechende Erschöpfung und Müdigkeit, doch ihre Angst hielt sie Aufrecht. Ihr geliebter Drache erlitt unsägliche Schmerzen und sie musste helfen. Nur das zählte in diesem Augenblick. Hinter ihr ertönte eine ihr bekannte Stimme. „Alanya! So wartet doch!“ Alister hatte sie langsam eingeholt. „Ihr habt euren Bogen vergessen und... vielleicht kann ich euch helfen!“ Mit Tränen in den Augen nickte sie ihm lediglich zu und wischte sich eben diese schnell weg. Wer einen solchen Bund zwischen Drachen und menschenähnlichem Wesen niemals eingegangen war, konnte die Qualen in solchen Situationen einfach nicht verstehen. Es war fast, als wäre sie selbst diejenige, die man quälte. „Danke... Aber.. vielleicht.. sollte ich euch... nicht damit hineinziehen... Es könnte.. gefährlich werden.“ Und diese Gefahr ging möglicherweise nicht nur von eben jenen aus, die ihrem Drachen derart zusetzten, doch das erwähnte sie nicht. „Ich möchte nicht... das ihr verletzt werdet... ich... kann mich sehr wohl... selbst wehren...“, gab sie ihm zu verstehen und hoffte beinahe, dass er abdrehte und sie alleine laufen ließ. In solchen Situationen neigte sie dazu, ihren Gefühlen nicht mehr Herr zu werden. Ihre antrainierten Instinkte konnten durchbrechen, das war ihr bewusst und eigentlich wollte sie nicht, dass Alister dies jemals sah. Die Bestie, die tief in ihr schlummerte. Er jedoch winkte nur ab. „Glaubt mir... bevor man mir etwas antun kann... muss man erst herausfinden wie!“ Noch einmal versuchte sie ihn zur Vernunft zu bringen, doch er schnitt ihr mittendrin das Wort ab. „Keine Angst... ich kann nicht sterben, solange man nicht weiß … wie man es anstellen muss!“ Der Weg zog sich für ihren Geschmack viel zu lange hin, doch was Alister betraf, nahm sie mit etwas Irritation seine Sturheit lediglich noch zur Kenntnis. Sie konnte nur hoffen, dass es nicht zum Äussersten kam! Umso näher sie ihrem Ziel kamen, umso ausgeprägter waren die Schmerzen. „Nicht mehr weit...“, murmelte sie keuchend. Gemeinsam erreichten sie den Hang, an dessen Ende sich das gewalttätige Geschehen ereignete. Ihr Drache lag zitternd und brüllend vor Schmerz am Boden, während Männer mit sonderbaren Waffen auf ihn einstachen. Es blieb nicht genug Zeit dafür, nachzudenken welche Waffe es schaffte die dicke Drachenhaut zu durchbohren, als ihr Herz ihr bereits in die Hose gerutscht war und sich die Übelkeit über das Geschehen auf ihren Magen legte. Auch der Ältere legte die Stirn in Falten. „Was zum...“, entfuhr auch ihm geschockt. Als sie ihr Schwert ziehen wollte, hielt er sie zunächst auf. „Nein!“ Der König stürzte vor und rannte auf die Bürger seines Landes zu. „Sofort aufhören!!!“ Vier der sieben Männer folgten seinem Befehl unverzüglich und auch die Anderne ließen kurz darauf vom Drachen ab. Zwar hatte sich die Blondhaarige kurzzeitig aufhalten lassen, doch der Schmerz ihres Drachen tobte immer noch in ihrem Inneren. Es brodelte in ihrem Inneren und wie im Blutrausch zog sie ihr Schwert. Mit einem Kriegsschrei setzte sie in unglaublich schnellen Sätzen nach vorne, getrieben von unsäglichem Hass. Wie ihr Begleiter sich zu ihr drehte und sie versuchte verzweifelt aufzuhalten, bekam sie nicht einmal mehr am Rande mit. Alister war vergessen, ebenso wie seine verzweifelte Bitte einzuhalten oder sein Wunsch nach friedlichen Lösungen. Ihr Schwert durchbohrte den ersten Körper und das Blut tropfte auf das bereits von Drachenblut benetzte Gras unter ihnen, ehe sie sich wahnhaft an den nächsten wandte. Der König ergriff die Initiative, um die Bürger seines Landes, für die er trotz allem die Verantwortung trug, zu schützen und machte einen Satz zwischen sie und ihr nächstes Opfer. Die Konsequenz ließ nicht lange auf sich warten, denn die blonde Frau hatte keine Möglichkeit mehr, schnell genug zu reagieren und Alister von den Angreifern zu unterscheiden. Ausweichen war unmöglich. Ihr Schwert durchstieß die Haut und bohrte sich in seinen Körper, wobei sie ihn beinahe noch zusätzlich umgerannt hätte. Kurz vor ihm blieb sie endlich stehen, die Augen weit aufgerissen. Alanya stieß einen erschrockenen Schrei aus, als sie erkannte, was sie getan hatte. Zitternd ließ sie das Schwert los und fühlte sich in einer Unendlichkeit gefangen, in der ihr Vertrauter die Augen aufriss, keuchte und wie in Zeitlupe röchelnd zusammensank, beide Hände am Schaft des Schwertes. Letztlich brach er zusammen und hörte auf zu atmen. Schluchzend und mit einem Wehschrei brach sie schluchzend neben ihm auf die Knie, fiel auf die Hände und schloss die Augen. „WAS HABE ICH NUR GETAN?!“ Plötzlich war sie wieder ganz klar, doch es war zu spät. Nach allem was Alister für sie getan hatte, hatte sie ihn schließlich in einem wilden Blutrausch getötet... Es war wahr! Sie war ein Monster! Die Männer hatten ihren König mittlerweile erkannt, doch gingen sie davon aus, man hätte ihn vor ihren Augen hingerichtet. Erschrocken traten sie also einige Schritte ängstlich zurück und starrten geschockt auf den Leichnam ihrer Hoheit. Verzweifelt schluckte und schluchzte die junge Frau und legte ihren Kopf auf seine verschonte obere Brust. Ihre Tränen rannen unverhohlen weiter und ihren lächerlichen Gedanken, ob sie Heilkraut bei sich hatte, verwarf sie sogleich, Es war zu spät! Alister presste die Lider aufeinander und man hörte den Falken einen hohen Schrei ausstoßen. Ein paar Sekunden später kreiste der Falke über ihnen. Der vorher reglose Körper unter ihr hob die Hände an erneut an den Schaft des Schwertes, dass er langsam, vor Schmerz stöhnend herauszog. Erneut schrie Alanya leise auf, diesmal jedoch vor Überraschung. Dieser Mann vor ihr war etwas Besonderes für sie geworden und ihn umzubringen, hatte ihr das Herz beinahe herausgerissen. Erschöpft ließ er schließlich das Schwert fallen und sank noch einmal etwas in sich zusammen, ehe der Falke erneut aufschrie und kurz entflammte. Es war ein beinahe absurdes Ereignis, dem sie gerade beiwohnte, als ihr Begleiter sich plötzlich wieder aufrichtete und schließlich aufstand. Zwar war sein Hemd noch blutgetränkt, doch sein Blick war vollkommen klar und schmerzfrei. Seine Wunde war wie durch Zauberhand verschwunden. Noch aus tränengefluteten Augen starrte sie ihn an und konnte sich nicht erheben. Das einzige jedoch, was ihn etwas zu ärgern schien, war, dass sein Hemd nun ein Loch hatte. Sein Blick fiel auf die aufgelöste junge Frau. „Habe ich es euch nicht gesagt? Mir geschieht so leicht nichts.“ Wie ferngesteuert nickte sie zwar, doch sie konnte es noch immer nicht glauben. Ihr war furchtbar übel, gleichzeitig jedoch machte sich ein Gefühl der Dankbarkeit und Erleichterung breit. Ihre Beine versagten weiterhin den Dienst und sie ertappte sich dabei, in Frage zu stellen, ob diese Situation überhaupt der Realität entsprechen konnte. Möglicherweise war sie ja ohnmächtig geworden und träumte dies nun, um ihr Gewissen zu beruhigen? Oder er fiel jeden Moment doch wieder um und blieb diesmal reglos liegen. Ihr Gastgeber schien ihre Gedanken zu erraten und lächelte etwas, als er ihr die Hand reichte. „Keine Angst... es geht mir gut.“, beruhigte er sie. Er brauchte schließlich kein Gedankenleser zu sein, um ihren Blick richtig zu deuten. Andershrum wäre es ihm wahrscheinlich nicht anders ergangen und er hätte es nicht ohne Weiteres glauben mögen. „Ich habe euch doch gesagt, man muss erst wissen wie, ansonsten kann man mich nicht töten.“ Beinahe ängstlich und scheu ergriff sie seine Hand, was für ihre sonstigen Verhältnisse sehr untypisch war. Ihr ganzer Körper zitterte noch immer. Unter eben diesem Zittern erhob sie sich, blickte ihn erneut an und drückte sich erleichtert an ihn heran. Zum ersten Mal hatte sie Schuldgefühle gehabt, die alles überstiegen haben, was sie sich je hätte vorstellen können. Der Nachhall dieser Erfahrung steckte ihr noch in den Gliedern. Erneut liefen ihr die Tränen, als ihren Kopf an seine Schulter lehnte. Alister legte seine Arme um sie herum und strich ihr beruhigend und sanft über den Rücken. „Schhhht... es ist alles wieder gut.“ Entschuldigend lächelte er. „Es tut mir leid, dass ich euch derart erschreckt habe.“, entschuldigte er sich. Kurz noch brauchte sie, bis sie sich wieder gefangen hatte und die Fassung zurückerlangte, doch diese tröstende Umarmung half ihr über den Schock hinweg. Langsam entspannte und beruhigte sie sich wieder und die Tränen versiegten. „Es... es tut mir so Leid!“, erklärte sie verzweifelt. „Aber was denn... Es gibt nichts, dass euch Leid tun muss.“, beruhigte er sie weiter, dennoch war sie anderer Meinung. „Ich wollte das nicht, ich konnte mich einfach nicht mehr zurückhalten, ich ...“ //..war das Monster zu dem man mich einst gemacht hatte...//, wollte sie den Satz eigentlich beenden, unterließ es jedoch. Ihr Blick ging zu Boden, denn sie konnte ihm einfach nicht mehr in die Augen sehen... Kapitel 5: Schwarzer Magier --------------------------- Nachdem sie sich endlich gefasst zu haben schien, ließ Alister sie wieder los und schritt stattdessen auf die Männer zu. Sein Blick war nun düster und bedrohlich. „Sprecht! Wieso habt ihr das getan?!“ Die Männer sahen einander an, blieben stumm, bevor ein Mann sich aus der Gruppe löste und hervortrat. „Was sollte euch das angehen? Es ist nicht euer Drache.“, erwiderte der Mann mit einer ungeheuren Dreistigkeit. „Was mich das angehen sollte?! Nun, hätte ich doch zulassen sollen, dass euch diese junge Dame durchbohrt mit ihrem Schwert? Es ist IHR Drache und ich möchte erfahren, aus welchem Grund ihr ein unschuldiges Geschöpf auf eine derart grausame Art und Weise behandelt! Ich bin euer König un verlange eine Antwort!“ Aus den Augenwinkeln erkannte er, dass die restlichen Männer unruhig zu werden schienen, einer von ihnen ganz besonders. Es hatte den Anschein, als wolle er reden, doch hielt ihn scheinbar etwas davon ab. Möglicherweise war es die Anwesenheit ihres Fürsprechers. Er schien die Autorität der Gruppe zu besitzen und begann auf die Forderungen seiner Majestät nur tonlos zu lachen. „Ich bleibe dabei. Es geht euch nichts an. Niemand von uns wird euch etwas sagen. Ich würde also sagen, MEIN KÖNIG, dass ihr nun gehen solltet.“ Eine vorerst leichte Verärgerung stieg in dem Landesoberhaupt auf, doch ein einfacher fester Blick zeigte keine Wirkung. „Ich werde euch töten, wenn ihr mir keine Antwort gebt, das verspreche ich euch. Und wer seid ihr überhaupt, dass ihr solche Dreistigkeit besitzt, derart mit mir zu sprechen?“ Der Mann zuckte selbstbewusst die Schultern. Es wirkte fast, als läge seine Loyalität nicht bei seinem König. „Auch DAS ist meine Angelegenheit.“ Der nervöse junge Mann, der Alister bereits vorhin aufgefallen war, trat nun scheinbar beschämt einen Schritt vor und schien reden zu wollen. „Man hat uns...“, begann er gerade. Weiter kam er nicht, denn der Anführer des Mob zückte einen Dolch aus seiner Tasche und stieß es dem Jüngeren ohne auch nur einen weiteren Gedanken daran zu verschwenden in den Bauch. Zufrieden sah er anschließend zu, wie der junge Mann zusammenbrach, sich kurz noch etwas quälte und letztlich nach einem letzten Zucken liegenblieb. Im Gegensatz zu Alister stand dieser nicht wieder auf. Die Verärgerung des Königs wandelte sich plötzlich in schieren Zorn, eine Wut, wie er sie kaum kannte. Aus seiner Hand schoss eine Feuerkugel, doch dieses Mal nicht nur zur Warnung. Die Feuerkugel versengte den eiskalten Mörder, dem zunächst Schweiß auf die Stirn trat, ehe er mit einem Zucken der Mundwinkel tot zusammenbrach. Drei Menschenleben hatte dieses Unterfangen nun bereits gekostet und die restlichen Männer traten panisch zurück. Der Kratianer drehte sich zu ihnen um. „Nun, wäre einer von euch denn so freundlich mir meine Frage zu beantworten?“ Die Männer schluckten, bevor sich einer der verbliebenen vorwagte. „Nun ja...“, begann er. „Psst! Sag nichts, man hat uns verboten etwas zu sagen!“ Er sah seinen Kumpanen an, ignorierte ihn jedoch und wandte sich anschließend wieder Alister zu. „Es war ein schwarzer Magier, er hat uns gedroht, jedoch auch bezahlt. Wir brauchten das Geld und hatten Angst. Mir fiel dieser Job nicht leicht, doch ich muss meine Familie ernähren können.“ Es herrschte ein betretenes Schweigen. Wie ein Raubtier ging der König vor ihnen auf und ab, wobei die Männer eingeschüchtert wirkten. „So kommen wir der Sache doch schon näher!“ Alanya war unterdess bereits bei ihrem Drachen angelangt und beruhigte ihn. Das Reden überließ sie diesmal Alister. Die Überlebenden sahen sich erneut beunruhigt an. „Was... wollt ihr nun tun Herr?“, fragte einer von ihnen unterwürfig und respektvoll. Endlich blieb der Braunhaarige stehen und sah sie angsteinflößend mit hochgezogener Braue an. „Was ich mit euch mache?... Nun, das muss ich mir noch gut überlegen!“ Die Nervosität war nun förmlich spürbar und ein weiterer, recht junger Mann zitterte, als er seinen König ansprach. „Ich... ich habe Familie, Herr!“ Seine Stimme bebte ängstlich und sein König fuhr wütend zu ihm herum. „Na und???“ Seine Stimme war lauter, als Alanya sie je gehört hatte. „Die hatte ich auch! Ich hatte eine Frau.. die ich sehr geliebt habe! Und einen Sohn!!! Und warum habe ich das alles nicht mehr??? Wegen einem 'schwarzen Magier'!!! Ihr kennt die Geschichte! Und trotzdem tut ihr, was ein solcher euch befiehlt! Ihr verletzt eine unschuldige Kreatur!“ Nach einer kurzen Pause, fuhr er mit bebender Stimme fort. „Das ist widerwärtig und feige!!!“ Man sah, wie die Männer zusammenzuckten. „Es tut uns Leid Herr! Wir hatten solche Angst! Wir hätten es niemals tun sollen! Vergebt uns! Vergebt uns Herr! Wir bitten untertänigst um Gnade, Herr!!!“ Die flehentlichen Bitten nach Vergeben folgten von allen Seiten, als die Männer sich ihrer Schuld bewusst wurden. Wütend starrte Alister sie an, während eine Träne in seinen Augen glitzerte, doch ließ er nicht zu, dass diese ihren Weg nach draussen fand. Voller ehrfurcht lagen ihre Blicke nun auf ihm, gefolgt von ehrlichem Bedauern und Reue für ihre Tat. Ihm blieb nichts anderes übrig. Er ballte die Hände zu Fäusten und sein Blick blieb zornig, wenn auch von aufkommendem Wehmut durch die Geschichte seiner Familie geprägt. Alanya stand mittlerweile neben ihm und zupfte voller Sorge an seinem Hemd. „Alister! Liberty ist schwer verwundet! Ich habe zu wenig Heilkraut um ihm zu helfen! Er stirbt!“ Zwar waren ihre Tränen getrocknet, doch sie wirkte, als wäre sie einem Zusammenbruch nah. Ohne weiterzusprechen sah sie ihn stillschweigend an. Noch einmal warf der Kratianer seinen Untertanen einen wütenden Blick zu, bevor er einen Entschluss fasste. „Macht das ihr fortkommt! Die Götter werden eure Richter sein!“, fauchte er nur noch und wandte sich dann der jungen Frau zu. „Dann sollten wir welches besorgen.“ Ihre andere Hand war zur Faust geballt und sie mied seinen Blick, damit er ihre Verzweiflung nicht sah. Immer wieder glitt ihr Blick dafür zu ihrem geliebten Drachen. Diesem sonst so anmutigen Geschöpf, dass nun schwer atmend und schwer stöhnend am Boden lag. „Wer hatte dies zu verantworten?“, fragte sie leicht zitternd, erhielt jedoch nur ein Kopfschütteln mit einer unbefriedigenden Antwort, dass auch er es nicht genau wüsste. „Warum? Ich versteh das nicht!! Was hat Liberty ihnen getan?“ Erneut wiederholte er, dass er auch darauf keine Antwort hatte. „Ihnen ging es nicht direkt um den Drachen. Sie sagten ein schwarzer Magier habe sie damit beauftragt.“ Erschrocken riss sie ihre Augen auf. Dieser Titel jagte ihr einen eiskalten Schauer über den Rücken und brachte die schlimmsten Erinnerungen hoch. „Was? Was für ein schwarzer Magier?“ Ihre Stimme bebte leicht ängstlich, doch erneut schüttelte er nur den Kopf. „Ich weiß es nicht!“ Etwas leiser, aber dennoch unüberhörbar fügte er hinzu: „Hilarius... mein Erzfeind... ist tot...“ Alanya schwieg wie schon so oft und kehrte ihm den Rücken zu. Sie musste einfach nachdenken, denn sie wollte sie keine vagen Vermutungen hier an den Tag legen, die ebenso unwahrscheinlich waren. Auch ihr Erzfeind war besiegt und gestorben. Es war ausgeschlossen, dass es sein Werk war. Schwer atmete der Ältere aus und hob seine Hand an den Kopf, wobei sein Blick auf den Toten fiel. „Verdammt!“, fluchte er und Alanya drehte sich nun doch besorgt zu ihm herum. „Was habt ihr?“ Er antwortete erst einige Sekunden später, dafür mit beinahe zitternder Stimme. „Ich habe einen Mann getötet.“ Zwar winkte sie ab, doch ihre Besorgnis und auch ein wenig Traurigkeit wurde deutlich. „Ich habe ebenfalls einen der Männer um sein Leben gebracht...“ Verzweifelt fluchend sah er sie an. „Überlegt einmal wer ich bin und dann, was ich damit gerade getan habe!!!“ Zitternd deutete er auf den toten Anführer. Aus zusammengekniffenen Augen betrachtete sie die Situation aus seiner Lage und verstand, dass er als König Rechenschaft über einen solchen 'Mord' abzulegen hatte. „Ihr habt recht, aber... ihr wolltet es nicht. Ihr habt es nicht aus Spaß getan. Dieser Mann war fähig ein unschuldiges Wesen zu quälen, das niemandem etwas tun würde, solange ihm niemand etwas tut. Er hat zudem einen seiner eigenen Männer ermordet!“ Auch, wenn sie sich im Grunde sicher war, dass Alister aus ihren Augen nichts falsches getan hatte, sah sie ihn bei seinem starren Gesichtsausdruck doch besorgt an. Trostspendend legte sie ihm eine Hand auf seinen Arm, nachdem sie zu ihm gegangen war. „Bitte macht euch nicht zu viele Gedanken.“ Gewollt wich er ihrem Blick aus und atmete tief durch. „Das Gesetz schreibt eine Strafe für Mord vor, oder zumindest eine Verhandlung. Denn Mord! ist es gewesen.“ Die Besorgnis auf ihrem Gesicht wurde nur noch deutlicher und zeichnete sich immer mehr ab. Ihr Herz schlug schneller, als ihr bei seiner Aussage mulmig wurde. „Aber... ihr seid der König!“ Ein leichtes Frösteln überkam sie bei dem Gedanken, dass er ihretwegen verurteilt werden könnte, denn ohne sie, wäre er niemals an diesen Punkt gekommen. „Dann... dann sagt ihr eben das ich es gewesen sei, die diese zwei Männer tötete! Es ist ganz alleine meine Schuld, weil ich in einen Blutrausch verfiel!