Bestienhandbuch für Anfänger von NaBi07 (Lektion 1: Wie erziehe ich meine Bestie) ================================================================================ Kapitel 8: Sanktionen --------------------- Kapitel 2.3.1 – Sanktionen „Sollte sich Ihre Bestie nicht an die gesetzten Grenzen halten, ist es wichtig sie zu maßregeln. Nutzen Sie ihre bereits gewonnenen Kenntnisse und entziehen Sie der Bestie bestimmte Privilegien, um sie zu sanktionieren.“ Schweigend sitzen wir am Tisch. Mein Gehirn braucht noch etwas Zeit um das ganze zu verarbeiten. Offiziell bin ich also tot. Das heißt auch, dass ich nie wieder in mein altes Leben zurück kehren kann. Jedenfalls scheint Sophie sich das einzubilden. Meine Wut kocht in mir und droht, wie aus einem Vulkan herauszubrechen. Warum glauben alle über mich bestimmen zu können? „Was soll das ganze?“ schnauzte ich mein Gegenüber an. Sophie scheint überrascht zu sein. Sie hatte diesen schnellen Gefühlsumschwung wohl nicht erwartet. „Ich glaube wir sind Ihnen einige Erklärungen schuldig“ meint die junge Frau und fixiert mich mit ihren klugen Augen. „Zuerst will ich mich für das mehr als unhöfliche Verhalten meines Onkels und des Generals entschuldigen. Beide unterlagen der Annahme, dass sie Teil einer Gegengruppe sind und versucht haben unsere größte Schwäche gegen uns zu verwenden. Darum hat der General ihren Tod durch das Giftgas in die Wege geleitet. Das tut mir unendlich leid.“ Na toll. Also wollte dieser heiße General auch meinen Tod. Wie nett. „Und wie sind Sie dann zu dem Schluss gekommen mich doch noch am Leben zu lassen?“, frage ich ungehalten. Diese lahme Entschuldigung kann bei mir auch nicht für bessere Laune sorgen. „ZP-984 war so nett mir Ihren Namen zu verraten. Daraufhin habe ich Nachforschungen angestellt und bin auf den Artikel gestoßen. Natürlich habe ich meine Ergebnisse auch an meinen Onkel und den Rat weitergeleitet. Leider war ich nicht schnell genug. Das tut mir leid.“ Ich schnaufe abwertend, ganz in der Manier meiner Bestie. „Und wo bin ich nun hineingeraten?“ Ich will Antworten. Und zwar sofort! Mit Hilfe einer Fernbedienung schaltet Sophie das Licht aus. Dann kommt aus der Decke eine Leinwand gefahren und ein großer Schriftzug ist darauf zu sehen: Gimini Intercorbs. Diese ganze Aufmachung finde ich irgendwie lächerlich. „Also dann will ich Sie jetzt mal offiziell bei Gimini International Cooperation begrüßen.“ Meine Neugierde übernimmt die Führung und verlangt nach Befriedigung. Also vergesse ich vorerst meine Wut und konzentriere mich gespannt auf Sophies Worte. „Gimini Intercorbs wurde vor knapp achtzig Jahren gegründet.“ Ein Bild des in der Erde eingelassenen Labors ist zu sehen. Es wirkt noch recht neu und nicht so sehr wie die Ruine, die ich kennen gelernt habe. Sophie führt ihre Erläuterung fort: „Während des 2. Weltkrieges haben sich einige Wissenschaftler zusammengetan, um einen Weg zu finden Hitler und seine Armee in die Schranken zu weisen. Falls Sie es schon einmal gehört haben, versuchte Hitler mit Hilfe von Genmanipulation den perfekten Menschen zu erschaffen. Seine Bemühungen blieben aber Gott sei dank fruchtlos. Gimini Intercorbs wollte es ihm gleich tun. Nur wollten sie einen Schritt weitergehen und keine perfekten Menschen erschaffen, sondern die perfekte Waffe. Sie setzten es sich zum Ziel verschiedenes genetisches Erbgut zu kombinieren und somit eine neue Spezies zu erschaffen. Die Bestien.