Bestienhandbuch für Anfänger von NaBi07 (Lektion 1: Wie erziehe ich meine Bestie) ================================================================================ Kapitel 15: Züchter ------------------- Kapitel 3.4 – Züchter „Kontaktieren Sie auch nach der Geburt ihrer Bestie regelmäßig ihren Züchter. Fragen Sie ungehemmt nach, wenn Sie bestimmte Verhaltensweisen nicht verstehen. Die noch so kleinste Information kann Ihnen bei der Ausbildung ihrer Bestie weiterhelfen.“ Das Licht ist leicht gedimmt, genauso wie beim letzten Mal, und sorgt so für eine einschläfernde Atmosphäre. Die großen Aquarien nehmen den meisten Platz im Raum ein und lassen alles, trotz der immensen Größe, noch viel eingeengter wirken. Eine quallenartige Bestie beobachtet mich mit ihren schmalen Augen. Ihr Körper schillert wie fluoreszierende Glühwürmchen und die einzelnen Tentakel wiegen sich in den künstlich erzeugten Wellen. Mir stockt der Atem bei ihrem Anblick. Diese Bestie ist einfach nur wunderschön. Leise schleiche ich voran und studiere jede einzelne Kreatur genau. Ein Hai mit zwei menschlichen Beinen schwimmt seine abendlichen Bahnen und jagt einem kleinen Fisch hinterher. Überall erkenne ich Tentakel, Flossen, Scheren, Schuppen und manchmal sogar schalenartige Gebilde. Ich komme mir abermals so vor, als würde ich auf dem Grund des Meeres spazieren gehen und die einzigartigen Lebewesen beobachten. Obwohl ich mich in Zeitlupe vorwärts bewege, komme ich viel zu schnell bei Sophie an. Sie blickt auf ihr Tablet und studiert scheinbar einige Daten. Ich bleibe hinter ihr stehen und komme mir wie ein Eindringling vor. Räuspernd mache ich auf mich aufmerksam. Sophie schnellt zu mir herum und sieht mich erschrocken an. Erleichterung huscht über ihr Gesicht, dann runzelt sie die Stirn. „Was machst du hier?“ Verlegen trete ich von einem Bein auf das andere. Wie soll ich ihr von meinem Gespräch mit dem General erzählen ohne dass sie uns für verrückt hält? „Ich wollte dich mal besuchen.“ Am besten warte ich noch mit der Bombe, bevor ich sie platzen lasse und sondiere erst einmal die Lage. „Achso. Wie ist das Training verlaufen?“ „Gut. Ich muss ab heute täglich in Trainingshalle 7 mit Liam üben.“ „General Blackthrone scheint euch ja hart ran zu nehmen.“ „Naja. Eher meinen Liam. Ich muss ja nicht viel machen.“ Meine Schultern zucken in einer gelangweilten Geste nach oben. Die meiste Arbeit hat wirklich nur mein Partner. Sophie lächelt mich an und konzentriert sich wieder auf das Tablet. „Und was machst du so?“, versuche ich das Gespräch in Gang zu halten. „Ich habe heute wieder eine Wasserbestie verloren. Sie ist gerade mal drei Wochen alt geworden. Ich muss noch die gewonnenen Daten auswerten und das Becken reinigen lassen.“ „Oh. Das tut mir leid.“ „Es war zu erwarten. Der neue Herr hatte eine eigenwillige Kombination gewählt, trotz meiner vorangehenden Warnung.“ Sie seufzt. Sophie hat wohl mit diesem Ausgang gerechnet und ist nicht sonderlich überrascht. „Welche Zusammenstellung denn?“, frage ich neugierig. „20% Krabbe, 40% Seelöwe, 30% Skorpion und 10% Mensch.