“ Man unterbrach sie jedoch sogleich und widersprach ihr heftig. „Nein! Ich habe diesen Mann dort getötet. Wir sind beide schuldig des Mordes, aber ihr seid kein Bewohner dieses Landes und solange ihr nicht in den Hallen verzeichnet seid, müsst ihr nach dem Gesetz EURES Landes bestraft werden.“ Ein Ausdruck zwischen Erleichterung und Beschämtheit trat auf ihr Gesicht. „In meinem Land sind die Gesetze für... Mitglieder der 'Großen Vier' nicht ganz so hart... Wir besitzen eine Befugnis in Zwangslagen zu töten... wobei dies sicherlich nicht darunter fällt...“ Man sah ihr die Bestürzung über ihre eigene Tat ebenfalls an. „Und es war auch nicht mein erster Mord...“, murmelte sie beinahe unhörbar und traurig. „Also lasst es mich zu meinen Lastern hinzufügen! Ich möchte nicht, dass ihr meinetwegen mit hineingezogen werdet, schließlich hätte ich sie vermutlich alle.... getötet...hättet ihr mich nicht davon abgehalten. … Es ist... einfach mit mir durchgegangen...“ Doch der König schien sich keines besseren belehren zu wollen. „Aber solange ihr nicht zu diesem Volk gehört, habe ich die Verantwortung!“ Sie schnitt ihm nun das Wort einfach ab. „Nein. Ich übernehme die Verantwortung für mein eigenes Handeln selbst und werde auch nicht darüber diskutieren! Ich unterziehe mich später jeder Gerichtsverhandlung, aber jetzt brauche ich eure Hilfe, oder Liberty stirbt!“ Es fehlte dem Kratianer an Kraft, weiter zu diskutieren und er erkannte, dass sie eine solche auch besser auf einen anderen Zeitpunkt verschieben sollten. Also trat er mit ihr zu ihrem Drachen. „Was sollen wir nun tun? Ich kenne mich nicht wirklich mit Drachen aus...“, gestand er und Alanya hatte sich bereits wieder zu eben jenem hinuntergekniet. Sie strich beruhigend über seinen Kopf und befand sich mit ihrem Körper nun auf seiner Augenhöhe. „Seine Wunden sind zu stark für einfache Heilkräuter, er braucht Drachenkraut. Es wird seine Wundheilung von innen heraus fördern und seinen Kreislauf wiederherstellen. Es wirkt sich auch auf drachenspezifische Körperfunktionen aus, wie unter Anderem dem Feuerspeien. Denn nur ein gesunder Drache kann genug Hitze entwickeln, um Flammen in seinem Rachen zu erzeugen.“, erklärte sie etwas ausholend. Auch, wenn sie nicht besserwisserisch klingen wollte, waren die Informationen sicherlich nicht unnütz für jemanden, der sich mit Drachen nicht auskannte. Zärtlich streichelte sie nun über Libertys schuppigen Hals und erneut über seinen Kopf. „Halte durch...“, wisperte sie ihm flehend zu, ehe sie sich an ihn schmiegte. „Bitte Alister... helft mir... er darf nicht sterben...“, flehte sie nun auch ihren Begleiter an. Dieser überlegte bereits, wie man an Drachenkraut herankam, wobei die Antwort etwas ernüchternd war. „Drachenkraut... Drachenkraut... Das gibt es hier schon lange nicht mehr... mit dem Aussterben der Drachen starb auch das Drachenkraut aus...“ Plötzlich hatte er eine Idee. „Aber es gibt noch Schmuggler, die welche besitzen und verkaufen!“ Hoffnungsvoll, wenn auch immer noch verzweifelt wandte sie sich ihrem Retter zu. „Wo finde ich sie? Ich tue alles um ihn zu retten! Ich will ihn nicht verlieren! Verliere ich ihn, verliere ich einen Teil meiner Seele. Unser Bund bindet uns aneinander und auch unsere Seelen!“ Entschlossen sah sie ihn an. „Ich tue wirklich ALLES dafür!“ Seufzend überlegte er weiter. „Ich weiß es nicht genau, sie sind schwer zu finden... aber ich denke ich kenne einen Ort. Allerdings ist es dort sehr gefährlich. Wir sollten zuerst den Drachen von hier fortbringen. Denkt ihr mit Hilfe von einigen normalen Kräutern schafft er es, sich selbstständig zu bewegen? Sie würden vorerst gewiss auch seine inneren Blutungen stoppen und uns mehr Zeit verschaffen...“ Betrübt, aber mit ein wenig mehr Hoffnung nickte sie und ihre blauen Augen glitzerten in der Sonne. „Danke für alles, was ihr bereits schon für uns getan habt. Ich schulde euch etwas. Sagt mir womit ich mich revanchieren kann und ich tue es. Ich möchte nicht ewig in eurer Schuld stehen müssen - ich werde meine Schulden irgendwie tilgen!“ „Nun...“, begann er und atmete tief durch. „Lassen wir das. Ihr könnt euch bei mir für alles revanchieren, sobald wir euren Drachen gerettet haben.“ Sofort, nachdem er diese Worte ausgesprochen hatte, drehte er sich um und biss sich auf die Unterlippe. „Ha...“, begann er zuerst zögerlich, räusperte sich kurz und sprach erst dann wieder völlig normal weiter. „Habt ihr eine Ahnung wie wir ihn zur Zitadelle bringen können? Dort wird er sicher sein!“ Das er kurz so seltsam reagierte, irritierte die Blondhaarige, doch sie hatte keine Zeit, sich darüber Gedanken zu machen. „ich... weiß es ehrlich gesagt nicht... mit Hilfe eures und meines Krautes könnte er vielleicht genug Kraft sammeln... ansonsten bräuchten wir eine starke Magie...“ Sie biss sich beinahe frustriert auf die Unterlippe. „Wäre doch nur mein Vater noch am Leben...“, murmelte sie. Doch alles wäre und hätte führte letztlich zu nichts. „Lasst es uns einfach versuchen.“ Alister gab alles her, was er noch an Pulver bei sich trug, auch wenn es für ein solch grißes Geschöpf wie ein Tropfen auf dem heißen Stein erschien. Heilen konnte es ihn bei weitem nicht. Auch Alanyas Kräuter waren nicht ausreichend, um das zu bewirken. Dennoch erschien es, als würden sie Liberty genug Kraft geben und Schmerzen nehmen, als dass er bereits ein erstes Mal versuchte, sich aufzurappeln. Nur wenige Schritte ging er neben seiner Führerin her, ehe er jedoch erneut zusammenbrach. Es wollte ihr das Herz zerreißen und sie klammerte sich an Alisters Hemd. „Es wirkt nicht! Alister! Was sollen wir tun?!“ Verzweiflung spiegelte sich in ihrem Blick, die er offensichtlich kaum ertrug. „Ich weiß es nicht“, gab er ebenfalls der Verzweiflung nahe von sich und überlegte, welche Alternativen sie hatten. „Wir brauchen dieses Kraut... aber wir können ihn nicht hier lassen! Er MUSS zur Zitadelle!“, erklärte er offen und ehrlich. Der Drache schien die Verzweiflung zu spüren und nahm all seine Kraftreserven zusammen. Erneut stemmte er sich auf und blieb stehen, wenn auch unter schwerem atmen. Das seine Führerin sich derart verzweifelt an diesen noch fremden Mann wandte, obwohl er ihren Schmerz im Beisein anderer kannte, rührte ihn und gab ihm neue Kraft. Torkelnd, aber stetig bewegte er sich in Richtung der Zitadelle. Mit Freudentränen in den Augen lächelte sie Alister dankbar über diese Begebenheit an. Auch auf dem Gesicht ihres Begleiters trat ein Lächeln. „Wartet einen Moment... ich öffne die Zitadelle!“ Nachdem Alanya mit ihrem Drachen das Land betreten hatte, war das Tor der Zitadelle wieder auf seine normale Größe geschrumpft. Anscheinend hatte es zu Zeiten, wenn kein derartig großes Geschöpf von der anderen Seite hindurchtrat, einen wesentlich kleineren Durchmesser. Mittlerweile schien es regelrecht abstrus, dass ein Drache durch dieses kleine Tor passen sollte! Mit großer Mühe war Liberty beinahe angekommen, die lange echsenartige Zunge hing ihm aus dem Hals und er rang nach Luft. Man konnte sehen, welche Anstrengung es für ihn bedeutete, sich überhaupt auf den Beinen zu halten. Trotzdem war die Blondhaarige erleichtert und stolz, dass er es bis hierher geschafft hatte. Alister hatte derweil die Zitadelle geöffnet und die Arme ausgebreitet, während sich das Tor magisch und rumpelnd vor ihren Augen weitete, sodass der massige Körper des roten Drachen hindurchpasste. Als dieser den schützenden Ort betreten hatte, versagten seine vier Beine und erschöpft sackte er zusammen. Dennoch spürte die junge Frau Erleichterung. Er war endlich in Sicherheit! Wie ihr Begleiter die Magie angewandt hatte, um das Tor zu verbreitern, war ihr nicht entgangen und sie neigte dazu, ihn dafür zu bewundern. Auf die selbe Weise ließ der König das Tor wieder auf seine ursprüngliche Größe schrumpfen, bevor sie, nach einer kurzen Verabschiedung, den Drachen verließen und das Tor schlossen. „So machen wir uns wieder auf den Weg. Wir sollten keine Zeit verlieren. Ich hoffe euer Drache hält solange durch.“ Alanya nickte daraufhin, doch eine andere Frage brannte seit eben auf ihrer Zunge. „Wie habt ihr das gemacht?“ Scheinbar hatte diese Art der Magieanwendung Alister ein wenig erschöpft, denn er atmete bei weitem angestrengter, als noch davor. „Dies ist seit langem ein heiliger Ort, er ist voller Magie, was ihn solange gehalten hat. Die Magie schützt diese Hallen vor den Augen derer, die nicht dafür bestimmt sind sie zu betreten und zu sehen. Nur jemand in dessen Adern das Blut der königlichen Familie fließt kann die Zitadelle öffnen, und mit Magie wird sie gewissermaßen... auch kontrolliert.“ Immer wieder schaffte er es, ihr Interesse zu wecken und sie zu faszinieren. „Ihr seid ein sehr geheimnisvoller Mensch, man erfährt immer mehr über euch, und dennoch glaube ich nicht einmal eure Oberfläche zu kennen. Ihr seid mir immer sympathischer, eure Majestät...“, fügte sie mit einem Lächeln hinzu. Bei den Worten 'eure Majestät' verzog Alister das Gesicht, denn er gab nicht viel auf Titel. Nicht sie waren es, die einen Menschen ausmachten, sondern der Mensch selbst und seine Taten. "Wir sollten uns umziehen!“, erklärte er nachdem er auf dem Weg zum Schloss nachgedacht hatte. „Umziehen?“, fragte sie nur knapp. Und erhielt ein Nicken zur Antwort. „Ja, es wird besser sein, wenn wir nicht erkannt werden wollen,- gut, vielmehr, wenn ich nicht erkannt werden will, denn dann könnte es ziemlich ungemütlich werden!“ Der Weg erschien weit, weit genug, als das sie diese Gelegenheit nutzen konnte, erneut mit ihm zu kommunizieren. „Sagt, was macht jemand wie ihr eigentlich sonst, wenn nicht gerade jemand wie ich euch aus einer fremden Welt erscheint und euch nervt?“, fragte sie hinter ihm her trabend und wartete gespannt auf die Antwort. „Nun ja.... Oft langweile ich mich aufgrund bestimmter königlicher Pflichten, aber in meiner Position gibt es meist immer etwas zu tun.“ Neugierig bohrte sie weiter, denn es half ihr, ihre Sorgen um Liberty im Zaum zu halten „Was macht man denn in eurer Position? Ich meine, welche Aufgaben habt ihr zu erfüllen? Sind die Ansprüche sehr hoch?“ Mit der Hand fuhr er sich durch seine Haare und atmete tief durch. „Ach.. da gibt es so einiges...“ Ihr Blick verriet leichte Enttäuscht bei einer solch ungenauen Aussage. Zwar mochte sie ihn, doch seine Art Fragen nicht immer klar zu beantworten, konnte sie wirklich verzweifeln lassen! Trotz Allem lächelte sie, denn jeder Mensch hatte seine guten und schlechten Seiten - ihr Zynismus war bei weitem eine ihrer Schlechten, wenn auch nicht ihrer schlechtesten. Kapitel 6: Kalster der Schwarzmarkthändler ------------------------------------------ Nachdem sie das Schloss betreten hatten, schickte Alister einen der Diener los, ihnen Umhänge zu holen. Diese sollten wohl ausreichen, dachte er zu diesem Zeitpunkt noch. Alanya unterdess musste darüber nachdenken, dass ihr Verlobter Lian auch immer davon erzählt hatte, wie er bis zu seinem 16. Lebensjahr in einem Schloss lebte und genügend Diener um sich herum hatte. Ausserdem war da der Hausgnom gewesen, den sie bereits auch schon hatte treffen dürfen. Ein seltsamer Gesell, Gnome waren nicht für ihre unglaubliche Anmut bekannt, aber auch das seltsame Verhalten, hatten ihr nicht behagt. So freundlich dieser auch gewesen war, in dem Schloss Fedran hätte sie sich niemals einleben können. Anders sah es nun hier in Arynia aus, doch das stand auf einem ganz anderen Blatt. Wahrscheinlich auch nur, weil sie wusste, dass sie es bald verlassen würde. Es dauerte kurz, ehe sie bemerkte wie weit sie abgeschweift war mit ihren Gedanken. „Sagt mal Alister... meint ihr es wird gefährlich?“ Im Gegensatz zu vielen Frauen war Gefahr nichts, vor dem sie weglief oder sie umging. Ob sie es wollte oder nicht hing sie zweifelsohne meistens mitten drin. Dann konnte man sie auch gewollt aufsuchen! Ihr Begleiter hatte ihre Frage scheinbar nicht einmal mehr wirklich vernommen, denn auch er schien in Gedanken. Ein kurzes Seufzen ging über ihre Lippen, als der Diener mit den Umhängen über dem Arm zurückkehrte und sie ihnen überreichte. Der König legte seine Wertgegenstände bis auf seinen Siegelring und das Schwert ab und nahm einen großen Beutel mit sehr vielen Münzen mit, den er unter dem Umhang versteckte. Alleine diese Unsummen an Geld ließen sie schlucken. Darüber hatte sie kaum nachgedacht! „Meint ihr.... das Kraut wird sehr teuer sein? Ich will euch wirklich nicht auf der Tasche liegen!! Das könnte ich wohl nie wieder gut machen! Und da ihr mir keine Möglichkeit nennt, meine Schulden einzulösen, fühle ich tiefes Beschämen! Schließlich habe ich euch, seit ich in dieser Welt landete, schon einige Mühen gekostet. Langsam glaube ich fast, es wäre besser gewesen dieses Tor nie zu entdecken!“ Von ihren unterschwelligen Selbstvorwürfen erschrocken, widersprach er schnell und heftig. „Nein! Hört auf so etwas zu sagen! Ich würde mich niemals mit euch abgeben, wenn ihr mir lästig wärt! Ich tue das hier gerne. Seid unbesorgt, ihr liegt mir nicht auf der Tasche!“ Ganz überzeugt war sie davon nicht, denn alleine wenn man sich den Beutel betrachtete hatte, musste es selbst für den König viel Geld sein. „Ganz überzeugen könnt ihr mich nicht, daher hoffe ich, dass ihr mir bekannt gebt, wenn ich euch doch noch zur Last fallen sollte. Ich wäre euch nicht böse darum, im Gegenteil... ich fühle mich wohler, wenn ich weiß, dass ihr es tätet.“ Gekonnt schwang sie den Umhang über ihren Rücken hinweg und schloss die Verkordelung der Front, während ihr Begleiter selbiges tat. Zu ihrer Bitte jedoch hüllte er sich in reges Schweigen, was ihr nicht unbedingt ein gutes Gefühl machte. Doch für jegliche Diskussionen war nun nicht die richtige Zeit. Vielleicht würden sie anschließend erneut ein ähnliches Gespräch führen, indem er ihr hoffentlich zusichern würde, das Gespräch zu suchen, wenn er nicht mehr von ihr umgeben sein wollte. Der Kratianer führte sie beide zu einem Gasthaus an einem Hafen. Dieser lag am anderen Ende von Carbrass und die Sonne neigte sich bei Ankunft bereits dem Abend zu und tauchte die Umgebung in ein tiefes orange – rot. An der Türe des Gasthauses hing ein großes Schild mit der Aufschrift 'Zum schwarzen Orkan', dass nicht gerade einladend auf sie wirkte. Sich kurz umsehend, betrat der Braunhaarige jedoch schon die Gaststube und zog die Kapuze tiefer. Es hoben sich neugierige Blicke zu ihnen, in der Schenke selbst herrschte jedoch reges Treiben. Wie in Spelunken übrig, wurde getanzt, zumeist auf den Tischen oder mit kaum bekleideten Frauen, andere amüsierten sich mit leichten Mädchen, oder es wurde Alkohol ausgeschenkt. Mit einer Handbewegung hielt Alister sie an zu warten, bevor er zum Wirt vorschritt und flüsternd eine angeregte Unterhaltung einging. Die junge Frau wurde nervös, jetzt, wo sie alleine hier stand. Sie unterdrückte schwer den Reflex einfach ihr Schwert zu ziehen, um sich sicher zu fühlen, doch sie erinnerte sich nur zu gut an das, was erst vor wenigen Stunden nahe bei Liberty geschehen war. Dennoch gab es hier viel zu viele zwielichtige Gestalten, eine unheimlicher als die andere. Noch während sie wartete spürte sie, wie jemandes Hand sich an ihr Gesäß legte und die Rundung erkundete. Am liebsten hätte sie ihm die Hand abgeschlagen, schlug sie dann aber lediglich weg und trat mit einem kurzen Laut des Unmutes etwas von dem Frevel davon. In diesem Moment kehrte ihr Begleiter zurück und warf dem Leichthändigen einen düsteren Blick zu, während er sein Handgelenk leicht verdrehte. „Nimm ja deine Finger von meiner Verlobten!!“ Noch als er die Drohung aussprach, spürte die Blonde indes, wie das Wort Verlobte seltsame Gefühle in ihr auslöste. //Es ist nur eine Tarnung die er hier annimmt...//, versuchte sie es für sich richtig zu stellen, dennoch klopfte ihr Herz. Überheblich und Verärgert warf auch sie nun dem Mann einen finsteren Blick zu und stolzierte regelrecht hinter Alister her. Dieser blieb vor einem Mann stehen, der abgesondert in einer Ecke der hinteren Schenke sass und genüsslich an einer Pfeife zog. „Seid ihr Moreen? Kalster Moreen?“, hakte der verhüllte König kalt und seriös nach. Der Angesprochene hob den Blick ein wenig und blies den Rauch der Pfeife in ihre Richtung. „Kommt drauf an wer das wissen will“, sagte er ebenso kalt und geschäftstüchtig. Es schien, als hätte er schon einige Erfahrungen mit dem Handel auf dem Schwarzmarkt. Impulsiv war es Alanya, die antwortete, schließlich ging es ja auch um IHREN Drachen. „Wir!“, vermerkte sie knapp. „Wer wir sind wird sie wohl kaum etwas angehen, wir bleiben gerne anonym! Das Wichtigste ist wohl, dass wir einen Gefallen einfordern...“, erklärte sie dann die Situation vorerst. Man hörte den Unsympathen auflachen. „Einen Gefallen?! Für jemanden der nicht mal den Anstand besitzt sich ordentlich vorzustellen? Wie käme ich dazu?... Verschwindet! Ihr verschwendet meine Zeit.“ Der Kratianer zog die Kapuze noch tiefer in sein Gesicht und übernahm diesmal das Verhandeln. „Mein Name ist Elias, dass sollte euch als Antwort reichen. Wir sind bereit euch für diesen Gefallen angemessen zu entlohnen!“ Wieder war es die Blondhaarige die impulsiv in die Verhandlungen hineinplatzte. Sie hielt es einfach nicht aus, stumm daneben zu sitzen. „Wir brauchen etwas bestimmtes! Es ist eine ganz spezielle Kleinigkeit, man sagt, es sei schwer daran zu kommen und das sie der Beste seien! Oder drücken sie sich etwa vor Herausforderungen?“ Provokant versuchte sie seinen Blick einzufangen. Dieser hingegen interessierte sich wohl mehr für 'Elias'. „Elias... ein kratianischer Name. Ihr seid also Kratianer? Nun gut... setzt euch zu mir. Ich denke, unter Umständen könnten wir ins Geschäft kommen. Allerdings scheint es einen Grund zu geben, weshalb ihr euer Antlitz verbergt.“ Dieser Mann ging ihr langsam auf die Nerven! Wieso konnte er nicht einfach nur zustimmen und das Kraut besorgen und dafür das Geld annehmen? Zwar müsste sie diese Unannehmlichkeit bei Alister wieder gutmachen irgendwie und irgendwann, aber wenigstens wäre Liberty außer Gefahr! „Also was ist nun? Sind sie der Beste oder sind sie es nicht? Was interessieren sie da unsere Gesichter?