“ Kurz schiele ich über die Schulter. Dann vergleiche ich Liam mit der Reihe von Bildern die auf der Leinwand erscheinen. Bestien in allen Formen und Größen. So etwas absonderliches habe ich noch nie gesehen. Das alles würde für mich nach einem schlechten Sciencefictionroman klingen, wenn der lebende Beweis nicht hinter mir sitzen würde. Auch Liam widmet sich dem Bericht. Seine Ohren sind hoch aufgestellt, damit er ja kein einziges Wort verpasst. Wiedereinmal frage ich mich, wie viel er von unserer Sprache versteht. Am Anfang kannte er ja nicht mal die einfachsten Befehle. Nun aber kommt es mir so vor, als ob er jedes Wort verstehen würde das ich sage. Ungeduldig sehe ich zu der Frau, da die Diashow angehalten hat. Sophie wartet scheinbar gerade auf einen Kommentar meinerseits und mustert mich angespannt. „Aha“, bringe ich altklug heraus. Also ehrlich, was hatte sie erwartet? Applaus? Ein lautes „Oh“ und „Ah“? „Ich sehe schon, dass Sie mir nicht so recht glauben wollen. Aber nachher können wir uns ja in mein Labor begeben und uns mal umsehen.“ „Labor?“ „Ja. Wie mein Onkel bin ich eine Genetikerin. Man könnte sagen, dass ich die tierischen und menschlichen Eiweiße und Proteine unter dem Mikroskop auseinander pflücke und dann neu wieder zusammen setzte.“ „War das denn damals schon möglich? Ich meine heute gibt es viele neue wissenschaftliche Erkenntnisse und technische Mittel. Aber damals stelle ich mir das sehr schwer vor.“ „Ja, mein Urgroßvater hatte es nicht so leicht wie wir. Dafür besaß er eine ungeheure Intelligenz. Er war seinesgleichen weit voraus. Mit Hilfe seiner Wissenschaftler und einigen sehr reichen Sponsoren gelang ihm der Durchbruch.“ „Oh. Und ihr führt das alles weiter?“ „Ja. Wir haben uns seitdem weiterentwickelt. Dir sind ja bereits einige unserer Bestien begegnet.“ „Wie könnt ihr das alles vor der Öffentlichkeit geheim halten? Immerhin kann ich mich an keinen Zeitungsartikel über euch erinnern.“ Ich wundere mich nun wirklich darüber. Immerhin sind hier im Labor nicht gerade wenig Bestien, wenn ich an die Begegnung denke, die ich vor ein paar Stunden machen durfte. „Wie gesagt, damals wurde diese Organisation gegründet, um Hitler aufzuhalten. Deshalb war alles streng geheim. Aber das Hitlerproblem hatte sich ja von selbst gelöst.“ Ja ich glaube daran kann ich mich noch aus meinem Geschichtsunterricht erinnern. Aber nur sehr dunkel und verschwommen. Geschichte war noch nie meine Stärke und deshalb hat mein Gehirn meist einen auf Faulenzia gemacht. „Trotzdem verlangten die Sponsoren und der Rat nach weiteren Erfolgen. Mein Urgroßvater wollte damals an die Öffentlichkeit gehen und hatte gehofft auf offizielle Unterstützung zu treffen. So wollte er sich von den korrupten Sponsoren befreien. Doch dann gab es einen Vorfall.“ Das ganze ist unheimlich spannend. Ich stelle mir die Wissenschaftler in einer geheimen Basis vor, wie sie versuchen eifrig Bestien zu züchten um Hitler und seine Armee zu besiegen. Das wäre gutes Material für einen Roman. Ob ich mir die Rechte daran sichern sollte? Ich frage mich was geschehe wäre, wenn es den Wissenschaftlern rechtzeitig gelungen wäre und sie Hitler aufgehalten hätten? Würde dann die heutige Welt ganz normal mit den Bestien zusammenleben? Mir kommt der letzte Satz von Sophie in Erinnerung. „Was für einen Vorfall?“ „Um das zu erklären muss ich weiter ausholen.“ Ich zucke mit den Schultern. „Also ich habe heute nichts weiter geplant, da ich ja nicht nach hause darf. Also können Sie ruhig mehr ins Detail gehen, wenn wir schon einmal dabei sind.