Bestienhandbuch für Anfänger von NaBi07 (Lektion 1: Wie erziehe ich meine Bestie) ================================================================================ Kapitel 4: erste Trainingseinheiten ----------------------------------- Kapitel 1.4 - erste Trainingseinheiten „Wenn die Annäherung erfolgt ist, können Sie bereits mit den ersten Übungen beginnen. Versuchen Sie für den Anfang kleinere, leichte Aufgaben. Geben Sie ihrer Bestie viel Raum für Erholung. Bedenken Sie, dass das Geschöpf noch sehr jung ist. Wenn sie feststellen, dass die Bestie beginnt Ihre Signale zu verstehen, können Sie den Schwierigkeitsgrad erhöhen. Nutzen Sie auch hier wieder den Beistand Ihres zuständigen Trainers.“ Immer wieder vertrete ich mir die Beine und untersuche jeden Fleck in diesem seltsamen Gebäude an den ich herankomme, um der Langeweile zu entkommen. Langsam kenne ich jeden fauligen Pilzbefall auswendig. Egal wo ich hinsehe erkenne ich die unterschiedlichsten Schimmelflecken. Schwarz, blau, weiß. Sie beschmutzen den „originellen“ Anblick der ehemaligen weißen Wände. Die Kühle hier erinnert mich sehr an meinen Keller zu hause. Die Luft ist auch ähnlich muffig. Wenn ich sehr viel Fantasie anwende, dann wirkt diese Einrichtung hier auf mich sehr klinisch, fast wie in einem Krankenhaus. Weiße oder graue Fließen, weiße Wände, weiße oder holzfarbene Stühle und Tische. Als ich meinen Ekel endlich überwinden kann, sehe ich mir auch die Abstellkammer genauer an. Wie ich es vermutet hatte liegen hier viele angegammelte Handtücher und Putzutensilien herum. Auf einem noch recht gut erhaltenen Bademantel erkenne ich den Aufdruck Gimini Intercorbs. Leider hilft mir das nicht viel weiter. Das einzig nützliche ist ein alter Eimer, der sogar noch funktionstüchtig ist. Behutsam wische ich meinen Schatz mit einen einigermaßen sauberen Handtuch aus und bringe ihn in mein Zimmer. Ich beginne mich etwas einzurichten und schiebe die Tische zusammen. So baue ich mir eine Art Hochbett. Jetzt muss ich nicht immer auf dem kalten Boden Schlafen. Die Betten im dem Schlafzimmer sind leider viel zu schimmelig, als dass ich die Matratzen hätte verwenden können. Bedauernd lasse ich dieses nutzlose Zimmer hinter mir. In dem Lieblingsraum meines Gefängniswärters finde ich unter den Trümmern einiger Tische einen alten Aktenschrank. Ich nehme mir ein metallenes Tischbein zu Hilfe, dass verwaist herumliegt und nutze es als Brecheisen. Nach mehrmaligem Fluchen schaffe ich es endlich das Ding zu öffnen. Zufrieden lache ich laut auf. Diese kleinen Erfolge des heutigen Tages machen mich ganz euphorisch. Auch die Tatsache, dass ich mit reichlich Äpfeln versorgt werde trägt ihren Teil bei. Der Saft schafft es ein wenig meinem Durst Abhilfe zu verschaffen, aber leider hält das nicht lange an. Ich trete einen Schritt zurück und bewundere mein Werk. Schleichende Katzenpfoten verraten mir, dass ich nicht mehr alleine bin. Ich drehe mich um und bemerke zufrieden, dass eine kleine Kolonne von Mandarinen auf den Boden kullert. Ein sanftes Lächeln umspielt meine Lippen. „Danke.“ flüstere ich ihm entgegen. Der übergroße Kater schnurrt leise zur Erwiderung. Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass ich dieses Tier als zu groß geratenen, seltsamen Kater betrachten werde. Es gibt einfach viel zu viele Ähnlichkeiten mit dem Hauskater meiner Tante. Seine Geschichtszüge, wenn man das so bezeichnen kann, wirken auf mich auch eher männlich als weiblich. Zudem fange ich langsam an Sympathie zu entwickeln. Immerhin ist dieses Wesen ein Tier. Tiere handeln eigentlich ausschließlich instinktiv und nicht aus einem böswilligen Motiv heraus. Außerdem scheint er mich nicht fressen zu wollen. Was ein weiterer Pluspunkt ist. Keine Ahnung warum mich dieses Geschöpf entführt hat, aber es scheint sehr einsam zu sein. Immer wenn es sich nicht gerade auf der Jagd befindet kommt er zu mir und beobachtet scheinbar fasziniert mein Tun. Obwohl Katzen eigentlich Einzelgänger sind, sucht er ständig meine Nähe. Auch jetzt betrachtet er gespannt den Aktenschrank und dann mich. Ich ignoriere ihn, soweit wie es geht und fange an die alten Sachen heraus zu holen. Verfallene Dokumente mit verblasster Schrift, eine alte Geldkassette, fast aufgelöste Zeitungsausschnitte und eine Briefmarke. Was für eine Ausbeute. Ich hebe die einzelnen Blätter behutsam heraus und finde wieder ein Logo mit dem Schriftzug Gimini Intercorbs. Die Schrift ist so gut wie nicht mehr vorhanden, weshalb ich nicht mal ansatzweise den Inhalt entschlüsseln kann. Seufzend lege ich sie wieder hinein. Ich nehme mir die Geldkassette vor. Das Schloss ist schon sehr alt und rostig, ich wette, wenn ich mit etwas als Hebel herangehe, kann ich sie öffnen. Ich suche mir ein geeignetes Metallstück und kann ganz leicht das Schloss zerstören. Im Inneren befinden sich knittrige Geldscheine und ein paar Schlüssel. Mir kommt ein Gedanke. Ich schnappe mir die Schlüsseln springe auf und verlasse den Raum. Ich versuche gleich eine der verschlossenen Türen zu öffnen. Leider habe ich bei der ersten kein Glück. Mein Beobachter bleibt mir dicht auf den Versen und stellt seine Ohren auf, sobald ich vor mich hin fluche. Auch die Zweite lässt sich nicht öffnen. Jetzt habe ich nur noch drei Türen. Eine mit verrosteter Klinke, eine ohne Klinke und eine Brandschutztür. Bei der letzten kann ich es gleich sein lassen. Ich wähle die ohne Klinke. Auch hier habe ich kein Glück. Mit hängenden Schultern nehme ich die letzte in Angriff, aber ich ahne schon, dass es hier das gleiche sein wird. Meine gerade gewonnene Hoffnung auf Freiheit hat sich in Luft aufgelöst. Mit Tränen in den Augen trommle ich wütend auf die letzte Tür ein. Mein Frust lässt sich dadurch leider nicht Besänftigen. Als meine Fäuste anfangen vor Schmerz zu pulsieren lasse ich die unschuldige Tür in Ruhe und drehe ihr den Rücken zu. Traurig blicke ich zum Dach auf und sehne mich nach richtigem Sonnenschein, frischer Luft und einer ordentlichen Mahlzeit. Wenn ich doch nur eine der Wurzeln greifen und mich einfach hochziehen könnte. Hinter mir ertönt ein lautes Scheppern. Erschrocken dreh ich mich um und muss erst einmal blinzeln um den Anblick zu verdauen. Mein Kater sitzt stolz auf der Tür und wedelt mit dem Schwanz. Eine Staubwolke kommt ihm entgegen und er niest ungeniert. Scheinbar hat er es geschafft die Tür irgendwie aus den Angeln zu treten. Mir kommt es so vor, als ob er auf etwas warten würde. Ungeduldig zucken seine Ohren und sein Maul steht einen Spaltbreit offen. Ich hebe eine Hand und nicke ihm zu. „Danke.