“ Der vermummte König hob seine Hand und gebot Alanya zu schweigen. „Schon gut...“ beschwichtigte er sie und setzte sich, wobei er ihr bedeutete, es ihm nachzumachen. Auf Kalsters Gesicht lag ein Schmunzeln, dass man unter dessen eigener Verhüllung erkennen konnte. „Nun...“, begann er und lehnte sich dabei leicht nach vorne. „Wenn jemand sein Gesicht nicht zeigen will, hat er etwas zu verbergen und möchte nicht erkannt werden. Aber gut, ich sollte selber nichts sagen, wo ich doch eben sowenig erkannt werden möchte. Also, um zum Geschäftlichen zu kommen,... Gold ist schon einmal sehr gut - doch da wäre noch etwas! Ich habe... sagen wir... ein 'kleines Problem' das es zu lösen gilt.“ „Welches?“, fragte Alanya noch bevor Alister daran denken konnte auf diese Andeutung zum Sprechen zu kommen. Da es vermutlich besser war für ihn, nicht zu viel verbalen Kontakt zu pflegen, um seine Tarnung auch weiterhin aufrecht zu erhalten, überließ er ihr zunächst die weiteren Verhandlungen. Stattdessen lehnte er sich nach hinten und verfolgte das Gespräch. Der Händler setzte ein nachdenkliches Gesicht auf. „Nun ja... sagen wir.... die Wachen des Königs sind mir seit einiger Zeit auf den Fersen. Ihr könnt euch sicher vorstellen, wie sehr es meine Nerven strapaziert! Verhandlungsobjekt wäre somit zusätzlich mir diese Wachen vom Leib zu schaffen... wobei ich kaum glaube das ihr im Stande dazu seid!“ Sein Blick schweifte herüber zu Alister und Alanya legte die Stirn in Falten, bevor sie wieder seine Aufmerksamkeit auf sich ziehen wollte. „Und wenn doch? Wenn wir es schaffen WÜRDEN, besorgen sie und was wir so sehr begehren?“ Sie beugte sich geschäftlich dabei weiter zu ihm nach vorne. Gespannt lauschend beobachtete der König sie, während Kalster an seiner Pfeife zog und wieder etwas Rauch in die Luft blies. Endlich nickte er! „Ja... Ein wenig Gold und die Lösung meines Problems, und wir sind im Geschäft.“ Das Wort Gold ließ sie hellhörig werden. „Wie viel ist für sie ein wenig?“ Kalster wiederholte die Prozedur mit der Pfeife erneut und überlegte kurz. „150 Goldmünzen!“, gab er ihr zu verstehen. „75...Und die Lösung ihres Problems.“, fing Alanya diplomatisch an zu handeln. Schließlich war dies hier ein Schwarzmarkt. Der Widerling ihr Gegenüber lehnte sich jedoch unbeeindruckt zurück. „Nein, 150 und keine Münze weniger, ansonsten könnt ihr direkt wieder gehen.“ Erneut versuchte Alanya all ihr Geschick zu nutzen, um wenigstens die finanzielle Bürde ein wenig zu schmälern. „Das wird für uns schließlich nicht einfach werden! Wir geben euch 100.“ „Nein.“, wiederholte der Schwarzmartkhändler und blieb weiterhin unbeeindruckt hart, schmunzelte allerdings bei ihren scheinbar lächerlichen Versuchen. „Ich lasse nicht mit mir verhandeln, entweder ihr akzeptiert oder ihr lasst es bleiben. Nicht ich bin es der etwas so dringend benötigt wie ihr.“ Die junge Frau nahm sich vor, einen letzten, diesmal non- verbalen Versuch zu starten und beugte sich noch weiter. Mit ihren hellblauen Augen sah sie ihn eindringlich und ohne auch nur einmal zu zwinkern an. Ebenfalls schaute sie nicht weg, sah ihn lediglich regungslos und wortlos an. Doch all dies schien erfolglos, denn er blickte starr und kalt zurück. „Nun?“, fragte er schließlich und legte den Kopf auf die Seite. Die Blondhaarige war negativ erstaunt, als sie bemerkte, dass sie aus seiner Mimik und seinem Gesicht überhaupt nichts lesen konnte. Das geschah ihr selten. Es war beinahe anzunehmen, dass dieser Mann entweder nicht war, wer er vorgab zu sein, oder aber kein menschliches Wesen. Ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken, ehe sie sich wieder zurücksetzte und Alister etwas verzweifelt ansah. Denn nicht sie war es, die das Geld geben konnte und sie war zwangsläufig auf ihn angewiesen. Dieser blieb zunächst stumm und verschränkte die Arme, wobei Alanya bemerkte, dass sie gerade ernsthaften Respekt vor ihm hatte. „Abgemacht!“, antwortete er dann mit düsterer Stimme, ohne sich zu bewegen. Immer noch schmunzelnd nickte Kalster ihnen schließlich zu. „Sehr gut, und was darf ich euch besorgen?“ Mit einem kurzen Seitenblick zu ihrem Begleiter antwortete erneut, aber diesmal etwas zurückhaltender, die junge Frau „Drachenkraut!“ Der Händler hob eine Augenbraue. „Drachenkraut?“, wiederholte er, als hätte er es möglicherweise falsch verstanden. „Ah... sieh einer an. Dann war der Preis mehr als angemessen! Ein wirklich seltenes Kraut. Ich hoffe euch ist klar, dass ihr mir dafür entsprechend Gold geben müsst. Erwartet nicht, dass ich es euch umsonst gebe. 150 für das Besorgen und nochmals 50 für das Kraut. Das hieße dann 10 Münzen pro Numm, wenn ihr mehr wollt, müsst ihr auch mehr bezahlen.“ Noch bevor die Blonde wieder ansetzen konnte, unterbrach er sie sogleich. „Meint ihr dieses Kraut kostet mich nichts? Der Preis für den ich es euch anbiete ist mir persönlich schon zu billig. Ich mache euch das Kraut quasi zum Angebot.“ 5 Numm entsprachen hier 75 Gramm und war die Dosis, die sie wirklich benötigte. Weniger würde Liberty nicht ausreichen. Beschämt sah Alanya den Älteren an. Sie wollte ihn nicht um eine solche Menge Geld bitten, daher beugte sie sich noch einmal nach vorne, so nahe zu Kalster, das nur er sie hören konnte. „Kann man euch nicht doch überreden eine andere Dienstleistung zu erfordern? Ich tue …. was ihr wollt, aber dieses Kraut soll ein Geschenk sein. Ich möchte nicht, dass …. mein Verlobter... zuviel für mich ausgibt. Er braucht ja nicht zu wissen, weshalb er weniger zahlt! Ich könnte euch beispielsweise als Leibwache begleiten, ich könnte euch bei fragwürdigen Unterfangen behilflich sein, ich könnte…“ Ihr Gegenüber unterbrach sie jäh. „Verlobte?“ Seine Braue wurde regelrecht ungläubig hochgerissen. „Wieso nicht? Es ist unser Verlobungsgeschenk! Aber wie ich schon sagte... möchte ich nicht, dass... dass er so viel Geld dafür ausgibt!“ Das Leise lachen war deutlich zu hören, ehe er sich wieder amüsiert zurücklehnte. „Verlobte... Das ich nicht lache. Versucht nicht mich zu belügen, ihr seid nicht verlobt und habt es auch nicht vor!“, behauptete er geradeheraus, woraufhin sie beinahe etwas gekränkt auffuhr. „Wieso sollten wir es nicht sein? Wer seid ihr das ihr wisst, was wir vorhaben und was nicht?“ Der Mann, dessen Alter sie nicht einschätzen konnte, lachte immer noch vor sich hin, ehe er die Stimme senkte, damit nur seine zwei Tischgesellen ihn hören konnten. „Weil der König keine Verlobte hat! Und hätte er vor zu heiraten, würde er seiner Liebsten kein Drachenkraut zum Geschenk machen! Ausserdem... wäre es weithin bekannt, stimmt Ihr mir nicht zu?“ Der besagte König verharrte in seiner Position und blieb ruhig, wobei man kaum eine Regung erkannte. Seine weibliche Begleitung hingegen war sprachlos und spürte die Nervosität. „Woher wollt ihr das wissen? Ich meine... das ist doch lächerlich!!!“ Erhaben lächelnd lehnte sich ihr Gegenüber einfach nur zurück und beobachtete den Herrscher aufmerksam. Sie selbst schluckte und war verwirrt, denn damit hatten sie gewiss nicht gerechnet! Was nun? Wie würde es weitergehen? Was würde dieser Mann mit diesen Informationen anfangen? Der Blick des eigentlich Fremden schweifte nun von Alister zu Alanya und wieder zurück. „Ich erkenne ihn. Oh ja! Nicht wahr eure Majestät? Wir sind uns schon einmal begegnet... Auch in einer Gaststätte wie dieser... In der Nacht... der Engel... ihr wisst schon. Alleine wie ihr geht und euch bewegt hat euch verraten.“ Kalster lächelte, doch der Kratianer blieb ruhig vor ihm sitzen. Nur Alanya spürte wohl, wie nervös er tatsächlich war. Mittlerweile konnte sie ihn besser einschätzen und es war, wenn nicht offensichtlich, dann doch wenigstens logisch, dass es ihn aufrührte. Statt in Panik zu verfallen, lehnte er sich aber nur ein wenig weiter zu ihrem Gesprächspartner vor und fixierte ihn mit seinem Blick „Und was gedenkt ihr nun mit dieser Information zu machen?“ Ein kaum merkliches Zittern lag in Alisters Stimme, was den Händler dazu veranlasste dreckig zu lachen und sich ebenfalls weiter vorzubeugen, bis sie bald nur noch Nasenspitzen voneinander entfernt waren. „Ich möchte Immunität! Mein Schiff wird nicht mehr durchsucht von euren Wachen! Und die 200 Goldmünzen! Es sei denn, ihr wollt mehr Kraut, dann müsst ihr selbstverständlich auch mehr bezahlen! Und erzählt mir nicht, dass der König nicht einmal 200 Goldmünzen besäße! Außerdem... wie würde es wohl ablaufen, wenn jeder hier wüsste, was ich weiß?“ Schon wieder eines seiner gehässigen Grinsen, dass die junge Frau langsam nicht mehr sehen konnte! Am liebsten hätte sie zu ihrem Schwert gegriffen und ihm dieses Grinsen hinausgetrennt! Der König von Arynia legte das Säckchen mit Gold auf den Tisch. „Einverstanden... hier sind 300 Goldmünzen. Gebt uns dafür so viel Kraut, wie wir dafür bekommen können. Und wegen der Immunität... ich werde es für euch regeln.“ Der Händler griff ruckartig nach dem Arm seines Vertragspartners. „Einen Moment! Woher weiß ich denn, dass nicht morgen früh bei Sonnenaufgang eure Wachen vor meiner Türe stehen? Nein, nein , nein... nicht so hastig! Ich verlange einen Pfand!“ Verdutzt wandte sich die junge Frau ihrem persönlichen Erzekelpaket zu. „Was meint ihr mit Pfand?! Unser Wort sollte euch wohl genügen, was hätten wir denn schließlich davon, euch die Wachen auf den Hals zu hetzen? Dann bekämen wir kein Kraut.“ Ein weiteres gänsehauterzeugendes Lachen und mehr Druck auf Alisters Handgelenk in Verbindung mit einer sachten Drehung dessen, ließ den Kratianer unfreiwillig näher zu ihm kommen, wenn er nicht wollte, dass es brach. Ihre Gesichter waren nun mehr keine zehn Zentimeter voneinander entfernt und Kalster senkte die Stimme, damit nur der König die folgenden Worte hören würde. „Ich will euren Falken!... Oh ja, ich kenne die Geschichten über ihn und weiß, wie bedeutsam er für euch ist... oder aber“ Sein Blick wanderte zu der Blondhaarigen. „eure Sturköpfige Freundin... Sie würde sicherlich einen amüsanten Pfand abgeben und man gewiss viel 'Spaß' mit ihr haben...“ Das Grinsen hatte wohl auf jeder Skala seinen Höhepunkt erreicht, so dass selbst Alanya sich sicher war, dass es nichts Gutes war, dass er ihrem Retter zuflüsterte. Die unangenehmen Neuigkeiten zeichneten sich sogleich auch auf dessen Gesicht ab und er schien grübelnd abzuwägen. Wenn sie nur wüsste worum es hier ging! Ihr Vertrauter schien in einer Zwickmühle zu stecken, wenn man seinen Ausdruck richtig deutete und sie hätte ihm gerne einen Rat gegeben. „Nun?“, fragte Kalster diesmal lauter und deutlicher, damit auch sie ihn verstehen konnte. „Sie... oder den Falken?“ Endlich kam die Information auch in ihrem Zerebrum an und sie wurde sichtlich nervös. Kurzzeitig brauchte sie Zeit, bevor sie sich wieder fing und die logischste Alternative für ihn wählte. „In Ordnung. Nehmt mich als Pfand gegen das Kraut und lasst ihn da raus.“ Obwohl sie den Falken bereits gesehen hatte und wusste, dass er Alister sehr wichtig war, wusste sie nicht, was es wirklich mit ihm auf sich hatte. Wieso wollte dieser Kerl einen armen Vogel als Geisel? Nein, dass wollte sie nicht zulassen. Wer wusste schon, was er mit ihm anstellte? Ihm traute sie alles zu. Zudem würde sie schon irgendwie mit diesem Mann fertig werden. Es war unwahrscheinlich das er so viel anders war als die meisten anderen, denen sie begegnete. Und den meisten stolz hatte sie bereits im frühen Jugendalter verloren. Wieso sollte sie also zögern? Ein anerkennendes Grinsen huschte über das Gesicht ihres neuen Geiselnehmers, denn nichts anderes erschien er in diesem Moment zu sein. „Sehr schön...“, triumphierte er bereits und griff nach ihrem Handgelenk, als Alister dazwischentrat und sich schützend vor ihr aufbaute. „Nein!“ Seine Stimme klang entschlossen. „Ihr bekommt den Falken! Lasst sie also los!“ Der Händler hob fast schon unsicher eine Augenbraue und nickte langsam. „Nun.... umso besser...“ Anscheinend hatte er mit dieser Wendung nicht gerechnet, doch sie kam ihm entgegen. Das war mehr als offensichtlich. Eben das gefiel der jungen Frau noch weniger. Nicht nur, dass ihr mehrfacher Retter sein geliebtes Tier hergeben wollte, nein, dieser Mann hatte ein viel zu besorgniserregend hohes Interesse an eben diesem! „Das kommt gar nicht in Frage! Ich weiß nicht, aus welchem Grund er euren Falken will, aber eines weiß ich dafür genau! Ihr hängt sehr an diesem Tier und ich möchte nicht, dass es der Pfand für so einen... Ekel wird!“ Bei dem Wort Ekel hätte der Mann zu ihrer rechten beinahe losgelacht. „Ich werde der Pfand sein! So sind wenigstens diese Schulden schon mal getilgt!“ Ihr Blick war fest entschlossen und sie überspielte den Anflug der Angst, den ihr Begleiter scheinbar dennoch erkannte. Eigentlich müsste man doch annehmen, mit der Zeit würde etwas derartiges einfacher und man verlöre die Angst in Gänze. Doch dem war nicht so, wie Alanya sich beschämt eingestehen musste. „Nein!“, raunte der Braunhaarige sie plötzlich an und erwiderte ihren festen Blick. Sein Ton war keine Antwort, es war ein Befehl. „Du gehst nicht mit ihm!“ Gerade, als sich eine sehr ungewöhnliche Spannung zwischen ihnen aufbaute und Alanya spürte wie ihr Herz seltsam pochte, musste Kalster diese unterbrechen. „Nun mir ist es gleich- Frau, Falke... beides hat seine individuellen Vorteile... nur bitte entscheidet euch endlich! Ich habe nicht bis morgen Zeit.“ Man sah immer noch die Verwirrung der jungen Frau auf diese heftige Reaktion des Königs, der sie damit überrascht hatte. Aus ihrem Mund bekam sie in diesem Moment nicht einmal einen gescheiten, zusammenhängenden Satz. „Aber... ihr... könnt doch nicht... ich … könnte doch...“ Doch Alister hatte sich bereits ihrem Verhandlungspartner zugewandt und fiel ihr damit ins Wort. „Ihr bekommt den Falken!“, wiederholte er noch einmal nachdrücklich an den anderen Mann gewandt. „Dann folgt mir!“ Als sie Kalster folgten, warf Alister ihr einen mahnenden Blick zu, damit sie nicht doch noch auf die Idee kam, etwas dummes zu tun. Tatsächlich dachte sie zwar darüber nach, aber sie würde damit seine Entscheidung auf eine Art und Weise in Frage stellen, die seinen stolz nicht nur untergraben, sondern auch ihr Vertrauen zueinander erschüttern würde. So gab sie sich vorerst geschlagen, auch, wenn es ihr sehr missfiel. Auch wenn es eher selten war, so schwieg sie nun eine ganze Weile auf dem Weg, zu Kalsters Unterkunft, denn ihr fiel nichts ein, dass ausgesprochen werden sollte. Sie fühlte Scham und Hilflosigkeit, gepaart mit Schuldbewusstsein. Eine Kombi, die sie niemandem empfehlen konnte. Scheinbar hatten sie ihr Ziel erreicht und sie wurde aus ihren Gedanken gerissen, als der König seinen Falken zu sich pfiff. Dieser erschien schon bald am Himmel, kreiste kurz über ihnen und ging in einen Senkflug, bevor er sich auf Alisters Arm setzte. Kurz streichelte er diesem wunderschönen Tier über den Kopf und redete auf einer fremden Sprache mit diesem. Es war anzunehmen, dass es sich hierbei um kratianisch handelte. Dann streckte er dem Händler den Arm entgegen und der Falke tippelte zaghaft und recht scheu auf den Arm des fremden Mannes, der ebenfalls sogleich seinen Kopf tätschelte. „Ein wirklich wunderschönes Tier...“ Dieses Mal konnte ihr Begleiter seine Nervosität nicht mehr überspielen und sein Ausdruck war geplagt von einem Seelenschmerz, der gewaltige Ausmaße haben musste. „Soll ich nicht doch...“, wagte sie sich erneut sich ihm anzubieten. Wenn ihm der Vogel derart viel bedeutete, sogar mehr als sie für möglich gehalten hatte, dann war das hier falsch. Der Vogel musste einfach einen höheren Stellenwert haben und sie verstand nicht, warum er verhinderte, dass sie ging. Im Grunde musste es ihm doch egal sein, was er ihr antat und nur aufgrund seines Dranges, als König ihren Schutz zu gewährleisten, machte es das hier nicht richtiger. Wie schon zuvor erhob er jedoch seine Hand in ihre Richtung und bedeutete ihr, endlich zu schweigen. „Nun denn... wartet kurz.“ Mit diesen Worten verschwand Kalster auf der Anlegestelle in Richtung eines Schiffes und in dessen Kajüte, ehe er etwas 20 Minuten später ohne den Falken wieder zurückkehrte. Dafür warf er ihnen ein kleines Beutelchen zu. „Hier... wie abgemacht! Das Kraut! Doch der Falke bleibt solange bei mir, bis ich die schriftliche Genehmigung über die volle Immunität habe! Eure Hoheit...“ Letzteres sprach er voller Hohn und Verachtung aus, während er gleichzeitig eine Verbeugung andeutete und zurück zur Gaststätte schritt. Kapitel 7: Das Geheimnis um den Lebensbund ------------------------------------------ „Alister...“ Alanya standen die Tränen bei seinem leidenden Gesichtsausdruck in den Augen. Andererseits spürte sie ambivalent dazu Erleichterung, endlich das Säckchen mit dem Kraut in ihren Händen zu halten und Liberty heilen zu können. Beinahe vorsichtig, als könne sie ihn verletzen, blickte sie ihn an und wartete, dass er irgendetwas sagte, oder tat. Einen Moment blieb er jedoch regungslos stehen, ehe er schluckte und den Blick kurz zu Boden senkte. Erst dann drehte er sich zu ihr herum. „Nun.. lasst uns gehen. Euer Drache braucht das Kraut.“, erklärte er mit seltsamer Stimme, die weiterhin sein Unbehagen erschließen ließ. Starr sah sie ihn an, denn diese eine Frage brannte seit eben auf ihrer Zunge. „Wieso habt ihr das getan?“ Sein Blick wich dem ihren aus, als er schließlich antwortete. „Ich.. ich habe den Gedanken nicht ertragen... was dieser Kerl mit euch hätte machen können... was er euch hätte antun können!“ Es war das erste Mal, dass sie hörte, wie er leicht stotterte. Nun war es an ihr, ihre eigene Meinung anzubringen. „Glaubt ihr, ich hätte nicht gewusst worauf ich mich da hätte eingelassen? Ich wäre mit ihm fertig geworden! … Auf die ein... oder andere Weise...“, erklärte sie, nun ebenfalls bei dem Gedanken ein wenig zittriger als gewollt und schluckte deshalb schnell. „Ich ertrage es kaum, dass ihr schon wieder für mich einsteht. Er bedeutet euch viel, nicht wahr?