“ Sophie lächelt mich wissend an. Scheinbar teilen wir unsere neugierige Ader miteinander. „Mein Urgroßvater, Professor Xavier Gillian, stand wie gerade erwähnt, kurz davor der Menschheit seine Bestien zu präsentieren. Doch die Sponsoren und der Rat waren alles andere als begeistert. Sollte die Öffentlichkeit die Ergebnisse meines Urgroßvaters gut heißen, dann würden sie ihre Vormacht und die damit verbundenen Privilegien verlieren. Sollte mein Urgroßvater aber abgelehnt werden, dann würden auch sie von der Öffentlichkeit verpönt werden. So oder so würden sie den kürzeren Ziehen. Deshalb beschlossen sie ihn kurzerhand aus seinem Amt zu entlassen. Da es einen sehr engagierten Nachfolger gab, waren sie der Meinung ihn nicht mehr zu brauchen. Mein Urgroßvater allerdings bekam Wind davon und vernichtete all seine Unterlagen. Als er fliehen wollte gab es einen Unfall und er stürzte die Treppen runter. Natürlich glaubt keiner meiner Familie daran, dass das ein Unfall war, aber wir habe auch keine klaren Fakten, um das Gegenteil zu beweisen“, meint Sophie traurig. Sie tut mir leid. Scheinbar lebt auch sie in einer viel zu unfairen Welt. Sie wird mir immer sympathischer. „Professor Meyers“, fährt sie fort, “dachte aber nicht ans aufgeben. Er wollte die jahrelange Arbeit nicht verlieren. Darum nahm er sich eine Bestie nach der anderen vor und experimentierte an ihnen herum. Er wollte herausfinden, wie mein Urgroßvater die Gene zusammengesetzt hatte. Es gelang ihm anscheinend nach einem Jahr harter Arbeit auch und er züchtete eine neue Generation von Bestien heran. Er fand große Unterstützung bei den Sponsoren und vom Rat. Nach einiger Zeit fiel aber auf, dass die Bestien nicht leicht zu handhaben waren. Immer mehr von ihnen zeigte auffallend aggressives Verhalten ihren Mastern gegenüber. Professor Meyers war mit der Situation vollkommen überfordert. Auch die Bestien die mein Urgroßvater gezüchtet hatte, spielten verrückt. Da fing alles an den Bach runter zu gehen.“ Sophie machte eine kurze Pause. Sie kramt aus ihrer Tasche zwei Limodosen und bietet mir eine an. Ihre trinkt sie in schnellen Zügen. Ich merke wie diese Geschichte sie mitnimmt. Sie wirkt aufgelöst und nervös. Ich lasse ihr Zeit, obwohl ich unbedingt wissen will, wie das ganze weitergeht. „Was ist dann geschehen?“ dränge ich sie, da es mir dann doch zu lange dauert. „Die Trainer, Wissenschaftler, der Rat, die Master und die Sponsoren haben sich zusammengesetzt. Es gab immer mehr Komplikationen und man konnte die Bestien kaum noch bändigen. Als dann auch noch einer der wichtigsten Sponsoren von seiner eigenen Vogelbestien regelrecht zerfleischt wurde, beschloss man das Projekt auf Eis zu legen. Man war der Meinung, dass es noch zu früh dafür war, die Bestien in Massen herzustellen. Nach und nach begann man die Bestien einzuschläfern und zu vernichten.“ Wie grausam. Erst spielen diese Wissenschaftler Gott und als ihnen ihr Ergebnis nicht mehr passt, vernichten sie es einfach. „Aber keiner hatte mit XS-707-GP4 gerechnet.“ Verwundert sehe ich zu Liam. Wenn ich mich recht erinnere, dann war das seine Bezeichnung. „Wie meinen Sie das? Und was bedeutet dieser seltsame Name?“ hake ich nach. Lächelnd wendet Sophie ihren Blick ab. „Damals wie heute gibt man den Bestien keine Namen, sondern lediglich Buchstaben und Zahlen um sie auseinander zu halten und zu kennzeichnen. Sie werden so in spezifische Klassen untergeordnet. Die Bestien von Professor Meyers wurden Beispielsweise meistens mit einem M bezeichnet. Wie MP-564. Wie Ihnen bestimmt auffällt, folgen den Buchstaben nur drei Zahlen. Bei Ihrem XS-707-GP4 aber kommt noch ein G, ein P und eine 4 hinzu. Diese Endung hatte mein Urgroßvater eingeführt. Da aber seine Unterlagen vernichtet sind, können wir nicht mehr herausfinden was sie bedeuten.“ „Nun gut, dass erklärt diese seltsamen Namen. Aber was hat das alles mit der Bestienvernichtung zu tun?