Snow White and the Huntsman - Blacksmith's Legacy von Jadis (Die Tochter des Hufschmieds) ================================================================================ Kapitel 6: Kapitel 6 ~ Erkenntnis --------------------------------- It's a long way and it's come to claim her And I always say, We should be together Okay, ich gab's zu. Ich hatte mich verlaufen. Ich sah keine Blauen Berge mehr und auch von den Isana-Wäldern fehlte jede Spur. Ich war die ganze Nacht durchgelaufen, hatte nur einmal kurz angehalten um nach einem Sturz die Wunden an meinen Handflächen zu versorgen. Jetzt dämmerte es bereits und ich bezweifelte, dass ich mein Ziel erreichen, geschweige denn jemals wieder den Weg zurück finden würde. Zu allem Übel hatte ich jetzt auch noch richtig Pech und es begann fürchterlich zu regnen. Ich konnte keine zehn Meter weit sehen, mein Haar klebte strähnig an meiner Haut und Wasser lief mir unangenehm kalt den Rücken hinab. Meine Schuhe quietschten bei jeder Bewegung und schon bald musste ich mich regelrecht durch aufgeweichten Waldboden kämpfen. Vor lauter Frustration, Angst und Erschöpfung hätte ich laut schreien können, doch ehe ich mich versah, zog es mir einen unvorsichtig gesetzten Fuß unter den Beinen weg und ich wurde kopfüber nach oben gerissen. Mein Nacken knackte protestierend, als mein Körper durch die Luft wirbelte und ich unsanft gegen einen Baumstamm knallte. Erbost schrie ich meinen Unmut über die Falle und über meine Dummheit in die Welt, sodass sich meine Stimme überschlug und ich hustend und weinend, traurig an einem Ast irgendwo im Nirgendwo baumelte. »Okay«, beruhigte ich mich selber wieder und bemerkte das unschöne Gefühl, dass mir das Blut in den Kopf schoss. »Jetzt nur nicht die Nerven verlieren.« Ich würde ja wohl aus einer blöden Falle wie dieser hier raus kommen. Schließlich musste ich immer noch die Zwerge finden. Am liebsten schon gestern. Ich gab mir alle Mühe mein Gewicht nach oben zu hieven, meine Bauchmuskeln waren jedoch zu untrainiert und konnte nur ein paar Sekunden an dem Knoten zerren, der meinen Fuß gefangen hielt. »Wir haben etwas gefangen«, verkündete urplötzlich eine Stimme wie aufs Stichwort aus dem Regen und ich blinzelte hastig Wasser aus meinen Augen, versuchte meinen Kopf so zu halten, dass ich besser sehen konnte. »Es ist nur eine Frau«, sagte eine andere Stimme enttäuscht und zahlreiche kleine Gestalten traten schwer bewaffnet in mein Blickfeld. Mir wurde schlagartig bewusst, dass ich gar keine Waffe bei mir trug. Es war mir aber egal, als ich die Zwerge als solche erkannte. Mir fiel ein Stein vom Herzen. Nein, ein ganzes Gebirge. »Endlich habe ich euch gefunden«, freute ich mich und strahlte über das ganze Gesicht, während mich bärtige Gesichter grimmig ansahen. »Ich brauche dringend eure Hilfe. Ein Freund ist verletzt und-« »Schweig still, Weib!«, wurde ich angekeift und sah mich plötzlich einem langem Jagdmesser gegenüber. Ich war so erschrocken, dass ich augenblicklich die Klappe hielt. »Darf ich sie töten?«, fragte ein Zwerg aus der hinteren Reihe und ich horchte auf. »Hier wird niemand getötet«, sagte der Zwerg mit dem Messer. »Wir warten bis der Chef hier ist. Er entscheidet.« Zustimmendes Gemurmel machte die Runde, während ich mich daran erinnerte, dass Eric gesagt hatte, sie würden mich einen Kopf kürzer machen, wenn sie mich finden würden. Oh je... Eric! »Ich brauche wirklich dringend eure Hilfe!«, versuchte ich es erneut, bekam jedoch einen Schlag in die Magengegend verpasst und japste nach Luft. »Sei ruhig, oder ich schneide dir die Zunge raus!