“ Für sie war es unverkennbar gewesen, dass der Falke und Alister eine ähnliche Verbindung zueinander haben schienen, wie sie und Liberty. Aus diesem Grund fühlte sie sich noch schuldiger. Wenn dieses Band ihrem auch nur ähnelte, dann war diese Last die er jetzt trug unerträglich! „Nicht nur das...“, warf Alister hingegen unausgeführt ein und atmete tief ein. „Nicht nur das...“ Mehr sagte er zunächst nicht und es machte die junge Frau beinahe rasend. „Was denn noch? Sagt es mir! Ich...“, sie schluckte den Rest herunter und erwartete stattdessen die Antwort mit pochendem Herzen. Endlich sah er sie an, sein Gesicht schien jetzt fast ausdruckslos zu sein, was nicht minder erschreckend wirkte. „Mein Leben hängt an diesem Falken, uns verbindet ein Band.“ Abrupt blieb die Blondhaarige stehen. „Was???“, vor Ungläubigkeit schrie sie förmlich. „Das war doch nur ein Scherz, oder?“ Jedenfalls hoffte sie das für ihn! Ein leichtes, nicht ehrliches Lächeln huschte über sein Gesicht und er schüttelte den Kopf. „Nein, über Phoenix mache ich keine Scherze, nicht solcher Art." Geschockt versagten ihre Knie und während sich ihre Augen mit Tränen füllten, vergrub sie ihr Gesicht in ihren Händen. Sein Leben stand nun auf dem Spiel. Ihretwegen! „Wieso habt ihr... das getan?“, brachte sie nur mit Mühe hervor. Ihr einziger Vertrauter in dieser Welt kniete sich neben sie und strich ihr sanft über den Kopf. Schon spürte sie noch mehr Scham, schließlich war er derjenige, der ein Problem hatte und der Trost sollte wohl in die andere Richtung gehen. „Warum ist jetzt egal... Wichtig ist einzig euer Drache!“ Aufmunternd und ermutigend lächelte er sie an. „Und ich bekomme Phoenix ja zurück.“ Deprimiert und unruhig nickte sie nur und hoffte inständig, dass dem Falken nichts zustoßen würde. „Dann lasst uns gehen.“ Er ergriff ihre Hand und half ihr wieder aufzustehen. Warum er es nicht gewollt hatte, würde er ihr noch sagen, wenn der Augenblick gekommen war. Vielleicht würde sie es aber auch noch selbst herausfinden, ging dem jungen Mann in diesem Augenblick durch den Kopf. Für solche Gefühle war die junge Frau zu unempfänglich, um sie spüren zu können, daher verstand sie nicht, was er damit sagen wollte, ließ sich jedoch sogleich aufhelfen. Ein unsicheres Lächeln ihrerseits folgte und sie presste das kleine Säckchen an wie einen Schatz an ihre Brust. In schnellem Tempo drängte Alister sie weiterzugehen und nun galten ihre Gedanken wieder einzig und alleine Liberty. Die Hand des Königs umfasste die ihre und er schlug vor, zu laufen, bevor er sie hinter sich herzog. Bald war es finstere Nacht und man würde kaum mehr etwas sehen können. Ihre Hand umfasste die seine etwas stärker. „Glaubt ihr wir schaffen es? Ich habe... Angst.“ Eilig liefen sie weiter, seltsamerweise in Richtung des Schlosses, dass näher lag. „Keine Angst, wir schaffen es schon.“ Nachdem sie schließlich am Schloß angekommen waren, zog Alister sie hinter sich her in den Thronsaal. „Was wollen wir hier? Wir müssen doch zur Zitadelle!“, fragte sie etwas aufgebracht, doch ohne eine weitere Erklärung führte er sie hinter den Thron, hinter dem sich eine der Zitadelle identische Steintafel befand. „Diese Zeichen kommen mir bekannt vor, ist das etwa...?“, warf sie ihre Vermutung in die kleine Runde. Bestätigend nickte der Thronerbe ihr zu und zog einen Dolch hervor. Er wiederholte die Prozedur vom Strand und Alanya ergriff seine Hand, als sie hineingingen. Für diese zu heilen besaß sie jedoch gerade kein Kraut mehr. Wenig später kamen sie jedoch bei Liberty an, der geschwächt mittlerweile seitlich in der flurartigen Halle lag. Bei seinem Anblick musste sie sich schwer zusammennehmen, dass ihre Beine nicht erneut wegsackten. Da war diese Höllenqual und es war allzu deutlich, dass er im Sterben lag und dringend das Kraut unverzüglich benötigte. Daher öffnete sie das Säckchen, in dem glücklicherweise tatsächlich Drachenkraut zu finden war und atmete tief durch. Zügig trat sie zu Liberty, um es ihm unter die Zunge zu legen. „Schluck Liberty! Bitte, du must es runterschlucken!“ Drachen heilten schließlich nur von innen heraus wirklich, weshalb das Drachenkraut normalerweise von den Drachen selbst zu sich genommen wurde. Seinen Namen hatte es aufgrund dessen verliehen bekommen. Kranke, verletzte und schwache Drachen suchten nach dieser Pflanze und nahmen sie oral zu sich, bevor diese sie von innen heraus wieder regenerierte. Auf Menschen hingegen hatte es eher eine aphrodisierende Wirkung. Alister beobachtete sie die ganze Zeit über dabei. Es dauerte, ehe der rote Bergdrache es herunterschluckte und noch einmal, bis er langsam ruhiger atmete. Es verging anschließend noch eine ganze Weile, bis sein Blick sich normalisierte und seine Augen wieder klar wurden. Da! Die riesenhafte, geflügelte Echse erhob sich und torkelte selbstständig einige Schritte zum Beweis, dass es überstanden war. Auch die Schmerzen, die die junge Frau bis eben wahrgenommen hatte, legten sich peu a peu. Ein Lächeln huschte auch über die Lippen ihres Begleiters. „Da! Seht ihr! Er wird es überstehen.“ Mit Freudentränen in den Augen strahlte sie ihn leicht euphorisch an und fiel ihm erschöpft, jedoch überglücklich in die Arme. „Ich bin so froh... Danke vielmals!!! Ich weiß nicht wie ich es jemals wieder gut machen kann.“ Sachte legte der Ältere seine Arme um sie und es erschien fast, als würde er diese Art der Nähe ebenfalls schätzen. „Schon gut. Wir werden sehen, was ihr irgendwann einmal tun könnt. Im Moment ist das Wichtigste, das es eurem Drachen wieder besser geht.“ Mit einem weiteren Dank ließ sie ihren Gegenüber wieder los und huschte noch einmal auf Liberty zu. „Liberty...“, raunte sie glücklich und schlang nun ihre Arme auch um seinen Kopf, wobei man einen seltsamen Laut aus dessen Kehle vernehmen konnte, was sich beinahe nach einer Art zufriedenem Schnurren oder Grunzen anhörte. Die schlangenhaften Schlitzaugen waren wieder klar und auf seinem Gesicht zeigte sich langsam wieder der für einen Drachen typische, respekteinflößende Ausdruck. „Alister? Könnten wir ihn vielleicht hier lassen?“ Immer noch besorgt strich dessen Reiterin über den anmutigen Drachenkopf, als sie Alister ansprach. Doch noch während sie zu ihrem Drachen gewandt stand, sah sie aus den Augenwinkeln heraus plötzlich, dass sich dieser schmerzgeplagt den Arm hielt. Als sie sich ihm dann jedoch zuwandte, zwang er sich zu einem Lächeln und nickte. „Er kann hier bleiben. Hier wird er... sicher sein...“ Auch, wenn er die Schmerzen versuchte zu überspielen und sich nichts anmerken zu lassen, war es für seinen Schützling mittlerweile einfacher ihn zu lesen. „N.. nichts.“, gab er an, als sie ihn erneut ansprach, was los sei. Die Besorgnis stand auf ihrem Gesicht geschrieben und sie wurde etwas hartnäckiger. „Man sieht euch aber dieses ‚Nichts‘ an! Verflucht, nun sagt schon was ihr habt, oder muss ich euch zwingen, es preiszugeben?“ Liberty hatte sich erschöpft, jedoch auf bestem Weg der Genesung in einer Ecke zusammengerollt und Alanya konnte sich ganz ihrem neuen Bekannten widmen. Ein weiterer stechender Schmerz durchfuhr anscheinend Alisters Körper und dieses Mal konnte er es nicht verbergen. „Ich...“, setzte er an und die Jüngere stützte ihn hastig, während sie fluchte. Damit er ihr nicht doch umkippte, lehnte sie sich mit ihm an die Wand. „Was habt ihr?“, wollte sie diesmal eindringlicher wissen und es klang nicht mehr nach einer Frage. „Es ist... Phoenix.“, brachte er endlich hervor. „Was, was ist mit ihm?“, bohrte sie weiter. „N...nichts. Kalster hat ihm anscheinend nur zwei Federn herausausgerissen.“ Federn herausausgerissen? Es war unglaublich, wie sehr dies wohl schon schmerzen musste! Was dann wohl erst wäre, wenn er etwas schlimmeres tat? Langsam erst verstand sie wirklich, was ihr Retter damit gemeint hatte, als er sagte, sein Leben hinge an diesem Tier. Es war keine Floskel und es bezog sich nicht nur auf seinen Tod. Auch die Schmerzen des Tieres teilte er, ähnlich wie Alanya, nur dass es ihn auch physisch betraf. „Wie konnte er nur?“, entfuhr es ihr besorgt. „Ich werde hingehen und ihn eintauschen! Ich kann es nicht tatenlos mit ansehen, wenn er euch leiden lässt. Der Vogel kommt frei! Das verspreche ich euch, und ihr könnt mich diesmal nicht aufhalten!“ Schon wandte sie sich zum Gehen. „NEIN! Ihr werdet es nicht tun!“, er ergriff abermals ihr Handgelenk. „Doch!“ Tränen der Wut rannen ihre Wange hinab. „Ihr sollt nicht leiden müssen. Ich kann es nicht verantworten. Er hat euch vollkommen in der Hand, das kann und werde ich nicht zulassen!“ Die Wut, die Sorge und das Entsetzen ließen sie leicht frösteln und frieren. Voller Überzeugung traf ihr Blick den seinen, doch er drückte ihr Handgelenk nur noch fester. „Ich will es nicht, versteht ihr? Und wenn er ihm noch mehr Federn ausreißt, der Handel steht. Und genauso bleibt es! Ich will nicht, das er euch anfasst!“ Frustriert, so wenig hilfreich zu sein, biss sie sich stark auf die Unterlippe. „Aber.. ihr leidet. Ich sehe es doch. Ich möchte euch helfen!“ Wieso nur ließ nicht zu, dass sie ihm half? „Aber nicht so“, entgegnete er ihr ernst. „Kein Leid könnte größer sein, als die Vorstellung, dass dieser Kerl seine schmutzigen Hände an euch hat. Nein, bitte... soll er tun was er denkt, aber DAS will ich nicht.“ Wortlos sah sie ihn gerührt an, reagierte hingegen sofort, als er an der Wand hinabsank und setzte sich erschöpft neben ihn. Dabei legte sie ihren Kopf an seiner gesunden Schulter. ab „Wann ist das hier endlich vorbei?“ Zum dritten Male nun, legte er sachte seine Arme um sie und genoss ihre Nähe. „Ich weiß es nicht. Solange ich denken kann besteht mein Leben aus lauter solcher Gefahren und Geschehnissen. Das ist mein Schicksal, ich wollte euch nicht mit hineinziehen. Es tut mir Leid…“ Abweisend schüttelte sie auf seine Antwort den Kopf. „Nein, schon in Ordnung. Mich macht es nur krank, dass ihr leidet. Ich habe schon einiges mehr hinter mir.... Jetzt geht es Liberty besser und man muss euch dafür leiden lassen. Ich kann den Gedanken nicht ertragen, nichts tun zu können, wo ihr doch bereits so viel für mich getan habt! Was sollen wir denn jetzt tun?“ Er zuckte leicht mit den Schultern, gerade so, dass es ihn nicht schmerzte. „Wir können nichts tun. Ich werde einen Immunitätsvertrag aufsetzen und dann werden wir ihn gegen Phoenix eintauschen.“ „Gut“, sagte sie, während sie auch schon aufstand und ihm ihre Hand reichte. „Dann sollten wir uns wohl besser beeilen, bevor er noch auf dümmere Ideen kommt.“ Zustimmend griff ihre Hand und stand ebenfalls auf. „Ja...“ Gemeinsam verließen sie die Zitadelle durch den gleichen Schleichweg zum Schloss, wie sie bereits hergekommen waren. An einer Treppe wandten sie sich schließlich zu einer anderen großen Türe, die wohl zu einer Bibliothek führte, wie sie sich erinnerte. „Hier ist mein Arbeitszimmer und hier werde ich den Vertrag aufsetzen.“, erklärte er kurz und bündig. „Gut... Ich bin dafür alles möglichst schnell zu regeln, also worauf warten wir?“, sie versuchte ein Grinsen aufzusetzen, es wirkte jedoch gekünstelt und gezwungen in dieser Situation. Zusammen durchquerten sie die Bibliothek und betraten ein dahinterliegendes, großes Arbeitszimmer. Ohne Umschweife setzte sich der König hinter den Schreibtisch und begann den Vertrag zu verfassen. Nach der letzten Unterschrift, stellte er die Feder in die Halterung und las ihn sich ein weiteres Mal durch, um Fehler auszuschließen. „So...“ Er war recht zufrieden mit der Ausfertigung. „Fertig?“, fragte Alanya ungeduldig und hoffnungsvoll, als bereits Erleichterung den Platz der großen Unruhe in ihr einnahm. „Dann sollten wir ihn schnellstmöglich eintauschen, bevor noch etwas Schlimmeres passiert und dieser Kalster wilde Fantasien hat!“ Kapitel 8: Aufopferung ---------------------- Nach Abschluss der Anfertigung rollte Arynias Herrscher stehend das Pergament zusammen und verkündete gerade, dass sie gehen sollten, als ein weiterer Schmerz ihn zu durchfahren schien. Die Pergamentrolle fiel ihm dabei aus der Hand und es schien schlimm genug, dass er sogleich in die Knie ging. Seine Hand presste sich auf seinen Oberarm und Alanya vermutete, dass ihr Widersacher das selbe tat wie davor. Es konte nicht so weitergehen. Deshalb ergriff sie die Rolle und nahm sie an sich. „Ich nehme die Rolle und übergebe sie ihm, ihr könnt unmöglich so gehen!“, mahnte sie ihn eindringlich. Schon keuchte er verbittert, dass er mitkommen würde, allerdings sah sie, wie das Hemd sich unter seiner Hand rot färbte. Es sah nun nicht mehr so aus, als beließe es Kalster dabei, dem Vogel die Federn auszurupfen. Ihre Gesichtsfarbe wich ein wenig aus ihrem Gesicht. „Oh nein! Was hat er getan?!“ Verzweifelt blickte sie zur Türe und gab kurz bekannt, dass sie besser jemanden holte, der sich seine Verletzung einmal ansah, doch packte er ihre Hand. „Nein, wir müssen zu ihm! …. Er weiß mehr über mich, als er preisgegeben hat. Er kennt mein Geheimnis! Er weiß.... genau was er tut... Los... wir müssen... zu ihm!“ Da er zu stur wäre, sich abschütteln zu lassen, stellte sie ihm ihre Schulter zur Verfügung, damit er sich etwas abstützen konnte. Dankbar nahm er ihr Angebot auch an, so dass sie bald darauf auf dem Weg zum Hafen waren. Kurz vorher löste er sich dann aus ihrer Stütze und lächelte sie kurz an. „Ich danke euch. Aber ich kann nun wirklich wieder alleine gehen“ Immer wieder warf sie allerdings einen Seitenblick zu ihm, um sicherzustellen, dass dieser Fiesling von Händler sich nicht gerade etwas neues einfallen ließ. Orientierungslos sah der Braunhaarige sich um, da er selbst nicht mitbekommen hatte, woher Kalster das Kraut geholt hatte. Dafür aber seine Begleiterin. „Ich habe gesehen, wie er in diese Richtung verschwand!“, gab sie ihm fast erleichtert zu verstehen. Mit Hilfe der Richtungsangaben würden sie ihn schon finden! Bald schon entdeckte sie ein recht unheimliches, sehr dunkel gestaltetes Schiff und war sich sicher, dass es zu ihrem neu auserkorenen Erzfeind gehören musste. Als sie es betreten wollten, verstellten ihnen jedoch Männer den Weg. „Wohin?“ Kurz sahen Alister und Alanya sich an, ehe sie fast gleichzeitig den Namen des Mannes nannten, den sie um alles in der Welt schnellstmöglich loswerden wollten. Ein kurzer Augenkontakt der Wachen und sie machten bereits den Weg frei. Somit schien dies auf jeden Fall das richtige Schiff zu sein, dachte Alanya bei sich. Gerade hatten sie den Schiffsrand erreicht, als ihr ungeliebter Gastgeber mit dem Falken bereits aus der Kajütentür trat und sie begrüßte. „Herzlich willkommen auf meinem Schiff eure Majestät!“ Wieder klangen diese Worte gehässig und triumphal, als gleich er demonstrativ dem Falken durchs Gefieder strich. Dieser wirkte weitaus geschundener als noch vor Stunden und der König redete nicht lange um den heißen Brei herum. „Wie vereinbart euer Vertrag! Damit habe ich meinen Teil der Abmachung eingehalten!“ Kalster gebot seinen Männern ihm den Vertrag durchzureichen, der ihn kurz durchlas und freudig grinste. „Sehr schön...“ Nachdem er keine Anstalten machte, den Falken herauszurücken, wurde der Kratianer ungeduldig. „Gebt mir nun meinen Falken!“, forderte er daher seinen Pfand zurück, doch der Mann vor ihm lachte nur auf. „Ich hätte ihn aber viel lieber bei mir.... sehr doch nur, was für einen Spaß ich mit ihm haben kann!“ In seiner Hand erkannte Alanya erst jetzt einen Dolch aufblitzen. Überheblich trat der Schwarzmarkthändler die Rampe etwas hinab. Der Braunhaarige unter ihm verzog das Gesicht vor Schmerz, als Kalster dem Falken erneut in den Flügel schnitt und vor Vergnügen laut auflachte. Er ergötzte sich an dem Bild des leidenden Königs und schien gar nicht genug zu bekommen. „Seht ihr! Es ist einfach zu lustig! Ich tue etwas und prompt folgt die Antwort.“ Das musste aufhören, oder Alister würde letztlich noch sterben in ihrem Beisein. Das konnte sie nicht zulassen! Und so wie es aussah, gab es keinen Ausweg aus dieser Misere. So erniedrigend das folgende sein würde, so wenig machte sie sich besser Gedanken darüber, als die junge Frau die Rampe etwas hochschritt und vor ihm auf die Knie fiel. „Hört auf! Bitte! ...Hört auf!“, bat sie den vor ihr stehenden Mann verzweifelt. Sein Hemd von unten ergreifend, sah sie ihn aus großen, feuchten Augen an. „Ich tue alles was ihr wollt, doch hört endlich auf!“ Weiter lachend trat Kalster hingegen nur einen Schritt zurück. „Wie erbärmlich.“, kommentierte er ihre Bemühung. Betrübt sah sie zu Boden, denn er hatte vollkommen Recht. Noch nie hatte sie sich jemanden derart unterworfen und gebettelt. Niemals. Nicht einmal als Kind oder Jugendliche. Aber was blieb ihnen anderes übrig? Was immer sie für Alister tun konnte, würde sie tun, ohne Rücksicht auf sich selbst. Das widerliche Lachen verstummte und an seiner statt trat ein breites Grinsen auf das widerliche Gesicht. „Mh...“ Er kniete sich vor sie und hob leicht ihr Kinn an, während er sie ausgiebig begutachtete. „Nun... vielleicht wäre da ja etwas...“ Ein Frösteln durchfuhr ihren Körper, als er sie berührte, doch schwieg sie nur und versuchte sich angestrengt unter Kontrolle zu halten. Auf keinen Fall wollte sie, dass er die Reaktionen bekam, die er versuchte heraufzubeschwören. „Nun meine Lebe, wie wäre es...?“ Seine Gehässigkeit war nicht zu überhören und ihr schauderte es erneut. Ihr Begleiter hatte sich endlich aufgerappelt und trat vor, um sie aufzuhalten. „Nein! Fasst sie nicht an!“ Verzweifelt sah Alanya ihn an, stillschweigend auf sein Verständnis hoffend. „Bleib weg! Ich werde tun was er verlangt. Das ist meine Sache, ich kann es einfach nicht ertragen, wenn du derart leiden musst!.“ Ohne es zu wollen hatte sie ihn diesmal geduzt, was glücklicherweise anscheinend nicht aufgefallen, oder aber untergegangen war. Ihr Vertrauter blieb stehen und es schien nicht so, als wollte er sein Einverständnis dafür geben. „Das ist mir egal. Ich ertrage den Gedanken einfach nicht.