“ frage ich ungeduldig. „Ganz einfach. Selbst Professor Meyers wusste nicht wozu XS-707-GP4 fähig war. Ich kenne die genauen Hintergründe nicht, aber es muss einen speziellen Vorfall gegeben haben. Ehrlich gesagt sind wir nicht ganz sicher was passiert ist, da alle, die zu der Zeit des Vorfalles im Labor waren ihn nicht überlebt haben. Nur aufgrund alter Aufzeichnungen wissen wir, dass XS-707-GP4 an dem Tage eingeschläfert werden sollte an dem das Labor zerstört wurde. Sie konnten sich ja selbst ein Bild von dem Schaden, den er damals angerichtet hatte, machen.“ „Sie meinen …,“ sprachlos halte ich inne. Liam hatte das Labor zerstört in dem ich noch vor kurzem gefangen gewesen war? Konnte er wirklich einen so großen Schaden anrichten? „Das, was er heute gezeigt hat, war nur eine minimale Kostprobe seiner wahren Kraft.“ Ehrfurcht durchflutet mich. Liam scheint eine unglaublich mächtige Bestie zu sein. Das erklärt die Angst der Soldaten die deutlich zu spüren war, als wir angekommen sind. Und die Feindseligkeit. „Gibt es noch mehr von Liams … naja … Artgenossen?“ „Nein. Er ist die letzte Bestie seiner Zeit. Er ist auch das letzte Erbe meines Urgroßvaters. Darum hat mein Onkel mehr Interesse an Liam gezeigt als an Ihnen. Er ist von den Arbeiten unseres Vorfahrens praktisch besessen. Es grämt ihn, dass Sie sein Zielobjekt gezähmt haben.“ „Warum hat man mich für einen Feind gehalten? Und wieso sollte ich deshalb sterben?“ „Verstehen Sie es noch immer nicht? Erst befinden Sie sich auf unserem Territorium und dann ist es Ihnen gelungen eine siebzig Jahre alte Bestie zu zähmen, die eigentlich als besonders erbarmungslos und brutal gilt. Sie sind im Besitz der ultimativen Waffe unserer Zeit. Das verleiht ihnen viel zu viel Macht. Im Rat und in den Laboren gibt es mehr als genug Menschen die Sie beneiden und alles dafür geben würden, um ihren Platz einzunehmen. Außerdem befinden wir uns derzeit im Ausnahmezustand. Es gibt einige unkontrollierbare Vorfälle mit unseren Gegenspielern. Das hat für das Misstrauen gesorgt.“ „Ich dachte ihr seit eine geheime Organisation, wie könnt ihr da Feinde haben?“, will ich wissen. Sophie sieht mich bedauernd an. „Es gibt immer wieder Mitglieder von Gimini, die andere Auffassungen haben, als die Mehrheit. Diese haben sich zusammengeschlossen und ihre eigene Gruppierung gebildet. Das läuft jetzt schon einige Zeit so und wir müssen mehr denn je auf der Hut sein, um die Zivilisten aus diesem Kleinkrieg heraus zu halten. Da kann jeder Vorteil bedeutend sein.“ Langsam verstehe ich das Ausmaß. „Wie zum Beispiel eine Superbestie, die in die falschen Hände geraten könnte.“ „Genau.“ Schweigend blicken wir zu dem Übeltäter. Liam niest ungeniert. Dieser Teil unsrer Unterhaltung scheint ihn zu langweilen, obwohl er die Hauptrolle einnimmt. Ich betrachte ihn mit neuen Augen. Jetzt da ich weiß was er ist, kann ich die Gene erahnen die in ihm stecken. Doch weiß ich immer noch nicht wie ich zu der Ehre gekommen bin. „Verraten Sie es mir?“ holt Sophie mich aus meinen Gedanken. „Was?“ „Wie haben Sie es geschafft sich in sein Territorium zu schleichen und ihn zu zähmen.“ Frustriert schnaufe ich. „Das habe ich schon tausend mal erklärt.“ Ich verschränke meine Arme, wie ein bockiges Kind. „Es tut mir leid. Aber diese Geschichte ist noch nicht an mein Ohr gedrungen. Und ich finde, dass Sie mir auch etwas über sich erzählen könnten. Immerhin habe ich Ihnen gerade ein bedeutendes Ereignis unserer Geschichte beschrieben, dass normalerweise nur einer geringen Anzahl unserer Leute bekannt ist.