« »Vielleicht sollten wir sie runter holen«, sagte ein nicht ganz so verbissener Zeitgenosse mit rotem Haar und sah mich neugierig an. »Ihr Kopf sieht aus, als würde er gleich platzen.« Und das wäre sicherlich kein schöner Anblick, fügte ich in Gedanken hinzu. »Wir sollten sie töten und ihre Haare verkaufen«, kam die Stimme aus der hinteren Reihe wieder. Flüstern wurde lauter, als ein alter Zwerg, geführt von einem jüngeren aus der Menge trat. Das war dann wohl der Chef. Und ich würde schon bald erfahren, wie er entscheiden würde. »Tut was Gus sagt«, meinte er mit rauer Stimme und Messer wurden gezogen. Moment mal. Wer war eigentlich Gus?!? Panisch sah ich wie ein Messer auf mich zugeflogen kam. Ich kniff reflexartig die Augen zusammen, schützte meinen Körper mit meinen Armen und wartete auf den Schmerz. Er kam nicht. Zumindest nicht auf die Art und Weise, die ich erwartet hatte. Ich fiel, als das Messer die Halterung des Seils durchtrennte und landete kopfüber im Schlamm. Danke, Gus! Ich kam auf die Beine, wischte mir den gröbsten Schmutz aus dem Gesicht und sah, wie mich acht Zwerge umrundeten und ihre Waffen auf mich richteten. »Sie ist schön«, bemerkte Gus nebenbei und steckte als einziger seine Waffe weg. »Was führt dich hierher?«, fragte nun der Chef an mich gewandt und ich sah zu ihm. Er war alt. Ich war mir sicher, dass er in seinem Leben schon einiges gesehen hatte. Aber jetzt nicht mehr, denn er war blind. »Sie sagt, sie braucht unsere Hilfe«, verriet ein Zwerg, der bis gerade eben noch gar nichts gesagt hatte und der Chef hob um Stille bittend die Hand. »Bitte«, ergriff nun ich das Wort. »Mein Begleiter und ich wurden von Spähern der Königin angegriffen. Er wurde vergiftet und brauch dringend einen eurer Heiltränke. Hier...« Ich suchte nach den Silbermünzen in meinen Taschen und sofort wurden Waffen höher gerissen. »Das ist alles was ich habe. Ihr müsst mir helfen, bitte.« »Sie hält Silbermünzen in den Händen und ist in die Knie gegangen«, flüsterte der Begleiter des alten Zwerges ihm zu. Er war sein Auge. »Warum sollten wir dir helfen?«, fragte der Alte, während der Regen weiter auf uns nieder prasselte. »Er ist eh schon tot«, hörte ich eine Stimme unter dem Gemurmel der anderen Zwerge heraus und glaubte zu verzweifeln. »Weil ihr die Zwerge seid«, flüsterte ich und glaubte, dass dies alles beantwortete. »Ihr seid tapfer und weise. Ihr beschützt die Schwachen und bekämpft die Ungerechten. Ich habe immer an euch geglaubt. Bitte sagt mir, dass die Geschichten aus meiner Kindheit keine Lügen waren. Bitte...« Ja, ich flehte. »Sie weint«, sagte das Auge, während ich im Matsch nach vorn krabbelte und mich arg zusammenreißen musste, um nicht seine Stiefel zu küssen. »Liebst du ihn?«, fragte der Alte so leise, dass nur Auge und ich es hören konnten und ich sah mit geröteten Augen nach oben. Seine blassen Augen schienen meine zu durchbohren. Ich antwortete nicht, tat dies jedoch auf eine sehr bezeichnende Weise. Dann hob ich meine Hand, griff nach seiner und legte alle Münzen hinein. »Hm«, machte er und nickte anerkennend, dann gab er mir die Münzen zurück und ich ahnte das Schlimmste. »Gebt ihr, was sie brauch.« Was? Enttäuschtes Gemurmel machte sich unter den anderen Zwergen breit. Sie hatten sich wohl schon darauf gefreut, dass heute ein Kopf rollen würde. »Duir?«, fragte der Alte in die Menge und ein junger Zwerg mit Axt trat aus der Masse. »Wir hätten sie töten sollen«, hörte ich ihn frustriert sagen und erkannte seine Stimme als diejenige wieder, die meinen Tod die ganze Zeit gewollt hatte. Ich versuchte ihn böse anzusehen, war jedoch zu erleichtert über die angebotene Hilfe, während ich dankend einen kleinen Beutel von Gus entgegennahm und meine triefende Nase an meinem Ärmel abwischte. »Duir, du wirst sie begleiten«, sagte der Alte und Duir schien über diesen Befehl genauso begeistert zu sein wie ich, denn er sah mich missbilligend an, meinte jedoch: »Geht klar, Boss.