“ Nun war es an Kalster, sich einzumischen. „Dann denkt einfach nicht daran, eure Hoheit.“, meinte dieser mit einem fiesen Seitenblick, wobei Alanya regungslos hocken blieb. „Alister, ich bitte euch, versteht doch, es ist die einzige Möglichkeit!“ In ihrem Blick lag eine völlige Verzweiflung, denn sie wollte eigentlich nicht, dass er sie derart enttäuscht weiter ansah. Ein weiterer Kommentar erfolgte daraufhin von Kalster. „Nun, mein Lieber, lasst sie doch einfach mal selber entscheiden, was sie will...“ Dieser Kommentar traf auf blanken Hass des Kratianer, doch anstatt etwas zu erwidern, ballte er nur die Hände zu Fäusten und knirschte mit den Zähnen. Alanya schluckte und bereitete sich auf das vor, was noch kommen mochte, hilflos, wie ein Fisch am Angelhaken. „Nun gut... Dann folgt mir meine Schöne!“, forderte der Schmuggler sie auf und wollte mit ihr hineintreten. Wie ihr befohlen stand Alanya zwar langsam auf, sah dann aber noch einmal zu Alister und in seine Augen, bat ihn stumm um Verzeihung. Sie machte bereits die ersten Schritte hinter dem abscheulichen Mann her und ihr Blick sank auf die Erde, als ihr Gefährte nach vorne zu ihr stürmte und ihr Handgelenk zu fassen bekam. „Nein! Ich kann es nicht zulassen...!“ Ein genervter Blick von Kalster traf den Thronerben, jedoch machte es die junge Frau unsicher. „Aber... es ist unsere einzige Möglichkeit,... Alister.“, flüsterte sie hilflos. Weiter hielt er ihren Arm fest, packte sie mit beiden Händen und dachte nicht daran, loszulassen. „Nein, nur über meine Leiche!“ Das sie sich scheinbar einfach nicht einig werden konnten, nervte den Schmuggler zutiefst. „Also, mir ist es vollkommen egal was ihr macht, mir ist alles recht. Aber entscheidet euch!“ Mit festem Blick sah Alanya Alister in die Augen. Wie sollte sie reagieren? Sollte sie ihn ignorieren, damit er in Sicherheit war, sollte sie ihm hier vertrauen, oder gab es doch noch einen anderen Weg? Erst als Kalster sich dem Vogel auf seinem Arm zuwandte und „Tja, Vögelchen, sind wir wohl doch wieder allein!“, sagte, erfasste Alanya einen Plan. Ihre impulsiven Gefühle wandelten sich, aus Angst und Hilflosigkeit wurde Mut und Kampfgeist. Wenn, dann war das die einzige andere Alternative. Es musste schnell gehen, unvorhersehbar, jetzt oder nie. Mit einer äusserst schnellen Handbewegung hatte sie ihr Schwert gezogen und verharrte nach einer ebenso schnellen Drehung mit der Spitze vor Kalsters Kehle. Aus eisigen Augen blickte sie ihn an, denn es langte ihr. „Gebt ihm den Vogel!“, drohte sie ihm und es war hinlänglich zu sehen, dass sie es ernst meinte. Doch statt den Vogel wie geheißen auszuhändigen, war der Mann vor ihn nur einen kurzen Moment sprachlos, bevor er laut loslachte, als hätte er Gefallen an ihrem kleinen Spielchen gefunden. Sein Ton allerdings, als er sprach, war kalt wie immer. „Egal was ihr tut. Ich werde noch die Zeit finden, dem Vogel den Dolch ins Herz zu treiben!“ Erst in diesem Augenblick fiel auf, dass er den Dolch genau vor Phoenix Brust hielt und die Situation änderte sich schlagartig wieder zu seinen Gunsten. Das sie bereits gezögert hatte, um wie Alister eine 'friedliche Lösung' zu finden, hatte ihnen ihren Sieg gekostet. Es war zu spät und die Drohung nun wirkungslos, weshalb sie letztlich auch das Schwert senkte und fallen ließ. Trotz dessen, dass er am längeren Hebel saß, atmete ihr Gegenüber auf und grinste wieder um so breiter. „Na also! Sind wir also doch vernünftig. Und nun...“ Der Blick dieses Monsters traf den armen Vogel und seine Augen blitzten auf. Noch während die Blondhaarige ihn anschrie, was er vorhatte, streckte er den Flügel des Falken aus, erklärte, dass er nur etwas Spass habe und man hörte bereits das Brechen und Knirschen der Knochen. Der König ging mit einem Schmerzenlaut zu Boden und auch der Falke schrie vor Schmerz. Der Flügel des Falken hing regelrecht leblos hinab, da die Knochen darin gebrochen waren. Das selbe Bild bot Alister und ihr Herz setzte fast aus. Sie sprang mit einem 'Nein' nach hinten und stützte ihren Begleiter kurz ab. Hasserfüllt wandte sie den Blick diesem Sadisten zu, dem es anscheinen Spaß machte, Menschen leiden zu lassen. „Mein Angebot steht! Aber hört auf damit!!!“ Der Kratianer schaffte es kaum mehr, als ein schwaches 'Nein' herauszubringen, zu groß waren die Schmerzen, die sich über seinen gesamten Arm zogen. „Entscheidet euch! Kommt zu mir, und ich lasse den Vogel in Ruhe.“ Vorsichtig setzte Alanya ihre Hoheit hin und sah nur kurz zu, dass er an dieser Stelle nicht in Gefahr wäre, bevor sie sich Kalster und seinem Angebot zuwandte. Entschlossenen Schrittes trat sie auf ihren Gegenüber zu. „Ich bin da... Lasst den Vogel frei!“ „Nun gut.“, waren die einzigen Worte die darauf folgten und gleichzeitig, als er ihr Handgelenk packte, warf er den verletzten Vogel dem Braunhaarigen einfach vor die Füße. Ein weiteres Mal folgte darauf ein schmerzerfülltes Stöhnen von Falke und König. Es bedurfte keiner Worte mehr, als der Schwarzmarkthändler die junge Frau hinter sich in seine Kajüte zog. Das schwache, letzte „Nein“ von Alister ging vollkommen unter. Die Blondhaarige wehrte sich nicht mehr, denn es war offensichtlich, dass er gesiegt hatte. Eine aufkommende Übelkeit bereitete ihr Unbehagen und dennoch spürte sie die Erleichterung zu wissen, dass Phoenix frei war und ihr Retter vorerst damit in Sicherheit. Das alleine zählte in diesem Moment. Kurzzeitig schloss sie ihre hellblauen Augen um sich zu sammeln, am liebsten hätte sie wohl geschrien, aber kein Laut drang aus ihrer trockenen Kehle... Der ältere Mann schloss hinter ihr die Türe der Kapitänskajüte und sie spürte, wie sie es nicht unterdrücken konnte, ein wenig zu zittern. Ihr Blick wandte sich von ihm ab, denn sie wollte ihn nicht ansehen müssen, während der Dunkelhaarige sich auf seinen der Stühle setzte und ihr gebot, sich ebenfalls zu setzen. Schweigend und wenigstens einen Teil ihres Stolzes wahrend, blieb sie stur stehen und wandte ihren abweisenden Blick gänzlich von ihm ab. Der Schmuggler stand erneut auf und trat langsam auf sie zu. „Meine Liebe, darf ich euch daran erinnern, dass es eure Entscheidung war? Und natürlich auch euer Angebot!“, wies er sie zurecht. Natürlich wusste sie, dass er Recht hatte, aber das hieß noch lange nicht, dass sie einfach so mitspielte und es ihm einfach machen würde. Außerdem hatte sie nie angeboten, dass sie ein Gespräch führen würde. Mit einem nachdenklichen, aber amüsierten „Mh...“, verließ er den Tisch und schlich wie ein Tiger um seine Beute herum. Scheinbar eindeutig ließ er seine Hand und seine Finger über ihre Schulter gleiten. „Nun... was machen wir jetzt mit euch...“ Zwar durchfuhr ein erneutes Zittern ihren Körper, doch sie richtete sich stolz auf und straffte ihre Haltung. Ein wenig arroganz lag nun in ihrem Blick. Eine seiner Hände fuhr über ihre Schulter hinweg herüber zu ihrem Dekolette, als seine Lippen nur noch Millimeter von ihrem Ohr entfernt waren. „Ich spüre eure Furcht, meine Liebe!“, hauchte er ihr ins Ohr und sie glaubte, die Spitze seiner Nase dort zu spüren. „Ach ja?“ Es schauderte sie. Belustigt ließ er die andere Hand über ihre Seite wandern. „Oh ja...“ Mit nur einer Bewegung hatte er sie herumgedreht und sie hatte keine Wahl, als ihn nun anzusehen. Langsam, damit sie alles wie in Zeitlupe erleben musste, legte er eine Hand unter ihr Kinn und betrachtete sie kurz mit einem Grinsen auf dem Gesicht. Unverhohlen presste er seine Lippen auf die Ihren, wobei sie scharf Luft einsog, so unangenehm, wie es ihr war. Gleichzeitig ließ er seine Hand über ihren Bauch hinab fahren. Gerade hatte er seinen aufgezwungenen Kuss gelöst, als er Kinn etwas seitlich warf, so dass sie zurücktorkelte. Erneut ging er um den Tisch herum und setzte sich. „Ich hätte doch den Falken behalten sollen...“ Sofort hatte sich die junge Frau gefangen und einen stabilen Stand gefunden. „Das habe ich glücklicherweise zu verhindern gewusst!“, hörte man diesmal ihre beinahe triumphierenden und arroganten Worte. „Dann kann ich also gehen, wenn ich nicht euren Ansprüchen reiche?“, hegte sie die Hoffnung, auch, wenn es sich gleichzeitig seltsamerweise beleidigend anfühlte. Diese Hoffnung ließ er sogleich mit einer Verneinung platzen. „Nein, ihr dürft nicht gehen! Erst, wenn ich von euch bekommen habe, was ihr mir versprochen habt!“ Diesmal verriet sein Gesicht keine Regung oder Emotion und sie merkte, wie sie etwas unsicher wurde. „Von welchem Versprechen reden wir hier?“, fragte sie ernst nach. Da sie beinahe davon ausgegangen war, dass er als Mann nur einen Wunsch hegte, wie die meisten, war ihr nicht mehr bewusst, wie ihr genauer Wortlaut gelautet hatte. Mit einem leichten Schmunzeln half er ihr auf die Sprünge, wobei ihn ihre Unsicherheit befriedigte. „Euer Angebot war, zu tun, was ich will, beziehungsweise mir einen Wunsch zu erfüllen, was auch immer dies sein mag!“ Nervös spielte sie mit ihren Fingern, denn eine solche Situation kannte sie nun doch nicht. „Und... und was verlangt ihr?“ Mit Wohlgefallen in der Stimme genoss er ihre Angst und Zweifel. „Das muss ich mir noch gut überlegen....“ Ihre Nerven waren bis zum zerreissen gespannt. „Noch länger und ich gehe!“ Ein wenig lehnte er sich vor. „Und ihr werdet mir meinen Wunsch erfüllen, so war die Abmachung...“, erinnerte er sie ein weiteres Mal. Ihr Schweigen gab an, dass sie darüber sehr wohl gewahr war. Der schmierige Pirat beugte sich über den Tisch, wobei sein Blick sie nun fixierte, als er sich wohl entschlossen hatte, was er im Gegenzug bekommen wollte. „Also gut... ich will die Flammenklinge! Bringt sie mir und ihr dürft gehen!“ Flammenklinge? Davon hatte sie noch nichts gehört, so dumm sie sich gerade auch vorkommen mochte. Es klang nach einem Schwert, aber generell gab es auf der Welt viele dutzende Schwerter! Woher sollte sie also genau dieses nun erhalten? „Was ist die Flammenklinge, und wo bekomme ich sie her?“, hakte sie daher mit eher unsicherer Stimme nach. Betont lässig hob ihr Verhandlungspartner die Schultern und grinste nur provokant. „Das werdet ihr schon herausfinden... seine Majestät muss es wissen.“ Ohne es zu wollen, atmete sie etwas auf, auch, wenn ihr der Gedanke nicht behagte, dass etwas Anderes einen so hohen Wert hatte, dass Kalster es unbedingt besitzen wollte. Trotzdem war sie erleichtert, nicht erneut mit den Gefühlen nach einem vollzogenen, nicht gerade gewollten Akt zu leben. Auch wenn sie dieses Gefühl nur zu gut kannte und es gewohnter war, als ihr lieb, verblasste die Scham nach etwas dergleichen nur wenig. „Darf ich nun gehen?“ Nach all der Anspannung fühlte sie die Erschöpfung in sich aufsteigen und ihr Gegenüber nickte bejahend, ehe er sie kurz noch einmal anhielt. „Ach ja, falls ihr vorhabt mich über's Ohr zu hauen, würde ich es euch nicht empfehlen. In den Adern des Vögelchen fließt ein langsam wirkendes Gift. Das Gegenmittel besitze nur ich. Das war meine kleine Versicherung, für den Fall dass es wirklich dazu kommen sollte und ihr euch 'opfert'.“, grinste er breit, als hätte er bereits alles geplant gehabt. Ebenso erschreckend war es gewesen, dass er das seltene Kraut gerade auf dem Schiff gelagert hatte. Alanya versuchte den Gedanken abzuschütteln, dass möglicherweise alles ein abgekatertes Spiel gewesen war. Selbst, wenn dem so wäre, war es unmöglich sich aus den Fängen zu befreien. Sie musste tun, was er verlangte und Alister durfte dabei nichts davon erfahren. Trotzdem spürte sie diese unsägliche Wut in sich darüber, dass er soviel Macht über sie hatte. „Ihr mieser...“, entfuhr es ihr und ihr wäre sicherlich noch etwas passendes eingefallen, wäre er ihr nicht mahnend ins Wort gefallen. „Na na na! Jetzt nicht frech werden! Wenn ihr mir die Klinge bringt, bekommt ihr das Gegengift und ~eurem~ König passiert nichts. Aber hütet euch davor ihm auch nur ein Sterbenswörtchen hier von zu sagen!“ Die junge Frau hatte keine Ahnung, wie sie es hinbekommen sollte, unbemerkt nach etwas derart explizitem zu fragen, ohne ihm von diesem Deal zu erzählen, jedoch schien dieses Scheusal es ernst zu meinen. „Ihr seid übrigens abstoßend, hat euch das schon einmal jemand gesagt?“ Mit verärgerten Blick ließ sie ihn wissen, was sie von ihm hielt. Wegen solch einer Kleinigkeit würde er den Deal schließlich nicht platzen lassen. „Meine Liebe... als Schmuggler bekommt man so etwas häufiger zu hören...“, lachte er tatsächlich nur kalt und eher amüsiert, als verärgert. „Also- bringt mir die Klinge, oder seht Falken und König gleichsam beim Sterben zu!“ Ihre Wut verblasste gleichzeitig mit ihrer Gesichtsfarbe, die wie ein Blatt im Wind entwich. Bei dem Gedanken zitterten ihre Beine erneut und ihre Knie waren wackelig. „Wieso... wollt ihr gerade diese Klinge?“, fand sie dann immerhin die Kraft nachzufragen. „Das fragt ihr noch? Sie ist ein Unikat und ein wertvolles Handelsobjekt! Es gibt viele, die ein Vermögen für sie ausgeben würden!“ Es ging hier also um einen finanziellen wert, das ließ sie beinahe aufatmen. Gerade hatte sie die Frage ausgesprochen, weshalb die Klinge so wertvoll sei, als der Ältere sie anfuhr. „Sollt ihr Fragen stellen? Nein! Also, bringt mir die Klinge! Erfährt der König auch nur ein Wort davon, könnt ihr euch von ihm verabschieden!Ihr habt Zeit bis morgen um Mitternacht!“ Mit einem Schauer, der durch ihren Körper ging, senkte sie devot den Blick. Ein letztes Nicken erfolgte, bevor sie sich von ihm abwandte und in Richtung der Türe schritt, ehe sie eilig hinaustrat und diese zügig hinter sich schloss. Ein paar Sekunden verweilte sie auf dieser Seite der Türe und atmete noch einmal tief durch. Endlich fing sie siech wieder zur genüge um die Rampe hinabzueilen und sich zu Alister zu knien. „Wie geht es euch?“, fragte sie besorgt, wobei er erschrocken zu ihr aufsah. „Was hat er euch getan?“ Ohne zu antworten, stellte er gleich eine nervöse Gegenfrage. Sie wendete den Blick von ihm ab. „Nichts... er... er hat mich gehen lassen... scheinbar... habe ich ihm nicht genug... gefallen.“ Sein Blick war beinahe ungläubig. Dennoch, alleine die Erinnerungen an seine Berührungen, verursachten erneut eine Gänsehaut und ein kurzes Zittern. Ihr Begleiter richtete sich unter starken Schmerzen auf, auch wenn sein linker Arm schlaff herunterhing. Kläglich fiepsend verweilte der Falke unterdess weiter am Boden. „Wartet, ich helfe euch!“ Gerade wollte sie seine gesunde Schulter stützen, als er sie unerwartet leicht von sich schob. „Helft nicht mir, nehmt bitte Phoenix!“ Da es sein Wunsch war, hob sie behutsam den verletzten Vogel vom Boden auf und bettete diesen bequem auf ihren Arm. Sanft streichelte sie über das Gefieder des Falken, dort, wo er unverletzt zu sein schien und konnte spüren, wie er sich etwas entspannte. „Danke, lasst uns zurück zum Schloss gehen. Phoenix muss versorgt werden!“, gab der König die klare Anweisung. Der besorgte Blick der jüngeren Frau blieb an ihm haften. „Wie... fühlt ihr euch? Habt ihr große Schmerzen?“ Seine Verneinung war eine Lüge, dass erkannte sie sofort, doch scheinbar wollte er nicht darüber reden. „Phoenix ist jetzt wichtiger, wenn es ihm besser geht, geht es auch mir besser.“ Bei allem was sie bisher erfahren hatte, klang diese Aussage glaubhaft. Umso vorsichtiger agierte sie nun mit dem Vogel in ihrem Arm. Ein Frösteln durchfuhr erneut ihren ganzen Körper, als sie sich erinnerte, dass es ihm NICHT besser gehen würde. Nicht, bevor sie das Flammenschwert besorgt und gegen das Gegengift getauscht hatte! Schweigend ging sie nun in seinem Tempo neben ihm her und hätte kein Thema gefunden, über das sie mit ihm Reden wollen würde. Ihr Schweigen ließ deutlich ihr Unwohlsein erkennen, weder kam ein zynischer, noch ein sarkastischer Spruch, oder eine freche Äußerung. Der Deal nagte an ihr, denn sie wusste bis jetzt nicht, worum es sich hier genau handelte. Gemeinsam erreichten sie das Schloss, wo sich die Dienerschaft ihnen gleich annahm und den König samt Falken in dessen Zimmer verbringen ließ. Die Blondhaarige dagegen wurde in das Ihre verbracht und legte sich hernieder zu einer schlaflosen Nacht. Kapitel 9: Das Geheimnis der Flammenklinge ------------------------------------------ Mitte des nächsten Tages konnte der König seinen Arm bereits wieder bewegen. Damit war es offensichtlich, dass Phoenix kein normaler Falke war, sondern ein magisches Geschöpf, dass sich viel schneller regenerierte, als sie es erwartet hätte. Auch, wenn sie dankbar dafür war, wusste Alanya, dass die größte Hürde noch vor ihr stand. Es war bereits mittag und immer noch, wusste sie nicht, was diese Flammenklinge war und wo sie sie finden konnte. Bei einem Mittagessen am Tisch, sprach sie ihn also endlich darauf an und hoffte lediglich, Worte zu finden, die sie nicht verdächtig werden ließen. „Alister? Ich habe auf dem Hof-.... etwas aufgeschnappt. Zwei der Wachmänner unterhielten sich über eine 'Flammenklinge'... Wisst ihr, was diese Flammenklinge ist?“ Zwar war sie damit recht frontal, was ihr Anliegen anging, doch viele Möglichkeiten blieben ihr nun auch nicht. Von all den Alternativen hatte sich diese als möglicherweise schlüssigste Option erwiesen. „Die Flammenklinge?“ Ein wenig verwirrt schien er dennoch. „Ja natürlich... das ist mein Schwert.“ Sein Schwert also... ein kurzer Funke der Hoffnung trieb sie dazu an, weitere Fragen zu stellen. Das er irritiert von ihrer Frage war, war nur verständlich, doch sein Gesicht verriet nichts darüber, dass er ein Misstrauen hegte. „Ah! Also das, welches Ihr immer mit euch führt? Ich hatte mich lediglich gewundert, worüber sie sprachen, da ich den Begriff bis heute nicht gehört hatte.“ Soweit so gut. Das war beinahe noch der einfachere Teil gewesen. Die schwierigsten folgten erst noch. „Tragt ihr es eigentlich immer bei Euch?“ Inständig hoffte sie, kein stärkeres Misstrauen zu wecken. „Nein, natürlich nicht. Nachts, oder manchmal auch am Tage, wenn ich die Zeit im Schloss verbringe, lege ich es ab, wie jetzt.