“ Ich nicke verstehend, obwohl ich nicht wirklich begreife, weshalb diese Zusammenstellung nicht erfolgreich werden konnte. Mein Fuß scharrt über den blanken Betonboden. Plötzlich leuchtet etwas im Hintergrund auf und weckt mein Interesse. Die menschenähnliche Wasserbestie, die mir Sophie heute Morgen zuerst vorgestellt hatte, lässt kleine Blitze in ihrem Becken tanzen. Fasziniert beobachte ich, wie sie vor dem Beckenrand treibt und das Wasser in einem Funkenmeer erleuchten lässt. Dieses Mal sehe ich noch genauer hin. Diese Bestie wirkt auf eigenartige Art und Weise viel zu menschlich. Sie trägt eine dieser weiten Badehosen, die mein Cousin so gerne mag. Der Oberkörper wirkt gut durchtrainiert. Lässig treibt sie im Wasser, die Arme locker neben sich schwebend. Ihre Augen schimmern wie ein klarer See und fixieren uns vom anderen Ende des Raumes aus. Ich mache einen Schritt auf sie zu. Er nickt und lockt mich mit weiteren kleinen Blitzen zu sich heran. Versucht er Kontakt zu mir aufzunehmen? Kurz sehe ich zu Sophie, doch diese ignoriert das zauberhafte Schauspiel einfach. Entschlossen durchquere ich den Raum und komme vor dem seltsamen Wesen zum stehen. Wir starren uns gegenseitig an. Seine Seele leuchtet mir entgegen und es kommt mir so vor, als ob er nach Hilfe sucht. Eine unsagbare Sehnsucht liegt in seinem Blick und eine Welle der Traurigkeit überkommt mich. Er fühlt sich einsam. „Fall nicht auf seinen Trick herein“, kommt es mürrisch von hinten und zerrt mich mit Gewalt wieder in die Gegenwart. Sophie packt meinen Arm und schleift mich Richtung Ausgang. Ich befreie mich sofort und sehe sie verständnislos an. Warum ist sie so sauer? „Was meinst du damit?“ „SP-924 versucht mit allen Mitteln deine Aufmerksamkeit zu gewinnen. Er will dich in seinen Bann schlagen und dazu verleiten ihn frei zu lassen. Einige meiner jüngeren Assistenten sind bereits darauf reingefallen und haben beinahe mit ihrem Leben bezahlt.“ „Du scheinst ihn ja nicht gerade zu mögen“, stelle ich fest. Ihr Blick verrät mehr als tausend Worte. „Er ist eine Schöpfung meines Lehrers Professor Sven Reinhold. SP-924 wurde bereits vor 10 Jahren gezüchtet und ist einer der wenigen erfolgreichen Zusammenstellungen. Durch seine Langlebigkeit hat er leider auch eine unglaubliche Intelligenz entwickelt und versucht neuerdings auszubrechen“, erklärt sie mir. „Und warum kannst du ihn nicht ausstehen?“, will ich wissen. Sie wirkt auf mich kühl und gefasst, aber innerlich kocht es regelrecht in ihr. Das weckt meine Neugierde. Sie zuckt mit den Schultern und wirft einen misstrauischen Blick nach hinten. Die Bestie beobachtet uns mit zusammengekniffenen Augen. Das Lichtspiel hat nachgelassen und auf einmal wirkt er nicht mehr einsam und bemitleidenswert, sondern verschlagen und berechnend. Eine Gänsehaut überkommt mich. Diese Bestie hat mich reingelegt. Mistvieh! „Professor Reinhold und ich haben ihn gemeinsam groß gezogen. Damals war er noch normal und gehorsam. In den letzten beiden Jahren aber hat er sich verändert.“ „Ist er deshalb hier? Ich meine, laut deinem Unterricht müssten sich doch die ausgereiften Bestien in ihrem Territorium aufhalten.“ „Ja und Nein. SP-924 zeigt zwar einige Anomalien in seinem Verhalten, aber diese sind nicht der Grund für seinen Aufenthalt. Er ist hier im Labor aufgewachsen und sieht dieses Becken als sein Territorium an. Mein Lehrer und sein Master haben schon vor neun Jahren versucht ihn umzusiedeln, doch er wäre uns dort beinahe eingegangen. Seit dem lebt er praktisch hier.“ „Achso. Verrätst du mir seine Zusammensetzung?