“ kommt aus meiner rauen Kehle. Der Kater scheint zufrieden und macht mir platzt. Er legt wohl viel wert auf gute Manieren. Wie stark muss eine bärengroße Katze eigentlich sein, um eine zugeschlossene Tür einzutreten? Ich schleiche mich an ihm vorbei und werfe einen Blick ins Innere. Der Raum ist riesig. Schränke sind an der Wand aufgereiht. Wieder gibt es hier viele Tische und Stühle. Aber was wohl die entschiedene Besonderheit an diesem Raum ist, ist die kleine, schmutzige Küche im hinteren Teil. Das alles wirkt wie ein Speisesaal, im dem früher gekocht und gegessen wurde. Mit großen Schritten marschiere ich auf den ersten Schrank zu und finde eine Reihe von geblümten Tellern und Tassen. Im nächsten gibt es eine große Anzahl von Schüsseln, Töpfen, Pfannen und Besteck. Die meisten Sachen haben bereits Rost angesetzt, aber die Schalen aus Plastik sind noch gut zu gebrauchen. Nur etwas verstaubt, aber ansonsten für mich sehr wertvoll. Ich freue mich über den neuen Schatz. Schnell laufe ich zu der Kochzeile um diese genauer unter die Lupe zu nehmen. Dabei rutsche ich auf dem glatten Boden aus und knalle hart auf meinem Hintern. Ein Kichern dringt an mein Ohr und erstaunt drehe ich mich um. Zwei schelmisch grinsende Katzenaugen schauen mich an und das Maul scheint zu einem Lächeln verzerrt. Innerlich schüttle ich meinen Kopf. Das muss ich mir alles einbilden. Das Tier kann doch keine menschlichen Züge haben. Prüfend schaue ich nochmal über die Schulter und runzle meine Stirn. Ist es vielleicht doch möglich? Mit schmerzverzerrtem Gesicht richte ich mich auf und laufe diesmal behutsamer zur Küche. Dort angekommen durchwühle ich zuerst die oberen Schränke. Hier gibt es wieder eine große Auswahl an Küchenutensilien. Dann bücke ich mich und öffne den ersten unteren Schrank. Vor Freude juble ich wie wild und mein Kater faucht erschrocken auf. Er kommt angerannt und sieht mich verwundert an. Ich krame in den Essensvorräten und fische mir eine Packung mit Trockenfleisch heraus. Aus Uhropas Erzählungen vom 2. Weltkrieg erkenne ich die Rationen an Fertignahrung. Einige sind sogar dafür geeignet, sie mit Hilfe von Wasser wieder weich werden zu lassen. Endlich was vernünftiges zu essen. Ich reiße die Tüte auf und stecke mir ein Stück des Fleisches in den Mund. Es ist eher fad und unglaublich fest, aber nahrhaft. Glaube ich jedenfalls. Der verrückte Kater steckt seine Nase in den Schrank und beschnüffelt den Inhalt. Scheinbar findet er den Geruch nicht sonderlich appetitlich, weshalb er mit einem angewiderten Schnauben den Kopf zurückzieht. Ich halte ihm ein Stück von meinen Fleisch hin. Er verzieht das Gesicht und nimmt es dann in sein Maul. Mit seiner scheinbar angeborenen Eleganz erhebt er sich und trottet davon. Prüfend wirft er mir einen Blick über die Schulter und wartet scheinbar darauf, dass ich ihm folge. Ich wundere mich langsam nicht mehr über sein absonderliches Verhalten und tue ihm den Gefallen. Gemeinsam verlassen wir den Raum und er bleibt vor dem Abgrund stehen. Er prüft nochmal ob ich ihn beobachte. Dann lässt er das Fleisch in die Tiefe fallen. Schallendes Gelächter erfüllt die Stille. Ich kann nicht mehr vor Lachen. Mein Zwerchfell krümmt sich zusammen und ich beuge mich kichernd nach vorne. Der Kater kommt angerannt und scheint nicht zu wissen was er mit mir anstellen soll. Erst knurrt er sanft, dann faucht er. Ich versuche mich zu beruhigen und atme tief durch. Dieses Bild ist für die Götter. Das Tier scheint sehr klug zu sein. Es hat sich meine Methode der Ablehnung abgeschaut und sie nachgeahmt. Einfach unglaublich. Wenigstens brauche ich mir so keine Gedanken um die Verteidigung meiner Vorräte zu machen. Ich gehe wieder in die Küche und suche mir die Plastikschüsseln. Ich wische sie aus und verstaue mein Essen darin. Nach der Bestandsaufnahme schätze ich, dass ich einige Wochen mit dem Essen zurecht kommen könnte. Trotzdem hab ich ein viel größeres Problem: Wasser. Leider funktioniert der Wasserhahn nicht, den ich über einer Spüle entdecke. Auch als ich an den Rädchen drehe um