“ Sein Gürtel war tatsächlich waffenlos. Allerdings war es zu auffällig, wenn das Schwert nun verschwende, so viel stand fest. Er sagte tagsüber... oder auch nachts. Zweites erschien ihr von größerem Vorteil, auch wenn es bedeutete, dass die Zeit knapp bemessen sein würde! „Weshalb fragt ihr?“ Da war sie, die Frage die sie befürchtet hatte. Zwar hatte sie sich eine Antwort parat gelegt, jedoch war sie sich nicht sicher, dass er skeptisch werden würde. „Ich weiß es nicht... Wahrscheinlich weil ich es das meine immer mit mir führe, allerdings auch zwischenzeitlich ablege, während einer der Großen Vier es nicht einmal zum schlafen abnimmt! Eine erstaunliche Angewohnheit... und irgendwie... hat es mich interessiert ob Ihr eher seine, oder meine Sicht über das Waffenmitführen teilt.“ Sie schenkte ihm ein ablenkendes Lächeln, dass zudem ihre Nervosität überspielen sollte. „Da fällt mir ein... ich lege das Meine dennoch immer direkt neben mein Bett ab, sobald ich schlafen gehe, um es immer griffbereit zu haben. Liegt eures auch neben euch?“ Kurz überlegte der Braunhaarige. „Normalerweise wird es bei der Krone im Thronsaal aufbewahrt... aber ich persönlich stelle es auch nachts lieber neben mein Bett.“ Fröhlich lächelte sie und schmunzelte kurz. „Eine Angewohnheit also, die wir teilen.“ Damit war die kurze Freude hingegen schon wieder wie fortgeweht, denn sie hatte nun die Informationen, doch die Aufgabe ihn zu bestehlen, bereitete ihr großen Kummer. Tief atmete die junge Frau durch, als sie den Teller weitestgehend geleert hatte. „Ich hoffe ihr entschuldigt mich, Mylord...“, ein kurzes neckisches Lächeln folgte. „...aber ich hatte vor, noch ein wenig mit meinem neuen Bogen zu trainieren.“ Ohne eine Vorahnung entließ er sie mit einem ebenfalls freundlichen Lächeln und stand seinerseits von der Tafel auf, bevor er in Richtung der Bibliothek verschwand. Alanya hatte nun ziemlich viel Zeit, die sie noch totschlagen musste und ihr Blutdruck erschien dauerhaft erhöht. Die Nervosität ließ sie kaum zur Ruhe kommen, eher noch wurde es immer schlimmer. Wie angekündigt betrat sie tatsächlich den Übungsplatz mit ihrem Bogen, den ihr der König gütig vermacht hatte. Ein Stich im Herzen deutete an, wie schwer es ihr fiel diese Güte zu enttäuschen und ihm etwas zu stehlen, was ihm wohl lieb und teuer war. Aber, so sagte sie sich, war es nur zu seinem Besten! Das Training selbst verlief ernüchternd, denn nicht ein Pfeil wollte sein Ziel treffen. Eher noch musste sie an diesem Tage Acht geben, dass sie sich nicht selbst aus mangelnder Konzentration verletzte. Niedergeschlagen ließ sie Pfeil und Bogen sinken und steckte Ersteren zurück in den Köcher, bevor sie auch den Bogen wieder über die Schulter schwang. Frustriert und mit schlechtem Gewissen ließ sie sich in das Gras sinken, um ihren Gedanken einfach nur zu folgen, die sie schon bisher stets verfolgten, was sie auch tat. Die Wachen, welche vorbeikamen auf ihrem Wachrundgang, würdigten sie kaum eines Blickes. Erst gegen Abend hatte die Zweiundzwanzigjährige Bogen, Köcher und Pfeile wieder zurückgestellt in ihren Schrank, sich umgezogen und war zum Essen erschienen. Es verlief beinahe wie immer, mit dem Unterschied, dass sie keinen Bissen hinunter bekam. Auf die Frage, was los sei, gab sie an, sie habe sich wohl mit irgendetwas den Magen etwas verdorben. Seine Besorgnis ließ ihr Schuldbewusstsein nur noch weiter wachsen, als sie sich frühzeitig erhob um in ihr Zimmer zu gehen. Ohne seine neue Untermieterin entschied der König wohl, das Bett ebenfalls früher aufzusuchen, was Alanya in die Karten spielte. Diese lag bereits auf der Lauer und beobachtete den Kratianer heimlich. Ebenso unerkannt schlich sie langsam hinter ihm her, darauf wartend, dass sich irgendwann die passende Gelegenheit bieten würde, auch, wenn es möglicherweise noch ein oder zwei Stundendauern würde. Etwa eine dreiviertel Stunde musste sie heute nur warten, bis es im Zimmer mucksmäuschenstill geworden war. Ein erster Blick durch den Spalt an der Türe, die sie so leise wie möglich geöffnet hatte. Seine Atmung ging regelmässig und seine Augen waren geschlossen. Es sah ganz so aus, als wäre er bereits erschöpft eingeschlafen. Kein Wunder, nach den letzten Tagen. Auch die junge Frau hätte gerne einmal wieder die Augen zugemacht, doch daran war nicht zu denken. Kurz schluckte sie, als sie nach Betreten des Zimmers bemerkte, dass der König beinahe unbekleidet war und die Decke nur das allernötigste bedeckte. Glücklicherweise konnte niemand in der Dunkelheit ihre Röte wahrnehmen, selbst, wenn jemand sie nun gesehen hätte. Und wie friedlich er aussah! Ihr Herz pochte kurz, bis sie es wieder unter Kontrolle brachte. Ihre Schritte waren elfengleich und berührten kaum den Boden. Vollkommen lautlos bewegte sie sich weiter zu der Stelle, an dem das Schwert an das Bett gelehnt stand. Unbemerkt streckte sie die Hand danach aus, nahm es an sich und steckte es lautlos in ihren Waffengürtel neben ihr eigenes Schwert. Wieder warf sie erst einmal einen Blick durch den Türspalt nach draußen, um sicherzugehen, dass keine Wache zu sehen war. Geschwind hatte sie des Königs Gemach verlassen und nahm schnellen Schrittes, die Wachen umgehend, den Weg zum Hinterausgang. Schon von hier aus konnte sie im Dunkeln erkennen, dass das große Tor geschlossen war. Es zu öffnen würde aufmerksam auf sie ziehen und zu laute Geräusche machen. Es musste ein anderer Plan her! Flink und leise suchte sie an der Schlossmauer nach Lücken oder anderen Möglichkeiten, hinauszugelangen. Deutlich waren plötzlich Schritte zu vernehmen und ihr Herz begann zu rasen. Sie brauchte ein Versteck – und das möglichst sofort! Eine der Nachtwachen kam auf ihrer Patroullie in Sicht, hatte sie allerdings noch nicht bemerkt. Hoffentlich hielt ihr Glück an! Ohne einen zweiten Blick warf sie sich so leise es ging in einen Busch , der neben ihr wuchs, wobei sie Stiche und Kratzer über ihren ganzen Körper verspürte. Ein Dornenbusch! Ausgerechnet ein Dornenbusch! Wahrscheinlich war es die Strafe für das, was sie hier tat. Sie war recht weit abseits der allgemeinen Plätze und kannte sich hier selbst nicht aus, sonst hätte sie sich gemerkt, wo sie sich nicht verstecken sollte. Die kleinen Wunden auf ihrer Haut brannten eigenartig, doch dies war nicht wichtig. Wichtig war einzig und alleine, dass sie das Schwert gegen das Gegengift austauschte. Nur einen Augenblick noch verweilte sie, bis die Wache ganz außer Sichtweite war und sah sich erneut um. Unweit von ihr entfernt erwuchs ein riesenhafter Baum aus der Erde, der bis über die Mauer ragte. Wahrscheinlich ihre einzige Chance für ein Entkommen. Mit blossen Händen zog sie sich den rauen Stamm empor und hangelte sich über die Äste hin zu der Schlossmauer, die sie schließlich überwand. Wie eine Katze kletterte sie die Mauer hernieder und begann, im Laufschritt den Hafen anzuvisieren. Ohne weitere Zwischenfälle, kehrte sie bald dort ein. „Halt, wer da?“ Ein Mann verstellte ihr dort hingegen den Weg. „Es ist nicht wichtig WER ich bin, ich muss mit Kalster Moreen sprechen. Ich habe etwas, dass er sehnsüchtig erwartet...“, knurrte sie diesen unwirsch an. Anscheinend wusste der Mann Bescheid, denn mit den Worten „Folgt mir“ führte er sie erneut zur Kajüte hin. Nur widerwillig trat sie ein zweites Mal hier ein und schnitt kurz eine Grimasse. Der Anführer dieser Schmugglerbande stand gerade über eine Seekarte gebeugt, als er sie erkannte und freudig lächelte. „Ah meine Liebe... ich dachte schon ihr kommt nicht mehr... habt ihr mir etwas mitgebracht?“ „Ich bin nicht eure Liebe!! Und..., ja“, fuhr sie ihn zischend an. Nachdem sie das Schwert von ihrem Gürtel gelöst hatte, hielt sie es ihm hin, zog es jedoch zurück, als er danach greifen wollte. „Erst das Gegengift!“ Aus seiner Tasche holte er eine kleine Phiole heraus, die er ihr bei einem zeitgleichen Austausch überreichte. Hoffnungsvoll umschlossen ihre Finger die wertvolle Phiole und sie schloss erleichtert für wenige Sekunden die Augen. „Nun dann... habt keine Angst, es wird wirken... Lebt wohl, MEINE LIEBE“ Seine Finger hatten das Schwert gierig umschlossen, als er sie verabschiedete und ein Mann betrat die Kajüte, der Alanya grob des Schiffes verwies. Trotzdem hörte sie noch die Worte, die Kalster aussprach, ohne die junge Frau dabei als potenzielle Gefahr wahrzunehmen. „Wir legen morgen Mittag ab.“ Nickend hatte der Mann sie daraufhin hinaus geschoben und von Bord hinab gestossen. Ein lautes, triumphales und erschreckend fröhliches Lachen erklang aus der Kapitänskajüte, was selbst außerhalb mehr als deutlich hörbar war. Kurz schluckend, rannte sie zurück zum Schloss, denn Phoenix brauchte das Gegenmittel. Auf ähnlichem Wege schlich sich die Diebin wieder ins Schloss zurück, wo sie das Zimmer betrat, in dem Phoenix momentan verblieben war. Mit gutem Zureden brachte sie ihn dazu, die Flüssigkeit aus der kleinen Phiole zu trinken. Aufatmend strich sie ihm über das Gefieder. „Jetzt wird alles wieder gut...“ Trotz dieser Worte zitterte ihre Stimme. Es schien ewig zu dauern, bevor sie ihr eigenes Gemach erreicht hatte und erschöpft aufs Bett fiel. Nicht einmal die Kleider zu wechseln schaffte sie, der heutige Tag forderte seinen Tribut, indem sie regelrecht ohnmächtig in einen schlafähnlichen Zustand glitt. Am nächsten Morgen erwachte der König in der Frühe und zog sich zunächst eine feste Hose an, verzichtete aber zunächst auf ein Hemd. Die Sonne war gerade erst aufgegangen und derart spärlich bekleidet trat er hinaus auf den Flur. Es verschlug ihn hin zu Alanyas Gemach und er lauschte an der Türe, um festzustellen, dass sie wohl noch schlief. Vorsichtig trat er bereits wieder zurück, um in sein eigenes Zimmer zurückzukehren, als er in einen ebenfalls unachtsamen Diener lief, dessen Silbertablett scheppernd zu Boden fiel. Mit pochendem Herzen schrak die Blondhaarige aus ihrem albtraumbehafteten Schlaf und suchte hektisch nach der Ursache für diesen Krach. Da diese nicht innerhalb des Zimmers zu finden war, musste es wohl ausserhalb gewesen sein, womöglich direkt vor ihrer Türe. Einen Spalt breit öffnete sie die Türe, wo sie einen Diener beobachten konnte, wie er sich immer wieder bei Alister entschuldigte, der gütig wie immer abwinkte. Trotz der Ablenkung, hatte der Kratianer sofort bemerkt, wie sich die Türe zu ihrem Zimmer geöffnet hatte, daher nahm sie die Gelegenheit wahr, um sich nach ihm zu erkundigen. „Oh! Ihr seid es... wie … wie... wie fühlt ihr euch heute?“ Ein dicker Kloß saß ihr noch von gestern Nacht im Hals und ihre Stimme wirkte ein wenig heiser. „Schon wieder recht gut... und ihr?“ Dieses freundliche Lächeln machte sie in diesem Moment regelrecht fertig. Wenn er wüsste, was sie getan hatte, würde er es ihr gewiss nicht mehr schenken. „Auch...“, log sie allerdings. Das sie irgendwann mit ihm darüber sprechen musste, war ihr bewusst, aber sie konnte es nicht. Versehentlich schwang die Türe etwas weiter auf, als ihr lieb war und genauso schnell zog sie diese wieder weiter zu. Die zerrissene Kleidung und die vielen Schürfwunden und Kratzer würden sicher für Tumult sorgen, wenn er sie sah. Zwar hatte der Braunhaarige einen Blick erhaschen können, jedoch glaubte er, sich versehen haben zu müssen. Das stand ihm deutlich ins Gesicht geschrieben. Erst jetzt bemerkte sie, dass ihr neuer Vertrauter lediglich mit einer Hose bekleidet war und ihr Blick schon seit geraumer Zeit seinen muskulösen, gut gebauten Oberkörper musterte. Die Haut wirkte samtweich und gepflegt. „Ich hoffe doch ihr habt gut geschlafen?“, unterbrach er ihre Gedanken jäh. „Natürlich.“ Sie setzte ein gequältes, unechtes Lächeln auf, während sie ihn aus müden, dick umrandeten Augen heraus ansah. Als sie schließlich in der Nacht doch noch aufgewacht war, hatte sie sich einem Weinkrampf ausgesetzt gesehen. Die Tränen waren unaufhaltsam geflossen, um sie zu strafen, einem Menschen wie Alister etwas derart wertvolles entwendet zu haben. Sie hatte sein Misstrauen aufs schändlichste ausgenutzt, selbst, wenn es zu seinem Besten gewesen war. „Geht es euch nicht gut?“ Der Blick des Herrschers legte sich besorgt auf das, was man durch den Spalt von ihr erkennen konnte. Ziemlich erschöpft nickte sie nur. „Ja, sehr gut, danke.“ Selbstverständlich glaubte er ihr nicht, dass sah man sofort, aber scheinbar wusste er, dass es keinen Sinn hatte sie zu bedrängen. Erst jetzt bemerkte auch er, dass er nur mit seiner Hose bekleidet vor einer jungen Frau stand. „Ich... ähm... denke ich werde mir mal etwas überziehen gehen... es wäre schön, wenn wir uns zum Frühstück sehen würden.“ Kurz nickend schloss sie die Türe und hielt die erneut aufkommenden Tränen zurück. Was geschehen war, war geschehen. Mehrmals atmete sie also tief durch und beruhigte sich, bevor sie nach Kleidung kramte, die jegliche Blessuren der letzten Nacht überdeckten, bevor sie sich zum Frühstück begab. Inzwischen war der Thronerbe in seinem Zimmer angekommen und hatte bemerkt, dass sein Schwert nicht an seinem Bett stand. Zunächst jedoch nahm er an, es wohl bei der Krone gelassen zu haben und zog sich vorerst vollständig an. Kurz nach seinem blonden Gast erreicht auch er den Frühstückstisch, wobei er auf dem Weg einem der Ratsmitglieder den Auftrag erteilt hatte, ihm sein Schwert holen zu lassen. Schweigend saß die junge Frau am Tisch und brachte auch heute keinen Bissen herunter. Gedankenverloren starrte sie erschöpft den leeren Teller an. „Seid ihr sicher, dass es euch gut geht? Ihr seid sehr blass...“ Wieder schwang diese Besorgnis in seiner Stimme mit, die ihre Brust weiter zusammenschnürte. Sie konnte jetzt nicht mit ihm reden. „Ja... ich bin nur etwas … müde. Und es tut mir leid, aber ich habe keinen Appetit. Ich bitte um Erlaubnis, mich auf mein Zimmer zu begeben.“ Ihr Gesichtsausdruck war nahezu ausdruckslos mittlerweile. „Aber natürlich“, gestand er ihr nickend ihre Bitte zu. In diesem Augenblick überschlugen sich die Ereignisse, denn das Ratsmitglied erreichte seinen Herrn und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Ohne es zu hören, wusste die junge Frau bereits, worum es sich handelte. Immer enger zogen sich die Fesseln der Schuld um ihren Brustkorb zu. Alister war aufgesprungen und starrte den Mann entgeistert an. „Es ist weg???“ Geschockt starrte der König den Ratsherrn noch kurz an, ehe er ohne ein weiteres Ort eiligen Schrittes nach oben zum Thronsaal rannte, wo sich lediglich die Krone befand. „Aber das kann doch nicht sein!“, stotterte er vor sich hin. „Nein!“ Die Blondhaarige war indes auf ihr Zimmer geeilt, denn keine Sekunde mehr hätte sie es ertragen, Alisters Verzweiflung zu sehen oder zu hören. Das gesamte Schloss setzte sich in Bewegung und es herrschte reges, aufgebrachtes Treiben. Sich selbst hatte sie hinter der nicht abzuschließenden Zimmertüre auf dem Bett verschanzt und würde hier verweilen. Notfalls den gesamten Monat lang. Ihre Scham war zu groß, sich noch einmal in den Gemäuern des Restschlosses sichten zu lassen. Es war bereits vormittags und der König saß mit in den Händen vergrabenen Gesicht auf dem Thron, als ein Mann zu ihm kam. „Eure Hoheit. Wir haben nun alles abgesucht. Es ist nicht zu finden. Anscheinend muss es jemand gestohlen haben!“ Der Kratianer hob die Hand und wollte eine Flamme erscheinen lassen, scheiterte jedoch kläglich. „Ja...“, bestätigte er verzweifelt. „Aber wer...“ Mitten in seiner Überlegung stockte er mit einem Geistesblitz. Sein Blick wanderte schräg nach oben zu den Gemächern. Auch wenn er es kaum glauben konnte, oder viel mehr wollte, erschien dies in Hinblick auf ihr Verhalten möglich. Wenig später klopfte es an ihrer Türe, während sie sich gerade unter Tränen mit dem Gesicht ins Kissen drückte. Ängstlich reagierte sie nicht, denn sie befürchtete, man könne ihre schändliche Tat nun mit ihr verbinden. Ohne das sie die Person hereingebeten hatte, öffnete sich die Türe und der König trat herein. Mit einem kurzen Seitenblick sah sie die Ausdruckslosigkeit auf seinem Gesicht, bevor er die Türe hinter sich schloss und sich rücklings dagegen lehnte. „Hallo...“, folgte eine knappe Begrüßung, auf die sie erst spät mit einem erwidernden 'Hallo' reagierte. Ihre Stimme war kaum mehr ein Flüstern und Schluchzen. Eine Zeit lang herrschte ein angespanntes Schweigen und sie hatte das Gefühl, kaum mehr Luft zu bekommen. „Alanya...“ Er war es, der die Stille dieses Mal unterbrach. „ich möchte eine ehrliche Antwort haben. Hast du... das Schwert genommen?“ Schweigend vergrub sie das Gesicht noch tiefer in dem Kissen und das Schluchzen erschien deutlicher zu werden. Ihre Reaktion verriet ihm alles was er wissen musste. Da er ihr nicht zutraute, dass sie dies aus Böswilligkeit getan hatte, kniete er sich an ihr Bett und legte eine Hand auf ihren Arm. „Alanya... warum?“ Aus mittlerweile tränenverquollenen Augen sah sie ihn schuldbewusst an. „Ich.... er...“ Aus lauter schniefen und schluchzen brach sie den ersten Versuch ab, es ihm zu erklären. „Bitte sag es mir!“ Auch wenn sie sich versuchte zusammenzureissen und aufzusetzen, ein Blick auf diesen gütigen Menschen und sie spürte, wie die Scham sie übermannte. Instinktiv schlang sie urplötzlich ihre Arme um den Menschen, dem sie etwas derartiges angetan hatte, obwohl sie ihn eigentlich nicht verlieren wollte. Dieser legte nach kurzem Zögern ihre Arme um sie. „Alanya, bitte. Wo ist es?“ Sie nahm sich endlich zusammen. „Es... Kalster hat es...“ Mit Mühe versuchte sie den Kloß hinunterzuschlucken. „Er... er hat Phoenix... vergiftet... Nur er besaß das Gegengift! Ich musste... ich musste es ihm im Austausch... gegen das Schwert abkaufen. Ich... ich wollte nicht das ihr sterbt... Es hätte euch getötet! Er sagte... ich könne dabei zusehen... wie ihr sterbt. Es tut mir so Leid!!“ Seine Stirn legte sich in Falten und er schloss sie enger in seine Arme. „So ein verlogener....“ Es mangelte ihm an einem passenden Ausdruck. „Wir müssen es unbedingt wiederbeschaffen.“, verkündete er ernst. „Aber wie? Er will... heute ablegen!“ Diese Nachricht erschrak den Braunhaarigen zu tiefst. „Er will was??? Nicht mit der Flammenklinge!!!