“ Sophie schüttelt verneinend den Kopf. „Der Master hat um Geheimhaltung gebeten.“ „Schade.“ Wir beobachten ihn eine Weile schweigend. Dabei fällt mir wieder auf, dass er Sophie nicht aus den Augen lässt. „Er scheint dich aber sehr zu mögen.“ Mir wird bewusst, dass sie meiner Frage ausgewichen ist. „Warum hasst du ihn so sehr?“, hake ich noch einmal nach. Alle guten Dinge sind drei. Sie seufzt abermals. Ihre Augen nehmen einen traurigen Blick an. „Früher habe ich mich sehr um SP-924 gekümmert. Ich habe für eine bestmögliche Ausbildung gesorgt, hin und wieder habe ich mich auch in das Labor geschlichen, um mit ihm zu spielen. Mein Lehrer wusste davon, tat aber so, als ob er nichts bemerken würde. Ich war damals noch jung und unerfahren in der Aufzucht der Bestien. Meine damalige beste Freundin besuchte ihn auch regelmäßig, um mit ihm zu trainieren. Ihr Vater hatte SP-924 zu ihrem 18. Geburtstag züchten lassen.“ Sophie legt eine kurze Pause ein. Jetzt würde wohl der Kern der Geschichte kommen. Gespannt halte ich die Luft an. Was war damals passiert? „Das Training verlief reibungslos. Sein Zustand blieb stabil und meine Freundin war mit dem Ergebnis sehr zufrieden. Er erfüllte seine Aufträge vorbildlich und es gab nie Gehorsamkeitsprobleme. Doch vor zwei Jahren begann er plötzlich mich eindringlicher zu beobachten. Seine Blicke wurden intensiver, ja fast aufdringlich. Am Anfang habe ich dem nicht viel Beachtung geschenkt, doch als er dann begonnen hatte die Befehle seiner Herrin zu missachten und nur noch versuchte meine Aufmerksamkeit zu erregen, wurde es mir bewusst. Irgendetwas war wohl in seiner Erziehung schief gelaufen und zeigte sich erst nach einigen Jahren.“ Sophie holt tief Luft und lässt ihren Blick wieder zu der Bestie schweifen. Mir kommt es nicht so vor, als ob sie ihn wirklich hassen würde. Tiefes Bedauern und bittere Enttäuschung trifft wohl eher ihren Gefühlszustand. „Ich weiß nicht was diese Veränderung plötzlich ausgelöst hat und warum diese abnormalen Verhaltensweisen erst so spät auftreten, aber SP-924 wurde mit der Zeit immer aggressiver und eigenwilliger. Er probierte immer neue Techniken aus, um mich anzulocken und meine gesamte Aufmerksamkeit in Beschlag zu nehmen. Natürlich ist seiner Herrin das nicht entgangen. Wie es nun mal so ist gibt sie mir die Schuld an dem ganzen.“ „Und du gibst ihm die Schuld, weil eure Freundschaft darunter leidet?“ „Nein. Die Freundschaft hatte sich eh über die Jahre gelöst. Da trifft ihn keine Schuld. Aber vor ungefähr einem halben Jahr da ...“ Sophie schluckt und wickelt ihre Arme schützend um ihren Körper. Ich lege ihr in einer beruhigenden Geste eine Hand auf die Schulter. Sie wirkt auf einmal so zerbrechlich. Ein Schatten ihrer Selbst. „Du brauchst es mir nicht zu erzählen. Es tut mir leid, wenn du dich gedrängt gefühlt hast.“ Ein schwaches Lächeln trifft meinen Blick. Ich erwidere es. „Nein. Es tut gut mit jemanden darüber zu reden. Leider muss ich zugeben, dass ich außer dir niemanden habe dem ich derart vertrauen würde.