« Er schulterte seine Axt, machte kehrt und verschwand ohne ein Wort im Regen. Ich beeilte mich auf die Beine zu kommen. »Danke. Vielen, vielen Dank!«, rief ich noch und hechtete bereits Duir hinterher. Der wartete lässig an einen Baum gelehnt auf mich. »Wo geht’s lang?«, fragte er gelangweilt und ich sah mich um. Äh... naja... also... Duir verdrehte genervt die Augen und suchte nach meinen Spuren. »Du wärst so aufgeschmissen ohne mich.« Im Stillen stimmte ich ihm zu, während er gefunden zu haben schien was er gesucht hatte. »Los, hier lang!« Ich wäre beinahe über meine eigenen Füße gestolpert, als er sich in Bewegung setzte und ich ihm folgte. »Danke, Duir«, sagte ich artig und er drehte leicht seinen Kopf in meine Richtung, fast so, als würde er sich vergewissern wollen, ob ich wirklich zu ihm gesprochen hatte. Er grunzte nur und stapfte weiter. ~ Zu meinem Glück schien sich Duir im Wald gut auszukennen. Er folgte meinen Spuren selbst über Bäche und Flussläufe hinweg. Hätte ich die Zwerge nicht gefunden und wären sie nicht auch noch gewillt gewesen mir zu helfen, dann wäre ich wohl für immer verloren gewesen. Und Eric ebenso. Der Regen hatte aufgehört. In dieser Gegend sah es sogar so aus, als hätte es überhaupt nicht geregnet. Ich hatte im Gefühl, dass wir bald da sein würden. Doch ich hatte echt Angst was wir an der Stelle vorfinden würden, wo ich Eric zurückgelassen hatte. »Hättest du mich wirklich getötet?«, fragte ich aus einer Laune heraus und um mich abzulenken. »Natürlich«, antwortete Duir ohne zu zögern und kämpfte sich mit seinen kurzen Beinen einen Hang hinauf. Er schien zu Schmunzeln, als wir die Stelle erreicht hatten, wo ich ein paar Stunden zuvor über eine Wurzel gestolpert war. Was der alles in den Spuren lesen konnte... »Ich töte gerne Frauen.« Ich verzog angewidert das Gesicht. Das durfte doch nicht wahr sein. Duir blieb stehen und wandte sich einem kahlen Busch zu. »Geh weiter, ich muss mal pinkeln.« Mir platzte der Kragen. »Jetzt hör mir mal zu!«, schrie ich, ging auf ihn zu und in der Ferne stieg ein Vogelschwarm aufgescheucht in den Himmel, während sich mein ausgestreckter Zeigefinger in Duirs Brust bohrte. »Du bewegst deinen kleinen, fetten Zwergenhintern jetzt sofort weiter oder ich reiß dir den Kopf ab und stecke ihn dir in die Nase!« Noch während ich darüber nachdachte, dass dies anatomisch überhaupt nicht möglich war, spürte ich Duirs Axt an meinen Rippen und verstummte. »Wie meinen?«, fragte er gedrückt und ich ließ die Schultern hängen. »Wieso seid ihr so geworden?« »Was meinst du?« »Einst wart ihr stolz, aber heute seid ihr nur noch Gauner und Trinker und träumt von den vergangenen Tagen. Was ist passiert?« Duir ließ seine Axt sinken. »Ja, einst war alles anders. Wir waren ein stolzes Goldgräbervolk, weil nur wir das Licht im Dunkeln sehen konnten. Als wir aus den dunklen Höhlen zurückkehrten, war da nichts mehr. Das Land starb. Jeder war fort... oder tot.« Ich wusste nur zu gut wovon er sprach. Der Monat indem der König starb. »Bitte«, appellierte ich an ihn. »Wir müssen uns beeilen. Eric könnte sterben.« »Eric?«, platzte es plötzlich aus Duir heraus und sein kleines, dickes Gesicht wurde so rot wie glühende Kohle. »Der Huntsman?« Ich bekam große Augen, blickte verschämt nach unten, während ich an meinem Haar herum nestelte und sagte: »Nein?