“ Gutmütig gebe ich nach. Sophie kann ja nun wirklich nichts dafür, dass mir keiner zuhören wollte. Sie scheint wenigstens an meiner Geschichte interessiert zu sein. Ich halte den Zeitungsartikel hoch. „Eigentlich können Sie die Hälfte hier lesen.“ Verständnislos blickt sie mich an. Also hole ich weiter aus. „Hier steht es. Am 10. Juli war ich mit meinen Kollegen im Wald, als wir von Liam angegriffen wurden. Ich habe ihn für eine Wildkatze gehalten und wollte ihn von ihnen und den Kindern weglocken. Das hat zu gut gewirkt. Er hat mich irgendwie K.O. geschlagen. Als ich aufwachte war ich in dieser Ruine.“ „Oh, so war das also und ich dachte die Bildzeitung übertreibt mal wieder“, sie überlegt kurz, „Scheinbar wollte XS-707-GP4 Sie zum spielen mitnehmen.“ „Was meinen Sie damit?“ „Bestien neigen dazu sich Spielgefährten zu suchen. Trotz des strengen Trainings sind sie doch sehr soziale Wesen. Von Zeit zu Zeit wählen sie sich einen Artgenossen und erlauben ihnen zum Spielen in ihr Territorium zu kommen.“ Sophie scheint kurz zu überlegen. „Bei XS-707-GP4 war es aber bis jetzt anders. Er erschien uns eher als Einzelgänger. Nach dem Vorfall im ersten Labor haben die übrig geblieben Ratsmitglieder und Wissenschaftler von Gimini Intercorbs, die sich außerhalb des Geländes aufgehalten hatten, natürlich alle Hebel in Bewegung gesetzt um ihn einzufangen. Aber ohne Erfolg. Da er sich aber eher ruhig verhalten hatte, haben sie ihn dann praktisch links liegen gelassen und geglaubt, dass er von alleine an Altersschwäche verenden würde. Einige Wissenschaftler wurden dazu abbestellt ein Auge auf ihn zu haben und mussten jede Kleinigkeit dokumentieren. Doch XS-707-GP4 gelang es sich so gut zu verstecken, dass sein Beobachtungsteam ihn verlor. So wurde auch diese Aufgabe auf Eis gelegt. Im März 1954 wurde er offiziell für Tod erklärt, da er das Ende des errechneten Lebensalters erreicht hatte. Es wurde vermutet, dass er sich einen Ort zum sterben gesucht hatte und deshalb verschwand. In dieser Zeit hat sich der Rat darauf konzentriert ein neues Labor aufzubauen und mehr Möglichkeiten der wissenschaftlichen Studien zu schaffen. Es wurden im Geheimen neue Sponsoren angeworben und Gimini Intercorbs ist erfolgreich wieder auferstanden. 1970 wurde dann das Labor, in dem wir uns heute befinden fertig gestellt und bezogen. Vor rund 20 Jahren ist XS-707-GP4 dann plötzlich wieder aufgetaucht. Er wurde zufällig in der Nähe der Nordsee entdeckt, nachdem er seit rund 39 Jahre als Tod galt. Sie können sich vorstellen wie überrascht wir waren. Eine alte Legende war wieder zum Leben erweckt wurden. Keiner konnte sich erklären, wo er die ganze Zeit gewesen war und warum er plötzlich aufgetaucht ist.“ Sophie macht eine Pause damit ich die vielen Informationen erst einmal verdauen kann. Das ist ein ganz schönes Stück Geschichtete das in unseren Lehrbüchern fehlt. Unglaublich wie das alles geheim gehalten werden konnte und das obwohl scheinbar viele Menschen beteiligt sind. Ich frage mich, wir es Liam gelungen ist so lange unentdeckt weiter zu leben. Aber wenn er für Tod erklärt wurde, dann sucht ja keiner nach ihm und so war es wohl leicht sich zu verbergen. Aber warum ist er zu Nordsee gegangen? Wenn ich mich recht erinnere bin auch ich zu dieser Zeit dort gewesen. Meine Familie lebte einige Monate lang in der Nähe. Gänsehaut überkommt mich bei dem Gedanken, dass ich ihm schon vor 20 Jahren hätte begegnen können. Sophie beobachtet mich ganz genau. Ich nicke leicht, damit sie weiß, dass sie fortfahren kann. „Erst in der 2. Generation von Gimini Intercorbs haben wir also wieder versucht ihn einzufangen. Mittlerweile gab es überall auf der Welt verstreut Tochterlabore. Jeder war von Liams Existenz begeistert. Nur leider reichten unsere Mittel und Taktiken immer noch nicht aus, um ihn einzufangen. Immer wieder ist er spurlos verschwunden. Aber mittlerweile ist die Technik fortschrittlicher und so haben wir ihn schnell wieder entdeckt. Vor rund zehn Jahren versuchten wir sogar ihn mittels anderer Bestien anzulocken. Aber auch hier zeigte er kein Interesse. Weder bei anderen Vierbeinern, noch bei den unausgewachsenen Bestien, die sonst den Beschützerinstinkt wecken.