“ Sie schluckt noch einmal und sieht mich gespannt an. Ich fühle mich geschmeichelt. Vor allem, da wir uns erst seit ein paar Tagen kennen. „Danke“, bringe ich stockend raus. Sophie lächelt mich an und sammelt ihre Gedanken: „Im April schwamm er bewegungslos am Grunde des Beckens. Ich dachte, dass er plötzlich gestorben sei und war vollkommen geschockt. Also habe ich seinen Master angerufen und ihr davon berichtet. Sie kam sofort in das Labor und sprang, ohne meine Warnung zu beachten, ins Wasser um ihre Bestie heraus zu holen. Das war ziemlich waghalsig. Vor allem da Sp-924 in letzter Zeit diese Anomalien aufgewiesen hatte. Aber ich glaubte, dass diese Anomalien eben auch ein Zeichen dafür waren, dass sein Leben langsam zu Ende ging. SP-924 öffnete dann aber plötzlich seine Augen und attackierte sie. Er schlang die Arme und Beine um ihren Körper und zog sie nach unten“ berichtet Sophie mit zitternder Stimme. Vor ihren Augen scheint sich die ganze Szene noch einmal abzuspielen. Ihre Finger krallen sich in ihren Körper und sie wirkt total aufgelöst und angespannt. „Vor lauter Panik wusste ich mir nicht anders zu helfen als hinter ihr her zu springen. Sofort ließ SP-924 sie los und griff mich an. Er umschlang meinen Körper und presste mich ganz fest an seine Brust“, zitternd holt sie Luft. „Manchmal spüre ich in meinem Schlaf noch seine klammernde Umarmung und sein hämmerndes Herz. Ich bekomme dann immer wieder das Gefühl als ob ich ersticken würde.“ Sie schluckt und mein Herz blutet. Es muss echt ein Schock gewesen sein solch einer Situation gegenüber zu stehen, ohne einen Ausweg zu haben. Nach einer kurzen Pause setzt sich fort: „Vor lauter Angst war ich wie gelähmt. Ich dachte ich müsse sterben.“ Sophie sieht mir direkt in die Augen und ich erkenne ihre Todesangst. Doch dann klärt sich ihr Blick langsam und sie runzelt verwirrt die Stirn. Ihr Atem beruhigte sich etwas. „Er hatte wohl bemerkt, dass ich zu ertrinken drohte und brachte mich an die Oberfläche. Ich rang nach Atem und blickte SP-924 tief in die Augen. Da machte er etwas, was mich zutiefst überraschte.“ Wieder eine Pause. Ich bemerke, wie sich Sophies Haltung entspannt. Sie lässt ihre Arme sinken und sieht mit gerunzelter Stirn zum Becken des Übeltäters. „Was hat er denn gemacht?“, frage ich ungeduldig. „Er hat seinen Mund auf meinen gelegt!“, meint sie empört. Ich muss selbst erst einmal verdauen, was sie mir gerade erzählt hat. Wie es scheint, hatte die Wasserbestie krampfhaft versucht Sophies Aufmerksamkeit zu gewinnen. Sie war sogar soweit gegangen, dass sie ihren eigenen Master angegriffen hatte, nachdem sie ihren Tod vortäuschte. Und das ganze Theater nur wegen eines Kusses? „Einige Soldaten kamen und befreiten mich und seinen Master. Wir waren beide sehr überrascht und wussten nicht wie wir mit SP-924 weiter verfahren sollten. So etwas hatte es noch nie gegeben. Wir wollten ihn aber auch nicht einschläfern. Er ist dafür viel zu wertvoll. Immerhin lebt er bereits seit 10 Jahren“, beendet sie ihren Bericht. Wir schweigen. Diese Geschichte wirft ein ganz neues Licht auf die Bestie. „Glaubst du, dass er in dich verliebt ist? Hat er sich vielleicht deshalb so verhalten?“ „Unsinn!“ Sophie wendet sich wieder ab und verlässt den Raum. Ich folge ihr eilig. Gemeinsam gehen wir zurück zum Gang der zu meinem Quartier führt. Erst glaube ich, dass mich die Wissenschaftlerin los werden will, doch als wir in ein anderes Zimmer einlenken, wird mir bewusst, dass sie nach einer ruhigeren Ecke sucht. Dieser Raum hier ähnelt meinem, wirkt aber viel gemütlicher und wohnlicher. Ein einzelnes Bett steht in der Ecke und ist mit einer Vielzahl an Kissen bestückt. In der Mitte thront eine riesige Couch mit grünem Lederbezug. Ich lasse mich darauf nieder und versinke in dem weichen Polster. Sophie gießt uns ein Glas Wein ein und stellt es mit der Flasche auf dem Couchtisch ab. Sie bemerkt meinen verwunderten Blick. „Das hier ist mein Zimmer. Ich wohne hier während meiner Arbeitszeit.