« Verdammt. Wieso hatte es wie eine Frage geklungen? Ich konnte noch nie gut lügen. Duir fluchte hemmungslos, hieb seine Axt in einen nahe stehenden Baum, trampelte Sträucher nieder und spuckte wild durch die Gegend. Ich wich ängstlich zurück, als er auf mich zu trat. Er musste sich stark beherrschen, um klar sprechen zu können. Wut verzerrte noch immer sein Gesicht, als er nun mit dem Zeigefinger auf mich zeigte... oder vielmehr auf meinen Bauchnabel. »Ich werde jetzt gehen«, verkündete er und ich wollte widersprechen, traute mich aber nicht. »Und wenn ich dir einen Rat geben darf, dann solltest du das Gleiche tun. Wahrscheinlich ist er eh schon verreckt und Futter für die Raben, was uns eine Menge Ärger ersparen wird.« Ich schluckte bitter, als er sich immer noch schimpfend abwandte. »Warte«, rief ich. »Ohne dich finde ich die Lichtung nicht wieder.« Duir blieb jäh stehen und zeigte genervt hinter mich. »Sie ist genau vor deiner Nase, du blindes Huhn!« »Danke«, sagte ich mich eilig umblickend und in Bewegung setzend. »Hey!«, hielt Duir mich noch einmal auf und ich sah fragend zurück. »Jeder von uns würde sein Leben geben, um wieder der zu sein, der er einst war.« Ich nickte langsam, er ebenfalls, dann verschwand er und ich legte das letzte Stück bis zur Lichtung in Windeseile zurück. Auf das Schlimmste vorbereitet trat ich aus den Baumreihen hervor. Mein Herzschlag setzte für einen Moment aus, als ich Eric am Boden liegend vorfand und zu ihm hastete. Vielleicht schlief er ja nur. »Hey«, schrie ich ihn regelrecht an, zerrte an seinem Kragen und hievte ihn in einer Kraftanstrengung in eine sitzende Position. Gegen den Findling gelehnt, kippte sein Kopf nach vorn gegen seine Brust. Ich griff nach seinem Gesicht, strich Haare aus seiner Stirn und lehnte seinen Kopf gegen den Fels. »Wach auf, wach auch, wach auf, bitte wach auf!« Ich gab ihm eine Ohrfeige, die mir sofort leid tat, aber er rührte sich dennoch nicht. Atmete er überhaupt noch? Ich hielt meine Finger unter seine Nase und atmete einigermaßen erleichtert auf, als ich einen leichten Luftzug spürte. Dann riss ich den Beutel auf, den mir die Zwerge gegeben hatten, kippte den gesamten Inhalt vor mir auf den Boden und war total überfordert. Fläschchen, Blätter, Kräuter, Verbände, Tränke. Wie sollte ich was benutzen? Eine Anleitung wäre echt super gewesen. Instinktiv öffnete ich eine der Flachen, schnupperte daran und entschied, dass es wohl für die innere Anwendung gedacht war. Also führte ich das Glas an Erics Lippen, redete ihm gut zu und schüttete den Trank so gut es eben ging in seinen Rachen. Ich wischte die Tropfen die daneben gegangen waren mit dem Finger weg und widmete mich nun seinem Arm. Der Geruch eines weiteren Tranks kam mir seltsam bekannt vor. Dies führte dazu, dass ich ihn auf die Wunde träufelte, Kräuter und Blätter darüber und einen festen Verband anlegte. Schließlich begutachtete ich die dunklen Striemen und wurde an seinem Halsansatz fündig. Gut, sie hatten das Herz noch nicht erreicht. Auf allen Vieren krabbelte ich zu dem achtlos liegen gelassenen Mantel, nahm ihn an mich und krabbelte zurück. Es war kalt geworden. Vorsichtig schob ich Erics Arm beiseite, kuschelte mich an seine Seite, legte meinen Kopf auf seine Brust und seinen Mantel über uns. Erst jetzt bemerkte ich, wie erschöpft ich eigentlich war. »Es tut mir leid«, nuschelte ich gegen sein Lederwams und hoffte, dass die Medizin der Zwerge ihn retten würde. »Es war meine Schuld. Verzeih mir.« Ich weinte leise, während mich seine sich langsam auf und ab bewegende Brust in den Schlaf wiegte. ~ Ende des 6. Kapitels ~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)