die Wasserzufuhr einzuschalten kommt nichts außer einem verhöhnenden Ächzen aus den Rohren heraus. Wäre auch zu schön gewesen, um wahr zu sein. Ich gehe wieder in mein Zimmer zurück und baue mir in einer Ecke mein Essen auf. Natürlich werde ich auch hierbei nicht aus den Augen gelassen. Ich lutsche nebenbei auf einer getrockneten Bananenscheibe und summe wieder das Lied Lemontree. Der Kater schlägt im Takt mit seinem Schwanz auf den Boden. Er scheint sehr musikalisch zu sein. Als ich fertig bin setzte ich mich wieder in Bewegung. Mit neuem Tatendrang erfüllt stelle ich mich vor die Tür mit der von mir abgebrochenen Klinke. Wie erwartet folgt mir mein großer Stalker. Ich klopfe auf das Holz und sehe ihn an. „Kannst du mir die hier auch öffnen?“ Als Antwort legt er seinen Kopf schief. Ich klopfe nochmal dagegen. „Aufmachen.“ Wiederhole ich. Dann trete ich zur Seite. Der Kater scheint verstanden zu haben und macht sich an die Arbeit. Dieses Mal kann ich beobachten, wie er die Tür öffnet. Er legt seine schweren Vordertatzen darauf und stemmt sich dagegen, als sie sich nicht bewegt donnert er mit aller Kraft auf sie ein. Mit einem lauten Poltern kracht sie in das Innere des Raumes und eine Staubwolke kommt uns entgegen. Er niest und ich tue es ihm gleich. „Danke, braver Junge.“ lobe ich ihn. Wie schön wäre es, wenn er verstehen würde was ich meine, wenn ich sage: „Bring mich heim.“ Nur leider bezweifle ich stark, dass diese Worte einen Sinn für ihn ergeben würden. Trotzdem froh über meinen Fortschritt in der Kommunikation werfe ich einen Blick hinein. Leider sieht das mir sehr nach einem zweiten, verlassenen Schlafzimmer aus. Wieder stehen sich zwei Betten mit vergammelten Matratzen gegenüber. Auf dem Boden liegt eines der Kopfkissen. Ich gehe zum Schrank, aber leider ist auch der leer. Die Vorhergehenden Bewohner scheinen alles mitgenommen zu haben. Also auf zur nächsten. Der Kater nutzt die gleiche Technik und öffnet den Raum. Er scheint gefallen an unserem Spiel zu finden. Trotzdem wartet er auf mein Signal, bevor er sich die letzte Tür vornimmt. Ich beginne mit dem Raum neben der Toiletten-Abstellkammer. Hier steht ein einzelner Schreibtisch mit Lampe. Beide scheinen noch gut in Schuss zu sein. Was mich aber am meisten interessiert sind die Akten in den Regalen. Scheinbar war das hier mal ein Büro. Ich greife mir den ersten Ordner, doch leider finde ich nur Rechnungen für Lebensmittel. Interessanter ist das Datum: 17. April 1941. Staunend ziehe ich meine Stirn kraus. Dieses Gebäude scheint aus der Zeit des zweiten Weltkrieges zu stammen. Allerdings habe ich hier noch kein einziges Hakenkreuz entdeckt, was mich schon sehr verwundert. Ich greife mir den nächsten Ordner und finde die Rechnungen des Jahres darauf. Nach einiger Zeit ergreift mich wieder die Langeweile. In jedem Ordner finden sich wieder nur alte Rechnungsbelege. Nichts spannendes. Die ältesten sind von 1936 und die letzte Rechnung stammt von 1950. Wenn dass die Zeit war, in der die Bewohner verschwunden sind, dann steht dieses Gebäude schon seit fast 70 Jahren leer. Ich kenne mich nicht mit der natürlichen Verwitterung aus, aber ich glaube kaum, dass aus solch einem imposanten Gebäude innerhalb von 70 Jahre so eine Ruine werden kann. Ich trete nach draußen und schaue mir das Treppenhaus mit seinen verschiedenen Etage nochmal genauer an. Viele Treppenabsätze sind angeschlagen oder fehlen gleich ganz. Manche Etagen sind vollkommen verschwunden. Man kann nur noch die Türen erkennen, die in der Wand eingelassen sind und erahnen, dass es auch dort mal ein Podest gegeben haben muss. Was kann nur solch einen Schaden anrichten? Bombeneinschläge? Ich würde zu gerne einen Blick in die Vergangenheit werfen um heraus zu finden was geschehen ist. Ein leises Brummen verlangt nach meiner Aufmerksamkeit. Ich wende mich dem Kater zu und betrachte ihn eingehen. „Warum bist du hier?