“ Ich nicke und genehmige mir einen Schluck von dem teuren Wein. Er rinnt köstlich meine Kehle herab und wärmt mich von innen auf. „Ich habe mich mit meinem Onkel beraten“, führt sie unser vorangegangenes Gespräch fort. „Auch er kann sich nicht erklären, warum sich SP-924 derart verändert hat. Er war bei der Züchtung beteiligt gewesen und bis vor kurzem der Meinung, dass SP-924 ein gelungenes Experiment gewesen sei.“ „Was habt ihr jetzt mit ihm vor?“ „Seit dem Vorfall hat sich die Bestie beruhigt. Sein Master hat ihn sehr streng bestraft. Er beobachtet mich zwar immer noch eindringlich, doch ich bin vorsichtiger geworden. Gebe ihm keine Chance mehr meine Aufmerksamkeit zu gewinnen. Ich zeige ihm deutlich, dass ich kein Interesse mehr an ihm habe. Auch sein Master hat seitdem kein rebellierendes Verhalten mehr festgestellt und SP-924 erfüllt die gestellten Aufträge ohne Probleme. Er hat seine Lektion wohl gelernt.“ Eine Frage dringt in mein Bewusstsein: „Können Bestien sich verlieben? Ich meine, ihr gebt ihnen ja menschliche DNA, da könnten sie doch auch diese Eigenschaft von uns übernommen haben, oder? Außerdem gibt es ja auch welche die sich mir uns unterhalten können und sich wie normale Menschen mit uns austauschen.“ Sofort kommt mir da die Ziege mit Hose in den Kopf. Auf mich wirkte sie von Anfang an eher wie ein mutierter Mensch, als wie ein einfaches Tier auf zwei Beinen. „Theoretisch eigentlich nicht. Bestien sind unfruchtbar. Es gibt zwar männliche und weibliche Exemplare, sie können sich aber nicht fortpflanzen. Darum besitzen sie keinen Paarungsdrang und suchen auch nicht nach geeigneten Partnern. Ihnen fehlen die entsprechenden Hormone. Nur dank der Chromosomen können wir ihr Geschlecht unterscheiden. Rein äußerlich sind sie sich sonst recht ähnlich. Die Bestien, die eher an einen Menschen erinnern können sich zwar auf einer logischen Ebene mit uns unterhalten, beweisen aber nur so ihre Anpassungsfähigkeit und Neugierde. Sie wirken zwar intelligent und könnten so für einen Menschen gehalten werden, sind aber im Grunde dennoch eher wie Tiere. Das heißt, dass auch sie keine Tendenzen zur menschenähnlichen Emotionen besitzen, wie Trauer, Wut, Neid oder Freude und Lust.“ „Ist es denn schon mal vorgekommen, dass sie sich zu sehr zu einem Menschen hingezogen fühlten, als es nach euren Maßstäben normal wäre?“ Liam und sein aggressives Verhalten Caleb gegenüber kommt mir in den Sinn. Er ist eindeutig Eifersüchtig. Aber laut Sophie wäre er nicht in der Lage dies zu fühlen. Ich verstehe einfach nicht, wie sie sich da so sicher sein kann. Das widerspricht Sophies Ausführungen. Ich erinnere mich auch noch zu gut an seinen lüsternen Blick, als er mich unbekleidet beobachtet hat. Eine Gänsehaut überkommt mich. „Dieses Verhalten hat eher etwas mit der Prägung zu tun. Manche Tierarten prägen sich kurz nach ihrer Geburt auf ihre Eltern. So kann es schon einmal vorkommen, dass sich auch Bestien auf einen bestimmten Menschen prägen. Aber wir versuchen genau aus diesem Grund dafür zu Sorgen, dass sie ihren Master wählen und sichern so eine noch höhere Gehorsamkeitsrate. Bei SP-924 waren wir erfolgreich gewesen. Kurz nach seinem Erwachen prägte er sich auf seinen Master und folgte ihr aufs Wort. Darum ist seine plötzliche Verhaltensänderung um so merkwürdiger.