“ Diese beunruhigende Nervosität die er an den Tag legte, erschreckte nun auch die junge Frau. „Was hat es denn mit der Klinge auf sich?“ Der Blick den er ihr zuwarf war besorgniserregend. „Wie ihr wisst besteht zwischen mir und dem Falken ein Lebensband... aber das ist nicht alles. In Wirklichkeit besteht das Lebensband zwischen mir, dem Falken und der Waffe. Ein triangularer Bund. Ohne sie löst sich das Band auf. Ich verliere meine Kräfte und... werde sterben.“ Diese letzten Worte lösten in ihr Panik aus. Genau das hatte sie doch eigentlich verhindern wollen! „Nein! Das... das.. das kann doch nicht … Ich hatte keine Ahnung!...“ Wissend schüttelte der Ältere den Kopf. „Du kannst nichts dafür. DU konntest es nicht wissen, aber ich bin mir sicher das ER es wusste. Wir müssen ihn aufhalten.“ Verbittert knirschte er mit den Zähnen. Als seine Begleiterin nickte und zum Schwert griff, um es sich wieder umzuschnallen, konnte er unter ihrem verrutschten Ärmel die Blessuren erkennen. Betroffen schwieg er dazu und wendete den Blick davon ab. Wie sie an ihnen immer wieder kratzte, war ihm ebenfalls gerade bewusst aufgefallen. „Aber... er hat den Immunitätsvertrag... damit sind wir machtlos.“ Auf seine mutlose Aussage hin, begann sie zum ersten Mal wieder zu lächeln. „Nun, ich bin keine eurer Wachen. Schickt mich. Ich habe noch eine Rechnung mit ihm offen!“ All ihre Verbitterung über diesen Betrug war ihr ins Gesicht geschrieben und sie wirkte nun entschlossener denn je. „Gut... aber ich begleite euch“ Von dieser Idee hingegen hielt sie im Grunde nicht viel, was sie ihm auch deutlich zu machen versuchte, schließlich war es gefährlich und er nun sterblich. Jedoch war seine erste Reaktion ein leichtes Schmunzeln. „Noch bin ich es nicht. Meine Kräfte sind zwar geschwunden, aber das Band besteht noch, solange das Schwert in der Stadt oder zumindest nicht ausser Landes ist. Außerdem war ich mein halbes Leben sterblich. Also bitte!“ Somit stand also fest, dass Kalster noch nicht abgelegt hatte und sie entschlossen sich, sich zu beeilen, um ihn aufzuhalten. Die Treppe war schnell überwunden und auch bis zum Tor verging kaum Zeit, doch man merkte dem jungen Mann an, dass er nicht mehr so schnell vorankam, wie noch vor Kurzem. Das sein Band bereits zum zweiten Mal derart gespannt wurde, hinterließ in diesem Moment seine Spuren und wirkte sich auf seine Konstitution aus. Seine Begleiterin nahm daher seine Hand und übernahm die Führung, um ihn unterstützend mitzuziehen. Der besorgte Gesichtsausdruck auf ihrem trotz allem grazilen Gesicht sprach Bände. Es war die reinste Erlösung, als der Hafen in Sicht kam, obwohl die Matrosen gerade dabei waren, die Leinen zu lösen und den Anker zu Lichten. "Halt!!!", schrie die Blondhaarige und sprang, Alister kurz zurücklassend, mit einem Satz auf das Schiff. Ein ungutes Gefühl brachte es ihr ein, erneut hier sein zu müssen, doch die Situation begründete diesen erneuten Aufenthalt. Ungestüm, wie sie sein konnte, zog sie ihr Schwert und bedrohte mehrere der Matrosen. "Gebt mir sofort das Schwert, oder ich schneide euch allen das Herz heraus!!!" Kalster war nun an Deck und mit einem Schnippen seiner Finger standen wie aus dem Nichts mehrere Männer um Alanya herum und packten sie von hinten. "Geschäft ist Geschäft meine Liebe.", gab er nur trocken von sich und warf ihr eines dieser Grinsen zu, die sie derart hasste! Er war sich seiner Sache absolut sicher, dass gab er ihr damit preis. Arrogant, Selbstverliebt, Selbstsicher. "Ich sagte euch schon mal, ich bin nicht eure Liebe!!... und ihr glaubt doch nicht etwa, dass mich die paar Männer aufhalten könnten? Nicht, wenn ich derart wütend auf euch bin! Ihr verlogener Dreckskerl!" Das Knurren der Drohenden war nicht zu überhören. Unbedacht begann sie sich gegen die Griffe der Männer zur Wehr zu setzen. Was danach kommen würde, oder ob sie einen Plan entwickeln sollte, war ihr vollkommen unwichtig. Alles lief bei ihr nur noch über den inneren Instinkt, der etwas eher animalisches an sich hatte. Nun war es an dem König, dass Schiff ebenfalls zu betreten, jedoch weitaus würdevoller. "Ah...! Eure Hoheit! Welch Ehre!", verbeugte sich der Kapitän des Schiffes voller Sarkasmus. Im Hintergrund riss sich die junge Frau kurz von den Männern los, ehe sie wieder gepackt wurde. Die beiden Männer ignorierten dieses Spektakel allerdings gekonnt. "Das Schwert gehört mir.", erklärte der Mann von adeligem Blut, doch sein Gegenüber schien nicht wirklich überzeugt, den eingelösten Gegenstand wieder herauszugeben. "Der Preis war euer Leben, ist es euch das denn nicht wert? Verlasst nun auf der Stelle mein Schiff!", orderte der Eigner an, ohne das sich jemand der Eindringlinge darauf einzulassen schien. "Ihr seid ein Heuchler und ein Lügner.", eröffnete ihm nämlich der Bestohlene, als ein Wutschrei die Luft durchschnitt. Alanya hatte sich erneut losgerissen und ihr Schwert fester gepackt, um ihren derzeitigen Erzfeind in die ewigen Jagdgründe zu schicken. Mit seiner starkbemannten Mannschaft hingegen war es ein leichtes, sie wieder einzufangen, bevor sie ihm etwas zu Leide tun konnte. "Verlasst auf der Stelle mein Schiff!!", betonte Kalster daher erneut, lauter und mit wesentlich mehr Nachdruck. Wie aus dem Nichts zog er das gewünschte Gut, die Flammenklinge, hervor und hielt sie über die Reling. Unfähig sich zu rühren verblieb der Kratianer wo er war und sogar seine Gefährtin schien kurz zu stocken. "Wie ihr wollt...", sagte der Mann, der gerade die Oberhand zu haben schien und ließ das Schwert fallen. Mit einem leisen Plätschern vom Wasser sank es nicht einmal allzu langsam gen Meeresgrund und mit einem erschrockenen Aufschrei stürzte Alister vor, riss sich den Umhang vom Leib und sprang hinterher. Dies war das Fünkchen, dass gefehlt hatte, damit sich die Blondine ein für alle Mal losreissen konnte, alsweilen sie einen der Männer von sich trat und ihrem einstigen Retter hinterherhechten wollte. Noch bevor sie die Reling erreichte, war der König bereits im Wasser und nicht mehr zu sichten. Die kurze Sekunde, in der sie verweilte um zu überlegen, ob sie hinterhersprang, oder sich dem lautlachenden Mann zuwenden sollte, fand sie ein Schwert an ihrer Kehle. Nicht irgendwessen Schwert, denn der Schiffsreeder selbst gab sich die Ehre, ihr Manieren beizubringen. Schluckend hätte sie sich in diesem Moment gerne geohrfeigt für ihre Nachlässigkeit. "So, ihr dachtet also mich übers Ohr hauen zu können?" Seine Stimme hatte einen Ton zwischen Enttäuschung und Belustigung, so seltsam diese Stimmungskombination normalerweise auch erschien. Anstatt ihm zu antworten, schwieg sie beharrlich, denn sein kleines Spiel mitzuspielen würde ihr nicht im Traum einfallen. "Da rüber!" Auch auf diesen Befehl hin blieb sie weiter eisern stehen, rührte keinen einzigen Muskel und zu ihrer Genugtuung wurde er deutlich ungeduldiger. Kein blödes Lachen! "NA LOS!!" "Nein.", sagte sie auf die erneut Aufforderung ruhig und entspannt, beinahe etwas überheblich. "SOFORT! Stellt meine Geduld nicht auf die Probe!!!" Diese Verärgerung in seiner Stimme verstärkte ihre Genugtuung und sie nahm sich zusammen, nicht kurz selbst zu grinsen. "Was wollt ihr denn tun? Mich töten? Nur zu... aber ihr werdet nicht damit durchkommen! Es wäre besser aufzugeben!" Ihr Tonfall zeugte von Selbstbewusstsein und sie versuchte alles, damit es auch wirklich überzeugend klang. Doch dann erklang erneut dieses Lachen, von dem sie gedacht hatte, es ihm genommen zu haben. Wieso lachte er? "Ich werde nicht damit durchkommen? Meine Liebe! Das ist bereits geschehen! Warum glaubt ihr wohl, taucht der König nicht mehr auf? Solange hat nicht einmal er Luft...." Unbehagen breitete sich in der Blondhaarigen aus und sie wurde doch nervös. "Passt auf, wovon ihr redet! Ihr unterschätzt ihn! Und was mich betrifft, sollte ihm etwas geschehen werde ich sicherlich nicht EUREN Befehlen folgen! Auch ich besitze noch einen Funken Ehre und Selbstachtung." Zweiteres war beinahe Mangelware, aber tatsächlich besaß sie noch genug, es ihm nicht zu einfach zu machen. "Er taucht nicht mehr auf, weil er schon längst wieder oben ist.", entgegnete der Kapitän dann mit einem nicht weniger boshaften Lachen wie auch sonst. Mehrere Männer betraten das Deck und schleiften den triefend nassen Alister hinter sich her. Ergeben hatte dieser seinen Kopf gesenkt. "Alister!", entwich es der jungen Frau und am liebsten wäre sie zu ihm gelaufen, doch das Schwert ihres Angreifers wurde etwas angehoben, so dass es noch näher an ihrer Kehle lag. Solange sie sich also nicht selbst die Kehle aufschlitzen wollte, war es unmöglich zu ihrem persönlichen Schutzengel zu kommen. Grob wurde eben dieser gerade zu Boden geworfenund blieb auf den Ellenbogen abgestützt und schwer atmend liegen. In Alanya brodelte es, da war Verzweiflung, Wut, Angriffslust, Nervosität, Angst und diese gedankliche Leere. Schnaubend sah sie ihren Peiniger an und strahlte dennoch Selbstvertrauen aus. "Ihr wolltet es nicht anders! Ich habe euch gewarnt und ihr habt mich wütend gemacht! Das Schwert bleibt bei mir. Das Duplikat kann gerne auf dem Meeresgrund verrotten!" Hatte Kalster wirklich gesagt, dass auf dem Meeresgrund nur ein Duplikat lag? Beinahe spürte die Jüngste an Bord Erleichterung darüber, auch wenn es ihre Lage nicht besser machte. Statt dem Schiffsführer hielt nun ein Anderer das Schwert an ihren Hals, so dass dieser sich wieder frei bewegen konnte und auf den Thronbesetzer zuging. Dort kniete er sich vor ihm nieder und ergriff sein Kinn. "Mir ist es egal, was auch immer du bist. Ob König, oder armer Bauer Alister! Ich habe dich immer mit denselben Augen gesehen! Auch damals schon..." Seine Faust landete im Gesicht des Königs, dessen Kopf und Körper mit Wucht zur Seite geschlagen wurden und unsanft auf dem Boden aufkamen. "Du bist und bleibst mir ein Dorn im Auge! Ich will Rache, für alles was du getan hast!" Sich erhebend nickte er einem seiner Männer zu, der in seiner Vertretung den am Boden liegenden mit aller Kraft in die Magengrube trat. Man hörte einen kurzen Schmerzenslaut und ein Aufkeuchen. "Nein!!" Die junge Frau war ahnungslos, was sie tun konnte. Sie ging alle Möglichkeiten im Kopf durch. Vielleicht den Mann hinter ihr mit einem Rückwartstritt zu Fall bringen und dann vorstürzen zu Alister, um diesen zu verteidigen? Aber auch das erschien nicht wirklich hilfreich, wenn sie denn überhaupt einem Schnitt der Klinge hinter ihr entging und bis zu ihm vordringen konnte! Noch bevor sie sich für etwas entschieden hatte, ertönte wieder die widerliche Stimme des Reeders. "Lichtet den Anker! Wir legen ab!" Der Hafen entfernte sich langsam von ihnen und Alanya griff nach dem Handgelenk des Mannes, um das Schwert abzudrehen. Ohne Widerstand ließ der es zu und drehte sich sogar von ihr ab. Mittlerweile war es unmöglich von dem Schiff zu entkommen und das schien an Deck allen bewusst, weshalb man weder sie noch den König weiter festhielt. Dafür waren nun generell etwa zwanzig Mann an Deck, was sie in eine Habtachtstellung brachte. "Ich würde euch raten euch ganz ruhig zu verhalten!", fauchte Kalster sie beiden ein letztes Mal an und stieß etwas verdrisslich momentan einen der Männer zur Seite, der ihm anscheinend im Weg herum stand. Kurz noch drehte er sich erneut zu dem Kratianer herum. "Willkommen an Bord, eure Hoheit!" Mit diesen Worten verschwand er letztlich in seiner Kajüte. Besorgt war die junge Frau sogleich bei ihrem einzigen Vertrauten angelangt und legte ihm besorgt eine Hand auf die Schulter. "Alister... ist alles in Ordnung bei euch?" Selbst sie war seltsamerweise ziemlich ausser Atem, aber das war in diesem Moment unwichtig. Während er sich aufrichtete, verzog er das Gesicht, was sehr dafür sprach, dass er sehr wohl Schmerzen hatte. "J...ja es geht..." Sie half ihm, eine einigermaßen bequeme Position zu erreichen und berührte sanft die sich bereits verfärbende Stelle auf Alisters Gesicht, wo ihn der Schlag ihres Widersachers erwischt hatte. Hörbar sog dieser die Luft ein und hustete ein wenig. "Verdammt.", fluchte er unter Schmerzen und seine Begleiterin wirkte nun alles andere als selbtsicher. "Was sollen wir nun tun?" Ein wenig abstützend, richtete er sich noch ein klein wenig mehr auf und biss sich auf die Unterlippe. "Ich weiß es nicht... und... was soll das Ganze eigentlich? Warum kennt er mich? Von früher?" Der Blick des Königs schweifte verwirrt zur Kajütentüre, hinter der Kalster verschwunden war. Kapitel 10: Flucht vom Piratenschiff ------------------------------------ Sie hatten keinen Plan, wie es weitergehen könnte. Alanya überlegte bereits, ob es möglich wäre, zurück an Land zu schwimmen, wenn sie es über die Reling schafften, doch diese Vorstellung war reine Utopie. Viel wahrscheinlicher war es, dass sie ertranken, oder man sie einfach wieder herausfischen würde. Erschöpft und mutlos legte sie sich neben den König nieder. "Wieso läuft zur Zeit nur alles schief? Ich denke es liegt an mir... meint ihr, es würde helfen wenn ich in die Kajüte stürze und Kalster dazu bringe anzuhalten? Wenn es eine Chance bietet das ihr entkommen könntet, würde ich nicht davor zurückscheuen auch Risiken einzugehen..." Ihren letzten Vorschlag ignorierte er bei seiner Antwort, wobei er erneut, ebenfalls sich in einer aussichtslosen Situation wägend, in ein persönliches, intimes 'Du' verfiel. "Mach dir keine Vorwürfe. Es liegt nicht an dir. Seit ich acht Jahre alt bin passieren mir solche Dinge immer wieder..." Ein gequältes und mitleidiges Lächeln ihrerseits war zu sehen. Auch ihr ging es schließlich gar nicht so viel anders, dennoch wandte sich ihr Blick bedrückt gen Boden. "Wir haben wohl keine andere Wahl als mitzufahren...", äußerste Alister seine Befürchtung. Die junge Frau spürte immer noch diese leichte Übelkeit, die immer schlimmer wurde und wie sie immer schwerer atmen zu können schien. Es war, als säße jemand oder etwas auf ihrem Brustkorb und seltsamerweise fröstelte sie etwas, wobei es ihr gerade ziemlich heiss erschien. Noch als sie sich zusammenriss, sprang sie instinktiv auf. "Ich halte das nicht mehr aus!!!", platzte es aus ihr heraus und die Männer der Besatzung unterbrachen misstrauisch ihre Gespräch um sich ihr zuzuwenden. "Bitte setz dich wieder hin!", zischte der Mann auf dem Boden ihr zu. "Nein! Ich kann nicht einfach herumsitzen und nichts tun! Was glaubst du eigentlich von mir? Ich mag eine grottenschlechte Ausgabe einer Mitstreiterin sein, aber ich kann immer noch kämpfen! Ich hole uns jetzt hier heraus, koste es, was es wolle!" Tatsächlich meinte sie es ernst, auch ohne einen Plan, denn irgendetwas sagte ihr, dass sie sich beeilen musste, oder sie hätte bald keine Möglichkeit mehr dazu. Alister hingegen packte sie am Ärmel und zog sie zu sich herunter, biss ihre Gesichter nur noch Zentimeter voneinander entfernt waren. "Wie verdammt nochmal stellst du dir das vor?!", zischte er angestrengt. "Vielleicht ist es dir noch nicht aufgefallen, aber wir befinden uns auf einem SCHIFF! Ein Schiff, welches WIR nicht wieder zurück in den Hafen steuern können! Selbst, wenn wir es schaffen würden die gesamte Mannschaft außer Gefecht zu setzen!" Natürlich hatte er Recht, doch es brachte ihnen auch nichts einfach sitzen zu bleiben und auf ihr Ende zu warten. Die Göttin des Schicksals sollte noch ein wenig auf sie warten müssen. "Was sollen wir sonst tun? Rumsitzen und warten, bis sie uns überdrüssig geworden sind?!" Ihr Gegenüber senkte mutlos den Blick. "Ich weiß es nicht... vielleicht das... vielleicht... hat Kalster aber auch noch etwas anderes vor. Es tut mir Leid, es ging ihm hier eigentlich scheinbar nur um mich, und... ich habe euch da mit hineingezogen. Es tut mir wirklich leid..." Ihn derart kleinlaut zu sehen, stand ihm einfach nicht und das gab ihm seine Mitleidende auch zu verstehen. "Ich bitte euch! Es tut MIR leid. Mein ganzes Verhalten... Ich bin nur ein femininer Dummkopf manchmal. Entschuldigt mich." Sie sah ein, dass sie es wohl etwas übertrieben hatte. "Gegenseitige Schuldzuweisungen hilft uns allerdings auch nicht weiter. Nun gut... du scheinst gerade die meiste Motivation von uns zu haben, fällt dir etwas ein, dass wir tun können?" Nachdenklich lehnte sie sich aufgrund dieser Frage zurück. Es war schwer, bei den wachsenden Kopfschmerzen und der Übelkeit einen klaren Gedanken zu fassen, doch gerade das brachte sie langsam auf eine Idee. "Was...", sie senkte die Stimme noch etwas weiter. "Was haltet ihr davon, wenn ...ich versuche... Liberty zu rufen, sobald Land in Sicht ist?" Seine Augen glänzten kurz auf, "Das wäre in der Tat eine Idee!" Stolz strahlte sie und auch ihre Augen leuchteten wieder in einem satteren Blau. Da die Glieder des Königs zu schmerzen schienen, versuchte er, solange noch kein Land in Sicht war eine bequemere Position zu finden. Der Geschmack von Eisen lag in seinem Mund und die Wahrscheinlichkeit lag nahe, dass seine Lippe aufgeplatzt war, was ihm Alanya hätte bestätigen können, hätte er sie gefragt. Trotz dessen, dass kein Land in Sicht war, versuchte die Blondhaarige eine erste telepathisch-emotionale Verbindung zu ihrem Drachen aufzubauen, indem sie sich konzentriert im Schneidersitz hinsetzte und die Augen schloss. "Ver...flucht...", stöhnte sie dann aber. Es war ihr unmöglich sich weiter zu konzentrieren, ihr Kopf pochte wie verrückt und es entrann ihr ein Stöhnen. "Ich... erreiche ihn nicht.", gab sie nur zum Besten, doch Alister nahm an, es läge an etwas um ihnen herum. "Woran könnte es liegen?" Schwächelnd schüttelte sie den Kopf, als sie nicht mehr zu reden vermochte und ihre Hand wanderte ihren Arm hinab, der plötzlich noch stärker brannte, als die vorherige Zeit. Ihr Gesicht verzog sich vor Schmerz und deutliche Schweißperlen standen ihr nun auf der Stirn. Besorgt beugte sich ihr Gefährte zu ihr hin. "Was ist los?" Unangenehm wie es ihr war, schüttelte sie den Kopf und versuchte mit einem "Es ist... gar nichts.", die Besorgnis aus seinem Gesicht zu vertreiben, jedoch folgte nur