“ Natürlich antwortet er mir nicht. Trotzdem fange ich an mit ihm zu reden, als ob er meine Worte verstehen könnte. Zum einen um das Sprechen nicht zu verlernen und zum anderen um diese erdrückende Stille zu übertönen. „Was bist du eigentlich? Ich meine, wenn du kleiner wärst dann könntest du als komische Katze durchgehen. Aber so erinnerst du eher an einen Bären. Dein Kopf hat merkwürdigerweise die Form eines Wolfes. Aber deine Pfoten und dein Schwanz sind der einer Katze sehr ähnlich. Was für eine seltsame Mischung. So etwas wie dich habe ich noch nie gesehen“ Ich schaue ihm in die grauen Augen und staune mal wieder über deren Färbung. Wenn das wenige Licht, dass seinen Weg nach unten findet auf einen bestimmten Winkel trifft dann glänzen sie wie flüssiges Quecksilber. Seine Pupillen ähneln denen einer Katze. Scheinbar kann er im dunkel ausgezeichnet sehen. Auch die Laute, die er von sich gibt sind sehr unterschiedlich. Mal schnurrt er wie ein zufriedener Kater, dann knurrt er wie ein Hund. Das Brüllen kann ich nicht zuordnen, nach einem Bären klingt es aber nicht. Die Kuriosität ist seine Menschlichkeit. Viel zu deutlich kann ich menschliche Emotionen erkennen. Auch scheint er meine Worte und deren Sinn langsam zu begreifen. Er ist sehr intelligent, wird aber auch unglaublich schnell ungeduldig, wenn es nicht nach seinem Kopf geht. Was aber viel wichtiger ist, ist die Tatsache, dass er mir kein Leid zufügen will. Auch wenn ich ihn das eine oder andere Mal scheinbar zur Weißglut gebracht habe, tobt er seine Wut an den Schreibtischen in seinem Raum aus. Wenn er sich beruhigt hat kommt er zurück und tut so, als ob nichts gewesen wäre. Wie ein kleiner Junge klebt er dann an meinem Rockzipfel. Die Zeit tröpfelt dahin und ich weiß nicht mehr wie lange ich schon hier unten bin. Meine Beschäftigungen haben sich dem Ende zugeneigt. Im letzten Raum befand sich rein gar nichts. Die Wände sind mit Stahl verkleidet und trotzdem von Kratzspuren entstellt. Knapp unter der Decke ist ein Schacht eingelassen aus dem verbrauchte, warme Luft kommt. Das war wohl auch der Grund für den Luftzug, der mich unter der Tür so verräterisch gelockt hat. Also doch kein Ausgang. Der Raum wirkt auf mich beängstigend und abweisend, weshalb ich ihn meiden werde. Auch mein Kater setzt keine Pfote hinein. Irgendwann im Laufe des Abends hat es zu regnen begonnen und mein Wasserproblem hat sich von allein gelöst. Ich habe mit sämtlichen Schüsseln und Eimern das erfrischende Nass aufgefangen, sie ausgespült und noch mehr aufgefangen. Endlich kann ich meinen Durst stillen und mich etwas sauber machen. Auch habe ich mir einige der noch brauchbareren Handtücher aus der Abstellkammer geholt und mit dem alten Fit, dass ich in der Küche unter der Spüle entdeckt habe, ausgespült. Nun trocknen sie so vor sich hin. Nach der eingehenden Studie der Räume lässt sich nichts interessantes mehr finden. Ich habe begonnen mit dem Kater den ich aus einer Laune heraus auf Liam getauft habe zu reden. Liam hört mir gerne zu und scheint regelrecht auf meine Stimme zu warten. Aus Langeweile habe ich begonnen ihm meinen Lebenslauf bis ins kleinste Detail zu erzählen. Er genießt es