“ Ich leere mein Glas und lasse mir von Sophie nach schenken. Also gibt es wirklich gar keine Möglichkeit, dass SP-924 sich einfach nur in Sophie verliebt haben könnte? Bloß weil irgendwelche Hormone fehlen? „Aber sein Blick sagt etwas ganz anderes“, spreche ich meinen Gedanken laut aus. „Wie meinst du das?“, fragt mein Gegenüber verständnislos. Ich rutsche mit einem Bein auf die Couch und wende meinen Oberkörper zu Sophie, um ihr besser ins Gesicht sehen zu können. „Ihr wachst scheinbar alle mit den Bestien auf und seht in ihnen nur die Tiere die ihr züchtet. Aber ich habe in Liam oftmals menschliche Augen erkannt. Er besitzt den Verstand eines Menschen und verhält sich auch oft dementsprechend. Diese Augen habe ich auch bei der Ziege oder deiner Wasserbestie bemerkt. Dieses Wesen sieht dich nicht wie ein aufgebrachtes Tier an, sondern wie ein Mensch, das nach Anerkennung und Aufmerksamkeit sucht. Er ähnelt einigen Jugendlichen, die nach Zuwendung förmlich schreien. Woher wisst ihr denn überhaupt, dass die Bestien nur wie Tiere denken und handeln? Immerhin pflanzt ihr ihnen menschliche Gene ein. Vielleicht sind sie uns ja doch ähnlicher als ihr glaubt. Vor allem wenn sie in der Lage sind mit uns zu kommunizieren. Ob nun verbal oder nonverbal.“ Sophie ringt mehrmals sichtlich nach einer Erwiderung. Meine Theorie scheint sie zu überraschen. Sie wird blass und traut sich kaum mir in die Augen zu sehen. „Ich erzähle dir das jetzt im Vertrauen“ flüstert sie mir sehr leise zu. Ich muss mich anstrengen, um ihre Worte zu verstehen. „Du erinnerst mich sehr an meinen Lehrer. Er hatte da eine Theorie. Diese stieß bei dem Rat nur auf taube Ohren, weshalb er sie für sich behielt. Er war der Meinung gewesen, dass bei der Zusammenfügung der Gene manchmal ungeahnte Verknüpfungen entstehen und so menschenähnliche Bestien gezüchtet werden, auch wenn sie rein äußerlich vollkommen animalisch wirkten. Wir können zwar bereits die meisten genetischen Verbindungen voraussagen und die wichtigsten Anlagen bestimmen, aber in einigen Fällen entstehen immer noch unvorhergesehene Eigenschaften. Wir stehen auch noch am Anfang bei der Erforschung der Entwicklung des Gehirns und der Empathie. So wissen wir nicht welche Synapsen sich bilden können und wie lernfähig oder einfühlsam die Bestien wirklich sind. Mein Lehrer nahm an, dass es in ganz geringen Fällen möglich sein könnte, dass wir eine Kreatur mit einem menschlichen Gehirn erschaffen, dass auf dem Niveau eines Teenagers oder Jugendlichen steht.“ Diese Information lässt mich an dem ganzen hier mächtig zweifeln. Es ist ethisch schon schwer zu verstehen, wie Menschen auf die Idee kommen können mit ihrem eigenen Erbgut herum zu experimentieren und diese mit den Genen der Tiere zu verbinden. Wie können wir es uns da wagen diese neue Rasse als dumm einzustufen, nur weil die Menschheit sie entwickelt hat? Hosted by Animexx e.V. 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