ein sehr ernster Blick seinerseits daraufhin. "Ich sehe doch das etwas nicht mit dir stimmt!!" Vor Übelkeit und Schmerzen krümmte sich die Terroanerin nach vorne, dabei schwer nach Atem ringend. "Alanya!!!" Der Kratianer beugte sich zu ihr vor und versuchte sie ansehen zu können. "Verdammt... was ist mit dir los?!" Während sich ihre Finger in den Arm krallten fehlte ihr die Kraft gerade auch nur einen Ton herauszubringen und der Braunhaarige riss kurzerhand ihre Hand von ihrem Arm, um zu sehen, was er darunter vorfand. Schnell schob er den Ärmel nach oben und erkannte, wie rote, geschwollende kratzerförmige Wunden hervortraten, die allesamt entzündet zu sein schienen. Man sah deutlich, dass die Haut nicht mehr eben war und auch die Gefäße drum herum schienen leicht bläulich verfärbt. "ich schätze... der... Strauch war... etwas... giftiger... als ... erwartet...", mühte sie sich hervorzubringen. Das war die einzige, rationale Erklärung die sie finden konnte für ihren Zustand. Erschrocken riss ihr Begleiter die Augen auf. "Oh nein! Bist du etwa von einem Beleasbusch gestochen worden?" Ihr Blick verriet, dass sie keine Ahnung hatte, von welcher Pflanze er da sprach. "Beleas! Aus seinen Ranken wird ein Gift gewonnen, dass in speziell verarbeiteter Form als Halluzinogen und Rauschmittel verwendet wird, aber ein Stich der Dornen ist giftig! Verdammt.. wo seid ihr auf dieses Kraut gestoßen?" Sie schüttelte den Kopf erneut und versuchte seiner Frage, die eine längere Antwort bedurfte, aus dem Weg zu gehen. "Es geht... gleich wieder..." Angestrengt versuchte sie sich zusammenzureissen und wieder aufzusetzen. "Unsinn! Ihr braucht das Gegengift!"Der junge Mann wurde langsam hektischer, als sie es von ihm gewohnt war. Immer mehr vereinnahmte sie allerdings diese seltsame Stille und Schwärze, die wie ein Vorhang langsam immer weiter über sie zu fallen schien. "Mist!", hörte sie nur noch in weiter Ferne. Ihr Stöhnen hörte kurz auf, als sie ihn noch einmal ansah und ihr Körper ohnmächtig erschlaffte. Geschockt rüttelte der König an seinem Schützling aus der anderen Welt, wenn auch vergebens. "Alanya!!!" Ein Ruf erschall an Deck. "Land in Sicht!!" Mit einem Mal verdunkelte sich das Deck und ein seltsamer Schatten hatte sie erfasst. Unruhe entstand an Deck durch die Besatzungsmitglieder und auch Alisters Blick glitt nach oben zum Himmel. Die Gestalt die näher kam war ein Drache beachtlicher Statur und unverkennbar Liberty, der dem Ruf und dem Leid seiner Führerin gefolgt war, das er ebenso spüren konnte, wie sie das seine. Viele der Männer zuckten panisch zusammen und der Kapitän stürzte aus seiner Kajüte, wo er aufgeregt einige Befehle bellte. Der Drache sammelte Feuer in seinem Rachen, ehe er einen Feuerball nahe des Schiffes in das Wasser einschlagen ließ. Heisser Rauch traf auf die Reling und den ersten Meter dahinter, ehe eine weitere Flamme folgte. Der Heisse Hauch verbrannter Luft erwischte einige der Männer, die sich mit Verbrennungen schmerzerfüllt am Boden zu winden begannen, während der Drache weiter wütend röhrte. Sich vergessend vor Wut stürmte Kalster auf seine Gefangenen zu. Die Ablenkung war perfekt, denn Liberty hielt die gesamte Mannschaft auf Trab, zumal seine Anwesenheit die junge Frau aus ihrer Ohnmacht noch einmal erwachen ließ. Verblüfft und erleichtert nannte Alister ihren Namen und half ihr sich aufzurichten um zu sitzen, was sie mit Mühe und Not tatsächlich schaffte. Schweiß rann ihre Stirn hinab, als sie einen leisen Dank in seine Richtung aussprach. Gerade schien der König sie fragen zu wollen, wie es ihr ging, als der Schatten des Kapitän dunkel über sie fiel. "Ihr!!! Schickt euren Drachen weg!!", fauchte eben jener, der damit zu erkennen gab, dass er sehr wohl gewahr war, wem dieser Drache gehörte und auch, schien er nicht wirklich erstaunt. Ein Indiz, dass all das Geschehene möglicherweise kein Zufall gewesen sein mochte. Statt Alanya packte der Pirat den Kratianer am Kragen und hob ihn hoch. "Wenn dieser Drache mein Schiff versenkt, landet ihr mit ihm auf dem Grund des Meeres und euer Schwert auch, das verspreche ich euch!" Durch seine Aufgebrachtheit, überließ er dem König nun die Oberhand, der ihn mit einem kalten Lächeln mutfassend ansah. "Dann soll es wohl so sein!" Wütend stieß der Schiffseigner ihn rückwärts gegen die Reling, bevor er sich der eigentlich relevanten Person zuwandte. "Du Miststück! Ich warne dich! Pfeif deinen Drachen zurück! Oh ja, natürlich weiss ich das es deiner ist!!!" Obwohl sie nicht wirklich bei vollkommenen Bewusstsein war, sah sie ihn nur ernst an. "Nun... ihr scheint viel zu wissen... aber... beeindruckt mich... nicht." Zitternd versuchte sie ihren Körper weiter aufzurichten, nur aus den Augenwinkeln bemerkend, wie ihr Widersacher die Fäuste ballte, bis die Knöchel hervortraten. Kurz darauf jedoch hörte man ein Knallen und durch die kraftvolle Ohrfeige wurde sie von der Wucht zurück aufs Deck geworfen, wo sie benommen liegen blieb. "Ihr wollt also sterben, ja? Eurem Wunsch komme ich gerne nach!", brüllte der gedemütigte Pirat, als sie sich wieder versuchte zusammenzunehmen. "Aber ihr... sterbt auch!!!", klärte sie ihn eisern auf. Das kalte Lachen ließ ihren Körper wieder erschaudern. "Dann wird es wohl so sein! Aber ihr..." Sein Blick wandte sich an den König. "Euer Lebensband mit dem Falken ist fast gerissen, also werdet ihr es auch nicht überleben! Jammer schade! Bestellt Hilarius einen schönen Gruß von mir!" Zornig warf eben dieser einen Blick zu Kalster, bevor er sich an seine Begleitung wandte und ihr die Hand auf die Schulter legte. "Halte durch..." Wie von der Tarantel gestochen, machte der Pirat auf dem Absatz kehrt, war im Laufschritt zurück in seiner Kajüte und kehrte plötzlich mit der Flammenklinge zurück. Betont lässig zog er es aus der Schwertscheide, betrachtete die Waffe und legte ein triumphierendes Grinsen an den Tag. "Es ist eine herrliche Waffe! Wirklich einzigartig! Zu schade, dass der Held des Feuers durch seine eigene Waffe den Tod findet..." Der Kratianer riss die Augen vor Erstaunen weit auf. "Er kann es führen!", waren seine geschockten Worte und er umklammerte die Schulter seiner Begleiterin mit regelrechter Panik in den Augen, denn dieses Schwert ließ sich unter normalen Umständen nur durch den Held des Feuers selbst führen. Keine andere Hand vermochte es überhaupt aus seiner Scheide zu ziehen, geschweigedem, es halten zu können. "Das ist unmöglich! Es sei denn... bei den Göttern! Nein!" Ihr Gegner senkte kurz das Schwert. "Ah! Wir sind also zu einer Erkenntnis gekommen? Mh?" Auch, wenn die Blonde kein Wort verstand, schien Alister dies sehr wohl. "Wie ist das nur möglich? DU?" "Ja, ICH!" Kalster fuhr mit der Hand über sein Gesicht, dass sich sogleich veränderte und plötzlich dem König wie aus dem Gesicht geschnitten wirkte. Es erschien, als könne er sein eineiiger Zwilling sein. "Ich habe dir gesagt das ich wiederkehren werde!!!" Dieser Mann war kein einfacher Schmuggler, dass war nun mehr als deutlich, der König jedoch nur wusste, dass dieser Mann ein Teil seiner selbst war, der Teil, in dem das böse lauerte. Rituell hatte man ihn von ihm getrennt und der Kratianer hatte geglaubt, ihn getötet zu haben. Dies entpuppte sich als ein schwerwiegender Irrtum. "Ich kann das nicht glauben...", stotterte der Braunhaarige erneut. "Glaubt es, oder glaubt es nicht, eure Hoheit!" Mit deutlicher Ironie verließen die Worte Kalsters Lippen. "Es ist die Wahrheit und niemand kann sie ändern. Und nun... stirb Alister!!" Das Schwert erneut hebend, wollte das von Hass zerfressene Ebenbild des Königs den wahren Herrscher mit seiner eigenen Waffe niederstrecken, was lediglich daran scheiterte, dass die Drachenreiterin all ihre Energiereserven bündelte und den Schlag mit ihrem eigenen Schwert abblockte. "Das lasse ich nicht zu!" Klarer als die letzten Minuten stand sie nun vor ihm und warf ihm einen ernsten, kalten Blick zu. Provokant schabte ihr Schwert über die Klinge des Seinen. Sie musste ihn weglotsen, weg vom König! "Ah! Wie konnte ich das vergessen? Wo sind nur meine Manieren! Frauen haben natürlich VORTRITT!" Mit einem Schritt nach hinten deutete er eine Verbeugung an. "Also dann! Kommt nur Mylady!" Da sie sich nicht sicher war, wie lange sie sich auf den Beinen halten konnte, musste dieser Kampf zügig beendet werden, hoffentlich zu ihren Gunsten. So holte sie also aus und zeichnete einen Bogen mit dem Schwert von rechts unten ausgehend nach oben, den Kalster mit der selben Angriffsbewegung abwehrte. Ein neuerlicher Bogen von rechts unten sollte seine Beine wegschlagen, doch auch diesen blockte er gekonnt. Nun war es an ihm, auszuholen und mit einem gehässigen Grinsen von oben links zuzuschlagen, wobei es diesmal Alanya war, die diesen gekonnt durch das nach oben ziehend der Klinge abzublocken vermochte. Die Wucht ließ sie in ihrer derzeitigen Verfassung dennoch etwas zurücktaumeln. Wie ein Tiger schlich der Pirat um seine Beute. "Er gefällt dir, nicht wahr? Dieser Körper hier..." Glücklicherweise hatte der wahre Thronbesitzer diese Aussage nicht gehört, die junge Frau hingegen spürte, wie sich ihre Wangen rot färbten. Gerne hätte sie gesagt, dass dem nicht so war, allerdings wäre es eine schiere Lüge gewesen. Allerdings war es nicht nur der Körper den sie tief im Inneren begehrte, sondern vielmehr auch den Charakter ihres Begleiters und seine Güte. Die Anspielung hatte sie dennoch aus dem Konzept gebracht und unaufmerksam, wie sie gerade war, brauchte es nur einen Schlag, bei dem er ihr das Schwert aus der Hand schlug und sie unsacht nach hinten geschleudert wurde. Einen Meter beinahe rutschte sie über den hölzernen Boden. Unbemerkt war sie so geistesgegenwärtig, ihr Bein anzuziehen und in ihren Stiefel zu dem Dolch zu greifen, als dieser bereits über ihr stand und sein Schwert auf ihre Kehle gerichtet war. "Oh ja... er gefällt dir. Es ist doch so!" Dominant kniete er sich über sie, das Schwert nun seitwärts haltend, um ihr näher zu kommen. "Du kannst es ruhig zugeben..." Ein breites Grinsen voller Häme lag auf diesem bösartigen Gesicht, dass Alisters so ähnlich sah. Die Situation für sich nutzend antwortete sie nicht, doch bohrte sie ihm den Dolch mit einem Mal in seine Brust. Sein Zögern war ihr Sieg. Seine Überheblichkeit hatte ihm also letztlich das Leben gekostet. Trotz allem zitterten ihre Hände, denn der Körper war dem ihres Retters zu ähnlich. Noch einmal keuchte er auf und seine Augen weiteten sich, sein Mund öffnete sich und doch drang kaum ein vernünftiger Laut heraus. Sein Blick glitt hinab zu dem Dolch in seiner Brust und das Schwert rutschte ihm aus der nicht mehr zu kontrollierenden Hand. "Der... Tod... ist erst... der Anfang..." Mit diesen Worten kippte er seitwärts und sein Röcheln verstummte, wobei er regungslos liegen blieb. Alanya stöhnte noch einmal selbst, bevor diese bereits lauernde Dunkelheit sie einhüllte auch sie regungslos erschlafft erneut zu Boden sinken ließ. Alister erreichte schleppend die junge Frau und sein Ebenbild. Das Schiff wankte und die Mitglieder starrten entsetzt auf den leblosen Körper ihres Anführers. Nervös kreiste nun der Drache weiter über ihnen, diesmal allerdings ohne weiter für Ablenkung zu sorgen, denn diese war bereits zur Genüge gerade gegeben. Nervös drehte der Held des Feuers seine Begleiterin zu sich hin und griff unter ihren Oberkörper, um sie etwas zu stützen. "Alanya, bitte wach auf!!!" Diesen Gefallen tat sie ihm nicht mehr, der Kampf hatte ihre letzte Kraft aufgebraucht. Bewusstlos blieb sie in seinen Armen liegen, der Puls eher schwach und die Atmung dementsprechend flach. Seine zweite Hand legte er unter ihre Kniekehlen, ehe der Kratianer sich aufrichtete und sein Gesicht zum Drachen wandte. "Liberty!!! Bitte!!! Wir brauchen deine Hilfe, schnell! Bring uns hier weg, ich bitte dich!" Ein lautes Röhren ertönte aus dem Rachen des Drachen und ein abschätzender Blick folgte. Die gelben Augen verengten sich ein wenig, denn normalerweise war es nicht die Art eines Drachen, auf einen Fremden zu hören. Das Vertrauen, dass sich dieser Mann hingegen bereits erarbeitet hatte, ließ den Bergdrachen kreisend hinabsegelnd zur Landung ansetzen. Mit einem letzten Schlag seiner Flügel hatte er an Deck aufgesetzt und die monströse Statur verschaffte sich sogleich die Ehrfurcht die es benötigte. Viele Möglichkeiten hatte Liberty allerdings nicht, sich bewegen zu können, dafür war es an Deck zu eng, trotz dessen, dass der Mast verbrannt und ins Wasser gestürzt war. Wieder sah die überdimensionale, fliegende Echse den Mann eindringlich an, der seine Führerin im Arm hielt und langsam auf ihn zutrat. "Bitte, wir müssen hier weg!" Die Besatzung des Schiffes schien wie in Trance und eben diese Situation nutzten die Häftlinge, um über den nun ausgelassenen Flügel des Drachen auf seinen Rücken zu steigen, um zu fliehen. Es war bei weitem nicht einfach für den König, mit einer Frau auf dem Arm einen Drachen zu besteigen, doch mit viel Disziplin meisterte er diese Aufgabe bravurös. Die roten Schuppen unter ihnen hoben und senkten sich bei jedem Atemzug den dieses Geschöpf tat und der Held suchte einen Platz, wo er glaubte, sicher sitzen zu können. Seinen Schützling hatte er vor sich platziert, um sie festhalten zu können, als diese etwas keuchte und scheinbar erneut zu Besinnung kam. "Wo..." Ihre Finger umklammerten nahezu instinktiv die Verlängerungen der Wirbelfortsätze am Hals des Drachen, wenn sie auch kein Gefühl über ihr Gleichgewicht hegte. "Alis...ter...?" "Schht...", machte der junge Mann aufatmend. "Wir sind gleich wieder im Schloss...." Nur ein leichtes Nicken folgte, denn es war zu anstrengend zu sprechen. Beim ersten Schlag der Flügel drohte sie zu rutschen, sodass Alister sie näher an sich zog und nun sicher in den Armen hielt. "Los Liberty... bring uns hier weg! Alanya muss dringend versorgt werden!" Die Nervosität und Besorgnis des derzeitigen Reiters übertrug sich auch ohne Bund auf den sensiblen Drachen, der zügig abgehoben hatte und seine Flügel schneller schlagen ließ, um schneller auf Geschwindigkeit zu kommen. In einem gleichmäßigen Takt schlugen die Flügel, der Wind peitschte bei dieser Geschwindigkeit, weshalb die Ankunft im Schlossgarten jedoch deutlich zügiger erreicht war. Vorsichtig landete das mystische Geschöpf unter Beobachtung einiger Wachen. Hastig stieg der König mit der erneut Ohnmächtigen über den selben Weg hinab von Libertys Rücken und wies die Männer an, ihm zu helfen sie in sein Zimmer zu verfrachten. Der Befehl war eindeutig und sie lag bald darauf in seinem Bett, ihr Atem beinahe zu flach um ihn noch zu erkennen. Die Zeit drängte. Eine Phiole aus seinem Schrank nehmend, kehrte der Kratianer sofort zu ihr zurück und öffnete den Stöpsel, der die Phiole verschloss, um ihr den Rand an die Lippen zu halten. "Wie gut... das ich die aufgehoben habe...", murmelte er und flößte ihr die Flüssigkeit ein. Der Schluckreflex funktionierte gerade noch und es würde nicht lange dauern, bis es wirken würde. Solange wie es dauerte, blieb er an dem Bett sitzen. Ein weiterer Mann hatte sich zu ihnen gesellt, der sich bald als Balthasar, Held der Erde herausstellen würde. Kurz drückte dieser die Schulter seines Freundes. "Es wird schon gut gehen." Der Held des Feuers hingegen platzierte das Schwert, welches er bei ihrer Flucht noch ergriffen hatte, neben sein Bett und wartete. Etwa eine halbe Stunde dauerte es, bis sich Atmung und der Puls wieder normalisiert hatten und sie die Augen endlich aufschlug. Zunächst schien sie orientierungslos, bis sich ihr Blick erneut ihrem Retter zuwandte. "Danke... ich danke euch vielmals.", waren die ersten Worte, die sie an ihn richtete. Noch lächelte er. "Schön, dass es dir besser geht." Nach diesen Worten, war er es nun, der die Augen verdrehte und leicht zusammensackte, bevor Balthasar ihn auffing. "Alister!" Schon saß die Blondhaarige aufrecht im Bett, doch der unbekannte Mann hob beruhigend eine Hand. "Wie es scheint hat sein Band zu dem Falken und Schwert heute mehrmals gelitten... er ist nur erschöpft.", gab er ihr zu verstehen und Alanya beruhigte sich langsam wieder. "Ein Glück." Phoenix entflammte erst jetzt, da das Schwert und der König sich nicht nur in der näheren Umgebung befanden, sondern auch das Band wieder stabil genug wurde. Die Wunden des Kratianers heilten sichtbar und er kam bereits wieder zu sich. Stück für Stück kehrten auch seine Kräfte zurück. Die impulsive junge Dame fiel ihm überschwenglich um den Hals und reflexartig legten sich seine Arme um sie. "Nicht so stürmisch!" Ehrlich erschöpft sah sie ihn an. "Ich hatte solche Angst heute um euch." Der Angesprochene lächelte nur. "Unkraut vergeht nicht." "Ihr seid wirklich stark..." Es war nicht einfach nur eine Floskel, stattdessen schenkt sie ihm ihre Hochachtung. Wenn er solche Situationen seit klein-auf mitmachte, musste er eine ziemliche dicke Haut haben, so viel stand fest. "Nun ja, ich hatte nur Glück jemanden wie euch dabei zu haben...", gab er das Kompliment nicht minder ernst gemeint zurück. Balthasar unterdess schmunzelte leicht und begann die Dienerschaft mit einem Nicken vor sich her aus dem Raum zu treiben, um ihnen etwas Privatsphäre zu gönnen. "Bestimmt nicht!", lächelte Alanya schließlich gerade. "Na sagen wir, ohne mich wäre es nur etwas leichter gefallen, euch zu töten. Aber ich habe euch nicht die Haut gerettet, um euch letzlich doch noch sterben zu sehen! Ich bin nur froh, dass ihr nun wieder ganz gesund werden könnt..." Tief durchatmend sah er sie noch einmal mit diesem erleichterten Blick an. "Un dich bin froh, dass es dir besser geht." Eine leichte Röte legte sich auf ihre Wangen, als die Stimmung plötzlich ernster wurde. "Ich denke... es ist bald an der Zeit... euch zurück zu bringen." Wie versteinert vlieb sie bei diesen Worten sitzen. Daran hatte sie schon nicht mehr gedacht, doch die Tage waren nun vergangen und das Portal würde sich in dieser Nacht noch öffnen... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)