regelrecht sich in einiger Entfernung hin zu legen und zu lauschen. Manchmal gibt er bestätigende Laute von sich. Das kann auch meine Einbildung sein. Nachdem meine Handtücher getrocknet sind, breite ich sie auf meinem provisorischen Bett aus und versuche es mir so gemütlicher zu machen. Auf diese Wiese ist mir nachts wenigstens nicht mehr ganz so kalt. Es hat mich am Anfang mehr Nerven gekostet, als gedacht, diesem Kater beizubringen mir nicht aufs Klo zu folgen. Immer wieder hat er geknurrt und gegen die Tür gehämmert. Aber mein Wort: Nein scheint er schon gut verinnerlicht zu haben. Dumm ist er aber keinesfalls. Er reizt mich gerne so lange, bis ich meine Stimme schärfer einsetze, nur um zu testen wie weit er gehen kann. Es kommt mir manchmal so vor, als ob ich ein kleines Kind erziehen würde. Hier zeigt meine jahrelang antrainierte Geduld ihren wahren Wert. Mir ist auch aufgefallen, dass Liam sehr verspielt ist. Er ärgert mich absolut gern. Manchmal klaut er etwas von meinen Lebensmitteln, da er bemerkt hat wie sehr ich sie behüte. Dann versteckt er sie vor mir. Meistens sucht er auch meine Aufmerksamkeit, wenn ich mal keine Lust habe ihn zu beschäftigen und in meinen Grübeleien versinke. Dann stupst er mich mit der Schnauze oder der Pfote solange an, bis ich mich resigniert ihm widme. So vergehen die Tage. Ich weiß nicht wie lange ich schon vermisst werde, aber irgendwie glaube ich kaum noch an eine Rettung. Heute regnet es wieder einmal und ich kann meinen Wasservorrat auffrischen. Als ich anfange die Stühle zum hundertsten Male umzusortieren, nur um mich zu beschäftigen und in Bewegung zu halten höre ich ein lautes Poltern. Liam kommt wohl gerade von einem seiner Ausflüge zurück. Er springt vom Dach und landet sanft auf einem Absatz. Von dort aus klettert er Stück für Stück herunter. Ich warte bereits auf ihn und locke ihn in mein Zimmer. Er folgt brav. Dann setze ich mich auf einen Stuhl und warte bis er sich vor mir niederlässt und mir mein obligatorisches Obst überreicht. Ich danke ihm brav für die Birnen und wundere mich wieder einmal wo er die her hat. Ich meine, so eine große Katze müsste ja auffallen, wenn sie Obst aus Nachbars Garten klaut. Ich hebe die Birnen auf und betrachte sie genau. Sie glänzt etwas feucht von seinem Speichel und leichte Zahnabdrücke sind zu erkennen. Dann sehe ich zu Liam hinüber, der anfängt sich zu putzen. Immer wieder habe ich versucht ihm eine Rasse zuzuordnen. Aber langsam habe ich keine Lust mehr herumzuknobeln. Um meinen Drang zu befriedigen erkläre ich Liam kurzerhand zu einem Mythos. Für mich ist er eindeutig eine Chimäre. Das klingt für mich jedenfalls sehr logisch. Keine Ahnung wie Chimären entstehen könnten, aber er trägt scheinbar Gene von einer Raubkatze, einem Wolf und einem Bären in sich. Wer weiß was sich noch so alles in ihm verbirgt. Früher habe ich gerne herum gesponnen und bei dieser andauernden Langeweile fange ich wieder damit an: Ich stelle mir vor, wie er aus einem Ei schlüpft, das vielleicht seit Jahrhunderten verborgen war und mutterseelenallein herumirrt. Da er der einzige seiner Rasse ist hat er sich nach Gesellschaft gesehnt und mich deshalb entführt. Ich war also einfach zur falschen Zeit am falschen Ort. „Armer Kerl.“ sage ich laut und ernte einen vorwurfsvollen Blick, ganz so als ob Liam kein Mitleid akzeptieren würde. Ich nehme meine Birne und lege sie zu dem anderen Obst, danach ergebe ich mich wieder meiner gewohnten Langeweile und versinke im Nichtstun. 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