“ Ein abfälliges Schnauben kommt von Liam, ganz so als ob er sich über diese Bemühungen lustig machen würde. Sophia sieht ihn entschuldigend an. „Verstehen Sie jetzt warum es so eigenartig ist, dass sich XS-707-GP4 bei ihnen dermaßen handzahm aufführt?“ „Ja, ich glaube schon.“ „Was haben Sie gemacht, als Ihnen ihre Lage bewusst wurde?“, fragt Sophie neugierig. Jetzt bin wohl ich an der Reihe um aus dem Nähkästchen zu plaudern. „Panik geschoben, was sonst?“, gebe ich ungeniert zu. „Wie würden Sie reagieren, wenn Sie ganz plötzlich von einem nicht definierbaren Tier entführt werden und in einer Ruine aufwachen?“ „Naja, ich hätte da keine so großen Probleme. Immerhin bin ich mit Bestien groß geworden und in den Laboren praktisch aufgewachsen. Für mich klingt das alles nach einem großen Abenteuer. Andererseits könnte ich mich wohl ähnlich fühlen, wenn ich plötzlich einem Haufen von unerzogenen Kindern gegenüberstände und mich um sie kümmern müsste.“ lächelt sie mir entgegen. „Wir können das nächste Mal gerne tauschen.“ erwidere ich mürrisch. „Ich habe versucht zu überleben. Irgendwie jedenfalls. Liam hat mich ständig beobachtet und nach einer geraumen Zeit habe ich angefangen mit ihm zu sprechen und versucht zu kommunizieren. Überraschenderweise hat das ganz gut funktioniert.“ „Das ist nicht verwunderlich. Er wurde darauf trainiert einfache Befehle zu verstehen und zu befolgen. Außerdem steckt in ihm ein gewisser Anteil humaner DNA, damit er uns besser verstehen kann.“ „Was?“ „Das habe ich Ihnen doch bereits erklärt. Wie mischen humane und animalische DNA.“ Ich schlucke. Das erklärt allerdings so einiges. „Wie ist das möglich? Heißt das, dass Liam meine Sprache spricht? Wie menschlich ist er denn?“ „Dazu kommen wir später.“ Mit diesen Worten erhebt sich Sophie. „Kommen Sie. Es wird Zeit. Wir haben uns viel zu lange unterhalten. Ich muss leider noch arbeiten. Ich bringe Sie zurück.“ „Aber ich habe doch noch so viele Fragen!“ „Ja, ich auch. Aber wir haben ja morgen wieder Zeit dafür.“ Unzufrieden lasse ich mich von Sophie zurück bringen. Meine Bestie folgt mir natürlich auf Schritt und Tritt. Liam scheint froh zu sein, sich endlich wieder bewegen zu können. Trotzdem kann ich mir eine letzte Frage nicht verkneifen, als wir durch den Gang schlendern. „Kann Liam sprechen?“ „Oh. Das glaube ich weniger. Zwar sind einige der Bestien in der Lage zu sprechen, brauchen dafür aber menschliche Stimmbänder. Darum fällt das den Zweibeinern oder denen mit offensichtlichen menschlichen Merkmalen leichter, da sie in den meisten Fällen auch unser Sprachorgan entwickelt haben.“ Sophie wirft einen prüfenden Blick zu Liam. Der erwidert diesen aber nicht, wartet nur ungeduldig darauf, dass die Tür aufgeht. „Er wirkt auf mich als sei er mehr animalischen Ursprungs. Ich bin mir aber sehr sicher, dass er Ihre Worte perfekt verstehen kann und auch ihren Sinn im Großen und ganzen begreift.“ Sophie reicht mir noch die Hand und verlässt uns dann. Ich betrachte Liam wütend und ernte einen verständnislosen Blick von ihm. „Ich glaube, dass wir beide noch ein Hühnchen miteinander zu rupfen haben.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)